Am Dienstag wird die Printausgabe der Lingener Tagespost -mehr als vier Tage nach dem Online-Artikel– über eine Initiative unserer Wählergemeinschaft „Die BürgerNahen“ berichten. Darin zitiert sie u.a. eine Pressesprecherin der Stadtverwaltung. Die sagt tatsächlich: Wegen eines BN-Antrags müsse man das Inkrafttreten des Last-Mile-Logisti-Konzepts  vier Wochen aufschieben. Die Aussage passt nicht zum Dienstag, aber zum 1. April. Als ob eine BN-Initiativ angesichts der Mehrheitsverhältnisse in unserer Stadt so eine Wirkung haben könne. Eine Wirkung hat schon eher, das Verabriegeln der Innenstadt mit zahlreichen Pollern oder Pöllern, die die Bewohnerinnen und Bewohnern ratlos dastehen lässt und im Ordnungsamt der Stadt die Telefone heißlaufen, weil die Betroffenen nicht mehr zu ihrer Wohnung kommen und wenn sie -wie mein Neffe Felix am letzten Wochenende- umziehen, dann erst einmal mehr als 20 Euro zahlen müssen, um dafür eine Genehmigung der Stadtverwaltung zu erhalten, sofern denn ab Donnerstagmittag noch jemand im Rathaus erreichbar war.

Doch worum geht es bei dem Projekt überhaupt? Die Lingener Tagespost hat das von OB Krone zu verantwortende Durcheinander bereits kritisch kommentiert. Und die BürgerNahen haben auf ihrer Website die Probleme deutlich weitergehend so beschrieben:

>> Die Mitglieder der BürgerNahen im Stadtrat haben den Umgang mit der „Belieferung der letzten Meile“ in Lingens Innenstadt auf die Tagesordnung des Wirtschafts- und Grundstücksausschuss‘ am 03. April 2024 setzen lassen: Über dDas as Konzept „Belieferung der letzten Meile“ ist zu beraten, lautet der Beschlussvorschlag und es soll nun auch endlich eine Bürgerversammlung zu den geplanten Veränderungen stattfinden. Denn, so die BN, bisher ist das Projekt keineswegs rund, und es droht zu einer großen Belastung für die Lingenerinnen und Lingener zu werden, die in der Innenstadt leben und arbeiten.

Hintergrund:

Durch das Programm „Zukunftsräume Niedersachsen“ wurde 2021 das Projekt „Last-Mile-Logistic-Hub“ der Stadt Lingen (Ems) für eine Förderung ausgewählt. Erste Maßnahme des Projektes war die Durchführung einer Machbarkeitsstudie durch die Hochschule Osnabrück am Campus Lingen, inwieweit City-Logistik-Maßnahmen möglich sind. Anschließend war, so die Projektkurzbeschreibung, der Austausch mit Kooperationspartnern, Unternehmer:innen, Einzelhändler:innen „und weiteren Personen“ zu alternativen Logistikansätzen geplant.

Nach eigener Aussage will die Stadt Lingen mit dem neuen Projekt „Last-Mile-Logistic-Hub“ ein nachhaltiges und smartes Logistikkonzept für die sogenannte „letzte Meile“ im Warenlieferverkehr entwickeln. „Unser Ziel ist eine Reduzierung des Warenlieferverkehrs in der Innenstadt, insbesondere in der Fußgängerzone, aber auch in Wohngebieten. Hier wollen wir auch im Sinne einer guten Aufenthaltsqualität handeln“, wird der Oberbürgermeister zitiert.

BN: Alle aus der Innenstadt einbinden!

Nach Ansicht der Mitglieder der BN-Fraktion im Lingener Stadtrat kann aber die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt nicht allein für deren Besucher ausschlaggebend sein. Vielmehr sollen nun endlich alle Aspekte und Auswirkungen durch die geplante Projekteinführung beleuchtet und vor allem auch mit allen Menschen abgestimmt werden, die in der Innenstadt arbeiten, leben und wohnen. „Es geht um ihre Lebensqualität“, sagt BN-Fraktionsvorsitzender Robert Koop, der selbst im Zentrum unserer Stadt wohnt und arbeitet.

Worum geht es?

Als letzte Meile („Last Mile“) wird das letzte Wegstück beim Transport von Waren und Paketen zur Haustür des Kunden bezeichnet. Es ist also das letzte Glied in der Supply Chain. Die letzte Meile stellt für Dienstleister, Logistiker und vor allem für Kurier-Express-Paket-Dienstleister („KEP“) eine große Herausforderung dar – typischerweise beträgt der Anteil der Kosten für die letzte Meile etwa 2/3 der Gesamtkosten von Paketdiensten. Mit steigenden Paketvolumen nimmt auch das Verkehrsaufkommen, insbesondere in den Städten zu. Durch eine gezielte Tourenoptimierung können Fahrten angepasst werden, als Alternative gibt es die Zustellung an Paketshops, Packstationen und Paketschließfächer.

gts-systems.com Glossar: Was ist Letzte-Meile-Logistik/Last Mile Logistics

In der Begründung des aktuellen BN-Antrags heißt es daher: Die gewachsene Struktur der Lingener Innenstadt ist zentraler Punkt für Wohnen wie Tourismus und insbesondere für die Wirtschaft/Einzelhandel. Sie ist nämlich gerade nicht bloß ein Konstrukt von Einkaufsstraßen des Einzelhandels und darf daher nicht als solche behandelt werden. Grundlegende Veränderungen müssen vielmehr für alle Betroffenen verträglich und mit besonderer Rücksicht auf die in der Innenstadt lebenden und arbeitenden Menschen eingeführt und begleitet werden.

