Sicherheitsmaßnahme

6. Mai 2024

Der dann doch eher sehr skeptische Blick des Betreibers dieses kleinen Blogs auf die Bürokraten im öffentlichen Dienst dürfte der geschätzten Leserschaft bekannt sein. Jetzt habe ich eine Zuschrift aus dem Lingener Gymnasium Georgianum (Wappen re.) erhalten, und die befeuert meine nicht geringe Skepsis. Lest mal:

„Hallo Herr Koop,

ich kontaktiere sie anlässlich einer Sicherheitsmaßnahme, die an unserer Schule (Georgianum) angekündigt wurde und mich persönlich sehr verärgert hat. Möglicherweise ist es ja Stoff für ihren Blog?
Es geht drum, dass zukünftig alle Fenster in den Klassenräumen bis auf eines verriegelt werden sollen, sodass sie nur noch auf kipp gestellt werden können. Dies würde bedeuten, dass Stoßlüften unmöglich wird, was problematisch ist, da bei uns die einst angesprochenen Luftfilter nicht installiert wurden.
Nach etwa 20 Minuten im Klassenraum ist die Luftqualität bereits spürbar verschlechtert, was die installierten CO2-Ampeln auch bestätigen. Auch hat die Erfahrung gelehrt, dass dies sich in den vorgeschriebenen 5-minütigen Lüftungsphasen nur dann zufriedenstellend verbessert, wenn alle Fenster und die Tür komplett geöffnet sind. Bei milden Wetterverhältnissen lässt sich dies natürlich durch Dauerlüftung auf kipp auch erzielen, bei Kälte, Hitze, Wind oder Regen ist es aber bereits jetzt ein Kampf, für gute Luftqualität zu sorgen, da Schülerinnen sowie Lehrerinnen das Lüften überspringen, die Fenster sofort wieder schließen oder die CO2-Ampeln ausstöpseln oder sogar entfernen.
Somit wird wohl das Schließen der Fenster zu schlechterer Luftqualität in den Klassenräumen führen, was sich wiederum negativ auf die Gesundheit und Hirnaktivität auswirkt. Die Schutzmaßnahme scheint außerdem banal, zumal ein Fenster doch geöffnet bleiben soll.
Ich würde mich freuen, wenn sie dies aufgreifen könnten.
Freundliche Grüße
…“
Dass die wahrscheinlich auch noch sehr teure „Sicherheitsmaßnahme“ doch reichlich übertrieben ist, zeigt mir die 55jährige Geschichte des Schulstandortes an der Kardinal-von-Galen-Straße. Es hat in all den Jahrzehnten keine Unfälle mit den Fenstern gegeben. Und wer garantiert, dass es in der Zukunft nicht ausgerechnet an dem Fenster dazu kommt, das zu öffnen ist? Was also sollte man machen? Hat die Leserschaft Ideen? 

Per Erlass wollte Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Bündnis’90/Grüne) verhindern, dass weiter Rinder aus dem Bundesland nach Marokko transportiert werden. Vor dem Osnabrücker Verwaltungsgericht ist sie damit jetzt zum dritten Mal gescheitert. Die taz berichtet heute:

„Keine Chance für Niedersachsens Landwirtschaftsministerin: Seit ihrem Amtsantritt sucht ihr Ministerium nach Stellschrauben, um die umstrittenen qualvollen Lebendtiertransporte in bestimmte Drittländer zu unterbinden.

Seit Jahren sorgen die Transporte immer wieder für Schlagzeilen: Trächtige Kühe werden von Ostfriesland aus auf eine mehrtägige Reise geschickt, in LKWs zu den Verladehäfen am Mittelmeer gefahren, wo sie auf Frachter getrieben und in nordafrikanische Länder verschifft werden. Dort kommen sie mehr tot als lebendig an. Niedersachsen ist deshalb eine Drehscheibe für solche Transporte, weil die Milchviehhalter dort so ihre überzähligen Jungtiere loswerden. Auch andere Bundesländer wickeln ihre Transporte über Niedersachsen ab.

Im November hatte das Ministerium den Veterinärämtern einen Untersagungserlass zugestellt, mit dem die fragwürdigen Transporte für eine ganze Reihe von Zielländern unterbunden werden sollten. Auf der Liste: Ägypten, Algerien, Aserbaidschan, Irak, Iran, Jemen, Jordanien, Kasachstan, Kirgistan, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien, Tadschikistan, Tunesien, Turkmenistan und Usbekistan.

