Anlässlich des 79. Befreiungstages des Emslandlagers Oberlangen wurde vor zwei Wochen in der Gedenkstätte Esterwegen  die Ausstellung „Die 1. Polnische Panzerdivision und die Befreiung des Emslandes 1945“eröffnet. Die Ausstellung zeigt 130 Fotografien der polnischen Einheit, die 1942 in Schottland gegründet worden war und von August 1944 bis Mai 1945 an der Seite der Alliierten in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland gekämpft hatte.

Dabei befreite die polnische Panzerdivision unter dem Kommando von General Stanislaw Maczek am 12. April 1945 auch das Emslandlager Oberlangen. In dem Kriegsgefangenenlager waren zum Zeitpunkt der Befreiung etwa 1.700 polnische Frauen inhaftiert, die im Warschauer Aufstand mitgekämpft hatten. Neben den Fotografien wird die Ausstellung von Seiten der Gedenkstätte durch Film- und Videoexponate ergänzt.

Die Ausstellung über die polnische Panzerdivision wurde erstmals 1984 in Polen durch die Krakauer Gesellschaft für Fotografie und das heutige Museum für die Geschichte der Fotografie präsentiert. Zu den Kriegsfotografen zählten Mikolaj Jablonski, Marian Walentynowicz, Antoni Wasilewski, Czeslaw Datka, Roman Boczar und Andrzej Szubarga. Heute befindet sich ein Teil der Fotografien im Besitz der polnischen Botschaft in den Niederlanden und ein zweiter Teil im Maczek Memorial Breda, Niederlande.

Die 1. Panzerdivision setzte sich aus Soldaten der 10. Kavalleriebrigade zusammen, die sich nach der Besetzung Polens durch die Wehrmacht ins Ausland abgesetzt hatten. Im August 1944 wurde die Division, nachdem sie zwei Jahre den Küstenschutz in Schottland unterstützt hatte, der kanadischen Armee zugeteilt. Der Weg der Division begann im August 1944 in Caen und endete am 6. Mai 1945 in Wilhelmshaven. Bis zur endgültigen Demobilisierung im Jahr 1947 gehörten die Mitglieder der Einheit zu den Besatzungstruppen im Emsland. Zu Ehren ihres Generals gaben sie der polnischen Enklave im zwangsgeräumten Haren vorübergehend den Namen „Maczkow“.
Die Ausstellung ist in der Gedenkstätte Esterwegen vom 14. April bis 4. August zu den Öffnungszeiten der Einrichtung (dienstags bis sonntags, 10 bis 18 Uhr) zu sehen. Der Eintritt ist frei.
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Foto:  Befreite Polinnen im Stalag Oberlangen
Von Autor/-in unbekannt – H. Walter, H. Nowak: W obozach, in: Pełnić służbę: z pamiętników i wspomnień harcerek Warszawy 1939-1945, PIW 1983, Gemeinfrei.
Text: Gedenkstätte Esterwegen

Eine ganze Woche lang feiert das niederländische Emmen (Provinz Drenthe) in diesem Jahr den Koningsdag, also den Geburtstag von Staatsoberhaupt König Willem-Alexander, der heute, am 27. April 57 Jahre alt wird. In diesem Jahr besucht der „Koning“ an seinem Ehrentag Emmen, das ehemals verschlafene Städtchen am Ostrand der Niederlande, das inzwischen zu einer Großstadt mit fast 110.000 Einwohnerinnen und Einwohner geworden ist. Ich lese:

Met een prachtig Koningsdagconcert in het Atlas Theater Emmen is de Koninklijke week begonnen. Het Koningspaar was aanwezig samen met prinses Beatrix, prins Constantijn en prinses Laurentien. Het concert wordt zaterdag 27 april uitgezonden om 20.35 uur op NPO 2 (Nederlandse Publieke Omroeps 2).

Koninklijk weekend
Het Koningsdagconcert was de aftrap voor een Koninklijke week. De opbouw van het centrum is inmiddels in volle gang. Donderdag 25 april start het weekend met een Koninklijke avond stadswandeling en koopavond. Vrijdag 26 april is er livemuziek in verschillende horeca van 17.30 uur en 00.00 uur. Op zondag 28 april is in het centrum van Emmen koopzondag van 13.00 – 17.00 uur. Parkeren is op zondag 28 april in het hele centrum gratis. Bekijk het hele programma.

