„De hebb se in’t Gehirn scheten.“
22. Februar 2023
Die These, es gebe in unserer Stadt viel zu wenig Respekt für Bäume, hat jetzt eine weitere, geradezu eindrucksvolle Bestätigung gefunden. Weil im Laufe von 45 Jahren die Bäume auf dem Fuß- und Radweg entlang der Josefstraße so groß geworden sind, dass er für FußgängerInnen und Radfahrende kaum zu nutzen war, wurde eine Lösung gesucht. So kam die Vorlage 124/22 für die Beratungen auf den Tisch zusammen mit einem Änderungsantrag unserer BN.
Die roten X bedeuteten übrigens nicht das Beseitigen der dort vor sich hinwachsenden Bäume sondern lediglich die Aufgabe des Fuß- und Radwegs.
Die Ratsmitglieder hatten schon zuvor die Idee entwickelt, alle Fuß- und Radfahrer von Norden über die parallel verlaufende Alte Josefstraße bis zur Mohrmannstraße und dort zurück an den westlichen Rand der Josefstraße zu führen. Der zuständige Ratsausschuss für Planen, Bauen und Mobilität beschloss dazu am 20. April 2022 entsprechend dem Änderungsantrag der BN:
…
3) Für die Ertüchtigung und Verbreiterung des Rad- und Fußweges im Bereich der südlichen Anbindung der Alten Josefstraße bis zur Mohrmannstraße werden Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern aufgenommen; im Einmündungsbereich mit der Mohrmannstraße wird der Rad- und Fußweg höhengleich hergestellt.
Das kümmerte die Stadtverwaltung offenbar nicht sonderlich; denn sie ersann in 10 Monaten ihre eigene Baum-ab-Lösung. Nirgendwo wurde die vorgestellt, geschweige denn in den Gremien beraten. Bloß umgesetzt wurde sie im Dezernat von Stadtbaurat Lothar Schreinemacher sofort und zwar so:
Das Bild ist real(er Irrsinn). Mein Schwiegervater Ernst Wiegmann pflegte zu solchen Dingen zu sagen: „De hebb se in’t Gehirn scheten.“
Foto: Josefstraße in Höhe Einmündung Mormannstraße, Blickrichtung Norden , Aufnahme von Juergen Barenkamp, FB
Lookentor verkauft
21. Juli 2022
Im Rahmen einer Pressekonferenz haben gestern das Investorenehepaar Hermann und Anne Klaas bekannt gegeben, ihre Gesellschaftsanteile an der Eigentümerin des Lookentor an die Emsländische Volkbank eG verkauft zu haben. Die Lookentor-Passage gilt mit ihren 50 Läden auf 15.000 m² Verkaufsfläche als bedeutender Standort im Emsland. Das Shopping-Zentrum war nach acht Jahren Vorbereitungszeit im März 2007 in der Lingener Innenstadt eröffnet worden. Die Investitionen dafür hatten bei 60 Mio Euro gelegen; die Mieter investierten weitere 15 Mio Euro.
Heute berichtet nun die Lokalzeitung über den Eigentümerwechsel, wie so oft aber ohne eigene Recherchen und kritische Nachfragen. Mich wundert, dass eine Volksbank vorgibt, sich jetzt im Einzelhandel und der Gastronomie versuchen zu wollen. Auch wenn das bisherigen Center-Team um Hermann und Anne Klaas das Lookentor einstweilen weiter managen soll, gehört dieser Geschäftsbereich sicherlich nicht zur Kernkompetenz einer lokalen Volksbank.
Man darf sich erinnern: In den letzten 11 Jahren hatte Hermann Klaas intensiv gegen Pläne gearbeitet, außerhalb des Stadtzentrums an der Lindenstraße/Kurt-Schumacher-Brücke einen neues Einkaufszentrum zu schaffen und damit das Lookentor zu schwächen. Das neue Einkaufszentrum war der BvL-Eigentümern von OB Krone und der CDU in die Hand versprochen worden, damit sie als Anwohner nicht gegen die neue Emsland-Arena und die damit verbundenen Belastungen klagen. In den BvL-Plänen sah Klaas zu recht eine Bedrohung des Einzelhandels im Stadtzentrum, zumal die Befürworter um OB Dieter Krone den Kauf notwendiger Flächen von der Stadt mit rund 1 Mio Euro verdeckt subventionieren wollen. In letzter Zeit ist allerdings längst deutlich geworden, dass die angesichts der Größe des sog BvL-Centers notwendige raumordnerische Zustimmung des Landkreises Emsland wohl versagt wird. Auch der Investor, die niederländische ten Brinke-Gruppe, soll inzwischen abgesprungen sein und kein Interesse mehr an dem Standort haben.
Also könnte alles gut sein. Doch aus unterrichteten Kreisen hört man, wie tief frustriert Hermann Klaas über die letzten 10 Jahre Auseinandersetzung mit den Mannen im Rathaus ist. Zugeschrieben wird ihm gar die Äußerung, OB Krone, CDU-Chef Hilling und Stadtbaurat Schreinemacher hätten den Eindruck vermittelt, dass er, Klaas, in Lingen nicht willkommen sei. Dabei kann Klaas für sich in Anspruch nehmen, viel für seine Heimatstadt getan zu haben. Dass persönliche Gründe und nicht etwa, wie es die LT heute berichtet, Nachfolgeüberlegungen bei dem 62jährigen Immobilienkaufmann aus Laxten entscheidend waren, folgt zwanglos aus seiner Erklärung, dass er die von ihm ebenfalls entwickelte Ems-Galerie in Rheine nicht verkauft hat. Oder braucht es dort keine Nachfolgeüberlegung?
