Kein Stern nicht…

15. Mai 2023

Die Beziehung der Emsländerinnen und Emsländer zur Spitzenküche ist eine nicht-existente. Das geht zwar  auch anderen so. Bremen wie Oldenburg beispielsweise haben kein Restaurant mit einem der ersehnten Michelinsterne, der inzwischen wie ein abgemagerte Prilblume daher kommt (lks).

Aber Bad Zwischenahn und Norderney. Osnabrück und Münster haben inzwischen sogar jeweils drei! Osnabrück sich also davon erholt, dass das legendäre La Vie vor fünf Jahren schloss. Doch an Ems und Vechte gibt es auch 2023 nichts, nachdem Leer und Bad Bentheim und auch die Surenburg in Hörstel-Riesenbeck sich schon vor den Zeiten von Corona abgemeldet hatten. Wir tauchen auch im jüngsten Guide Michelin nicht auf, einmal mehr. Und so stellt Wolfsburg als Drei-Sterne-Standort die kulinarische Spitze im niedersächsischen Norden dar.

Bundesweit wurden in diesem Jahr 334 Restaurants mit den begehrten Sternen ausgezeichnet – so viele wie noch nie. 41 dieser Lokale sind in Norddeutschland, zusammen haben sie 53 Sterne.

Die Kreise Emsland und Grafschaft Bentheim bieten gute Küche nur in kleinen Dosen. Der Landgasthof Backers „aufm Twist“ und das Meppener „Von Euch“ behaupten zwar hartnäckig die BiB Gourmand-Auszeichnung (ebenso das Restaurant Beesten in Rheine oder der Lindenhof in Emsdetten). Aber sonst muss man unseren Landstrich stracks verlassen, um Spitzengastronomie zu erleben, im Zweifel auch bei den Nachbarn in Drenthe, Twente und Overijsel. De Bloemenbeek im Grenzdorf de Lutte oder t’Lansink in Hengelo sind beispielsweise solch lohnende Ziele.

Hier geht‘s zur Spitzenküche im deutschen Nordwesten und in den Niederlanden.

Sicherer Hafen

16. Februar 2023

Vor 40 Monaten hat der Rat unserer Stadt Lingen zu einem „sicheren Hafen“ erklärt. Dass dies möglich war, ist einem kleinen engagierten Arbeitskreis zu verdanken, der nach dem CDU-Nein in der ersten Abstimmung ein Jahr zuvor nicht locker ließ und ein Papier erarbeitete, dass überzeugte. Die Grünen waren dabei, die BürgerNahen, die Hochschulstudenten und sogar die SPD. Allerdings fehlt bisher eine konkrete Umsetzung des Beschlusses. Da ist man andernorts in Niedersachsen weiter.

So hat der Rat der Stadt Braunschweig am Valentingstag beschlossen, dem Beispiel der Kommunen Lüneburg und Osnabrück zu folgen und eine Patenschaft für ein Seenotrettungsschiff im Mittelmeer zu übernehmen: Demnach wird Braunschweig für die kommenden Jahre die Seenotrettung mit jährlich mindestens 5.000 Euro unterstützen. Zudem soll die Stadt Braunschweig eine zeitlich befristete Spendenaktion starten, mit der die Braunschweiger Bürgerinnen und Bürger zur finanziellen Unterstützung für die Rettungseinsätze des Patenschiffes aufgerufen werden.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen dankte gestern dem Rat der Stadt Braunschweig für seinen Beschluss, der vor allem auch eine starke symbolische Bedeutung hat und mit dem die Stadt Braunschweig, die sich wie 50 weitere Kommunen in Niedersachsen zum „sicheren Hafen“ erklärt hat, konkrete Solidarität leistet. Muzaffer Öztürkyilmaz vom Flüchtlingsrat Niedersachsen kommentiert:

„Mindestens genauso wichtig wie die finanzielle Unterstützung ist das von der Stadt Braunschweig damit nach außen gegebene politische Signal: Wir alle sind gefordert, um das Sterben im Mittelmeer zu verhindern. Es ist beschämend, dass die Staaten Europas eine organisierten Seenotrettung verweigern und private Seenotrettungsorganisationen nicht nur behindern, sondern teilweise sogar mit Strafverfahren überziehen. Wir fordern eine grundsätzliche Änderung dieser europäischen Politik gegenüber Flüchtlingen.“