Dagegen hatte ein Exporteur geklagt, der trächtige Rinder nach Marokko verschiffen wollte. Im Eilverfahren hatte er zunächst Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht Osnabrück wies den Landkreis Emsland an, die Fahrtenbücher abzustempeln. Dagegen legte der Landkreis auf Weisung des Ministeriums Beschwerde ein. Doch auch diese wurde vom Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zurückgewiesen. Nun musste das Verwaltungsgericht Osnabrück noch einmal entscheiden, ob es ein Hauptsacheverfahren in der Sache zulässt.

Für den Rinderexporteur war die Sache eigentlich längst erledigt, die 105 trächtigen Rinder waren bereits nach Marokko transportiert worden. Das Ministerium wies den Landkreis Emsland jedoch an, auf einer weiteren gerichtlichen Klärung zu bestehen. Man erhoffte sich davon, dass – anders als im Eilverfahren – eine umfassende Beweiswürdigung stattfinden könnte. Doch darauf mochte sich das Verwaltungsgericht Osnabrück  nicht einlassen. Wie schon im Eilverfahren verwies es erneut darauf, dass die Transportgegner eine hinreichend konkrete Gefährdung des Tierwohls nicht nachgewiesen hatten.

Das Ministerium hatte vor allem…“

[weiter in der taz von heute]


Das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück (Aktz. 2 A 201/23) ist noch nicht rechtskräftig und kann binnen eines Monats nach Zustellung der Urteilsgründe mit der Zulassung der Berufung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht angefochten werden. (mehr…)


Ein Beitrag von Nadine Conti in der taz-Nord

Gerhard Kromschröder und Hermann Vinke sind die Protagonisten der Erinnerungsarbeit im Emsland und die Emslandlager. Ohne sie gäbe es die KZ-Gedenkstätte in Esterwegen nicht. Gestern haben sie sich in dem aktuellen Streit um den Ausschluss des DIZ aus der KZ-Gedenkstätte Esterwegen (mehr hier im Blog) zu Wort gemeldet und alle Beteiligten aufgefordert, sich an einen Tisch zu setzen, die Differenzen zu erörtern und auszuräumen und auf diese Weise sicherzustellen, dass die Gedenkstätte nicht insgesamt Schaden nimmt. 

Die öffentliche Aufforderung der beiden Journalisten hier im Wortlaut:

„Ein Leuchtturm gerät in Gefahr

Das Aktionskomitee DIZ Emslandlager nimmt die Kündigung eines Raumes in  der Gedenkstätte Esterwegen durch die Stiftung zum Anlass, eine seit Jahren geführte interne Auseinandersetzung an die Öffentlichkeit zu tragen. Damit gewinnt der Konflikt zwischen der vom Landkreis Emsland getragenen Gedenkstätte und dem zivilgesellschaftlichen Aktionsbündnis eine neue Stufe der Eskalation, bei der es am Ende nur Verlierer geben wird. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die Erinnerungsarbeit im Emsland dauerhaft Schaden
nimmt. 
 
Die Stiftung der Gedenkstätte wehrt sich gegen die zum Teil massiven Vorwürfe des DIZ, die nicht zum ersten Mal erhoben werden. Absehbar ist nicht nur ein lang andauernder öffentlich ausgetragener Konflikt, sondern auch ein juristischer Streit um die Sammlung der Gedenkstätte, die überwiegend vom Aktionskomitee zusammengetragen wurde und seit 2011 Bestandteil der Gedenkstätte ist. Der Ausgang eines Rechtsstreites bleibt ungewiss. Sicher ist
nur, dass beide Seiten weitere Energie vergeuden, statt ihrer eigentlichen Aufgabe nachzugehen.
 
Solche Aussichten lassen nur einen Schluss zu: Stiftung und DIZ sollten schnell  an den Verhandlungstisch zurückkehren, um das Miteinander in der Gedenkstätte einvernehmlich zu regeln. Das Aktionskomitee muss sich von dem Gedanken verabschieden, in der Gedenkstätte Esterwegen autonom walten und schalten zu können. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass dieses Nebeneinander nur zu Zank und Streit führt. Und der Stiftung obliegt es, dem zivilgesellschaftlichen Engagement genügend Raum zu geben, um daraus
zusätzliche Energie für die eigenen Aufgaben zu schöpfen.
 
Dieser Konflikt dauert schon viel zu lange: Außenstehenden ist der Streit nicht zu vermitteln, geschweige denn verständlich zu machen. Denn beide Seiten verfolgen dieselben Ziele mit den gleichen Methoden, und zwar die Verbrechen in den Emslandlagern aufzuarbeiten, damit sie nicht in Vergessenheit geraten, sondern für Gegenwart und Zukunft produktiv gemacht werden.  Der Zulauf zur AfD und der Vormarsch von Neonazis und Rechtsextremisten in ganz Deutschland, insbesondere aber in den ost- und mitteldeutschen Bundesländern, erzwingen geradezu ein Zusammengehen.
 
