Uwe Schünemann kann es nicht lassen: Wieder einmal betreibt er im Namen der CDU Niedersachsens Symbolpolitik auf dem Rücken der Betroffenen. Mit demonstrativer Härte gegen angebliche „Integrationsverweigerer“ will er Geflüchtete sanktionieren, die angeblich nicht deutsch lernen wollen oder gar „den Spracherwerb ihrer Kinder behindern“.

Das sind Nebelkerzen, die eine Realität konstruieren statt zu beschreiben, und die Ursachen für mangelnde Deutschkenntnisse unter Geflüchteten verschweigen: Warum hat das bis zur Bundestagswahl CDU-geführte Innenministerium Integrationskurse nur für Asylsuchende mit angeblich „guter Bleibeperspektive“ geöffnet – und selbst Afghan:innen von diesen Integrations- und Sprachkursen ausgeschlossen mit der denkwürdigen Begründung, für diese Gruppe könne keine positive Bleibeprognose getroffen werden? Welche Eltern hätten jemals den Spracherwerb ihrer Kinder behindert? Behindernd sind doch wohl vor allem die lernfeindlichen Lebensbedingungen von geflüchteten Kindern in Lagern und Gemeinschaftsunterkünften. Warum hat die CDU in den vergangenen Jahren nicht mehr dafür getan, um die Lernbedingungen zu verbessern? Warum hat sie u.a. dafür gesorgt, dass Geflüchtete bis zu 18 Monate in sog. „Ankerzentren“ und Erstaufnahmeeinrichtungen festgehalten werden, die eine Teilhabe und Integration vielfach verunmöglichen? Wie lässt sich in Flüchtlingslagern ohne Internet oder geeignete Lernbedingungen – zumal unter Coronabedingungen – eine Sprache erlernen, zumal wenn es an angemessenen Sprachkursangeboten fehlt?

Vollkommen unnötig und in geradezu gehässiger Weise will Schünemann nun offensichtlich aus populistischen Gründen den Druck auf Geflüchtete, die vielfach ohnehin unter starken psychischen Belastungen leiden, erhöhen. Dass dies weder für das Erlernen der deutschen Sprache noch für andere Bereiche der gesellschaftlichen Teilhabe hilfreich ist, muss kaum erwähnt werden.

Es ist gut, dass die neue Bundesregierung jetzt endlich einiges ändern und allen Asylsuchenden die Teilnahme an Integrationskursen ermöglichen sowie die Kontingentierung des Familiennachzugs aufheben will. Sie könnte noch mehr für die Integration tun, wenn sie dafür sorgte, dass die Aufenthaltszeiten in Erstaufnahmeeinrichtungen auf sechs Wochen beschränkt und eine schnelle Verteilung aller Geflüchteten auf die Kommunen erfolgen würde. Es ist überfällig, dass Deutschland sich konsequent als Einwanderungsland aufstellt und Diversität nicht als Makel, sondern als Stärke begreift. Das muss endlich auch die CDU/CSU lernen: Verbindlich und verbindend ist in Deutschland das Grundgesetz und die Rechtsordnung, bei aller Unterschiedlichkeit der Lebensstile und Orientierungen. Wenn Herr Schünemann von einer „Verpflichtung zur Achtung der hiesigen Grundsätze des Zusammenlebens“ spricht und den verquasten Begriff der „Leitkultur“ aus der Mottenkiste holt, knüpft er bewusst an überwunden geglaubte deutschtümelnde Bedeutungsinhalte und Traditionen an.