Bereits im Juni vor zwei Jahren hatte der Landkreis Lüneburg eine Patenschaft für das Seenotrettungsschiff Ocean Viking übernommen, und die Stadt Osnabrück hat ihre im Juli 2021 beschlossene Patenschaft für das Seenotrettungsschiff Sea-Eye 4 in der jüngsten Ratsitzung vom 07. Februar 2023 mit einer weiteren Spende über 20.000 € erneuert.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen appellierte am Mittwoch an alle 51 Kommunen, die sich zu „sicheren Häfen“ erklärt haben, dem Beispiel der drei Kommunen zu folgen. Bereits im November 2022 hat die Stadt Wolfsburg einen ähnlichen Beschluss angekündigt, der jetzt im März zur Abstimmung gestellt wird.

Und hier bei uns in Lingen?

In Osnabrück beginnt ein neues Forschungsprojekt: Es soll über Zwangsarbeitslager auf Fußball- und Sportplätzen informieren. Orte des Jubels und des Unrechts. Harff-Peter Schönherr  schreibt darüber in der taz:

„Wer sich eine Luftaufnahme von Osnabrück ansieht, findet das Werksgelände von [KM Europa Metal AG] KME ziemlich schnell. Es ist riesig, fast ein eigener Stadtteil. Halle reiht sich an Halle, auf über 50 Hektar. Kupfer und Kupferlegierungen produziert das Unternehmen, im Weltmaßstab.

Das NS-Zwangsarbeitslager „Gartlage“, das sich ab 1942 hier befand, sieht man hingegen nicht. Bis zu 1.300 Menschen aus der Sowjetunion wurden hier ge­fangen gehalten, Männer, Frauen und Kinder. Sie lebten in 16 Holzbaracken. Vor einiger Zeit hat KME die letzte dieser Baracken abgerissen. Eine Gedenktafel sucht man vergebens.

Auch in der Rubrik „Historie“ auf seiner Webseite schweigt sich KME über die NS-Zeit aus. Nichts über die Menschen, die hier zu Zählappellen antreten mussten, an verdorbenen Lebensmitteln starben. Nichts über die drangvolle Enge, über das Antreten im Morgengrauen, über die Zwölf-Stunden-Schichten. Nichts über die einstige Topografie des Terrors mit ihrem Stacheldraht, ihren Wachen.

Aber das ändert sich jetzt. Und das hat mit dem Sport zu tun. Genauer gesagt: mit dem Fußball. Denn das Lager „Gartlage“ ist die Initialzündung des mehrjährigen Forschungs- und Bildungsprojekts „Von einem Ort des Jubels zu einem Ort des Unrechts. Zwangsarbeitslager auf Fußball- und Sportplätzen“ des Osnabrücker Gedenkstätten-Ensembles „Gestapokeller“ und „Augustaschacht“.

Ein fünfköpfiges Projektteam nimmt…“

[weiter in der taz]


Foto: Fußball in Osnabrück vor 100 Jahren / VfL Osnabrück Museum

Hemmschwelle

14. Januar 2023

An einigen Osnabrücker Schulen ist ein vor gut einem Jahr beschlossenes Experiment gescheitert. Dort wird es deshalb in Zukunft keine kostenlosen Menstruationsartikel mehr auf den Toiletten geben. An einigen Osnabrücker Schulen ist ein vor gut einem Jahr beschlossenes Experiment gescheitert. Dort wird es deshalb in Zukunft keine kostenlosen Menstruationsartikel mehr auf den Toiletten geben. Nach Angaben der Stadt haben Schüler und Schülerinnen die Produkte zu häufig „zweckentfremdet“.

Seit Ende 2022 wurden die Hygieneprodukte an vielen Osnabrücker Schulen kostenlos zur Verfügung gestellt. Angeregt hatte das das Jugendparlament der Stadt, weil Hygieneartikel für Frauen teuer sind und nicht jede Frau sich das leisten kann. Die Produkte seien jedoch unter anderem in die Toiletten gestopft worden, sagte die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Osnabrück, Patricia Heller, dem NDR. Sie begleitet das Projekt. Auch seien mit Tinte vollgesogene Tampons verwendet worden sein, um Wände zu verunreinigen.