Die Gedenkstätte Esterwegen ist das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen, woran viele mitgewirkt haben,  vorrangig die Mitglieder und Akteure des DIZ. Ihr Engagement wurde vielfach gewürdigt und wird auch in Zukunft Anerkennung finden. Doch die Zeiten haben sich geändert. Dabei gilt es zur Kenntnis zu nehmen, dass der Landkreis Emsland 2011 den Grundstein für die Gedenkstätte gelegt hat und ihre Existenz seitdem mit einem hohen materiellen und organisatorischen Aufwand sicherstellt.
 
Eine nachhaltige Beschädigung der Gedenkstätte – durch welches Vorgehen auch immer – darf auf keinen Fall hingenommen werden. Für diese Einrichtung haben wir uns in den 1960er Jahren als Redakteure der „Ems-Zeitung“ in Papenburg gegen massiven Widerstand eingesetzt. Die Gedenkstätte in der heutigen Form ist ein Leuchtturm. Seinem Erhalt sollten sich alle Beteiligten verpflichtet fühlen, statt ihn zu beschädigen.“
——
Foto: Gerhard Kromschröder (lks) und Hermann Vinke © Ems-Vechte-Welle, Justin Ullrich

 

Am Montagnachmittag ist bekannt geworden, dass der Landkreis Emsland aus raumordnerischen Gesichtspunkten das Erweiterungsvorhaben für unzulässig hält, den Standort BvL zu erweitern und deutlich auszubauen.  Damit dürfte der Plan vom Tisch sein.

Als Vorsitzender der unabhängigen Stadtratsfraktion „Die BürgerNahen“ habe ich dazu am gestrigen Abend erklärt:

„Der Landkreis Emsland hat zum Ausdruck gebracht, dass der Umbau des geplanten Standortes BvL an der Lindenstraße raumordnerisch unzulässig ist. Er kann daher nicht genehmigt werden. Dies entspricht der langjährigen Einschätzung der Fraktion „Die BürgerNahen“ (BN), die immer wieder auch weitere, erhebliche Bedenken zum Vorhaben deutlich gemacht hat. Wir sagen: Die Einstufung durch den Landkreis stellt einen Glücksfall für die ansonsten gefährdete Innenstadtentwicklung dar. Sie ist die sachlich richtige Entscheidung. Die Fraktion „Die BürgerNahen“ im Lingener Stadtrat unterstützt sie.
Jetzt gilt es, die Dinge vom Kopf auf die Füße zu stellen. Dazu zählt die Bereitschaft, endlich einen Irrweg als solchen zu erkennen und nachhaltig umzusteuern. Die BN hat mit dem Vorschlag, das BvL-Gebäude zu kaufen und dort den neuen zentralen Standort für die Feuerwehr Lingen zu schaffen, einen Vorschlag unterbreitet, der eine gute, nachhaltige Grundlage für die Stadtentwicklung bilden wird. Man sollte ruhig öfter auf uns hören.“
Im Wortlaut findet sich das Schreiben des Landkreises hier.

illegale Abschüsse

15. Januar 2023

Heute endet die Jagdzeit für die meisten Gänsevögel in Niedersachsen. Der niedersächsische NABU hat dies zum Anlass für einen Appell an die Jägerinnen und Jäger genommen, bestehende Jagd- und Naturschutzgesetze einzuhalten. Für diesen Appell gibt es handfeste  Gründe:

So wurden am 24. November 2022 bei Twist im Landkreis Emsland 37 Gänsekadaver auf einem Acker gefunden. Geschossen waren nach Behördenangaben Graugänse, die gejagt werden dürfen. Das habe eine Auswertung von Beweisfotos ergeben, sagte jetzt die zuständige Staatsanwaltschaft. Die Fotos hatte ein Zeuge gemacht, der die Gänse zufällig auf einem Acker entdeckt hatte. Bevor die Polizei eintraf, waren die Tiere allerdings schon von dem Landwirt, dem der Acker gehört, vergraben worden. Daraufhin wurde (lediglich) eine Gans wieder ausgegraben und genauer untersucht. Wer für die Tat verantwortlich ist, bleibt bisher unklar.