Koningsmarkt
Koningsdag is niet compleet zonder een vrijmarkt: de Koningsmarkt. De Koningsmarkt is van 06.00 – 16.00 uur geopend en vind je in het centrum van Emmen. Op het Wilhelminaplein, de Baander, Klokkenslag, parkeerplaats Karbeel en parkeerplaats Willinkplein Zuid. Kijk op de website van de organisatie voor meer informatie.

Koninklijke wandeling
De koninklijke wandeling start om 11.00 uur en wordt zaterdag 27 april live uitgezonden door de NOS op NPO1. De wandeling begint op het Noorderplein en eindigt op het Raadhuisplein. In principe wordt de route in twee uur tijd afgelegd. Bekijk de hele route.

Bezoekersinformatie
Kom je dit weekend naar Emmen? Meer informatie over onder andere verkeer, parkeren en fietsen vind je op de website Koningsdag in Emmen. 


Übersetzung gefällig? Die Leserschaft wird gebeten, das selbst in die digitalen Hände zu nehmen. Danke.


Foto: Seine Majestät Willem-Alexander, Foto Koos Breukel Het Koninklijk Huis (Dutch Royal Household) – CC0

Boergondische Markt

8. April 2024

Die Jahrhunderte alte Stadt Oldenzaal in der benachbarten niederländischen Provinz Overijssel ist für ihre burgundische Atmosphäre bekannt. Der „Boergondische Markt“, der an jedem zweiten Samstag eines Monats von 10 bis 16 Uhr veranstaltet wird, verbindet den traditionellen Charakter von Oldenzaal mit regionalen Produkten aus landwirtschaftlicher Erzeugung von bäuerlichen Produzenten aus dem Twenter Land.

Slow Food, regionale Produkte, bäuerliche Produzenten; es gibt so viele Namen für die tollen Produkte, die aus dem Twenter Land stammen! Weil wir stolz auf diese Erzeuger sind, haben wir sie eingeladen, auf dem ersten Burgundischen Markt in Oldenzaal dabei zu sein. So können Sie für eine leckere Mahlzeit wie zum Beispiel Bio-Eier von Hedevelds Bio Ei, köstliches Hereford-Fleisch von Gert-Jan Maathuis oder die Husselsauce, die hausgemachte Mayonnaise mit Tomaten und Gewürzen, von Jojan van Kersbergen kaufen.

Die charmante Atmosphäre und das gesellige Ambiente des lebhaften Markttreibens machen den Plechelmusplatz an der St. Plechelmus-Basilika zum Anziehungspunkt für Besucher aus nah und fern. Der nächste Markttag ist am 13.04.: Dann folgen der 11.05., 08.06., 13.07., 10.08., 14.09., 12.10. und 09.11.2024.

Flavium

29. März 2024

Flavium
Blues….
Twist, Heimathaus, Flensbergstr. 11
Samstag, 30. März – 19 Uhr
Karten: 18,- € (VVK) und 22,- € (AK)

(Sorry, wegen der Youtube-Werbung, aber der Blues…)

Flavium ist eine der führenden Blues-Bands aus den Niederlanden. Seit Jahren ist die Band auf Blues- und Festivalbühnen in den Niederlanden, aber auch in Deutschland, Belgien, England und Irland aktiv und am Karsamstagabend im Heimathaus Twist.

36. Jazzfest Gronau

22. März 2024

Zum 36. Mal findet das Jazzfest Gronau statt – in diesem Jahr vom 30. April bis zum 5. Mai.

Den Auftakt macht am 30. April Nils Wülker in der Bürgerhalle, der letztes Jahr krankheitsbedingt absagen musste. Der Trompeter präsentiert mit seiner Band den letzten Teil seiner Albumtrilogie „Go“ – eine Exkursion in die elegante Elektronik, die den Popausflug von „Up“ und die HipHop-Reise von „On“ vervollständigt. Erstmalig zum Jazzfest will Wülker außerdem ein Konzert vor Grundschülerinnen und Grundschülern geben.