Text: Flüchtlingsrat Niedersachsen

nach Syrien prüfen

20. November 2018

Scharfe Kritik übt der Niedersächsische Flüchtlingsrat an der Ankündigung von Innenminister Boris Pistorius (SPD), Abschiebungen nach Syrien zu „prüfen“

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius hatte zuvor öffentlich angekündigt, Abschiebungen nach Syrien „prüfen“ zu wollen, selbstverständlich „auf Grundlage des Lageberichts des Auswärtigen Amts“. Eine solche Abschiebung nach Syrien wäre ein glatter Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention: Denn derzeit liegt die bereinigte Schutzquote des BAMF für syrische Flüchtlinge noch bei nahezu 100%, weil den Geflüchteten im Fall einer Abschiebung nach Syrien politische Verfolgung oder eine menschenrechtswidrige Behandlung droht. Anders ausgedrückt: Flüchtlingen, die an das Assad-Regime ausgeliefert werden, droht bereits am Flughafen die Festnahme und Folter. Um dies festzustellen, braucht es keinen Blick in einen neuen Lagebericht des Auswärtigen Amts, es reicht ein Blick auf die aktuelle Statistik des BAMF: Von 28.596 inhaltlich entschiedenen Asylanträgen syrischer Flüchtlinge wurden von Januar bis Oktober 2018 nur 48 Anträge (0,2%) abgelehnt.

Man muss insofern die Forderung nach einer „Prüfung“ von Abschiebungen nach Syrien wohl eher als eine Aufforderung an das Auswärtige Amt lesen: Eine Änderung der Lagebeschreibung in Syrien soll die Grundlage bilden für eine veränderte Entscheidungspraxis. „Schreibt die Verhältnisse in Syrien schön“, lautet die Aufforderung, „damit wir nicht mehr allen syrischen Flüchtlingen, für deren Asylverfahren wir zuständig sind, Schutz bieten müssen.“

Eine ähnliche Entwicklung hatten wir schon bei afghanischen Flüchtlingen: „Wir wollen zur Schaffung und Verbesserung innerstaatlicher Fluchtalternativen beitragen und vor diesem Hintergrund die Entscheidungsgrundlagen des BAMF überarbeiten und anpassen. Dies ermöglicht auch eine Intensivierung der Rückführungen“, lautete der Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD parallel zu dem geplanten Asylpaket II unter Buchstabe H zu Afghanistan 11/2015. Damals (2015) lag die Schutzquote für afghanische Flüchtlinge noch bei 80%. Dann änderte das Auswärtige Amt seinen Lagebericht und das BAMF seine Leitsätze. Unter Hinweis auf angebliche „inländische Fluchtalternativen“ wurde die Schutzquote auf mittlerweile unter 50% gedrückt.

Gerade die niedersächsische Landesregierung hätte allen Grund, auf die Gefährlichkeit des syrischen Regimes zu verweisen und sich in der Diskussion um Abschiebungen nach Syrien zurückzuhalten: 2000 schob Niedersachsen – unter dem sozialdemokratischen Innenminister Heiner Bartling – den syrischen Flüchtling Hussein Dauud ab, der nach seiner Ankunft nachweislich festgenommen, verhört, in das berüchtigte Gefängnis „Palästina“ eingewiesen und dort schwer gefoltert und anschließend jahrelang inhaftiert wurde.

Am 01.02.2011 wurde unter dem CDU-Innenminister Uwe Schünemann der damals 15-jährige Anuar Naso als einer der letzten Opfer der niedersächsischen Abschiebungspolitik zusammen mit seinem Vater von der restlichen Familie (Mutter, Schwester Schanas, weitere ältere Geschwister) getrennt und gewaltsam nach Syrien abgeschoben, wo beide inhaftiert und misshandelt wurden. Parallel verharmloste die Landesregierung das Assad-Regime im Interesse guter Geschäfte: Präsident Assad sei, so die FDP damals, „bedeutend jünger ist als die anderen Machthaber in der arabischen Welt“ daher stehe er „dem Volk näher“.

8. September

27. Juli 2018

Auch Niedersachsen soll ein neues Polizeigesetz erhalten – mit zahlreichen Verschärfungen, zusätzlichen Eingriffen in Bürgerrechte und angeblichen Notwendigkeiten, wie z.B. der „Videoüberwachung zur Geschwindigkeitskontrolle“ – also des sog. Streckenradar im „Kampf gegen die Raser„, wie es so schön zweckgerichtet heißt.