Bisher hat jedoch keine Informations- oder Diskussionsveranstaltung für die in der Innenstadt lebenden und arbeitenden Lingenerinnen und Lingener stattgefunden. Nach Aussage der Stadtverwaltung war dies auch nie geplant. Dieses Vorgehen kritisieren die BN scharf.

Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Planen, Bauen und Mobilität vom 28. Februar 2024. Markiert ist die Textpassage "Eine Einwohnerversammlung sehe er (Herr Erster Stadtrat Schreinemacher) als nicht hilfreich, da dieses aufgrund der sehr unterschiedlichen Interessenlagen problematisch sei."

Weiter zeigt der BN-Antrag auf. welche zahlreichen Punkte ungeklärt sind: 

  • Umgang mit Eilsendungen und Zustellungen, wie bspw. Kurier- und Expresssendungen
  • Zugang von und zu Handwerkern, Dienstleistungsunternehmen, Arzt- und Apothekenbesuchenden und “Markthändlern“,
  • Umgang mit ERROR-Routing für Sendungen an private Adressen,
  • Nutzung, Ergänzung und Ausbau der existierenden Micro-Hubs,
  • Möglichkeiten für Versandunternehmen mit Sitz im skizzierten Gebiet,
  • Einbindung und Bau des Leitprojektes 2 „Am Wall-Ost – Mehr als ein Fahrradparkhaus“,
  • Verlagerung von Komplettladungen in die verkehrsschwachen Tagesrandzeiten – “aktiv steuern“,
  • Verbesserung der verkehrlichen Situation für Lastenfahrräder und den Fahrradverkehr insgesamt bei gleichzeitiger Reduzierung von Kfz-Verkehr und Ausnahmegenehmigungen,
  • Paket- und Servicestation in der Innenstadt als Anlaufpunkt zur Paketaufgabe und -abgabe,
  • Private Lieferungen, Speditionslieferungen, Taxiverkehr und Umzüge,
  • Zugang und barrierefreie Erreichbarkeit von Arztpraxen, Apotheken, Kirchen, Bildungseinrichtungen und Bargeld-Infrastruktur,
  • Motorisierte Lieferfahrzeuge im Zentrum müssen ausnahmslos durch Elektro-Kfz ersetzt werden,
  • Anspruch und Zugang zu Schlüsseln für Steckpoller und Absenkmöglichkeiten für E-Poller,
  • Unbürokratische, kostenfreier 24/7-Zugangsmöglichkeit für Bewohnerinnen und Bewohner im Einzelfall und Prüfung der straßenrechtlichen (Teil-)Einziehung.

Die BN sehen daher das Projekt als gefährdet, und fordern die Stadtverwaltung auf, nötige Umstellungen und Änderungen harmonisch und vor allem erst dann einzuführen, wenn die Einwohnerinnen und Einwohner der Innenstadt demokratisch beteiligt worden sind. Der weitere Projektablauf ist endlich konkret und nachvollziehbar darzulegen, wie der weiteren Aussage in der Machbarkeitsstudie entsprochen werden kann: “Ausnahmeregelungen für diverse Seitenthemen müssen gefunden und geregelt werden”. Das fehlt bisher nämlich völlig.

Das Konzept, so die BN, kann und darf daher erst in Kraft treten, wenn dies alles erfolgt und in den politischen Gremien ausgewertet worden ist.

Zudem sehen die BürgerNahen erhebliche und weit über den Einzelhandel hinausgehenden Auswirkungen des „Konzeptes ‚Belieferung der letzten Meile‘“ auf alle Bewohnerinnen und Bewohner sowie alle Menschen, die die Lingener Innenstadt besuchen, dort arbeiten, leben, einkaufen und hier Zeit verbringen. Aus diesem Grund soll sich der Rat der Stadt die Beschlussfassung hinsichtlich ihrer Einführung wie ihrer Ausgestaltung der „Belieferung der letzten Meile“ vorbehalten, wie es § 58 Abs. 3 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz  ermöglicht. Beantragt hat die BN daher ebenfalls, diesen Beschluss in der nächsten Ratssitzung am 25. April 2024 auf die Tagesordnung zu setzen.


Eine Einleitung von mir und dann ein  Crosspost der bnlingen.
Foto: (C) s. Blogbeitrag  vom 22.04.2010

Zum 1. März erhöhen die Stadtwerke Lingen erneut die Preise für Gas und Storm. Vergleiche zeigen, dass im herkömmlichen Energiemarkt andere Versorger deutlich (!) preiswerter sind. Ganz im Gegensatz zur Anti-Wärmepumpen-Kampagne konservativer und rechter Kreise und Medien sind auch neue Entwicklungen deutlich günstiger als behauptet.

Der Einbau einer neuen Wärmepumpe beispielsweise ist mit den von der Bundesregierung beschlossenen neuen Fördersätzen zum Teil wesentlich günstiger als eine neue Gasheizung. Das zeigt eine aktualisierte Modellrechnung des WWF Deutschlands. „Fossile Heizungen kosten gleich zweifach: Sie heizen die Klimakrise an und belasten die Portemonnaies der Verbraucher:innen“, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland.

Seit dem 1. Januar gilt das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit Regelungen für den Heizungstausch. Begleitend wurde die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) angepasst. Beim Heizungstausch können mit Grundförderung, Geschwindigkeitsbonus und Einkommensbonus nun drei verschiedene und kombinierbare Förderkategorien zum Einsatz kommen, die in der Modellrechnung der Prognos AG im Auftrag des WWF Deutschlands berücksichtigt wurden. In allen Berechnungen ist die Wärmepumpe die langfristig günstigere Alternative – und das sogar in einem vergleichsweisen sehr ineffizienten Gebäude.