Ebenfalls in der Bürgerhalle spielt am 1. Mai Götz Alsmann sein neues Programm „…bei Nacht…“, bei dem er „erlesene Preziosen der Schlagergeschicht“ (jazzthing.de) präsentiert, melancholische und humorvolle Glanzstücke aus der Zeit von 1910 bis 1965. Vorher leiten die – in Lingen entstandenen (frecher O-Ton: „Lingen ist jetzt nicht unbedingt der Ort, an dem man als Musiker alt werden möchte, aber immerhin hat es ja zu etwas Gutem geführt“)- Zucchini Sistaz den Abend ein: Mit Gitarre, Kontrabass und Trompete heben sie versunkene Schellackschätzchen und entdecken dabei die eine oder andere Perle des deutschen Jazzschlagers.

Das Trio des deutschen Schlagzeugers Wolfgang Haffner – ergänzt um die großartigen Gäste Nils Landgren und Ida Sand – gibt am Donnerstag ein Jazz-Konzert der Spitzenklasse, Singer/Songwriter Gregor Meyle und seine Band spielen am Freitag „unplugged“.

Die nach Hauptsonsor benannte K+K Musiknacht am Samstag bietet zahlreiche Bands der unterschiedlichsten musikalischen Stilrichtungen – unter anderem Cosmo Klein, das Horst Hansen Trio und das Jugendjazzorchester Nordrhein-Westfalen – kostenlos auf dem Freigelände, in der Bürgerhalle, in Duesmann’s Spinnerei und bei Cook’n Roll. Eine Matinee und das „Jazz & Dine“-Programm in vier Restaurants runden am Sonntag das diesjährige Jazzfest Gronau ab, das größte Mehrtagesmusikfest der Region.

Hier geht’s zum Programm.

Westerbork

4. März 2024

Das Polizeiliche Judendurchgangslager Westerbork war in den deutsch besetzten Niederlanden eines der beiden zentralen Durchgangslager (KZ-Sammellager), von wo aus niederländische oder sich in den Niederlanden aufhaltende deutsche Juden in andere Konzentrationsund Vernichtungslager deportiert wurden. In den Niederlanden ist der Begriff Kamp W. bzw. Concentratiekamp W. verbreitet. Vor der Nutzung als KZ hatten die Niederländer hier in der >Provinz Drenthe aus dem Reich geflüchtete Juden interniert.

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Niederlande am 10. Mai 1940 wurde Kamp Westerbork im Rahmen der Besatzungspolitik weiter genutzt. Soweit sie sich meldeten oder festgenommen wurden, kamen alle in die Niederlande geflohenen jüdischen Deutschen und Österreicher hierher in Haft. Am 1. Juli 1942 wurde dann aus dem bisher niederländisch verwalteten Zentralen Flüchtlingslager Westerbork offiziell das „polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork“ unter direkter deutscher Verwaltung. Kurz danach begannen am 15. Juli die Deportationen aus den gesamten Niederlanden ins Durchgangslager Westerbork, wo die SS fast alle Transporte zusammenstellte, und von dort weiter in die Vernichtungslager. Neben den überwiegend jüdischen Lagerinsassen wurden auch „Zigeuner“ und Widerstandskämpfer im Lager festgehalten. Fast alle wurden mit dem Zug abtransportiert. Anfänglich stiegen die Gefangenen am Bahnhof Hooghalen aus und liefen die sieben Kilometer lange Strecke zum Lager. Ab Oktober 1942 baute Nederlandse Spoorwegen ein Anschlussgleis ins Lager, das dieses mit der  Bahnstrecke Meppel–Groningen verband.

100.000 Juden, Sinti und Roma wurden aus Westerbork in die Konzentrations- und Vernichtungslager in den Osten deportiert. Darunter auch jüdische Mitbürger aus Freren und Umgebung. Für die jüdische Geschichtswerkstatt „Samuel Manne“ organisiert der Kulturkreis impulse eine Fahrt zur Gedenkstätte. Es wird eine Führung angeboten und auch der eigenständige Besuch der Ausstellungen sind geplant.