Obwohl bei der ersten Untersuchung eines Tieres eine Graugans bestimmt wurde, äußert der NABU Niedersachsen erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei allen geschossenen Tieren um Graugänse handelte. Im Winter seien die meisten Gänse im Emsland besonders geschützte Saat- oder Blässgänse, die sich häufig mit Graugänsen vermischen. Im Flug können diese Arten vor allem in der Dämmerung nicht sofort voneinander unterschieden werden, was die Vermutung nahelegt, dass unter den geschossenen Tieren auch Saat- oder Blässgänse vertreten sind.

„Das niedersächsische Jagdrecht sieht für Saat- und Blässgänse keine Jagdzeiten vor, so dass die Jagd auf sie ganzjährig verboten ist. Werden diese Arten trotzdem geschossen, handelt es sich um eine Straftat, die entsprechend geahndet werden muss“, sagt Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen. Auch deshalb zeigt sich der NABU empört darüber, dass weder die Jagd- und Naturschutzbehörden des Landkreises Emsland noch die Polizei alle toten Tiere im Hinblick auf die Artzugehörigkeit bestimmt haben. „Nur, wenn die Arten genau bestimmt werden, kann eine solche Tat entsprechend geahndet werden“, so Dr. Buschmann weiter.

Auch Ende 2021 hatte es im Emsland einen Fall von illegalen Abschüssen gegeben. Mehrere streng geschützte und mittlerweile seltene Zwergschwäne, die sich in einem Naturschutzgebiet aufhielten, waren mit Schussverletzungen, die auf jagdliche Aktivitäten zurückzuführen sind, aufgefunden und tot geborgen worden. Auf die Schliche kam man den Jägern, weil die Zwergschwäne im Rahmen eines NABU-Projektes besendert worden waren. Die Strafverfolgung wurde vorerst eingestellt, weil die Täter behaupteten, die Tiere seien nur von ihrem Leid erlöst worden. Allerdings ergaben die Senderdaten und auch die Obduktionsuntersuchungen keine Hinweise auf ein vorheriges Leiden. „Und selbst wenn: Auch bei leidenden Tieren hätten die Jäger keine Berechtigung gehabt, die streng geschützten Tiere zu töten“, bekräftigt Dr. Buschmann.

Abgesehen von solchen illegalen Abschüssen, die einzelne Tiere treffen, werden beispielsweise im Vogelschutzgebiet Tongrube Oberhammelwarden – mit Genehmigung des Landkreises Wesermarsch – immer noch sogenannte Gesellschaftsjagden abgehalten. Diese Gruppenjagden mit mehreren Schützen und entsprechend vielen Schüssen bringen massive Störungen für die dort ansässigen Arten mit sich. Diese Jagdereignisse und verschiedene jagdliche Verfehlungen in dem Schutzgebiet führten dazu, dass über die vergangenen Jahre etliche schwer verletzte und teils flugunfähige Wasservögel dokumentiert wurden. Die Tiere leiden, bis sie irgendwann sterben oder einem Räuber zum Opfer fallen. Hinzu kommt, dass die Jagden entgegen der Gesetzgebung in fast völliger Dunkelheit durchgeführt werden, womit keine sichere Artansprache möglich und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass neben Arten, die bejagt werden dürfen, auch nicht bejagdbare, geschützte Tiere den Abschüssen zum Opfer fallen.

Ein weiterer Fall ereignete sich im Landkreis Lüneburg im Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“, speziell im Vogelschutzgebiet „Niedersächsische Mittelelbe“. Hier sind Saat- und Blässgänse wertbestimmend. Einer Zeugenaussage zufolge wurden hier drei Jäger in Tarnkleidung beobachtet, die auf einen einfallenden Trupp aus u.a. Saat- und Blässgänsen Schüsse abgegeben haben. Bei einer Durchsuchung der Gräben wurden acht tote Saat-, fünf tote Bläss- und eine tote Graugans entdeckt – alle Tiere wiesen Schussverletzungen auf. Außerdem konnten mehrere Schrotpatronenhülsen sichergestellt werden (Stahl- und Bleischrot). Laut Aussage des Zeugen haben die Jäger außerdem keine Hunde geführt – in Niedersachsen muss allerdings bei jeder Jagd auf Federwild ein brauchbarer Hund geführt werden.

Diese Beispiele zeigen, dass naturschutzfachliche Aspekte und die Vorgaben der Jagd- und Naturschutzgesetze offenbar zunehmend weniger Beachtung in Niedersachsen finden. Der NABU Niedersachsen hat daher dringend die Einführung einer entsprechenden Schwerpunktstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität gefordert und vor allem, dass die Staatsanwaltschaften und Gerichte für die strenge Einhaltung bestehender Gesetze sorgen.