Heller begleitet das Projekt seit gut einem halben Jahr. Sie hält das Verhalten der Kinder und Jugendlichen nicht für ungewöhnlich. Sie seien neugierig. Gleichzeitig zeige es, dass dem Thema Menstruation die Wertschätzung fehle. An einigen Schulen sollen die Hygieneprodukte in Zukunft nur noch im Sekretariat oder bei der Schulsozialarbeit erhältlich sein. Heller nennt die Konsequenz „unglücklich“. Die Hemmschwelle sei für einige Schülerinnen zu hoch. Sie setzt auf Aufklärungsarbeit. In Jugendzentren sei das Angebot gut begleitet worden.

Während in Meppen und Nordhorn entsprechende Initiativen längst beschlossen waren, hatte dann in Lingen erst Ende letzten Jahres die lokale SPD beantragt, die öffentlich zugänglichen Toiletten „in den städtischen Liegenschaften“ mit Hygienespendern zur kostenlosen Abgabe von Menstruationsartikeln auszustatten. Das ging der Stadtverwaltung zu weit; sie schlug vor, die Umsetzung zunächst im Rahmen eines Pilotprojektes an einer weiterführenden Schule „im Rahmen eines Beteiligungsprozesses voranzubringen“. Die „Evaluation des Projektes“ könne „Grundlage für die politische Diskussion zur Ausweitung des Projektes auf andere weiterführende Schulen oder städtische Einrichtungen werden“.

Daraufhin beantragte unsere BN-Fraktion eine Änderung des als viel zu schmal  empfundenen Verwaltungsvorschlags und stattdessen -neben anderen Punkten- in zwei öffentlichen Gebäuden (bspw. Kulturzentrum „Alter Schlachthof“, Stadtteiltreffs, Rathaus, Stadtbibliothek, Emslandmuseum) und zwei weiterführenden Schulen Spender im örtlichen Zusammenhang mit WC-Anlagen/Waschräumen anzubringen, um kostenfrei Periodenprodukte zur Verfügung zu stellen. 

In der Ausschusssitzung am 5. Dezember letzten Jahres stimmten CDU und FDP gemeinsam für den zurückhaltenden Verwaltungsvorschlag. Den weitergehenden SPD-Vorschlag und auch den Änderungsantrag der BürgerNahen lehnten sie jeweils ab. Diese Beschlüsse wurden am Donnerstag dieser Woche im Verwaltungsausschuss bestätigt; dieses Mal mit der Stimme von Oberbürgermeister Krone.


Foto: pixabay, Text NDR, NOZ

 

Out of the box

18. Dezember 2022

„Menschen, die Kreativitätsseminare besucht haben, aber selbst nicht kreativ genug sind für eigene Formulierungen, sagen gern Sätze wie: „Wir müssen ‚out of the box‘ denken.“ Die Box ist in dem Fall die Auswahl an gewöhnlichen Vorschlägen, die in der Vergangenheit alles nur schlimmer gemacht haben.

Bei allem, was sich unter dem Begriff Mobilitätswende zusammenfassen lässt, ist zum Beispiel ein großes und bislang ungelöstes Problem, dass in den Innenstädten zu wenig Platz ist. Man könnte so schön breite Gehwege, Radwege und Grünstreifen bauen, wenn am Rand nicht überall Häuser stehen und in der Mitte Autos fahren würden. Wie soll man das lösen?

Man kann den zur Verfügung stehenden Raum umverteilen. Das ist der naheliegendste Vorschlag. Man reißt also die Häuser ab und ersetzt sie durch Radwege, doch dann ziehen die Leute aufs Land und fahren mit ihren Autos in die Stadt, man braucht breitere Straßen. Aber das will man auch nicht. Nimmt man den Autos dagegen den Platz, riskiert man einen Bürgerkrieg.