Busfahrt zur Gedenkstätte Westerbork
Freren – ab: Alte Molkerei
Mittwoch, 13. 03. 2024, Abfahrt: 10 Uhr, Rückkehr: ca. 16 Uhr

Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich: 05902/93920
Mit Hilfe von Sponsoren ist die Busfahrt kostenfrei.


Foto: Denkmal Lager Westerbork, ZikoEigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Jewish Jazz

16. Februar 2024

Jewish Jazz
Mirjam van Dam & Band

Special guests: Bobby Rootveld und Sanna van Elst
Neuenhaus, Lise-Meitner-Gymnasium, Bosthorst 10
Sonntag, 18. Februar ’24 – 20 Uhr

Karten VVK: 22,- € ; Abendkasse: 24,- €
Schüler und Studenten: 12 ,-
Ermäßigung mit GN-Card: 1,50

In Jewish Jazz entführen Sie die Sängerin Mirjam van Dam und ihre Musiker in das New York der 20er und 30er Jahre. Jüdische Immigranten, Flüchtlinge aus Russland und umliegenden Ländern, entfalten sich in der ‘Tin Pan Alley’, dem Schmelztiegel der New Yorker Musikszene als Komponisten, Textschreiber und Musiker. In den Glanzzeiten des Jazz trugen sie wesentlich dazu bei, dass die Theaterproduktionen am Broadway und die Filmmusikindustrie des erwachenden Hollywood Weltruhm erlangten. Hierbei war die fruchtbare Zusammenarbeit mit schwarzen Künstlern eine Selbstverständlichkeit. Jewish Jazz nimmt Sie mit auf die Reise durch die Lebensgeschichten, die Anekdoten, aber vor allem die großartige Musik von George und Ira Gershwin, Irving Berlin, Artie Shaw, Benny Goodman und vielen anderen. Der Saxophonist von „Jewish Jazz“ ist der hier zu Lande bekannte, aus Uelsen stammende Peter Peuker.

Das Duo NIHZ – bestehend aus Bobby Rootveld (Gitarre, Gesang, Perkussion) und Sanna van Elst (Gesang, Blockflöten, Melodica, Glockenspiel) spielt bereits seit 2001 zusammen und widmet sich der Vielfalt jüdischer Musik, die aus Klezmer, jiddischen Liedern, hebräischen Liedern, klassischer Musik und Popmusik besteht.


Text: PM, Video: Youtube

Geschäfte

10. Februar 2024

Ein Transport mit insgesamt 12 Uranfässern auf drei LKWs hat Donnerstagabend um 22.36 Uhr die Brennelementefabrik Lingen erreicht. Das angereicherte Uran zur Brennelementeproduktion war am Nachmittag im Rotterdamer Hafen mit dem russischen Uranschiff Baltiyskiy 202 an Land gekommen. Der Atomfrachter kam aus St. Petersburg. Atomkraftgegner:innen hatten zunächst die Verladung im Rotterdamer Hafen beobachtet und hielten bei der Ankunft in Lingen eine spontane Mahnwache ab. Sie fordern von der Bundesregierung und der niederländischen Regierung die sofortige Einstellung der Urangeschäfte mit Russland.

„Dies war das erste Mal, dass der gesamte Urantransport aus Russland von Rotterdam nach Lingen verfolgt werden konnte. Wir sind entsetzt, dass auch zwei Jahre nach dem Beginn des brutalen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Atombereich „business as usual“ herrscht. Die Betreiberin der Lingener Brennelementefabrik, der französische Konzern Framatome, begibt sich immer weiter in die Abhängigkeit vom Kreml,“ so Alexander Vent vom Lingener Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner:innen im Emsland.

„In Lingen will Framatome sogar in Kooperation mit dem russischen Staatskonzern Rosatom in Zukunft Brennelemente für Osteuropa herstellen. Und wer Rosatom mit ins Boot holt, schwimmt sich nicht vom Kreml frei. Deshalb rufen wir bundesweit zu Einwendungen gegen diese gemeinsamen Atompläne auf. Das niedersächsische Umweltministerium legt die Antragsunterlagen bis zum 3. März aus. Es ist jetzt dringend Zeit, die russische Atom-Connection auf allen Ebenen zu beenden,“ ergänzte Peter Bastian vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. Die Sammeleinwendungen gegen den Einstieg von Rosatom in die Brennelementeproduktion in Lingen finden sich online hier.