Hermann Klaas wendet seiner Stadt Lingen (Ems) den Rücken zu. Das und die daraus folgenden Konsequenzen einer möglichen weiteren Schwächung des Stadtzentrums sind nicht gut, auch wenn die LT heute trotzig das Gegenteil schreibt: Der Verkauf ist nich gut und das Abwenden von Hermann und Anne Klaas ebenso Das haben die genannten Herren zu verantworten, weil sie den erfolgreichen Investor Hermann Klaas ablehnten und ihn nicht akzeptierten, weil er ihnen deutlich machte, dass ihre Pläne zwar für ihr eigenes Ego aber nicht für die Stadt gut sind. Auch die für das neue BvL-Planverfahren bestellten Auftragsgutachten können darüber nicht hinwegschwurbeln.
Und was wird jetzt aus dem Lookentor in Lingens Mitte? Zweifellos hat die Mall das Stadtzentrum gestärkt und sie klappte auch, weil Hermann und Anne Klaas ihre Stadt, deren Ökonomie und die Menschen kennen. Wenn, wovon ich ausgehe, die Volksbank das Lookentor nach einer Schamfrist an Renditejäger weiterverkauft, wird dies anders sein. Das Meppener Einkaufszentrum MEP zeigt, dass eine solche Shoppingmall schnell scheitert, wenn außerhalb des Stadtzentrums Konkurrenzflächen vorhanden sind und die Kapitalanleger ganz andere, meist kurzfristige Interessen haben. Erinnert sich noch jemand an den Niedergang Schachtbau/GazDeFrance/Neptune. Ich fürchte fast, das Lookentor geht denselben Weg.
Foto: © Klaas Management GmbH & Co.KG Inhouse-Agentur
Markus Lager
11. September 2019
Architekturreihe
Markus Lager (Kaden + Lager)
Werkvortrag über Deutschlands höchsten Holzbau SKAIO
Lingen (Ems) – IT-Zentrum, Kaiserstraße 10b
Donnerstag, 12. September – 19 Uhr
Eintritt: frei
Im Rahmen der Architekturreihe unserer Stadt stellt der Architekt Markus Lager aus dem Berliner Architekturbüros Kaden + Lager in einem Werkvortrag Deutschlands höchstes Haus in Holzbauweise vor. Das Hochhaus SKAIO markiert aktuell den Eingang der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn. Das zehngeschossige Gebäude wurde als Hybridkonstruktion geplant. Der Werkstoff Holz macht dabei den überwiegenden Teil der Konstruktion aus. Lediglich die brandtechnisch sensiblen Bereiche wie Treppenhaus und Aufzugsschacht sind aus Stahlbeton. Mit seinen 34 Metern Höhe stellt SKAIO einen neuen deutschen Höhenrekord im Holzbau auf.
Kaden + Lager gelten als Wegbereiter des mehrgeschossigen Holz-Hybridbauses im innerstädtischen Bereich. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist der Wohnungsbau. Darüber hinaus hat das Büro erste Erfolge bei kuturellen Bauwerken zu verzeichnen. Kaden + Lager entwerfen, planen und bauen Mietwohnungen für Baugruppen und Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin, Hamburg und München. Mit der Fertigstellung von SKAIO im März dieses Jahres stellen sie unter Beweis, dass Bauen mit Holz auch über die Hochhausgrenze hinaus möglich ist.
Architekt Markus Lager ist in Haren (Emsland) geboren. Der gelernte Zimmerer absolvierte sein Architekturstudium an der TU Braunschweig. Nach Stationen bei den Architekturbüros HTP – Hidde Timmermann Architekten in Braunschweig, GRAFT in Berlin, pbr Planungsbüro Rohling AG in Braunschweig, Léon Wohlhage Wernik in Berlin und Kaden Klingbeil Architekten gründete er in Berlin 2015 zusammen mit Tom Kaden das eigene Architekturbüro Kaden + Lager. Neben seiner Tätigkeit als Architekt hält Lager Vorträge und gibt Vorlesungen, Gastkritiken sowie interdisziplinäre Workshops an internationalen Hochschulen.
Mi dem Vortrag von Markus Lager wird die Architekturreihe der Stadt Lingen im zweiten Halbjahr 2019 wieder aufgenommen. 2019 steht sie unter dem Titel „Architektur & Urbanität“. In diesem Rahmen erhalten renommierten Architekten, Gestalter und Kulturschaffende die Möglichkeit, in ungezwungener Atmosphäre ihre Projekte zu präsentieren – mit geselligem Ausklang bei Wein, Brot und Käse. „Wir möchten Lust auf Architektur und Baukultur machen“, sagt Stadtbaurat Lothar Schreinemacher die Idee zu der Reihe. Angesprochen sind Architekten, Planer und alle Kultur- und Architekturinteressierte in der Region.