In Osnabrück, der anderen Stadt des Westfälischen Friedens, hat man daher auch im Sinne der Harmonie im Straßenverkehr ein bisschen „out of the box“ gedacht, und herausgekommen ist: eine Schwebebahn. Ja, genau, eine Schwebebahn – wie man sie aus dem 19. Jahrhundert in Wuppertal kennt. Daher kann man sie auch nicht einfach Schwebebahn nennen, sie braucht einen Namen, der etwas mehr hermacht. Vielleicht  „Flyover”? Nein, sie heißt  „Sunglider”. 

Über den Sunglider spricht man in Osnabrück schon etwas länger. In dieser Woche beschäftigt sich die Wochenzeitung „Die Zeit“ mit der Idee (€) Der Artikel skizziert sie sehr schön in zwei Sätzen. Am Boden sei in den Städten wenig Platz. Also müsse man eine Ebene nach oben gehen.

Die Bahn soll aus dem 3D-Drucker kommen und sich selbst mit Strom versorgen, am Steuer soll eine künstliche Intelligenz sitzen. Schon das würde ein Problem lösen, für das im öffentlichen Personennahverkehr bislang eine Lösung fehlt. Es findet sich kaum noch wer, der die Busse und Straßenbahnen fährt. Aber warum sieht man solche Systeme dann nicht vielfach auf dieser Welt?

„Es muss einen Grund geben, warum wir solche Systeme nicht vielfach auf der Welt sehen“, sagt ein Verkehrsfachmann der Uni München in dem Artikel. Aha. Wir kommen der Antwort also näher.

In den Städten einen „massiven, durchgehenden Fahrweg herzustellen“, das sei eine Herausforderung, sagt der Münchener Verkehrsexperte. In anderen Worten: In den Innenstädten ist zu wenig Platz. Man müsste also gewissermaßen „out of the box“ denken. Und so käme man wieder weg von der Idee einer Schwebebahn.

So weit ist man in Osnabrück allerdings noch nicht. Dort soll der nächste Schritt eine Machbarkeitsstudie sein, die eine Antwort auf die Frage gibt, ob so eine Bahn – Sie ahnen es – überhaupt machbar ist. Und wer weiß, vielleicht ist sie das ja.

Möglicherweise gibt es aber auch noch andere Lösungen…“

[Ein Beitrag von Ralf Reimann in RUMS, der Münsteraner Online-Zeitung, die ich empfehle zu abonnieren]

Die Stunde des Nazi-Richters

23. November 2022

Tausende von Polizisten fahnden Mitte der 1960er Jahre nach Bruno Fabeyer, dem „Moormörder“, der nahe Osnabrück einen Polizeibeamten erschossen hat. Schließlich wird Fabeyer gefasst und zu lebenslangem Zuchthaus und Sicherungsverwahrung verurteilt. Ist Fabeyer der geborene, unverbesserliche Verbrecher, als der er dargestellt wird? Das Problem: Sein Richter ist ein Ex-Nazi.​  

Es war die bis dahin größte Fahndung in der Geschichte der Bundesrepublik. Tausende von Polizisten, aber auch Schützen- und Jagdvereine, Feuerwehrleute und sogar Besitzer von Privatflugzeugen beteiligten sich über 18 Monate an der Suche nach Bruno Fabeyer- dem „Moormörder“, der sein Leben zwischen Knast und Landstraße verbracht hatte.

Bei einem Einbruch in dessen Haus in Gretesch schießt Fabeyer am 29. November 1965 den Postbeamten Alois Broxtermann nieder.  Auf der anschließenden, monatelangen Flucht erschießt Fabeyer in Bohmte-Hunteburg den Polizisten Heinrich Brüggemann. Der Gesuchte findet Unterschlupf im Unterholz oder in abgelegenen Scheunen. Auf norddeutschen und westfälischen Bauernhöfen, aber auch in der Eifel stiehlt er vor allem Lebensmittel, Geld und Kleidung; er gesteht später Hunderte von Einbrüchen.

Als er schließlich in Kassel verhaftet und später vom Osnabrücker Schwurgericht zu lebenslangem Zuchthaus verurteiltet wird, ist die öffentliche Meinung eindeutig: Fabeyer war der geborene, unverbesserliche Verbrecher.