Text: PM AgiEL – Atomkraftgegner:innen im Emsland, Elternverein Restrisiko Emsland e.V. und Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen

 

Vermeer – Reise ins Licht

15. November 2023

Vermeer – Reise ins Licht
Doku, NL 2023, 78 Min., FSK 0, Regie: Suzanne Raes
Lingen (Ems), Marienstraße 8, Central-Kino
Donnerstag, 16.11., Freitag, 17.11. und Montag, 20.11. – jeweils 20 Uhr

Als Gregor Weber als kleiner Junge zum ersten Mal ein Gemälde des niederländischen Barock-Malers Johannes („Jan“) Vermeer sieht, lässt ihn der Anblick die Besinnung verlieren. Ein Moment, der sein ganzes Leben bestimmte. Heute zählt Gregor Weber zu den bedeutendsten Vermeer-Experten und Kunsthistorikern der Welt. Im 17. Jahrhundert schuf Vermeer ganze Universen in einer schmalen Raumecke, seine Meisterschaft stellt die Kunstgeschichte bis heute vor ungelöste Rätsel. Perspektive, Komposition, der farbige Schatten: Vermeer ist bekannt für die Magie des konturlosen Zeichnens. Er schuf das „Mädchen mit dem Perlenohrring“ oder die „Straße in Delft“.

Kurz vor seiner Pensionierung steht Gregor Weber vor seiner wichtigsten Aufgabe: die größte Vermeer-Ausstellung aller Zeiten soll er für das renommierte Amsterdamer Rijksmuseum kuratieren. Doch Vermeers Gemälde sind heute über den gesamten Globus verstreut. Und kurz vor der Eröffnung behaupten amerikanische Wissenschaftler, dass eines der zentralen Bilder überhaupt nicht von Vermeer stamme.

Die EU-Kommission will die Anbieter von Messengerdiensten bis zu E-Mails verpflichten, Fotos, Videos und andere Inhalte, die ihre Nutzerinnen und Nutzer verschicken oder hochladen, automatisch auf Darstellungen von Kindesmissbrauch zu durchsuchen und mögliche strafbare Fälle an die Ermittlungsbehörden zu melden.

Der Juristische Dienst des EU-Rats hat diese Pläne zur Chatkontrolle als grundrechtswidrig bezeichnet, ebenso wie andere Juristen, die deutschen und europäischen Datenschutzbeauftragten sowie die Wissenschaftlichen Dienste von Bundestag und EU-Parlament an. Alle und auch zahlreiche NGOs warnen eindringlich davor, diese oder ähnliche Maßnahmen weiterzuverfolgen.

Mädchen schaut auf Handy
Mit düsteren Bildern untermalt die EU-Kommission die Zahlen einer umstrittenen Meinungsumfrage. –  Screenshot Werbevideo

Mitten im Gesetzesprozess der EU hat jetzt EU-Innenkommissarin Ylva Johansson im September Werbung für die Chatkontrolle in den Ländern geschaltet, die kritisch gegenüber der geplanten EU-Verordnung sind. Die Zielgruppe der Werbung wählte sie nach religiösen und politischen Einstellungen aus. Es handelt sich dabei um politisches Mikrotargeting – einer Form von gezielter Werbung, die die EU wegen Manipulationsmöglichkeiten eigentlich strenger regulieren will. Und das mitten im Gesetzgebungsprozess, während im Rat um eine Mehrheit für das Vorhaben gerungen wird.

Aufgedeckt hat das der niederländische Jurist und Digitalexperte Danny Mekić: Er recherchierte dafürin den Transparenzberichten von X [vormals Twitter], in denen die Plattform Details zu politischer Werbung auflisten muss. Laut seinem Gastbeitrag im niederländischen Volkskrant – hier eine englische Version auf seiner Webseite – wurde die Kampagne für die Chatkontrolle ab dem 15. September geschaltet, einen Tag nachdem klar wurde, dass der Vorschlag der EU-Kommission keine Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten hat. Die Kampagne soll in den Niederlanden, Schweden, Belgien, Finnland, Slowenien, Portugal und der Tschechischen Republik mehr als drei Millionen mal ausgespielt worden sein.