Im Detail zeigen die Beispielrechnungen: Allein die Grundförderung macht die Wärmepumpe bereits wettbewerbsfähiger als eine Gasheizung. Durch Grund- und Geschwindigkeitsbonus lassen sich mit einer Wärmepumpe mehr als 600 Euro im Jahr gegenüber einer Gasheizung einsparen. In Kombination mit einer PV-Anlage sind es sogar 975 Euro pro Jahr. Mit dem zusätzlichen Einkommensbonus, den ein großer Teil von Gebäudeeigentümer:innen bekommt, beträgt die jährliche Ersparnis rund 840 Euro. In der Kombination mit einer PV-Anlage können über 1.200 Euro jährlich gespart werden. So könnten über die Nutzungszeit von nur 15 Jahren über 21.600 Euro eingespart werden. „Die Wärme- und Energiewende sind zusammen lösbar und sollten auch zusammen gedacht werden, das bietet Chancen für den Klimaschutz und Verbraucher:innen“, so Raddatz.

Die Verpflichtung, dass ab 2029 durch die Beimischung von Biomethan schrittweise fossiles Erdgas ersetzt werden soll, wird die Gasheizung nicht rentabler machen – im Gegenteil. Allein durch die Beimischung von Biomethan entstehen Mehrkosten von durchschnittlich etwa 250 Euro im Jahr bzw. über 3.700 Euro über die betrachtete Laufzeit im Vergleich zu einer reinen Erdgasheizung. „Ein bisschen Bio kann ein Fossil nicht nachhaltig machen, weder fürs Klima noch fürs eigene Budget. Sinnvoller ist daher, gleich auf eine wirklich nachhaltige Option zu setzen“, so Raddatz.

Das gilt auch beim Thema Wasserstoff und Holz. Wasserstoff ist nur wirklich sauber, wenn er aus Erneuerbaren gewonnen wird. Allerdings ist dieser grüne Wasserstoff kurz- wie mittelfristig ein rares Gut, das vor allem anderen Bereichen vorbehalten sein sollte, in denen es keine besseren Alternativen gibt, wie in der Industrie. Gasheizungen, die potenziell auf Wasserstoff umrüstbar sind, können sich somit ebenfalls schnell als Kostenfalle entpuppen.

Mit Holz zu heizen – ob Scheitholz oder Pellets – ist übrigens keineswegs klimaneutral: Bei der Verbrennung von Holz wird das vom Baum zuvor gebundene CO2 freigesetzt. Da die in Holz gespeicherte Energie geringer ist als in Kohle und Erdgas, wird bei der Holzverbrennung bis zu doppelt so viel CO2 freigesetzt, um die gleiche Wärmemenge zu erhalten. Schon heute sind die Wälder in Deutschland und global außerdem übernutzt – mit entsprechend verheerenden Konsequenzen für die Biodiversität. Zunehmend werden Wälder eher zur CO2-Quelle, als CO2-Speicher zu sein.

„Die Umsetzung der Wärmewende liegt nun überwiegend in der Hand der Haus- und Wohnungsbesitzer und -besitzerinnen. Sie brauchen klare Informationen und unabhängige Beratung. So wird auch deutlich: Wer heute klimafreundlich handelt, handelt auch wirtschaftlich vernünftig“, sagt Raddatz.

Zum Papier: https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Klima/Hammer-Heizungs-Deal-2-0.pdf


Quelle: WWF

0,5%-Initiative

13. Januar 2024

Zu den aktuellen Hochwasserproblemen hat jetzt in Niedersachsen auch der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) Stellung genommen. Der Verband fordert, dass durch die Revitalisierung von Auen entlang der Flüsse „aus Hochwasser wieder Breitwasser“ gemacht werden müsse.

Angesichts der Hochwasserkatastrophe von 1997 an der Oder mit 39 Todesopfern hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) erklärt: „Wir müssen den Flüssen
ihren Raum lassen. Sie holen ihn sich sonst — mit schlimmen Folgen für die betroffenen Menschen — zurück.“

Umweltverbände hatten schon lange zuvor gefordert, dass man die Revitalisierung der Auen durchsetzen müsse. Bei jedem neuen „Megahochwasser“ – wie 2002 an der Elbe, 2013 an der Donau und 2021 an Ahr, Erft und Wupper – war sich die Politik einig, dass dazu dem Hochwasserrückhalt in der Fläche ein Vorrang eingeräumt werden müsse. Bis auf wenige Deichrückverlegungen und beispielhafte Projekte zur Revitalisierung von Flussauen ist aber in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig passiert. Inzwischen wird in Fachkreisen die Notwendigkeit nicht nur von „Schwammstädten“, sondern von ganzen „Schwammlandschaften“ diskutiert – ebenfalls eine Forderung, die von Umweltverbänden seit weit mehr als einer Dekade erhoben wird. Aber auch die Realisierung von „Schwammstädten“ mit möglichst hoher Rückhaltekapazität für Regenwasser kommt aus der Nische nicht heraus.

Um endlich in die Breite zu kommen, schlägt der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) deshalb vor, nach Schweizer Vorbild in den deutschen Kommunen „0,5-Prozent-Initiativen“ ins Leben zu rufen. Es geht dabei darum, jährlich 0,5 Prozent des Straßenraums und der Parkplätze zu entsiegeln und mit Bäumen zu bepflanzen. Damit
würde der Weg zur „Schwammstadt“ verbindlich, quantifizierbar und messbar.