Besser
10. April 2019
Natürlich ist Lingen besser. Besser als der Durchschnitt, nämlich! Beim gestern in Berlin präsentierten Ergebnis des Fahrradklimatests 2018 des ADFC erreicht unsere Stadt zwar nur Rang 40 von 106 Städten zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern, und gar nur Platz 8 der 12 niedersächsischen Teilnehmerstädte. Aber mit einem Schulnotenwert von 3,89 lagen wir deutlich besser als der deutsche Städtedurchschnitt von 3,90. Trotzdem war Lingen nicht dsbei, als Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die erfolgreichsten deutschen Städte im Fahrradklimatest auszeichnete. Nun, Spaß beiseite:
170.000 Radfahrer*innen nahmen an dem vierten ADFC-Test seit 2012 teil und unsere Nachbarstadt Nordhorn rückte auf den beachtlichen Platz 2 der Mittelstädte vor – mit einem Bewertungsdurchschnitt von 2,6. In Nordhorn wendet man auch stolze 22 Euro pro Einwohner für die Verbesserung der Bedingungen für die Radfahrer auf. Das zahlt sich aus. Zum Vergleich: In Lingen ist es nach meiner Erinnerung ein einstelliger Euro-Betrag und zwar in Haushaltsstellen, bei denen man die Gelder auch für den Pkw-Verkehr umschichten kann; Budgetierung nennt man diesen Trick. Was in den 1990ern als liberale Entbürokratisierung gefeiert wurde, ist tatsächlich längst zu einer Stärkung der Verwaltung verkommen, die auf diesem Weg machen kann, was sie will: Zum Beispiel mit Fahrradgeldern Autoparkplätze oder Straßen für Autos bauen.
Zuletzt präsentierte die Stadtverwaltung dabei z.B. die völlig missglückte Ampelkreuzung Weidestraße/Meppenerstraße/Wilhelmstraße/Konrad-Adenauer-Ring, wo einmal mehr mit rechtlichen Argumenten (Radfahrer hat auf dem Zebrastreifen keine Vorfahrt!) nichts Gescheites für Radfahrer herausgekommen ist. Im Gegenteil: Die Lage für die Zweiradfahrer hat sich dort deutlich verschlechtert. Die müssen jetzt nämlich wegen der Autos auf einer kleinen Verkehrsinsel anhalten und abwarten, bei Grün 3 Meter weiterfahren zu können. Ein wirklicher Mistplan, den sich das Rathaus da ausgedacht hat.
Geehrt hat der ADFC am Dienstag also die besten deutschen Städte, jeweils drei aus sechs Stadtgrößenklassen und die Kommunen, die sich in der jeweilige Klasse am stärksten verbessern konnte, sowie die familienfreundlichste Stadt, die ermittelt wurde. Diesen Titel trägt übrigens nun das westfälische Wettringen. Großstadt Karlsruhe (300.000 bis 500.000 Einwohner) hat das längst auf der Stelle trippelnde Vorbild Münster in seiner Größenklasse überholt und steht auf Platz 1. Bei den Großstädten über 500.000 Einwohner*innen liegt Bremen vorne.
Allerdings ist Zufriedenheit der Radfahrenden in Deutschland bundesweit gesunken, zudem fühlen sich Radfahrende immer unsicherer. Rebecca Peters (ADFC-Bundesvorstand) erläuterte, dass beim ADFC-Fahrradklima-Test vor allem Vielfahrende teilgenommen haben. 74 Prozent gaben an, das Fahrrad täglich zu nutzen. „Wenn schon die Vielfahrenden sich unsicher fühlen, wie fühlen sich dann diejenigen, die nicht so oft aufs Rad steigen?“, fragte Peters gestern. Lag der Wert im Jahr 2014 noch bei 3,7, ist er inzwischen auf 3,9 gefallen. „Es ist ein Trauerspiel“, so Peters weiter, „der Spaß am Radfahren nimmt kontinuierlich ab.“ Ihre klare Botschaft: Die Ergebnisse sind alarmierend. Wenn Radfahrende sich nicht sicher fühlen, verlieren sie die Lust am Radfahren. Dagegen müsse etwas unternommen werden.
Auch da ist Lingen gar nicht gut: Hier werden immer noch sog. Fahrradschutzstreifen gebaut und gepflegt, die alles andere schützen – bloß keine Radfahrer. Im Ortsteil Schepsdorf soll in diesem Jahr die Nordhorner (!) Straße allen Warnungen zum Trotz schutzstreifig umgebaut werden. Dann werden dort aus jetzt vorhandenen bequemen und breiten Mehrzweckstreifen diese gefährlichen Fahrradschutzstreifen – u.a. zugunsten von Pkw-Parkplätzen und zwar davon völlig sinnloserweise sieben vor dem Fahrradgeschäft des Schepsdorfer Ortsbürgermeister, der die gar nicht braucht, weil er angrenzend schon vor vielen Jahren einen Pkw-Parkplatz mit 16 Einstellplätzen gebaut hat, wenn ich richtig nachgezählt habe. Diese Posse kann man sich nicht ausdenken.