Quellen: NABU, NOZ, NDR,
Foto: Saat- und Blessgänse, von Von Frank Liebig – Archiv Frank Liebig, CC BY-SA 3.0 de,

Wahlkampf

7. Juni 2022

Im Herbst wählt Niedersachsen seinen neuen Landtag. Aus Lingen tritt CDU-Mann Christian Fühner an. Das will unterstützt werden, jedenfalls nach dem Willen der CDU im Emsland. Also stellt sich „unser“ Landtagsabgeordneter Fühner schon mal mit Uwe Hilling, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden im Lingener Stadtrat vor eine Fotolinse, um einen künftigen Wertstoffhof am Hessenweg anzukündigen (nachdem der alte abgewickelt worden war) – wie ja überhaupt vieles immer wieder unter dem üblichen Beifall der Lokalpresse nur angekündigt wird, aber nicht kommt. Oder man schickt ihn zu den Lingener Bürgerschützen, damit er dort beim Frühstück ihrer Majestäten redeweise die Grüße des Landrats und der Kreisverwaltung wie des Kreistags übermitteln und sich darstellen darf und übersieht dabei geflissentlich, dass jedenfalls Landrat Marc-André Burgdorf, Dr. Burkhard Remmers, Magdalena Wilmes (alle CDU), Ulrich Wilde (SPD) oder Dr. Hubert Kruse, Hartmut Moorkamp und Klaus Prekel (alle CDU) vor Fühner an der Reihe sind – würde es protokollarisch in der richtigen Reihenfolge zugehen. Tut’s aber nicht, weil eben Wahlkampf ist. Da wird Kandidat Fühner von seiner Seilschaft unterstützt.

Man darf den Kopf schütteln über so viel parteipolitische Selbstbedienung, sollte aber besser über Inhalte reden. Denn da hat sich das Bündnis „Niedersachsen zum Sicheren Hafen für alle“ gemeldet und hat ein Positionspapier zur Landtagswahl 2022 veröffentlicht. Der NGO-Zusammenschluss fordert von der künftigen Landesregierung einen Paradigmenwechsel in der Asyl- und Migrationspolitik.

Anlässlich der niedersächsischen Landtagswahl 2022 hat das Bündnis „Niedersachsen zum Sicheren Hafen für alle“, dem sich bislang über 60 Selbstorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Menschenrechtsorganisationen und Initiativen angeschlossen haben, ein Positionspapier veröffentlicht.

Zu den Kernforderungen des Bündnisses an eine künftige Landesregierung gehören danach

  • ein entschlossenes Vorgehen gegen alle Formen von Rassismus,
  • die Durchsetzung eines Bleiberechts für alle, die in Niedersachsen ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben,
  • die Gewährung eines Rechts auf selbstbestimmtes Wohnen,
  • die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung für Alle statt nur für Einige,
  • die Herstellung von Bildungsgerechtigkeit und Gewährleistung von Teilhabe,
  • das Herbeiführen von Geschlechtergerechtigkeit,
  • die Übernahme von Verantwortung auch an den Außengrenzen der EU durch ein Landesaufnahmeprogramm.

Die einzelnen Vertreter der Bündnisorganisationen haben Stellung genommen. Muzaffer Öztürkyilmaz, Referent der Geschäftsführung, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. sagt:

Die künftige Landesregierung muss einen Paradigmenwechsel vollziehen: Weg von einer Asyl- und Migrationspolitik, die geprägt ist von Diskriminierung, Fremdbestimmung, Lagerunterbringung und Abschiebungen – hin zu einer Politik der gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe, die Chancen eröffnet und Bleibeperspektiven für alle Menschen schafft – und zwar unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Aufenthaltsstatus. Die Aufnahme der Menschen aus der Ukraine zeigt, dass eine solche Politik möglich ist.“

Galina Ortmann, Niedersächsischer Integrationsrat e.V. erklärt;

Die nächste Landesregierung muss sicherstellen, dass Geflüchtete und Menschen mit Migrationsgeschichte gleichberechtigt auf allen Ebenen der Gesellschaft mitwirken können und vor rassistischer Diskriminierung wirkungsvoll geschützt werden. Damit ihr dies gelingt, muss sie unter anderem ein Landes-Partizipationsgesetz und ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz erlassen.