BBU-Vorstandsmitglied Udo Buchholz erklärt: „In vielen deutschen Städten steht in den nächsten Jahren der Ausbau der Fern- und Nahwärmenetze an. Wenn deshalb die Straßenbeläge sowieso aufgerissen werden, können gleich im Anschluss zeit- und kostensparend in passenden Straßenabschnitten Bäume gepflanzt werden. Das wäre nicht nur ein Beitrag zur Realisierung des Schwammstadt-Konzeptes, sondern auch der längst fällige Beitrag zu mehr Klimaschutz, Stadtgrün, Verkehrswende, sauberer Luft, Abschattung und Kühlung sowie urbaner Artenvielfalt.“

Konsequenzen ziehen

10. Januar 2024

Die extreme Hochwasserlage ist nahzu vorbei, doch der NABU fordert bereits jetzt, notwendige Lehren aus der Katastrophe zu ziehen und die weitere ungebremste Versiegelung von Böden durch Bauvorhaben zu stoppen, mehr Retentionsflächen zu schaffen und Waldflächen mit hohem Wasserspeichervolumen nicht – auch nicht für regenerative Energien – abzuholzen.

„Seit den letzten großen Hochwasserereignissen ist zwar schon einiges passiert. Deiche wurden errichtet oder ertüchtigt und Retentionsräume wurden geschaffen,“ stellt Gerhard Busmann, Vorsitzender des NABU-Regionalverband Emsland/ Grafschaft Bentheim fest. „Doch wie wir nun sehen mussten, haben die Bemühungen noch nicht ausgereicht, um dem Klimawandel und den damit verbundenen Witterungsextremen zu begegnen,“, so der Umweltschützer. Außerdem seien in den vergangenen Jahren noch riesige Flächen außerhalb der gesetzlichen Überschwemmungsgebiete für Bauvorhaben ausgewiesen und versiegelt worden, die nicht nur kein Wasser mehr aufnehmen können, sondern selbst Regenwasser ableiten und so die Situation noch verschärfen.

„Nun ist jede Kommune aufgerufen, ihre aktuellen Planungen zu überdenken und alles zu tun, um Versiegelungen zu vermeiden, mehr Retentionsflächen zu schaffen und Wälder, die ein hohes Wasserspeichervolumen besitzen, zu erhalten,“ so Busmann. „Das betrifft in besonderem Maß auch die aktuellen Planungen von Windenergieanlagen in Waldflächen. Und auch Projekte wie der geplante vierstreifigen Ausbau der E233, der zu über 600 ha mehr versiegelter Fläche, Verlust an Gehölzen, nachweislich mehr Verkehr und damit zu einer Klimabelastung führt, gehören gestoppt“. Auch jeder einzelne Hausbesitzer könne dazu beitragen, die Hochwassergefahr zu verringern, indem er seinen Garten mit naturnahen Staudenpflanzungen statt mit Schotterbeeten versieht und anfallendes Regenwasser direkt auf dem Grundstück versickert, appelliert der NABU.

Update:
In Lingen hat gestern die SPD planerische  Konsequenzen aus dem Ems-Hochwasser gefordert, weil  „die Ems an Teilabschnitten knapp  bis unter die Deichkrone gestiegen ist und darüber hinaus in Ufernähe der Grundwasserspiegel stark gestiegen ist, so dass sich kleine „Seen“ gebildet haben“.

Ich hatte dazu in einer Antwortmail dem CDU-Fraktionschef Uwe Hilling, der ein Dankeschön des Rates für die freiwilligen Hochwasser-Einsatzkräfte vorgeschlagen gefordert, dies müsse um eine inhaltliche Debatte ergänzt werden. Diese müsse sich neben der direkten Schwachstellen-Analyse vor allem auch mit den Auswirkungen auf die Stadtplanung befassen. Die SPD will einzelne Konsequenzen bereits jetzt ziehen. Sie fordert darin die Aufgabe von Baugebietsplanungen in Holthausen/Biene, Darme und im alten Stadtgebiet.

Dabei ist die von der SPD geforderte Aufgabe des B-Planes 104 besonders bedeutsam. Die vom Investor Wessmann erworbenen Flächen des ehemaligen Bauernhofs Reiners südlich der Lindenstraße sind davon betroffen. Auch der in Holthausen/Biene in der Aufstellung befindliche Bebauungsplan 117 Südlich Prozessionsweg soll nicht weiter verfolgt werden; seine Aufstellung hat beispielsweise die BürgerNahen gleich in mehreren Fraktionssitzungen beschäftigt. Dort nämlich soll eine durch den bisherigen B-Plan vermeintlich gesicherte öffentliche Grünfläche in Bauland umgewandelt werden, weil die Eigentümer des nahe gelegenen Hof Schulte dies fordern, weil sie dort Baugrundstücke erhalten wollen; sonst würden sie ihren (aufgegebenen) Resthof nicht für ein geplantes Mehrgenerationen-Wohnen zur Verfügung stellen. Den B-Plan haben die BürgerNahen als einzige abgelehnt – auch wegen der festgestellten Hochwasserproblematik.
Das Grundstück „ehemals Schröer“ (Foto rechts)  soll, so die SPD, ebenfalls nicht mehr bebaut werden. Es liegt zwischen Ems und Dortmund-Ems-Kanal an der Straße „Zwischen den Brücken“ und ist ebenfalls hochwassergefährdet.

Die kommunalpolitische Entwicklung ist spannend, ob sie aber auch nachhaltig ist, darf man  skeptisch beurteilen.

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Quelle: PM/NABU
Foto oben:  LNGNCity / Emsbrücke in Schepsdorf am 29.12.2023 (c)

Wo ist OB Krone?