Der ADFC präsentiert uns daher sozusagen die Krone-Sinkkurve. Sie zeigt: Seit dem Amtsantritt des jetzigen Oberbürgermeisters Dieter Krone 2010 hat sich die Bewertung der Radfahrerfreundlichkeit kontinuierlich verschlechtert. Es reicht eben nicht, ab und zu mit dem Rad ins Büro zu fahren, aber sonst in erster Linie Politik für Autofahrer zu machen. Die gab es zuletzt mit Krones Idee, bei vier Ampel auf dem Konrad-Adenauer-Ring eine 400m lange grüne Auto-Welle einzuführen, weshalb Autos 400m später im Stau stehen aber vorher bereits Fußgänger wie Radfahrer wegen der Grünphase für Kfz länger an den Überwegen warten müssen. Da wünsch‘ ich mir, dass sich Stadtbaurat Lothar Schreinemacher, tatsächlich ein überzeugter Radfahrer, gegen Krone und dessen Autopolitik durchsetzt.
Positiv hat der ADFC für Lingen ermittelt, dass hier Alt und Jung radfahren und es auch Werbung für das Radfahren gibt (bei Werbung ist Lingen immer ganz vorn!). Doch schon die dritte positive Einschätzung lässt mich stutzen, dass unsere Stadt nämlich komfortable und sichere Abstellmöglichkeiten habe. Wo das denn, frage ich in die Leserrunde? Auch die positive Behauptung, es gebe in Lingen für Radfahrer geöffnete Einbahnstraßen in Gegenrichtung lässt mich eher stutzen. Mir fällt insoweit nur der kleine Bereich Kirch-, Mühlentor- und Kivelingstraße ein. Gibt es noch weitere?
Alle weiteren Punkte zeigt die ADFC-Zusammenstellung auf, die ich zum allgemeinen Studium dringend empfehle, weil deutlich wird, wo gehandelt werden muss Die Bewertung von Nordhorn sollte man daneben legen, dann erkennt man es noch besser. Übrigens: Meppen ist offenbar gar nicht erst dabei. Beim nächsten Mal 2020 rechne ich zwar nicht mit einer inhaltlichen Verbesserung für Radfahrer in unserer Stadt, aber damit, dass die PR-Abteilung durch alle Rathausbüros läuft, damit dort dann positiver bewertet wird. Es sei denn, es wird Politik für Radfahrer gemacht. Endlich.
(mehr beim NDR und bei DRadio Kultur)
Lingen & Denkmal
13. November 2018
Architekturreihe Lingen & Denkmal
Prof Johannes Schilling (Köln)
„Transzendente Räume – Architektur zwischen Radikalität und Illusion“
Lingen (Ems) – IT-Zentrum, Kaiserstraße 10b
Do 15. Nov. 2018 – 19 Uhr
Eintritt: frei
Die Architekturreihe Lingen & Denkmal wird an diesem Donnerstag mit einem Vortrag des Kölner Architekten Johannes Schilling fortgesetzt. Die Stadtverwaltung kündigt den Vortrag mit diesen Worten an:
„Architektur ist die Kunst, einen allgemeinen Zustand des Übergangs, von der räumlichen Idee über die gebaute Form bis zu den Empfindungen der Nutzer, in der Schwebe zu halten. Dieses vielschichtige Wissen um die Architektur wird von Schilling Architekten fortwährend erweitert. Mit jedem Projekt stellt sich die Frage nach dem Wesen und dem Umfang von Architektur neu. Johannes Schilling vollzieht in seiner Architektur eine beständige Evolution von Form und Ausdruck in dem von Raum und Kontext gesetzten Rahmen. Historie, soziale Belange und schlichtweg Funktionalität mögen die Architektur prägen, aber bestimmt wird sie von der Sensibilität, die Dinge in einem erweiterten Verständnis aufzunehmen und zu reflektieren. Der Widerhall, der dabei in uns Betrachtern und Nutzern erzeugt wird, ist der eigentliche Gewinn. So bleibt die Architektur gleichermaßen zugänglich und voller lebhafter Überraschungen – mit anderen Worten, ein Phänomen.
Prof. Johannes Schilling, Jahrgang 1956, studierte Architektur an der RWTH Aachen, an der Kunstakademie Düsseldorf und an der NSTC Halifax. 1984 gründete er das Büro Schilling Architekten in Köln und hat seit 2003 eine Professur an der Münster School of Architecture inne.“
Mit der Reihe „Lingen & Denkmal“ will die Stadt Lingen (Ems) renommierten Architekten, Gestaltern und Kulturschaffenden die Möglichkeit geben, in ungezwungener Atmosphäre ihre Projekte zu präsentieren – mit geselligem Ausklang bei Wein, Brot und Käse. Im Jahr 2018 steht dabei das Thema „Lingen & Denkmal – Neue Architektur in alten Mauern“ im Mittelpunkt. „Wir möchten Lust auf Architektur und Baukultur machen“, erläutert Stadtbaurat Lothar Schreinemacher die Idee zu der Reihe. Der Austausch sei dabei besonders wichtig. „Ich wünsche mir, dass die Architekten und Bauschaffenden einmal abseits von konkreten Projekten miteinander ins Gespräch kommen“, so der Stadtbaurat. Angesprochen sind neben diesen Berufsgruppen vor allem alle Kultur- und Architekturinteressierte in der Region.
(Foto © Stadt Lingen(Ems))
Wir müssen reden
28. September 2018
Wir müssen reden. Die Sparkasse Emsland plant, ihren Standort am Lingener Marktplatz entgegen früherer Vereinbarungen in eine Kassenfiliale umzuwandeln. Es gehen dabei Dutzende qualifizierter Arbeitsplätze verloren. Dazu will sie das bisherige Sparkassengebäude Am Markt 3 verkaufen und das vor knapp 50 Jahren als Non-plus-ultra errichtete Haus nebenan zur Geschäftsstelle (neudeutsch: Servicecenter) umbauen. Dazu hat sie einen Architektenwettbewerb veranstaltet und im Frühjahr abgeschlossen.