Mehr als 22.000 Unterzeichner unterstützen inzwischen eine Online-Petition gegen das geplante neuen Niedersächsischen Polizeigesetz. Jetzt rufen zahlreiche Organisationen zu einer Demonstration am 8. September in Hannover auf. Die taz berichtet: 

„In einem sind sich Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) und die Kritiker des neuen Polizeigesetz einig: Niedersachsen soll nicht Bayern sein. Wenn Pistorius über die geplanten Gesetzesänderungen spricht, gibt er sich Mühe, die Unterschiede zum CSU-geführten Land zu betonen. Es sei ein „Kompromiss zwischen den veränderten Sicherheitsinteressen und dem Schutz der bürgerlichen Grundrechte“.

Sogenannte Gefährder unbegrenzt in Präventivhaft nehmen? Das sei „nicht sinnvoll“, sagt Pistorius und versucht, gegenüber dem Koalitionspartner CDU und deren Hardliner Uwe Schünemann ein eigenes Profil zu wahren. Immerhin war Schünemann selbst zehn Jahre lang auf Pistorius’ Posten und hat als Innenminister den Seehofer gespielt.

Die Hoffnung der KritikerInnen des neuen Polizeigesetzes gehen in eine andere Richtung. Ihre Einwände sollen Gehör finden – anders als in Bayern, wo Zehntausende demonstrierten, sich die CSU aber nicht beirren ließ und das Gesetz verschärfte. Ein breites Bündnis ruft nun für den 8. September zu einer Großdemonstration in Hannover auf.

Schließlich sind auch die Gesetzesänderungen in Niedersachsen kein Pappenstiel. SPD und CDU wollen mit dem neuen Polizeigesetz unter anderem 74 Tage Präventivhaft für gefährliche Personen einführen und elektronische Fußfesseln anlegen können. Vorbeugend sollen Telefone überwacht und E-Mails mitgelesen werden, unter anderem mittels Trojaner-Software.

Die Polizei soll reagieren, noch bevor etwas passiert ist – ein Paradigmenwechsel

Es sind Verschärfungen, die in fast allen Bundesländern anstehen – auch als Reaktion auf den Anschläge auf den Weihnachtsmarkt in Berlin 2016. Die Polizei soll reagieren, noch bevor etwas passiert ist – auch wenn das heißt, Menschen einzusperren, die noch keine Straftat begangen haben. Ein Paradigmenwechsel, der sich in den letzten Jahren bereits schleichend vollzogen hat. In Bremen steht der Gesetzesprozess still, seit der grüne Koalitionspartner gegen die von der SPD geplanten Verschärfung intervenierte.

In Niedersachsen aber sind nicht nur im Bereich der Terrorabwehr Verschärfungen geplant. Auf Demonstrationen soll Vermummung wieder als Straftat gelten, die öffentliche Überwachung soll ausgeweitet und PolizistInnen sollen mit Taserwaffen ausgestattet werden….“

weiter bei der taz


Das Bündnis #noNPOG – Nein zum neuen niedersächsischen Polizeigesetz fordert den niedersächsischen Landtag auf, die geplanten Änderungen am Polizeigesetz nicht zu beschließen und weiteren Ausweitungen der Befugnisse der Sicherheitsbehörden eine Absage zu erteilen. Darüber hinaus fordern wir die niedersächsische Gesellschaft auf, sich aktiv dem neuen Niedersächsischen Polizeigesetz, anderen autoritären Tendenzen und Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrecheten in den Weg zu stellen!                        …mehr

Im Mittelpunkt der Kritik stehende folgende Verschärfungen des geltenden Polizeirechts:

Polizeiliche Sanktionen und Überwachungsmaßnahmen gegen konkrete Personen bei bloßer Annahme der zukünftigen Begehung einer terroristischen Straftat