30. Dezember 2023

Heute Abend berichtete die Sendung „Hallo Niedersachsen“ über die Evakuierung der Siedlung Horstweg/Maiknechtstraße im Lingener Stadtteil Reuschberge. Vor der Kamera und im Gespräch mit den wohl zu recht empörten Betroffenen stellte sich Stadtbaurat Lothar Schreinemacher. Wo aber war und ist OB Dieter Krone? Seit einer Woche ist er abgetaucht und wurde nur am Donnerstag kurz gesehen, als er sich mit einem roten Erkundungswagen der Feuerwehr Lingen zu einigen Brennpunkten fahren ließ. Ein seltsames Verhalten.

Wie helfen wir den Betroffenen? Bautrockner und Stromzuschüsse sind das eine, Hilfe beim Ersatz beschädigten Inventars das andere. Unsere finanziell gut dastehende  Kommune sollte den Betroffenen ihre materiellen Verluste zu einem Großteil ersetzen. Auch die lokalen Elektro- und Möbelhändler könnten sich solidarisch zeigen.  Ich denke darüber und über die anderen Versäumnisse muss sehr bald in den städtischen Gremien gesprochen werden. 

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Emshochwasser-Update

30. Dezember 2023

Wir, schreibt das Online-Portal lngncity auf Instagram, haben noch nie so viel Wasser in der Ems gesehen! Es veröffentlicht dazu ein Foto der Schepsdorfer Brücke, das zeigt, wie wenig Platz für das Wasser unter der Brücke ist (Foto unten). Lngncity: „Drücken wir die Daumen dass die Pegelstände bald wieder fallen.“

Das tun sie inzwischen. Nach dem Höchststand von 6.95m am Pegel Lingen-Darme am Donnerstagmittag ist der Wasserstand dort inzwischen auf 6,57m (1.45 Uhr) gesunken – das sind fasr 40 cm oder anders rund 1 Zentimeter in der Stunde. Entwarnung zu geben, ist aber trotzdem verfrüht; denn erneut sind starke Niederschläge angekündigt. Die Meteorologen erwarten für die kommende Woche aktuell „50 bis 100 l Regen pro Quadratmeter“ in Niedersachsen.

Derweil gibt es in Lingen erste Debatten um Schlussfolgerungen aus dem Rekordhochwasser. Nach der Überflutung der Sportplätze des SV Holthausen/Biene wird die Frage gestellt, ob die drei Plätze des Landesligisten am Biener Busch Bestand haben. Sind außerdem neue Baugebiete in Bereichen richtig, die bei starkem Hochwasser überflutet werden? Auch das ist eine Frage, die man vor allem in Holthausen/Biene stellen muss oder auch auf den ehemals landwirtschaftlichen Flächen des Hofes Reiners an der Lindenstraße vor der Schepsdorfer Emsbrücke.

Daneben fragen sich auch manche, wo eigentlich OB Dieter Krone ist. Ist er krank oder war er in Urlaub? Am Donnerstag ließ er sich  schließlich einen „roten“ Erkundungswagen der Lingener Feuerwehr bereit stellen, um eine Woche nach Beginn der Hochwasserwelle Brennpunkte in Lingen anzufahren. Das wird schöne Fotos geben, wirft aber auch die Frage auf, ob der OB seit Weihnachten überhaupt in Lingen war. Erst gestern meldete Sued-Ems-Media dann: „Oberbürgermeister Dieter Krone hat sich ein Bild der aktuellen Lage gemacht.“ Na bitte!

Daneben stellt sich vor allem die Frage: Warum gab und gibt es kein wahrnehmbares Krisenmanagement? So bekamen von Evakuierungen Betroffene – wie es gestern Abend auf Twitter (jetzt X) hieß- ohne Vorbereitung „aus dem Nichts die Anordnung“, nun raus zu müssen. Bis  heute bekommen sie auch keine Antworten darüber, wie es weitergeht und vor allem wie lange die Evakuierung noch dauert. Insgesamt sind knapp 150 Personen evakuiert, die sich auch laut „Lingener Tagespost“ von heute längst über fehlende Hilfe der Stadtverwaltung beklagen.

Gesperrt sind im Emsland wegen des Hochwassers aktuell folgende Straßen
B 402 zwischen Abzweig Drope und B 213 Haselünne
Landesstraßen im Emsland
Die Landesstraße (L47) zwischen Meppen und Rühle ist  in beiden Richtungen gesperrt.
Die Landesstraße (L48) ist wegen Hochwassers in beiden Richtungen gesperrt. Betroffen ist der Abschnitt zwischen Wachendorf und Dalum. Eine Umleitung ist eingerichtet.
Die Landesstraße (L53) zwischen Niederlangen und Lathen ist in beiden Richtungen wegen Überflutung gesperrt.
Die Landesstraße (L48) ist ab Altenlingen Richtung A 31 gesperrt.
Die Emsstraße (L 58) ist zwischen Emsbüren und Helschen in beiden Richtungen gesperrt.
Die Osterbrocker Straße (L 67) ist zwischen Bawinkel und Lingen, Ortsteil Clusorth-Bramhar in beiden Richtungen  gesperrt.
In der Stadt Lingen sind aktuell sind folgende Straßen gesperrt:
Emsstraße, Horstweg, Beversundern, Hövelweg, Meschweg, Dalumer Straße, Achteresch, Im Kamp Hoog, im Lägermarsch, Honlenwehrstraße, Prozessionsweg, Bookhofstraße, Zwischen den Brücken, Potcampstraße, Maiknechtstraße, Südeschstraße, Hagenstraße, Zum Biener Busch. Die Aufzählung ist nicht abschließend, und es beruhigt auch nicht, dass die städtische Liste einzelne Straßen falsch schreibt oder dass in der lingen.de-Übersicht aktueller Baustellen und Straßensperrungen in Lingen das Hochwasser und die Straßensperrungen überhaupt nicht vorkommen.