Roma Center e.V.:

Wir fordern eine Bleiberechtsinitiative der neuen Landesregierung. Sie muss gewährleisten, dass insbesondere Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Niedersachsen haben ein Bleiberecht bekommen und nicht abgeschoben werden. Kettenduldungen müssen beendet werden. Wer nicht in sein Herkunftsland zurückkehren kann, weil die Lebensverhältnisse dort menschenunwürdig sind, muss eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Wer die Bedingungen eines Bleiberechts noch nicht vollständig erfüllt, muss beraten und unterstützt werden.

Dr. Anwar Hadeed, Geschäftsführer, Arbeitsgemeinschaft Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge in Niedersachsen – amfn e.V. bringt zum Ausdruck:

Die künftige Landesregierung muss die Bildungspolitik neu gestalten, um die Zusammenhänge von Herkunft und fehlenden Bildungschancen aufzulösen. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, ist eine umfassende Reform der Lehrer:innen und Erzieher:innen-Aus- und Weiterbildung erforderlich. Zudem müssen lernfeindliche Bedingungen in Lagern und Sammelunterkünften beseitigt werden.

Armin Wühle, Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge Niedersachsen e.V. fordert:

Wir freuen uns, dass ukrainische Geflüchtete direkten Zugang zu allen Gesundheitsleistungen der Krankenkasse haben. Dies wollen wir für alle Geflüchteten erreichen – strukturelle Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung ist in einer Solidargemeinschaft nicht hinnehmbar. Daher brauchen wir in Niedersachsen zumindest eine elektronische Gesundheitskarte für alle. Um Gesundheitsleistungen insbesondere bei der Versorgung psychischer Erkrankungen wirkungsvoll nutzen zu können, ist eine klare Regelung zur Kostenübernahme von Sprachmittlung erforderlich.

Hilke Brandy, Seebrücke Niedersachsen sagt:

Die zukünftige Landesregierung muss sämtliche Möglichkeiten ausschöpfen, um zur Schaffung sicherer Fluchtwege beizutragen und die Aufnahme von Geflüchteten – aus Drittstaaten wie Afghanistan oder EU-Staaten wie Griechenland – auch in Niedersachsen zu ermöglichen. Wir dürfen nicht ignorieren, dass Menschen auf der Flucht nach Europa ertrinken, in Lagern unter katastrophalen Umständen festgehalten werden oder ihnen ihre Rechte an den Grenzen verwehrt werden.

Adriana Pombo Abondano, Büroleitung, „Migrant*innenselbstorganisationen-Netzwerk Hannover e.V.“ erklärt:

Menschen werden zur Flucht gezwungen oder entscheiden sich zu migrieren. In beiden Fällen sind die Gründe vielfältig. In jedem Fall jedoch spielen insbesondere das Geschlecht einer Person oder Ihre Sexualität eine wichtige Rolle beim Prozess der MIgration oder der Flucht.  Vor allem Frauen stehen im Vergleich zu Männern vor besonderen und vor allem unterschiedlichen Herausforderungen. Diese spezifischen Unterschiede müssen berücksichtigt werden.

Ob Fühner sich dazu auch erklärt? Immerhin geht es um zutiefst Christliches. Obwohl etwa die EU erst vor wenigen Jahren für ihren Beitrag zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt worden sei, umgibt sie sich heute mit neuen Mauern und Zäunen und richte Lager an ihren Außengrenzen ein. Das kritisierten wiederholt die christlichen Bischöfe.

„Die dortigen Zustände sind mit der Achtung der Menschenwürde nicht vereinbar“, heißt es in einer 2020 in Bonn veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirchen. Geht das  MdL Fühner etwa  nicht nah genug? Sein ihm zugeschusterter Redeauftritt vor den Schützenbrüdern ist ihm wichtiger.

Wenn Sie ihn sehen, dürfen Sie ihn gern nach seiner Position zum Papier von „Niedersachsen zum Sicheren Hafen für alle“ fragen.

30

11. Januar 2022

30 und damit nur noch rund ein Drittel der sog. „Spaziergänger“ vom ersten Januarmontag waren gestern Abend in der Lingener Innenstadt unterwegs. Vor dem Neuen Rathaus wurden rund ein Dutzend Kerzen abgestellt. Als ich nach meiner BN-Fraktionssitzung vor die Tür kam, standen dort vier jüngere Männer. That’s it.