  • Meldeauflagen ohne Richter/innenvorbehalt (§ 16 a)
  • Aufenthaltsvorgaben u. Kontaktverbote ohne Richter/innenvorbehalt (§ 17 b)
  • Elektronische Fußfessel ohne Richter/innenvorbehalt (§ 17 c)
  • Durchsetzungs- und Präventivgewahrsam bis zu 74 Tage (§ 18 I Nr. 3)
  • Videoüberwachung im Gewahrsam (§ 20 IV S. 4)
  • Polizeiliche Quellen-Telekommunikationsüberwachung (§ 33 a)
  • Polizeiliche Online-Überwachung mittels Trojaner (§ 33 d I)
  • Verdeckte Personen-Observation (§ 34 I)
  • Verdeckte Bild- und Sprachaufzeichnungen sowie Aufenthaltsermittlungen außerhalb von sowie in und aus Wohnungen (§§ 35, 35 a i. V. m. § 34 I)
  • Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittler/innen (§§ 36, 36 a)

Verschärfte Strafverfolgung von Versammlungsteilnehmenden

  • Einordnung des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs gem. § 125 a StGB als Straftat von erheblicher Bedeutung gem. § 2 Nr. 14 b, um Demonstrierende durch technische Mittel, Observationen und V-Leute präventiv überwachen zu können (§§ 34 I, 36)
  • Vermummung auf Versammlungen (Demonstrationen) als Straftat (Art. 2)

Überwachung des öffentlichen Raums bei bloßer Annahme der zukünftigen Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten sowie Zugriff auf Daten Dritter

  • Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen bei öffentlichen Veranstaltungen (§ 32 I)
  • Bildübertragung aus öffentlich zugänglichen Räumen (§ 32 III)
  • Bild- und Tonaufnahmen mittels polizeilicher Bodycams (§ 32 IV)
  • Videoüberwachung zur Geschwindigkeitskontrolle (Section Contol) (§ 32 VIII)
  • Einsichtnahme in und Herausgabe von Bild- und Tonaufzeichnungen öffentlich zugänglicher Räume (§ 32 a)

Zusätzliche Mittel zur Ausübung des unmittelbaren Zwanges

  • Elektroimpulsgeräte (Elektroschocker, Taser) noch vor Schlagstockeinsatz (§ 69 IV)

gelohnt

11. August 2017

Nicht auszudenken, wenn die Christenunion wieder das Sagen in Niedersachsen bekäme. Erinnern Sie sich noch an diesen unchristlich-bürokratischen CDU-Innenminister Uwe Schünemann und seine menschenverachtende, unerträglich-kalte Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik? Man muss nicht alles Rotgrüne gut und richtig finden, was seit Februar 2013 folgte; dabei halte ich die meisten Leistungen für ordentlich und gut. Vor allem aber hat die Weil-Wenzel-Koalition eins geändert: In Niedersachsen werden seither geflüchtete Menschen erst einmal und endlich als Menschen in Not begriffen. Allein dafür hat sich 2013 der Regierungswechsel zu rot-grün in Hannover gelohnt.

Damit die werte Leserschaft versteht, was ich meine, veröffentliche ich heute diesen Beitrag des Niedersächsischen Flüchtlingsrats vom Montag der Woche.

Auf drei Filme weist der Nieders. Flüchtlingsrat darin stellvertretend für verschiedene Dokumentationen und filmische Bearbeitungen des Themas Flucht aus Kriegs- und Krisengebieten hin:

Rania’s Odyssey und The Journey zeigen eindrücklich die Umstände der Flucht aus Syrien, die Gefahren auf dem Mittelmeer und den Weg über die Balkanroute, die seit dem Frühjahr 2016 mehr und mehr geschlossen wurde. Moonjourney ist eine filmische Bearbeitung des Themas, das auf Techniken des Werbefilms zurückgreift.

Escape from Syria: Rania’s Odyssey

Rania, eine syrische Kurdin, hat ihre Flucht aus Kobane über die Türkei und entlang der Balkanroute nach Österreich im Frühjahr 2016 selbst gefilmt. Daraus ist beim britischen The Guardian eine eindrückliche Dokumentation entstanden, die gleichermaßen bewegend wie verstörend ist.