Übrigens:
BN-Ortsratsmitglied Manfred Kunst aus der Straße Im Lägermarsch in Holthausen/Biene lebt inzwischen, wie er sagt, „auf einer Hallig“ und hat Besuch. Eine ganze Reihe Fasane hat sich nämlich ebenfalls auf Manfred Kunst‘ Hallig geflüchtet und leistet ihm Gesellschaft. „Es geht mir gut“, sagte mir der Senior des Ortsrats Holthausen am Donnerstag. Auf dass es so bleibe, Manfred.


Foto: LNGNCity Emsbrücke in Schepsdorf (c)

Hochwasser und Fußball

29. Dezember 2023

Land unter gibt es für den SV Holthausen/Biene am heimischen Sportplatz Biener Busch. Während sich das Landesliga-Team des Vereins beim Hallenfußballturnier des TuS Lingen („Hegger+Krüssel-Cup“) problemlos für die Hauptrunde qualifizierte, ist das Heimstadion aufgrund des Emshochwassers vielleicht auf lange Zeit nicht zu nutzen. Weil es ohnehin am dortigen Naturschutzgebiet nur mit einer befristeten Ausnahmegenehmigung errichtet ist, werden die Verantwortlichen der Stadt prüfen (müssen), ob es dort überhaupt weitergehen soll oder ob der Verein umzieht.

In der Lingener Kiesberghalle herrschte derweil eine großartige Stimmung unter den 350 Fans des Hallenfußballs. Neben dem Turnierfavoriten aus Holthausen/Biene (17 Tore in drei Spielen, keine Gegentreffer) qualifizierten sich Concordia Emsbüren, SuS Darme und das TuS-Allstar-Team (Foto unten) für die Hauptrunde am morgigen Samstag. Heute greifen ab 17 Uhr mit dem ASV Altenlingen, SV Langen und Olympia Laxten drei Bezirksligisten in das Turniergeschehen ein.

Nachtrag von der FB-Seite des TuS Lingen:
„Gruppe Kuzka“
Gleich zu Beginn setzten sich hier die TuS Allstars mit 2:1 gegen Emsbüren durch und legten damit den Grundstein für den Gruppensieg. Denn in der Folge gelang der Elf von Jan Zevenuizen ein abwechslungsreiches Remis gegen Meppen sowie ein Abschlusssieg gegen Laxten. Mit 7 Punkten schnappten sich die Allstars Rang 1. Dahinter kamen die Concorden ins Ziel – mit zwei Erfolgen. Teuer verkaufte sich die Drittvertretung aus Meppen, die nach einem Auftaktsieg gegen Laxten, das besagte Remis gegen die Allstars holten und dann, in einem Endspiel um das Weiterkommen, nur knapp gegen Emsbüren unterlagen. Weniger erfolgreich war Olympia Laxten, die dreimal unterlagen. Doch für Laxten ging es an diesem Tag ohnehin nicht nur um Fußball. Es war schön, dass der Verein zu Gast war! Das kann man gar nicht hochgenug anrechnen. Danke.
„Gruppe Advanced Nuclear Fuels“
Bärenstark zeigte sich Turnierfavorit Holth./Biene. Während das Hochwasser den Biener Busch unter Wasser setzte, ließ sich die Elf nicht aus der Ruhe bringen und fuhr drei gegentorlose Siege in der Vorrunde ein. 17:0 lautetet das Torverhältnis der Blau-Weißen am Ende. Auf Rang zwei lief SuS Darme ein. Dabei gelang den Lokalmatadoren gleich zu Beginn ein durchaus souveränes 3:0 gegen Baccum. Weil sowohl Darme als auch Baccum gegen den TuS gewannen, war dies das entscheidende Duell zum Weiterkommen. Keinen guten Tag erwischte unsere TuS Elf, die alle drei Partien verlor, sich aber ordentlich präsentierte.

Sonntag, Advent und Regen. Also können wir über Segregation nachdenken. Das ist  die räumliche, soziale und oft gesetzlich verankerte Trennung von Menschen nach bestimmten Merkmalen, wie Rasse, Geschlecht, Religion, ethnischer Herkunft oder sozioökonomischem Status. Diese Praxis kann sowohl auf individuellen Vorurteilen als auch auf institutionellen Strukturen basieren und führt zu einer ungleichen Behandlung und Chancenverteilung innerhalb einer Gesellschaft. Hier sind drei verschiedene Kontexte, in denen Segregation auftreten kann:

  1. Rassische Segregation:
    Historisch gesehen ist dies eine der bekanntesten Formen der Segregation, bei der Menschen aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Zugehörigkeit getrennt wurden. Ein berüchtigtes Beispiel ist die Apartheid in Südafrika, wo Gesetze die Trennung von Schwarzen und Weißen in öffentlichen Einrichtungen, Wohngebieten und Schulen vorschrieben.
  2. Geschlechtsspezifische Segregation:
    Diese Art der Segregation trennt Menschen aufgrund ihres Geschlechts. Sie kann in verschiedenen Bereichen wie der Arbeitswelt (zum Beispiel unterschiedliche Berufe für Männer und Frauen), im Bildungssystem oder bei öffentlichen Einrichtungen auftreten. Manchmal ist sie durch kulturelle Normen und nicht unbedingt durch Gesetze bedingt.
  3. natürlich die Armutssegregation:
    Diese Form der Segregation bezieht sich auf die Trennung von Menschen basierend auf ihrem sozialen und ökonomischen Status. Dies äußert sich oft in der geographischen Trennung, zum Beispiel in Form von Wohngebieten, die hauptsächlich von reichen oder armen Menschen bewohnt werden. Diese sozioökonomische Segregation führt schnell zu signifikanten Unterschieden in der Qualität von Bildung, Wohnbedingungen und Zugang zu Ressourcen.