Das alles führt sie ohne große Diskussionen sowie im wesentlichen an der Stadt Lingen (Ems) und ihren Repräsentanten vorbei. Allein OB Dieter Krone und Stadtbaurat Lothar Schreinemacher durften nach -sagen wir- dringlich formulierter Bitte im Preisgericht des Wettbewerbs unter Vorsitz von Prof. Dr. Volker Droste (Oldenburg) dabei sein. Doch die Fach- und Sachpreisrichter im Gremium kamen überwiegend aus Meppen: Landrat Reinhard Winter, und der Vorstand der Sparkasse Emsland, Ludwig Momann, Oliver Roosen und Marco Menne, der privat im Gauerbach lebt. Es entschied sich aber letztlich gar nicht sondern vergab … zwei erste Plätze, ein kleingiebeliger Entwurf des weltbekannten Schweizer Architekten Max Dudler (oben; mehr) kam ebenso auf Platz 1 wie ein großgiebeliger Entwurf des Architekturbüros B-Werk aus Spelle (↓).
OB Dieter Krone damals: „Es ist den Planern gelungen, eine herausragende architektonische Gestaltung im Zusammenhang mit der städtebaulichen Entwicklung im Herzen der Stadt Lingen zu realisieren.“ Deutlich nüchterner sah dies dann der Lingener Planungs- und Bauausschuss.
Damals berichtete die Lingener Tagespost über die „Bitte“ von CDU-Fraktionschef Uwe Hilling , „dass über die weiteren Planungen im Planungs- und Bauausschuss informiert wird. Es handelt sich um ein sehr zentral gelegenes Grundstück in der Stadt. Wir wollen die Sparkasse dort erhalten, die auch eine Verpflichtung gegenüber der Stadt hat“, sagte. Es solle sich aber später nicht ausschließlich als reines Bürogebäude präsentieren. Es gebe weitere Nutzungen, die ebenfalls interessant seien.
Sein Fraktionskollege Jürgen Herbrüggen ergänzte: „Eine optische Zweiteilung der Funktionsbereiche der Innenstadt, hier Einzelhandel, dort Büros, gilt es zu vermeiden. Im Erdgeschoss sollte es etwas geben, was Handels- und Büronutzung verbindet.“ Thomas Pertz titelte für die Lokalzeitung: „Ausschuss in Lingen gegen ‚reine Büro- und Gardinenfront'“ – und bei dieser Formulierung fühlte nicht nur ich mich in die frühen 80er Jahre zurück versetzt, als genau dasselbe über die jetzige, damals neu entstehende Sparkassen-Geschäftsstelle am Markt 3-5 gesagt wurde und dann doch alles genauso büro- und gardinenmäßig kam wie befürchtet.
In dieser Woche hat nun der Verwaltungsrat der Sparkasse beschlossen, wie es beim aktuellen Projekt weitergehen soll. Inzwischen haben die B-Werk-Architekten nachgearbeitet und aus dem flotten Giebelbild ist ein eher phantasieloses Einerlei mit zwei nahezu gleichförmigen Giebeln entstanden (Zeichnung oben). Vorangegangen war die im April von einem Pressesprecher der Sparkasse Emsland angekündigte Prüfung der „prämierten Wettbewerbsarbeiten auf Umsetzungsdetails und „wirtschaftliche Realisierbarkeit“
Über das Ergebnis dieser Prüfung der wirtschaftlichen Realisierbarkeit wird zu reden sein, nachdem der städtebaulich anspruchsvollere und keineswegs wuchtigere (so aber gestern die LT) Dudler-Entwurf gar nicht erst auf den Weg gelassen wurde. Die Speller B-Werker haben jedenfalls einen eher gleichförmigen Wir-bauen-eine-Bank-Entwurf vorgelegt, der den (ge)werblichen Belangen der Sparkasse bequem entspricht, nicht aber den Anforderungen an das Stadtbild. Schade ist das.
Interessant wie spannend ist daher, ob „Rat und Verwaltung“ und vor allem die Bürgerschaft in Lingen, also unsere kommunale Selbstverwaltung, das Vorhaben mit seinen Gardinen und Schießscharten-Fenstern in Erdgeschoss durchwinken oder ob sie deutliche Nachbesserungen verlangen.
Nicht minder interessanter ist, ob sie es auch akzeptieren, die verbindlichen Zusagen nicht mehr zu beachten, die im Rahmen der Vereinbarung geschlossen wurde, als die Sparkasse Emsland vor 17 Jahren mit den Kassen in Meppen und Papenburg vereinigt wurde. Da wurde der Verbleib Dutzender hochqualifizierter Sparkassen-Arbeitsplätze in Lingen vereinbart, von denen fast keine mehr vorhanden sind…
(Fotos oben: © Thomas Pertz, LT)
relevanter Vorfall
28. November 2017
Zu den öffentlichen Angriffen auf die Panorama 3 Redaktion liegt jetzt eine Stellungnahme der NDR-Journlisten vor, die ich im Wortlaut veröffentliche:
„Der Lingener Stadtbaurat Lothar Schreinemacher hat den am 21.11.2017 bei Panorama 3 gesendeten Beitrag zum Einsturz des Turnhallendaches der Johannesschule als „tendenziös“ und „unverschämt“ kritisiert. Zudem seien seine Antworten aus dem „Zusammenhang gerissen“ worden.