Sprachen: Kurdisch + Arabisch
Untertitel: Englisch
erschienen 2017

Die Dokumentation ist hier und hier zu finden.

The Journey

The Journey ist eine sechsteilige Dokumentation des Filmemachers Matthew Cassel. Die Dokumentation folgt dem Syrer Aboud Shalhoub auf seinem Weg von Damaskus nach Europa sowie dem Weg seiner Ehefrau Christine und ihrer beiden Kinder.

Sprache: Arabisch
Untertitel: Englisch
erschienen 2016

Die gesamte Dokumentation ist bei Field of Vision abrufbar.

 

Moonjourney

Moonjourney ist ein Kurzfilm von Studenten und Studentinnen der Hochschule für Fernsehen und Film in München (HFF). Der Clip, der sich den Mitteln des Werbefilms bedient, erzählt die Flucht eines jungen Mädchens mit ihrem Vater.

Sprache: Arabisch
Untertitel: Deutsch
erschienen 2016

Den Film kann man hier und hier sehen.

Wahlgeschenke

16. Januar 2017

Gestern in einem Jahr ist wieder Sonntag und an jenem 14.Januar 2018 sind dann Landtagswahlen in Niedersachsen. Schon jetzt gibt es zu dieser Landtagswahl Wahlgeschenke. Die AfD will mehr Atomkraft, die FDP möchte das Kiffen legalisieren, die Grünen bessere Bedingungen für Nutztiere und der CDU-Mann Landtagspräsident Busemann (Dörpen) fordert zusätzliche Feiertage in Niedersachsen, um so –gegen den Willen der Arbeitgeberverbände und zusammen mit der Evangelischen Kirche – den 3-Tage-Feierabstand zu Bayern zu verringern. Er favorisiert dafür den Buß- und Bettag und den Reformationstag gleich noch obendrauf. Da dürfte es dann am Ende der 31. Oktober (Reformationstag) sein und wird es auch werden (wenn die CDU mich fragt).

Niedersachsen_WappenDerweil will die SPD -ENDLICH- die Kindergartenbeiträge abschaffen. Als ich vor 22 Jahren (oder so) eine solche Initiative von den lokalen Genossen in Lingen gefordert habe, verdrehten die noch die Augen. Wir erkennen: Gut Ding will Weile haben. Nun, wo ich Opa bin und werde, passt es auch wieder. Jetzt also werden die Kitas kostenlos, wenn Stephan Weil Ministerpräsident und Boris Pistorius Innenminister bleiben und der unsägliche Uwe Schünemann es nicht wird. Dass frühkindliche Bildung kostenlos ist, ist ohne Zweifel ein Vielfaches  wichtiger als ein Feiertag zum Chillen, Besinnen oder so. Darüber berichtet die taz dies:

„In Niedersachsen naht der Landtagswahlkampf und die SPD macht schon jetzt ein großes Wahlversprechen: Bei ihrer Jahresauftaktklausur in Celle beschloss die Partei, die Einführung kostenloser Kita-Plätze in den Mittelpunkt ihrer Wahlkampagne zu stellen. „Wir wollen schrittweise die Elternbeiträge für Kinder ab drei Jahren in Kindertagesstätten im ganzen Land abschaffen“, sagt der Landesvorsitzende Stephan Weil.

Bei der letzten Wahl im Januar 2013 stand die Abschaffung der Studiengebühren im Fokus der Sozialdemokraten. Ab dem Wintersemester 2014/15 war dieses Erbe der CDU-Regierung beseitigt, der Hochschulbesuch wieder kostenfrei. „Diesmal sind die kostenfreien Kitas unser einziges Wahlversprechen, das wir ohne Finanzierungsvorbehalt einlösen werden“, sagt SPD-Generalsekretär Detlef Tanke.