So also wird Segregation definiert, und davon ist die Armutssegregation hierzulande mehr und mehr  Realität. Arme Menschen in Deutschland leben nämlich zunehmend in bestimmten Wohnvierteln – vor allem in ostdeutschen Städten und im Ruhrgebiet. In süddeutschen Städten geht der Trend dagegen zu mehr sozialer Durchmischung. Das sagt eine vorgestern vorgestellte Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Das Zentrum entwickelte nach eigenen Angaben mithilfe von Daten der Kommunalstatistik und der Bundesagentur für Arbeit eine soziale Landkarte der 153 größten deutschen Städte. Nebenbei: Lingen ist nicht untersucht worden, weil es zu klein ist. Aber eine Analyse würde schon die Mittelschichtsorientierung der kommunalen Politik offenbaren; da bin ich mir ziemlich sicher.

Zurück zur WZB-Studie: Untersucht wurde der Zeitraum von 2005 bis 2022. In dieser Zeit hat sich die Armutssegregation verschärft, also die ungleiche Verteilung von Menschen, die staatliche Transferleistungen beziehen. Die hat, so die WZB-Studie, besonders stark in Städten zugenommen, in denen bereits ein hohes Segregationsniveau erreicht worden sei. Dazu zählen nach Studienangaben Städte wie Schwerin, Halle (Saale) und Kiel.

Vor allem in ostdeutschen Städten habe sich die Armutssegregation zugespitzt und 2021 ein deutlich höheres Niveau als in den anderen Regionen erreicht. Der Abstand zwischen Plattenbausiedlungen einerseits und Innenstädten oder Vororten andererseits sei größer geworden.

Auch in norddeutschen Städten ist die Armutssegregation hoch, sie habe sich aber weniger dynamisch entwickelt, heißt es. In den Städten des Ruhrgebiets ist demnach von 2013 bis 2020 ein beständiger Anstieg zu beobachten – begleitet von einer wachsenden Armutsquote. Eine besondere Situation zeigen die süddeutschen Städte: Dort ist die ungleiche Verteilung von Armut rückläufig. Zum einen habe der wirtschaftliche Aufschwung dazu geführt, dass hier kaum Armutsquartiere entstanden seien. Zum anderen bedinge der angespannte Mietmarkt eine stärkere soziale Durchmischung.

In allen Städten zeigt sich laut Studie: Dort, wo besonders viele arme Menschen wohnen, leben auch besonders viele Menschen mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit. Vor allem in ost- und norddeutschen Städten sowie im Ruhrgebiet. Hier sei ab 2013 die Zuwanderung von Menschen aus dem Ausland besonders in die von Armut geprägten Stadtteile erfolgt. Bis 2013 habe es in den ostdeutschen Städten nur einen geringen Zusammenhang zwischen Ausländeranteilen und Armut gegeben.
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Quellen: KNA, Tagesspiegel, ARD, WZB

Eröffnung

28. August 2023

Heute eröffnet die Sparkasse Emsland ihr neues Gebäude am Lingener Marktplatz. Natürlich wird wieder gejubelt, aber es gibt auch Anlass zu inhaltlicher Kritik am Drumherum wie am Gebäude selbst. Die äußere ich hier, weil es sonst ja keiner tut oder mag oder kann.  

Schon vor Jahren fand ich den in diesem Beitrag oben wie unten abgebildeten Entwurf von Max Dudler gelungener, architektonisch anspruchsvoller und weniger Bank; ich räume dabei ein, dass ich seit der Dudlerschen Diözesanbibliothek in Münster Fan des Dudler-Stils bin.

Zur Erinnerung und bevor alles in dem so typisch emsländischen Großartig & Einzigartig ertrinkt:

Die Baustelle der Sparkasse legte 30 Monate das Umfeld lahm, weil sie doch nicht umgebaut sondern abgerissen wurde und selbst heute am Eröffnungstag ist die Bauerntanzstraße noch gesperrt, weil irgendwelche Stromleitungen erst in zwei Wochen umgelegt werden. Da dürfen die betroffenen Anlieger und Anwohner dann gern warten. Nahezu ohne Vorgaben verkaufte die Sparkasse ihr bisheriges Gebäude an einen Investor, der ab Ende September weitere mindestens 18 Monate Bauzeit mit Lärm, Dreck und Abschneiden der kleinen Betriebe drumherum folgen lässt, wenn selbiger die jetzige Sparkasse umbaut. Dabei fördert die Stadt Lingen diesen Umbau sogar mit mindestens 750.000 Euro bis einer Million (genau weiß man das noch nicht), und steigert so aus Steuergeldern erst einmal die Rendite des neuen Investors.

Dem aber hat schon längst die Lokalzeitung gleich mehrfach jubelnd die Absolution erteilt, weil es ein regionaler Investor sei und das sei doch einfach nur großartig. Derart Oberflächliches gibt es nur hier in der Provinz. So als ob der regionale Investor nicht alles herausholen würde, was herauszuholen ist. Wesentliche Teile des neuen Gebäudes sind längst an Finanzinvestoren verkauft bzw von diesen reserviert. Wohnungen kosten 5.000 Euro und mehr pro Quadratmeter plus 10% Nebenkosten für Makler, Steuern und Bank, Notar und Gericht. Irgendwelche öffentlichen Vorgaben gibt es bei all dem nicht. Es geht allein um Euro und hohe  Rendite.