Hierzu stellen wir fest:
In dem Beitrag sind sowohl der Stadtbaurat Lothar Schreinemacher als auch der Gutachter der Stadt, Hans Schmidt, mehrfach und ausführlich zu Wort gekommen. Die Antworten waren nicht aus dem Zusammenhang gerissen. Die zugehörigen Fragen wurden gesendet, der Zusammenhang war somit eindeutig klar.
Dem Sachverständigen Ernst-Ullrich Köhnke wurde eine Untersuchung des eingestürzten Hallendaches trotz Nachfrage verwehrt. Erst im Zuge der Berichterstattung von Panorama 3 bietet die Stadt Lingen an, dass auch andere Sachverständige die Binder in Augenschein nehmen können.
Sachverständige teilen Ergebnis der Stadt Lingen nicht
Panorama 3 hat das Gutachten zu den Einsturzursachen drei weiteren Sachverständigen vorgelegt, die allesamt zu einem anderen Ergebnis kommen, als die Stadt Lingen. Die von Panorama 3 befragten Experten kritisieren nicht den Inhalt des Gutachtens an sich, sondern lediglich die Schlussfolgerung, in der die Hauptursache der sogenannten Ringschäle zugeschrieben wird. Hiernach soll ein Materialfehler, der zudem nicht sichtbar war, der auslösende Faktor für den Einsturz gewesen sein.
Dass diese Schlussfolgerung problemtisch ist, räumt offenkundig inzwischen auch der Gutachter der Stadt Lingen, Hans Schmidt ein. So äußert sich Schmidt in der Lingener Tagespost vom 22.11.2017, es sei „fast nie die Ringschäle allein“ und „Ob und wie lange das Dach ohne die anderen Faktoren oben geblieben wäre, weiß keiner“.
Gutachter räumt Mängel als Faktoren für Einsturz ein
In dem Beitrag von Panorama 3 wurde erwähnt, dass die Halle 2009 begutachtet und saniert wurde. Dennoch war die Dachkonstruktion aus Holz offensichtlich in einem maroden Zustand. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Gutachter der Stadt Hans Schmidt. Auch er räumt die Bedeutung der anderen Faktoren für den Einsturz der Halle ein. Auf die Frage im Interview mit Panorama 3, welchen Anteil das Wasser an dem Einsturz des Daches hat, antwortete Hans Schmidt: „Das ist ganz schwer zu sagen. Wenn ich das genauer gewusst hätte, hätte ich das in mein Gutachten reingeschrieben. Ich weiß nur, dass es hier eine Belastung gegeben hat, die nicht hätte sein dürfen.“
DIE LINGENER STELLUNGNAHME FÜR SIE ALS DOWNLOAD
Etwas später führt er aus „Wir haben eine unzuträgliche Feuchtigkeit. Die hätte dort nie hinkommen dürfen. Die hat einen Einfluss. Ob das jetzt 10 Prozent sind oder 30 weiß ich nicht. Das kann man auch nachträglich nicht mehr sagen“. Und auf die Frage, ob man diese Schäden vor der Sanierung 2010 schon sehen konnte, antwortet er: „Die Belastung ist vor der Sanierung da gewesen.“ Über diese und weitere Mängel an der Halle, die schon vor der Sanierung sichtbar gewesen sein müssen, hat Panorama 3 berichtet.
Der Stadtbaurat behauptet, die Träger seien entgegen der Behauptungen von Panorama 3 beim Einsturz trocken gewesen. Panorama 3 hat nie behauptet, die Träger seien beim Einsturz nass gewesen, sondern wir haben von „Spuren von Wasser im Holz“ gesprochen. Wir haben berichtet, dass die Holzkonstruktion über längere Zeit großer Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen sein muss. Nach Einschätzung aller befragten Experten, inklusive Hans Schmidt, führt so etwas zu einer Schwächung des Werkstoffes, auch wenn das Holz beim Einsturz wieder trocken gewesen sein soll. Vermutlich hat die im Zuge der Sanierung angebrachte Deckenstrahlerheizung das feuchte Holz wieder getrocknet – so eine schnelle Trocknung schwächt Holz nach Aussage von Experten zusätzlich.
Einsturz hätte verhindert werden können
Diese Vielzahl von Mängeln, verbunden mit der Frage nach deren Anteil am Einsturz der Dachkonstruktion, hat Panorama 3 beschrieben. So kommt der von uns angefragte Holzfachmann Professor Stefan Winter von der Technischen Universität München zu dem Ergebnis: „Es liegen eine Reihe von schadenträchtigen Einzeltatsachen vor, die in Summe zum Versagen der Träger geführt haben. Die genaue prozentuale Höhe des Einzelbeitrages und die Initialursache sind nicht mehr festzustellen. Wesentliche Einflüsse haben die permanente Überbeanspruchung in Zusammenspiel mit der vorhandenen Ringschäle, den Feuchtebeanspruchungen (mit folgenden Trocknungsgefällen in den Trägern) und der nicht effektiven Querzugverstärkung, die gemeinsam dann zu einem Totalversagen führen. Wesentlicher weiterer Fehler: Mangelnde rechtzeitige und vollständige Untersuchung sowie fachgerechte Sanierung/Ertüchtigung, die hätte den Einsturz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert.“
Wenn eine Halle, wie in Lingen, einstürzt, ist dies ein relevanter Vorfall. Wenn es zudem Zweifel an der Begründung für die Ursache gibt, in diesem Fall einem Materialfehler, ist es Aufgabe der Medien und Panorama 3, darüber zu berichten. Dies ist weder tendenziös, noch unverschämt.