Die Kita-Finanzierung im Flächenstaat ist kompliziert. Zuständig sind die Kommunen, schätzungsweise 20 Prozent der Kosten werden vom Land und 30 Prozent von den Eltern getragen. Niedersachsen hat die Beitragsfreiheit bereits erfolgreich erprobt. Denn das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung ist schon länger gratis. Das Land überweist einen Pauschalbetrag pro Kind von rund 120 Euro im Monat an die Kommunen. Dafür dürfen die Verwaltungen für diese Altersgruppe keine Gebühren erheben. Das kostet das Land rund 100 Millionen Euro.

Nach dieser „Blaupause“ würde wohl auch…“

[weiter bei der taz]

ps Die Linke tagt erst Anfang März, um Landesliste, Landtagswahlprogramm mit Wahlgeschenken zu beschließen…

hetzt wieder

10. September 2015

Diese Presseerklärung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats vom vergangenen Freitag habe ich jetzt erst gelesen, aber angesichts der heutigen Debatte im Niedersächsischen Landtag zur Flüchtlingspolitik brandaktuell, bei der die CDU wieder den dumpfbackigen Holzhammer gegen die Landesregierung auspacken wird:

„Bei der letzten Landtagswahl wurde er abgestraft: Wegen seiner harten Flüchtlingspolitik verlor der ehemalige Innenminister Uwe Schünemann sein Amt als Innenminister, Schünemann wurde nicht wieder in den Landtag zurückgewählt, und die neue Landesregierung verkündete einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik. Nach mehreren vergeblichen Anläufen, als Landrat in Hameln oder Höxter gewählt zu werden, profitierte er schließlich vom Ausscheiden eines Landtagsabgeordneten und kam als Nachrücker in den Landtag, wo er als Hinterbänkler sein Dasein fristete.

Doch nun, nach einer zweieinhalbjährigen Schamfrist, wittert er Morgenluft und äußert sich in … der HAZ exklusiv zur Flüchtlingspolitik der Landesregierung. Als habe es die entsetzlichen Tragödien um überfallartige Abschiebungen im Morgengrauen, zerrissene Familien und zerstörte Lebensentwürfe von Flüchtlingen in Niedersachsen nie gegeben, schwafelt er davon, wie man „strukturell und verbindlich die Integration regeln“ müsse. Ausgerechnet Schünemann! Für wie vergesslich hält er die Bürger und Bürgerinnen?

Es war Uwe Schünemann, der Gazale Salame im Jahr 2005 – nach siebzehnjährigem Aufenthalt in Deutschland – festnehmen ließ, sie von ihrem Mann und ihren älteren Kindern trennte, sie trotz einer bestehenden Schwangerschaft mit der einjährigen Tochter abschob und acht Jahre lang ihre Rückkehr nach Deutschland verhinderte. Es war Uwe Schünemann, der 2011 den damals 15-jährigen Anuar Naso zusammen mit seinem Vater von der restlichen Familie (Mutter, Schwester Schanas, weitere ältere Geschwister) getrennt und gewaltsam nach Syrien abschieben ließ, wo beide inhaftiert und misshandelt wurden. Und es war Uwe Schünemann, der durch Lagerunterbringung, Residenzpflicht, ausländerrechtliche Arbeitsverbote und Gutscheinpraxis eine Politik der systematischen Ausgrenzung und Isolation von Asylsuchenden zum Regierungsprogramm erhob.

Dass ausgerechnet dieser Mann seine Forderungen nach mehr Lagern und mehr Abschiebungen heute humanitär ummäntelt und jetzt davon spricht, dass Flüchtlinge „Sprachkurse, Jobs und eine Begleitung“ brauchen, ist einfach nur zynisch zu nennen. „Ich hatte mir vorgenommen, mich nach meinem Ausscheiden aus dem Amt des Innenministers nicht mehr zu diesem Politikfeld zu Wort zu melden“, äußert er sich im Interview. Hätte er sich nur daran gehalten…

(Quelle) [mehr…]