Also befassen wir uns ungeschwurbelt mit Wichtigerem, nämlich diesen Fragen, von denen jede einzelne unter die Überschrift „Organisationsversagen“ gehört:

  • Warum haben wir in unserer Stadt offiziell 333 Coronainfizierte (Meldungsstand Montag, 10.01.) und damit plötzlich die höchste Zahl während der Pandemie und ein Vielfaches der anderen Gemeinden und Städte im Landkreis?
  • Was sind die Ursachen? Weihnachtsmarkt, Kneipenbesuche, Unbesorgtheit?
  • Warum wird freitags ein Kindergarten in Lingen wegen Infektionen geschlossen und heute -bei unveränderten Zahlen- wieder geöffnet und was ist mit den anderen, mindestens drei Kitas, die Omikron zu Besuch haben?
  • Wieviele feste Raumlüfter gibt es inzwischen in Lingen, wo vor 13 Monaten CDU und SPD die Anschaffung mobiler Geräte zum Schutz der Schülerinnen und Schüler wie der Lehrkräfte ablehnten?
  • Warum „glänzt“ der Landkreis Emsland seit knapp zwei Jahren ständig mit einer großen Zahl an Nachmeldungen SarsCov2-Infizierter beim Robert Koch-Institut (RKI)?
  • Warum ist ab Freitagmittags  das Gesundheitsamt des Landkreises nicht erreichbar sondern geschlossen und im Wochenende?
  • Warum gibt es im ganzen Landkreis Emsland keine PCR-Teststation am Wochenende- von einzelnen engagierten Ärzten abgesehen, deren Namen hinter vorgehaltener Hand weitergegeben werden? 
  • Warum gibt es überhaupt keine Anstrengungen des gewählten Kreistages und seiner Abgeordneten, die greifbare Misere der Kreisverwaltung zu beenden oder jedenfalls die Ursachen für die Fehler aufzuarbeiten?

Die Fragenliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, im Gegenteil. Sie ist ausbaubar.

ps Auch in der Grafschaft Bentheim hielt sich übrigens der Zulauf bei den Schwurblern gestern in Grenzen: die Grafschafter Nachrichten meldeten 10-15 von ihnen in Nordhorn und eine Handvoll mehr in Neuenhaus.

Omikron kommt – ein Weckruf

15. Dezember 2021

Der OB-Bericht zur Coronalage in unserer Stadt war in der heutigen Ratssitzung wieder bloß eine Aneinanderreihung von Corona-Zahlen und mit blitzenden Augen die Erkenntnis, die 7-Tages-Inzidenz sei ja „inzwischen noch“ bei 2XX statt 3XX vor einigen Tagen.

Schließlich kam vollends der Lehrer durch: Die Öffnung des Weihnachtsmarktes in Lingen sei die einzig richtige Entscheidung gewesen, sagte OB Krone. Und der Vorsitzende der CDU-Gruppe* Uwe Hilling stellte klar, er gehe deshalb nicht zum Weihnachtsmarkt, weil er keinen Glühwein möge, aaaber wer hingehe… und dann sprach er von dessen Eigenverantwortung. Zuvor hatte ich auf die Zwiespältigkeit Hillings hingewiesen, selbst nicht hinzugehen, aber den Weihnachtsmarkt zu veranstalten. Meine Aufforderung FFP2-Kindermasken den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung zu stellen, die aus armen Haushalten kämen und sie sich nicht leisten könnten, konterte der CDU-Mann mit dem Vorschlag auf die heutige Aufwandsentschädigung zu verzichten und dafür FFP2-Masken für Kinder zu kaufen (wurde natürlich einstimmig angenommen!), während OB Krone dann doch noch ankündigte, man habe „immer“ unbürokratisch und werde das jetzt auch tun und sehen, was man machen könne.

Zuvor hatte ich mich bei denen bedankt, die nicht auf den Weihnachtsmarkt gehen und dadurch ihren Anteil am Kampf gegen Corona leisten. Der könne nämlich nur durch Kontaktbeschränkung gewonnen werden. Von mir gab es am schlechten Management des Landkreises Kritik und die Frage, weshalb der Landkreis Emsland immer (!) zu wenig Infizierte an das RKI meldet, als es sie tatsächlich gibt. Weil Nachmeldungen und Korrekturen nicht i die Statistik eingehen, sind die Emsland-Inzidenzzahlen immer zu niedrig. Und die Korrektur der OB-Bilanz: Am Tag des Wir-machen-den Weihnachtsmarkt-Beschluss (25. Nov.) habe es in Lingen 117 Infizierte gegeben, heute aber 246. Das sei kein Beitrag zur Verbesserung. Schließlich erlaubte ich mir die Vorschau, dass Omikron uns noch richtig heftig zu schaffen machen wird. Das sei auf der ganzen Welt so und werde in Lingen nicht anders sein.