Im Volkskrant heißt es:

Die Kampagne [..] verwendet schockierende Bilder von jungen Mädchen neben unheimlich aussehenden Männern und bedrohlicher Musik und betreibt eine Form der emotionalen Erpressung, indem sie suggeriert, dass die Gegner des Gesetzes Kinder nicht vor Missbrauch schützen wollen.

Auch die Inhalte der Werbung sind irreführend. Sie stützen sich auf umstrittene Meinungsumfragen der EU-Kommission selbst (PDF), bei der hohe Zustimmungswerte zur Chatkontrolle suggeriert werden. In der Fragestellung wurden die negativen Auswirkungen allerdings nicht erwähnt und sehr allgemein gefragt, ob Missbrauchsbilder online gesucht werden sollten. Andere Umfragen zur Chatkontrolle wie die von Novus oder YouGov zeichnen ein komplett anderes Meinungsbild.

Religiöse und politische Einstellungen genutzt

Mekić verweist auf die Transparenzberichte von X (BelgienTschechienFinnlandNiederlandePortugalSchwedenSlowenien – jeweils CSV), die Informationen über Regierungsanfragen liefern. Aus diesen geht hervor, wie die Europäische Kommission politisches Microtargeting eingesetzt hat. So seien die Zielgruppen der Kampagne bewusst so zugeschnitten worden, „dass die Anzeigen nicht bei Personen erscheinen, denen der Datenschutz wichtig ist (Personen, die sich für Julian Assange interessieren) und bei Euroskeptikern (Personen, die sich für „nexit“, „brexit“ und „spanexit“ oder für Victor Orbán, Nigel Farage oder die deutsche politische Partei AfD interessieren)“.

Zudem wurden laut dem Bericht auch Personen, die sich für das Christentum interessieren, ausgeschlossen. Hier könnte die Annahme dahinter stecken, dass diese Personen sowieso schon Anhänger der EU-Verordnung seien.

Dieses Mikrotargeting nach politischen und religiösen Überzeugungen verstößt laut Mekić nicht nur gegen die Werberegeln von X, sondern auch gegen das Digitale-Dienste-Gesetz der EU und die Datenschutzgrundverordnung.

Die niederländische EU-Abgeordnete Sophie in’t Veld stellt eine formale Anfrage an die EU-Kommission, die sie vorab öffentlich gemacht (PDF) hat. Darin fragt sie unter anderem nach dem Ziel einer „Kampagne zur Förderung eines sehr sensiblen Legislativvorschlags“ mitten im Legislativverfahren von Parlament und Rat. Zugleich stellt sie die Frage, ob die Kampagne im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung und dem Digitale-Dienste-Gesetz steht.

„Neuer Tiefpunkt“

Konstantin Macher von Digitalcourage, einer Bürgerrechtsorganisation, die sich gegen die Chatkontrolle einsetzt, sagt gegenüber netzpolitik.org: „Mit Microtargeting und Desinformation für die Chatkontrolle erreicht die EU-Kommission einen neuen Tiefpunkt in ihrer Kampagne für das Überwachungsgesetz.”

Zuletzt hatten investigative Recherchen ergeben, dass die EU-Innenkommissarin eine große Nähe zu Lobbynetzwerken hat, die auch mit finanziellen Interessen für die Chatkontrolle werben. Johansson war auch schon in der Vergangenheit mit Falschinformationen und irreführenden Aussagen zur Chatkontrolle aufgefallen.


Ein Beitrag von auf netzpolitik.org – Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

 

Nachtrag:
Der EU-Kompromissvorschlag vom 12. Oktober geht der Bundesregierung offenbar nicht weit genug. Sie fordert, dass die umstrittenen Teile wie die Chatkontrolle erst einmal aus der Verordnung herausgenommen werden. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition werden „allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht“ abgelehnt, und es wird erklärt, dass „anonyme und pseudonyme Online-Nutzung“ gewahrt bleiben wird.