Doch stimmt dieses Bild? Denn die Geschichte lässt sich auch ganz anders erzählen. Und sie hat dann viel mit der deutschen NS-Vergangenheit zu tun. Einer der spektakulärsten Kriminalfälle der Nachkriegszeit erweist sich nach WDR-Recherchen nämlich als Justizskandal, weil ein ehemaliger NS-Wehrmachtsrichter über das NS-Opfer Fabeyer urteilte.

Es war ein kurzer Prozess 1967: Ganze vier Tage brauchte die Große Schwurgerichtskammer des Landgerichts Osnabrück für das heute vor 55 Jahren verkündete Urteil wegen versuchten Mordes und Totschlag in besonders schwerem Fall. Bruno Fabeyer (Foto im Schwurgerichtssaal des Landgerichts) wurde zu lebenslänglich Zuchthaus und anschließender  Sicherungsverwahrung verurteilt.

Im Strafprozess spielt neben den Taten vor allem der Lebenslauf des 1926 geborenen Bruno Fabeyer eine entscheidende Rolle. Schon als 11-jähriger kommt der schwer stotternde Junge in ein berüchtigtes Erziehungsheim der Nazis, als 18-Jähriger wird er 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Als er vor dort zu seiner Mutter flieht, wird er zu schwerer Zwangsarbeit in verschiedenen Konzentrationslagern verurteilt. Ende November 1944 wird Fabeyer zunächst in das KZ Buchenwald eingewiesen und ab Dezember 1944 im KZ Mittelbau-Dora inhaftiert wurde. 1945 befreit ihn dort  die US-Armee.

Nach Kriegsende zieht Fabeyer umher und stiehlt. Immer wieder kommt er deshalb in Haft. Auf seinen Raubzügen erbeutet er selten mehr als das, was er für den nächsten Tag braucht. Wenn ihm die Fahnder zu nahe kommen, versteckt er sich im Moor oder auch im Matsch eines Schweinestalls.

Als Fabeyer im November 1967 in  Osnabrück der Prozess gemacht wird, steht nicht nur für die breite Öffentlichkeit seine Schuld längst fest. Auch das Gericht hält sich nicht lange mit juristischen Feinheiten auf. Zu eindeutig erscheint das Bild vom gefährlichen Gewohnheitsverbrecher von Kindheit an. Dabei fügen sich für das Gericht die frühen Einweisungen in Erziehungsheime und KZs nahtlos in die Strafakte des Angeklagten ein – als handele es sich hier nicht um Unrechtsmaßnahmen der Nazis.

„Recherchen für die [heutige] WDR-Sendung ZeitZeichen belegen nun: Landgerichtsdirektor Friedrich Jagemann, der den Prozess leitete, war nicht nur Mitglied von NSDAP und SA, sondern begann seine juristische Laufbahn 1935 in der „Gauleitung Münster“. Ein wesentliches Detail, das Jagemann sowohl im Entnazifizierungsverfahren, als auch in den Personalakten des Landgerichts Osnabrück verschwieg. Bekannt war dort allerdings, dass Jagemann von 1937 bis Kriegsende als Wehrmachtsrichter Karriere gemacht hatte. Das bestätigte ein Gerichtssprecher auf WDR-Nachfrage.

In einer Beurteilung der „Division Hermann Göring“ aus dem Jahre 1944, die im Militärarchiv Freiburg abgelegt ist, heißt es über Jagemann: „Zum nationalsozialistischen Staat überzeugt eingestellt. Diensteifer sehr lobenswert. Seine Urteile treffen in knapper Begründung stets das Richtige.“

Ein…“

[weiter beim WDR]


Quellen: WDR, SWR, wikipedia, HAZ

Leben, von Tag zu Tag

21. November 2022

„Wohnungslose haben in einer Osnabrücker Grünanlage ein Camp aufgebaut. Bisher duldet das Ordnungsamt die Zelte. Aber das könnte bald vorbei sein.

Auf den ersten Blick ist der Ziegenbrink malerisch. Die Anhöhe in Osnabrück ist mit ihren Wiesen, ihrem dschungelhaften Wald und ihrem Fernblick Spaziergangsziel. Ihre Vergangenheit als Steinbruch und Weltkriegs-Flakstellung ist kaum noch zu erahnen.