Fraktionsvorsitzende
24. November 2017
Man lernt immer wieder Neues. Zum Beispiel gestern im Rat diesen CDU-Krawalltrick, als der Rat sich über einen aktuellen panorama3-Beitrag empörte und die CDU-Spitze von eigenem Verhalten ablenkte und meinte, es passe bei der Gelegenheit ganz gut, dem Betreiber dieses kleinen Blogs auch noch eins mitzugeben. Das geht auch leichter von der CDU-Hand, wenn die Fakten etwas komplizierter sind und man selbst Dreck am Stecken hat. Lesen Sie selbst:
Sitzung unserer Die BürgerNahen-Stadtratsfraktion am 9. September dieses Jahres. Wir beraten mit Stadtbaurat Schreinemacher., u.a. den Einsturz des Hallendaches an der Johannesschule vom Januar des Jahres: Das Protokoll unserer BN-Sitzung berichtet:
5. Turnhalle Johannesschule und Grundschule Bramsche
[Stadtbaurat] Lothar Schreinemacher gab hierzu jeweils einen Sachstandsbericht. Bezüglich der Turnhalle Johannesschule haben sich die Gutachter mit einer eindeutigen Erklärung sehr schwer getan. Aller Voraussicht nach zeichnet sich hier ein Materialfehler bei den Brettschichtholzbindern (Leim zu hart?) ab. Für den Neubau der Turnhalle mit Kosten von rund 1 Mio € (Fertigstellung voraussichtlich Anfang 2019) wurden Fördermittel beantragt. Robert bemängelte diesen langen Zeitraum und forderte Lothar Schreinemacher auf, einen vorzeitigen Baumaßnahmenbeginn zu beantragen.
In der Grundschule Bramsche wurden heute Messproben genommen. Die genauen Messprotokolle mit den Ergebnissen werden in den nächsten Tagen erwartet.“
In der nicht-öffentlichen Sitzung des Verwaltungsausschusses unserer Stadt am 12. September behandelt Tagesordnungspunkt 3.12, dass das Gutachten zum Einsturz des Turnhallendaches der Johannesschule im Rathaus eingetroffen sei. Stadtbaurat Lothar Schreinemacher informiert über die gutachterlich ermitteltete Einsturzursache,
„dass die Binder statisch überlastet gewesen seien, habe aber letztlich nicht zum Einsturz geführt. Vielmehr seien die mangelhafte Verleimung und die Verwendung von Hölzern ursächlich gewesen. Dies sei ein Fehler, der bereits bei der Herstellung entstanden sei, von außen aber nicht erkennbar sei.“
Das Gutachten wird nicht vorgelegt. Daher wohl bittet
„Herr Fuest … darum, das Gutachten den Fraktionsvorsitzenden zur Verfügung zu stellen. Dies sagte Herr Schreinemacher zu.“
Zwei Tage danach, am 14. September tagt der Planungs- und Bauausschuss unserer Stadt und die Verwaltung informiert über die Gutachten mündlich so:
Das Gutachten zu dem Dacheinsturz liege nunmehr vor. Ursache für den Einsturz sei insbesondere ein Materialversagen durch Verwendung einer minderen Holzqualität gewesen. Hier seien durch besonders starke Jahresringe Schwindvorgänge eingetreten, die Kraftschlüssigkeit zwischen den Jahresringen und damit letztlich die gesamte Tragfähigkeit des Leimbinders beeinträchtigt hätten. Hierbei handele es sich um einen Produktionsfehler, der schon bei der Herstellung der Leimbinder vor ca. 50 Jahren entstanden sei. Erkennbar wäre er nur durch Durchsägen der Binder gewesen.
Die Herren Herbrüggen und Roth nahmen ab 16:05 Uhr an der Sitzung des Planungs- und Bauausschusses teil.
Weiterhin sei auch das Verleimen der entsprechenden Holzschichten nicht ordnungsgemäß erfolgt. Es könne sein, dass entweder das Holz nicht glatt genug gehobelt worden sei oder aber der Leim sei bereits bei Verarbeitung zu trocken gewesen.
Weiterhin habe der Gutachter festgestellt, dass es zu einer Spannungsüberlastung der Binder gekommen sei, die aber nicht für den Einsturz ursächlich gewesen sei. Andere Ursachen, wie z.B. die Schneelast können hier nicht ursächlich gewesen sein. Herr Schreinemacher wies außerdem darauf hin, dass es für dieses Dach auch keine Dämmung gegeben habe. Eine entsprechende Bauweise war bei Erstellung der Halle nicht üblich. Daher haben möglicherweise auch klimatische Bedingungen durch Aufheizen im Sommer und starke Abkühlungen im Winter durch die entsprechenden Kalt – Warm – Wechsel eine mögliche Ursache gebildet.