Auch die großen Platanen rund um den Fabeltierbrunnen sorgen künftig an heißen Tagen nicht mehr für etwas Kühle. Sie werden vielmehr „entnommen“. Stattdessen werden dort  Betonkübel mit mageren Büschen platziert. Und auch der heute in Betrieb genommene Neubau kommt völlig ohne Grün aus. Das muss man 2023 erst einmal schaffen…

Dabei verzichteten die Sparkasse wie die Stadt Lingen auf jegliche soziale Komponenten beim Weiterverkauf, was in den 1980er Jahren Voraussetzung dafür war, die einstigen städtischen Flächen überhaupt an die Sparkasse zu verkaufen. Das alles ist schnurzpiepegal geworden und wird von den lokal Jubelnden gekonnt ignoriert.

Kommen wir zum Architektonischen. Auch da ist nicht alles überzeugend: Entstanden ist ein Gebäude, über dessen Formensprache die interessierte Lingener Öffentlichkeit gerade debattiert. Entstanden ist etwas kirchenartiges, etwas „Wir-bauen-eine-Bank-Herkömmliches“ und das reicht nicht an den Entwurf des renommierten Schweizer Architekten Max Dudler (Foto lks) heran, der damals den ersten Platz bei dem von der Sparkasse durchgeführten Architektenwettbewerb belegte. Dieser Wettbewerb sollte übrigens an der Stadt Lingen völlig vorbeigehen. Erst im allerletzten Moment erklärte sich das Meppener Institut nach deutlichem Druck aus der Kommunalpolitik bereit, mit dem Lingener Stadtbaurat und dem Oberbürgermeister jedenfalls zwei lokale Vertreter im Preisgericht mitwirken zu lassen. Nach dem Wettbewerb bekam am Ende das Büro B-Werk und nicht Max Dudler den Zuschlag. Also: Emsland statt Schweiz. Nicht erst jetzt fragen sich interessierte Lingener:innen, warum eigentlich?

Zur Erinnerung darf man gern einen Blick auf die Website von Max Dudler werfen und dies lesen:

SPARKASSE

Standort Am Markt 2, 49808 Lingen
Bauherr Sparkasse Emsland
Verfahren Wettbewerb, 1. Preis

Der Entwurf verleiht der Sparkasse Emsland ein erkennbares Gesicht in der Stadt Lingen. Der Bestand wird in ein zeitgemäßes Gebäude transformiert, das die kleinteilige historische Altstadt spiegelt und sich mit ihr verwebt. Das große Volumen wird in sieben giebelständige, sich wiederholende Bauglieder aufgebrochen und schließt so an die Maßstäblichkeit der umgebenden Bebauung an. Impuls für die Kubatur sind die giebelständigen Satteldach-Häuser, die den innerstädtischen Kern Lingens prägen. Ihre traditionelle Struktur wird auf eine minimalistisch gehaltene Urform des Hauses zurückgeführt. Wie aus einem Guss werden Fassade und Dach dabei im selben Klinker ausgeführt und verleihen dem Bau seine skulpturale Anmutung. Das helle geschlemmte Mauerwerk stellt die Verbindung zum architektonischen Umfeld auch in Materialität und Farbe her. Die an diesem Ort kontextlosen Fensterbänder der zwei Obergeschosse werden im Umbau durch eine differenzierte Rasterfassade mit raumhohen Fenstern ersetzt. Ihren Abschluss findet die Fassade jeweils im Giebel. Die Entwurfsidee der zurückspringenden zweiten Giebelreihe spiegelt gleichermaßen die vielfältige Dachlandschaft der Lingener Innenstadt mit ihren unterschiedlichen Satteldachausprägungen und zahlreichen Giebelgauben.

Wäre Max Dudlers Entwurf Realität geworden, wäre es dem Lingener Stadtbild weiß Gott nicht abträglich. Denn wie sagt es der Schweizer: „Wir halten nichts von Modeströmungen, die sich nur als kurzlebige Lösungen erweisen. Es ist einfach, ein Haus mit 100 beliebigen Details zu bauen. Wenn man nur auf 10 Details setzt wie wir, muss jedes Detail perfekt sein.“


Grafiken oben und unten: Max Dudler; Foto: Max Dudler in Frankfurt, GNU-gemeinfrei

Die Kahlschläger

18. August 2023

Es sind die fiesen Umweltsünden unserer Stadtverwaltung, die besonders ärgern. Aus einer Grünfläche wird über Nacht ein Parkplatz, obwohl sie geschützt ist, und auch hier in der Georgstraße und wenige Meter weiter der Schützenstraße stellt man einen markanten Unterschied zwischen vorher und nachher fest. Die Bäume sind weg:

Also hier die Georgstraße/Ecke Am Wulwer Esch: oben vorher oben und unten nachher:

Und hier die Schützenstraße, nahe Einmündung Georgstraße
oben vorher und unten nachher:

 

Keine Frage, dass natürlich niemand von den Kahlschlägern der Verwaltung seinen Plan in irgendeinem Gremium unserer Stadt vorgestellt hat. Er hätte sich ja rechtfertigen müssen, warum in Zeiten heftigen Klimawandels ausgerechnet Bäume durch Asphalt und Pflaster „ersetzt“ werden…

(Quellen: Apple Karten und google streetview und eigenes Foto)