Aber auf einer der Lichtungen herrscht derzeit harte Not. Hier steht seit mehreren Wochen ein Camp von vier Wohnungslosen. Seine Zelte, gruppiert um eine Art Ofen, erinnern an die Zeit, als hier noch die „Wagenburg“ stand, als autonomes Zentrum, als alternatives Lebensmodell. Ein halbes Menschenleben ist das her.

Banner mit Botschaften wie „Aufgeben? Keine Option! Friedlicher Kampf für unser Stück Land“, und „Ein Grundstück für unsere Freiheit zum Errichten unserer Kommune“ hängen hier heute in den Bäumen. „Die Würde des Menschen ist was …?“ ist zu lesen. Auch „solidarischer Aufbau“ steht hier mehrfach, das A als Anarchie-A im Kreis. Aber der Versuch, die Zeit der Wagenburgler wiederzubeleben, wirkt aufgesetzt. Das Camp ist ein gesellschaftspoliti­scher Appell, aber zugleich ist es ein Ausdruck von Elend.

Jessica und Tim, beide Mitte 30, erzählen, warum sie hier leben. Sie haben…“

[weiter bei der taz]

 

ps Übrigens im Lingener Ortsteil Darme regt sich einmal mehr bürgerlicher Widerstand im Ortsrat gegen die dort seit gefühlt 25 Jahren vorhandene Wagenburg. Darüber berät man dann im Ortsrat nicht-öffentlich, obwohl Ortsräte grundsätzlich nur öffentlich tagen…

Panther Preis

1. Oktober 2022

Mit dem taz Panter Preis zeichnet die taz Menschen aus, die sich gegen die Klimakrise einsetzen – ob alleine oder in einer Gruppe. Dieses Jahr geht es unter dem Motto „Klima für Gerechtigkeit“ um solidarischen oder sozial gerechten Klimaschutz. Welches Projekt den Preis der Leser:innen erhält, können Sie mitentscheiden. Noch bis zum 15. Oktober kann abgestimmt werden. Danach wird auch noch ein Jurypreis vergeben – und beide jeweils mit 5.000 Euro dotierten Preise werden am 12. November in der taz in Berlin feierlich übergeben.

In diesem Jahr ist unter den sechs Nominierten auch ein Projekt aus unserer Region.  Kai Behncke hat das Klima- und Artenschutzprojekt „500 AKA“ in und um Osnabrück initiiert – und dafür Hunderte von Mit­strei­te­r:in­nen gewonnen. Aber nicht nur Tiere bewahrt der 47-Jährige vor Verwahrlosung und Tod. Er legt vor Ort auch Vogelschutzhecken, Trockensteinmauern, Feuchtbiotope und Wildblumenwiesen an. Dierk Jansen stellte das Projekt Ende August in der taz  vor:

„Steine stapeln statt werfen

Sir Henry trottet gemächlich über die trockene Wiese. Direkt auf Kai Behncke zu. Der Ziegenbock stupst seinen Retter an, der streichelt dem schwarzen Vierbeiner vertraut über den Rücken. Nebenan grasen Schafe seelenruhig weiter, während zwei vietnamesische Hängebauchschweine im Garten zwischen kniehohen Brennnesseln und schattenspendenden Bäumen in der Erde herumschnüffeln. Nicht weit entfernt von einem leeren Storchennest und umgeben von einigen Blühwiesen platziert sich Behncke direkt hinterm Schafzaun.

Seit 2016 betreibt Behncke zusammen mit seiner Frau Julia den Gnadenhof Brödel in Melle, der mittlerweile auf 120 Tiere angewachsen ist: von der Schildkröte bis zu den gerne in die Nachbarschaft ausbüxenden Hühnern. Daher sind Ferien für ihn, der früher in der Osnabrücker autonomen Hausbesetzer­szene aktiv war, seit Längerem schon ein Fremdwort. „Das letzte Mal ist schon etliche Jahre her, es waren drei Tage an der Nordsee“, schmunzelt er…“ [… weiter bei der taz]

Gemeinsam wird im Juli in Melle bei Osnabrück eine Trockensteinmauer errichtet
Foto: 500 AKA

[Hier geht’s zur Abstimmung]

Osnabrücks neue Rechtsextreme

23. September 2022

Harff-Peter Schönherr schreibt in der taz über rechte Strukturen in Niedersachsen, genauer über Osnabrücks neue Rechtsextreme

Die Aktivisten-Gruppe „Oskars_Osna“ alias „Sturmfest Osnabrück“ ist vor allem in sozialen Medien aktiv. Auf Instagram hat sie rund 2.100 Follower.