Später las ich dann zuhause Dirk Paesslers Blogbeitrag „Omikron kommt – ein Weckruf in 15 Folien“ und seine weckende Einleitung: In Medien liest man jetzt täglich von fallender Inzidenz. Kaum einer schreibt dazu, dass das bald zu Ende sein wird mit dem Sinken. Und dann geb ich hier Paesslers-15-Folien mal weiter nebst seiner Einschätzung: Der Peak von Delta liegt hinter uns, aber Omikron ist keine Welle, sondern eine Wand

Kurzum: Den Weihnachtsmarkt und andere Kontakte solltet Ihr besser lassen, lest bitte mal und bleibt gesund:

(Link zum PDF am Schluss)


*ps:
Hier muss absolut klar sein, wie richtig recht der FDP-Vorsitzende Dirk Meyer redet, wenn er dieses Blog deshalb kritisierte, weil hier stets von CDU-Gruppe die Rede ist. Ich solle das richtig stellen, was hiermit geschieht. Wenn man aber -wie die FDP- inhaltlich nichts Gutes zu der CDU-Gruppe beizutragen hat, beschränke ich mich auf das, was sichtbar ist: Die CDU-Gruppe, wie gestern im Verwaltungsausschuss, der wieder ohne FDP stattfand. Hat aber keiner vermisst…

🔗Aktuelle Informationen aus Lingen (Ems) und dem Umland zu COVID-19-Krise auf meiner Spezial-Unterseite.

„Marke überschritten“

4. Oktober 2020

Nachdem in Sögel inzwischen schon 81 Beschäftigte des Schlachthofes Weidemark mit Corona infiziert sind, hat der Landkreis Emsland neue, strikte Regeln für die Samtgemeinde Sögel angeordnet.

„In Abstimmung mit den Landesbehörden folgen wir hier der bundesweiten Strategie, bei erhöhten Fallzahlen bestimmte Bereiche des öffentlichen Lebens wieder einzuschränken“, teilte Landrat Marc-André Burgdorf (CDU) in einer Pressemitteilung am Sonntag mit. Danach sind Zusammenkünfte im öffentlichen und im privaten Raum ab sofort nur mit maximal sechs Personen erlaubt. Diese Grenze gelte auch für Gaststättenbetriebe pro Tisch. Die Corona-Kontaktbeschränkung beziehe sich aber nicht auf enge Familienangehörige oder ein Treffen von maximal zwei Hausständen. Enge Familienangehörige sind dabei nicht Cousins und Cousinen, wie der Bezug auf § 11 StGB festlegt. Ausnahmen seien außerdem Anlässe wie Hochzeits- oder Erstkommunionfeiern, Taufen oder Beerdigungen.

Angeordnet sind die Maßnahmen im Rahmen einer sog. Allgemeinverfügung (Text: hier), die „erst einmal bis einschließlich 19. Oktober 2020 gültig“ ist (Burgdorf). Schüler und Lehrer der allgemeinbildenden Schulen des Sekundarbereichs I und II müssen nach dieser 13. Allgemeinverfügung in Zeiten der Pandemie bis zu den Herbstferien -also innerhalb der kommenden Woche- auch während des Unterrichts in den Klassenräumen einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Untersagt sind außerdem der Trainings- und Wettkampfbetrieb in Mannschafts- oder Kontaktsportarten sowie der Schulsport.

Während private Zusammenkünfte stark reguliert sind, begrenzt die Allgemeinverfügung für Veranstaltungen in der Samtgemeinde Sögel die maximale Teilnehmerzahl großzügig auf 100 Personen. Es gilt aber ein Verbot des Ausschanks von Spirituosen ab 18 Uhr und von sonstigen alkoholischen Getränken ab 22 Uhr.

Landrat Burgdorf schaute über Sögel hinaus, als er erklärte: „Im gesamten Gebiet des Landkreises beobachten wir ein dynamisches Infektionsgeschehen, so dass wir bei derzeit 137 Fällen [innerhalb von sieben Tagen] die kritische Marke von 35 Corona-Neufällen pro 100.000 Einwohner überschritten haben“ .

Alle Infizierten in Quarantäne

In Quarantäne befinden sich laut Landkreis inzwischen alle im Weidemark-Schlachthof beschäftigten Corona-Infizierten und ihre Kontaktpersonen, die zu einem Großteil in der Samtgemeinde Sögel wohnen. Die ersten Infektionsfälle in dem zum Tönnies-Konzern zählenden Schlachthof hatten sich bei Tests durch den Betriebsarzt bestätigt. Die rund 2.000 Mitarbeiter des Schlachthofes werden „regelmäßig“ auf das Virus getestet.