Als weiteres Vorgehen plane man eine Abstimmung mit einem Fachanwalt für Baurecht, um festzustellen, ob ggfls. Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Im Gutachten stehe soweit auch, dass die Binder nicht mehr hätten weiterver- wendet werden dürfen. Herr Schreinemacher wies aber nochmals darauf hin, dass es sich letzten Endes um eine Mehrfachursache gehandelt habe.
Bezüglich der jetzt erfolgenden Reparatur finden aktuell die Submissionen statt. Die eigentliche Reparatur soll innerhalb der nächsten 4 Wochen beginnen….“
Am 25. September, fast zwei Wochen nach der Bitte von Michael Fuest (Fraktionsvorsitzender Bündnis ’90/Die Grünen) erreicht mich als Vorsitzenden der Stadtratsfraktion „Die BürgerNahen“ mittags diese E-Mail aus dem Büro des Oberbürgermeisters:
„Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,
wie in der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 12.09.2017 besprochen, sende ich Ihnen als Anlage das Gutachten des Ingenieurbüros Eriksen zur Schadensursache der eingestürzten Dachkonstruktion der Sporthalle Johannesschule in Lingen zur Kenntnis.
Zusätzlich füge ich das Gutachten des Dipl. Ing. H. Schmidt bei. Dieses Gutachten ist eine Ergänzung und Bestandteil des Gutachtens Eriksen.
Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass diese Gutachten vertraulich zu behandeln sind.
Freundliche Grüße
Sophia Wessling
Stadt Lingen (Ems)
Büro des Oberbürgermeisters…“
Der Fettdruck des Vertraulichkeitssatzes findet sich im Original. Ich habe damals darüber nachgedacht, was das soll, bin dem aber nicht weiter nachgegangen. Natürlich hab ich die Gutachten entsprechend dem „ausdrücklichen“ Hinweis vertraulich behandelt und nicht an andere weitergeleitet, nicht einmal an die Mitglieder unserer BürgerNahen-Fraktion. Vertraulich ist eben vertraulich, ich kenne das aus meinem Beruf. Michael Fuest hat sich, wie es gestern im Rat hieß, ebenso verhalten.
Doch die Fraktionsvorsitzenden Hilling (CDU), Bendick (SPD) und Beeck (FDP) scherten sich nicht um den ausdrücklichen Vertraulichkeitshinweis und -wie sie gestern im Rat sagten- schickten die Gutachten an alle eigenen Fraktionsmitglieder – das sind zumindest 35 Ratsmitglieder. Offenbar aus diesen Kreisen, aus der Stadtverwaltung oder den Gutachter- und Versicherungsbeteiligten sind die vertraulichen Gutachten dann zu panorama 3 gelangt und dort zum Anlass grober Kritik gegen die Stadt Lingen (Ems) im allgemeinen und gegen Stadtbaurat Lothar Schreinemacher im Besonderen gemacht worden, weil der Stadtbaurat einen Materialfehler der Leimbinder als Ursache annahm und die Ratsgremien ihm folgten.
Wie heißt es im Protokoll: „Andere Ursachen, wie z.B. die Schneelast können hier nicht ursächlich gewesen sein.“ Andere Schadensursachen sind den Ratsgremien also nicht bekannt gegeben worden, und den Ratsausschüssen wurden die Gutachten auch nicht vorgelegt.
Nach dem panorama3-Beitrag vom Dienstag dieser Woche hieß es deshalb in diesem Blog:
Dass es [das Gutachten] auch andere Ursachen nennt, ist den Gremien nicht bekannt gegeben worden. Das Gutachten ist den Ratsausschüssen nicht vorgelegt worden; dies ist nachzuholen. Unverzüglich.
Dass dieser kleine Blog den CDU-Fraktionsvorsitzenden Uwe Hilling ärgert, ist allgemein bekannt. Mit gespielter Empörung bezeichnete er gestern im Rat die zitierte Passage aus diesem Blog als „unredlich“, weil die Fraktionsvorsitzenden die Gutachten bekommen hätten. Er forderte mich auf, mich zu entschuldigen, die Aussage zurückzunehmen und was weiß ich noch. An der Aussage ist jedoch nichts zu korrigieren.
Bitte urteilen Sie selbst und fragen Herrn Hilling bei Gelegenheit, welche anderen Crash-Ursachen in den Gremien der Stadt mitgeteilt wurden, in welchem Ratsausschuss die Gutachten den Mitgliedern vorgelegt worden sind und, wenn Sie Lust haben, vielleicht auch, weshalb eine vertrauliche Information bei ihm und anderen nicht vertraulich ist.
Seitenblick:
Zu den beliebten Spielchen im Lingener Rathaus zählt es, „nicht-öffentlich“ und „vertraulich“ gleichzusetzen; gestern im Rat ereiferte sich dazu die zwischenrufende Edeltraut Graeßner (SPD). Es ärgert nämlich manche, wenn hier im Blog Abstimmungsverhalten und Beiträge aus nicht-öffentlichen Sitzungen mitgeteilt werden. Doch die flotte Gleichsetzung ist falsch. Die nicht-öffentliche Beratung eines Themas macht es nicht vertraulich und schon gar nicht geheim. Anders ist es mit der Mitteilung, ein Dokument sei vertraulich oder geheim, jedenfalls bis zur Feststellung des Gegenteils.
Im Übrigen sorry, dass ich Sie mit diesem Problemchen belästigt habe. Schönes Wochenende.