Osnabrück, sagt der einstige Osnabrücker Oberbürgermeister und heutige niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD), habe ein „ganz besonderes Klima, was die Wehrhaftigkeit gegen Rechts betrifft“. Das stimmt. Ein Beweis dafür: Erst in der Kommunalwahl 2021 hat es die AfD erstmals in den Stadtrat geschafft, mit einem Sitz.

Aber auch in Osnabrück gibt es eine rechte Szene. Ihre jüngste Erweiterung, seit Herbst 2020: Die Instagram-Gruppe Oskars_Osna, die sich als „Politische Rabauken“ bezeichnet, rund 2.100 Follower stark. Auf Telegram heißt sie Sturmfest.Osnabrück.

Die „jungen Aktivisten“ betrachten sich als „Gegenentwurf zum linken und deutschfeindlichen Zeitgeist“, hoffen auf die „Rückeroberung rechter Themen“ und sehen sich in einem „Kampf um die Köpfe des Volkes“. Ihre Äußerungen reichen von „Sei der Widerstand“ bis „An Oskar’s Wesen mag Osnabrück genesen“. Ihr Logo zeigt einen Kreuzritter vor dem Osnabrücker Stadtwappen-Rad, darunter steht „Osnabrück verteidigen. Für Volk & Vaterland“. Ihre Hashtags reichen von „Ehre“ bis „Treue“.

Sie folgen auf Instagram der NPD und der AfD sowie Gruppen wie „Harzrevolte“ und „Scheiteljugend Kassel“. Die „Oskars“ bezeichnen die Forderung nach offenen Grenzen und Einwanderung als „Verrat“ und sagen: „Wir dürfen nicht zusehen, wie man unsere Welt und unser Deutschland Stück für Stück demontiert.“ „Niemals zu weichen“ zeichne einen „wahren Deutschen“ aus.

Man unternimmt Wanderungen, pflegt Kriegerdenkmäler. Bei Paul Rzehaczek, dem Bundesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) bedankt man sich für einen Schulungsvortrag, ebenfalls bei Sascha Krolzig, einem Politiker der neonazistischen Partei „Die Rechte“.

Das Recherchekollektiv Osnabrück (RKOS) kennt die Gruppe gut. Es stuft sie als „NPD-nahe, rechtsradikale Jugendorganisation“ ein. „Die Aktivitäten finden größtenteils auf Social Media statt“, sagt RKOS auf taz-Anfrage. „Bisher sind Personen der Gruppe nicht öffentlich aufgetreten.“

Inhaltlich seien Beiträge „deckungsgleich mit NPD und JN-Strukturen“. Man…

[weiter in  der taz]

Omas gegen Rechts

19. August 2022

Am vergangenen Donnerstag hat sich Dagmar Fuchs mit anderem „Omas gegen Rechts“ auf den Osnabrücker Marktplatz gestellt. Sie haben dort gegen die Kundgebung „Aktion Leuchtturm ARD“ von Gegner*innen der Coronamaßnahmen protestiert.Bei der „Aktion Leuchtturm ARD“ werfen An­hän­ge­r*in­nen der Querdenken-Bewegung den öffentlich rechtlichen Medien fälschliche und subjektive Medienberichterstattung vor sowie das Verbreiten von Regierungspropaganda. Sie fordern die Abschaffung der Rundfunkgebühren und eine Reform ihrer Arbeitsweisen.

Dagmar Fuchs sieht darin eine große Gefahr für die Gesellschaft, denn Pressefreiheit ist für sie ein hohes Gut der Demokratie, das sie durch die Anschuldigungen der Maß­rah­men­kri­ti­ker­*­in­nen gefährdet sieht. Vor der Pandemie haben sich die Omas vor allem gegen rechte Strukturen in der Region Osnabrück gestellt. Sie…

[weiter im Dagmar-Fuchs-Porträt bei der taz]