öffentliches Drama

17. März 2015

flüchtlingsratZur gestrigen Pressemeldung des statistischen Bundesamts über einen neuen Rekord der Einwanderungen nach Deutschland und der Klage der Niedersachsen-CDU über angeblich zu geringe Abschiebungen in der heutigen Ausgabe der HAZ (s.u.) nachfolgend ein Kommentar des Geschäftsführers des Nieders. Flüchtlingsrats Kai Weber:

Bemerkenswert an den vom statistischen Bundesamt vorgelegten Zahlen ist nicht nur ihre Höhe: Das Wanderungssaldo, also die Differenz aus Einwanderung und Auswanderung, betrug 2014 mehr als 600.000. Auch die Zusammensetzung der Einwanderung ist interessant: 60% aller Eingewanderten kommt aus der EU. Weit über 200.000 Einwanderer kamen z.B. aus Polen, ohne dass dies im öffentlichen Drama irgendeine Rolle gespielt hätte. Die weiteren Hauptherkunftsländer sind Rumänien,Bulgarien, Italien und Ungarn, erst auf den hinteren Plätzen folgen Herkunftsländer von Flüchtlingen, an der Spitze Syrien mit knapp 40.000. Migration ist, das machen diese Zahlen deutlich, zuallererst eine Migration auf dem Weltmarkt für Arbeit, erst sekundär auch Fluchtmigration, die weniger als 20% der Gesamtmigration nach Deutschland ausmacht.

Vor den Hintergrund dieser Zahlen (und ihrer zumeist positiven Bewertung) ist es immer wieder irritierend, warum vergleichsweise geringe Flüchtlingszahlen zu einem riesigen öffentlichen Problem aufgebauscht werden. Kein Zweifel, die Unterbringung von Asylsuchenden ist für viele Kommunen eine Herausforderung. Aber ist es wirklich bedeutsam, dass 3.000 ausreisepflichtige Flüchtlinge noch nicht aus Niedersachsen abgeschoben wurden? Oder dass knapp 600 Flüchtlinge auf eine Entscheidung im Härtefallverfahren warten? Steuern wir deshalb, wie Oppositionsführer Björn Thümler (CDU) meint, “auf einen Punkt zu, dass es irgendwann kracht”? Ist es gar gerechtfertigt, vor einer “Situation wie in den Neunzigerjahren” zu warnen, “als es zu Attacken auf Wohnheime kam”? Das öffentliche Lamentieren über angebliche Vollzugsdefizite und die Forderung nach “Zurückführung abgelehnter Asylbewerber” schüren genau den Rassismus, den Herr Thümler zu bekämpfen vorgibt.

Das Land Niedersachsen hat die unter einem CDU-Innenminister Uwe Schünemann jahrelang geübte Praxis überfallartiger Abschiebungen im Morgengrauen beendet und zu einem menschlicheren Umgang mit Flüchtlingen zurückgefunden. Das hat zu einem deutlichen positiven Klimawechsel in Niedersachsen beigetragen. Wir sollten auf diesem Weg weiter gehen und den Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik konsequent umsetzen. Nach wie vor werden auch in Niedersachsen die Spielräume für eine menschenfreundliche Umsetzung der Gesetze nicht ausgeschöpft und Abschiebungen durchgeführt, die vermeidbar wären.

Die Einwanderung von Menschen nach Deutschland liegt, wie die Politik nicht müde wird zu betonen, im öffentlichen Interesse, sie steigert die privaten Gewinne und sorgt für steuerliche Mehreinnahmen (siehe z.B. Presseerkläung von Nds. Wirtschaftsminister Olaf Lies). Die Politik muss endlich aufhören, die mit Einwanderung durchaus auch verbundenen Probleme im öffentlichen Drama als Problem der Flüchtlingsaufnahme zu inszenieren. Das ist sachlich falsch und produziert unnötig Ängste.

 

wieder in Deutschland

6. Oktober 2014

Familie Shala, die im März 2010 nach 21 Jahren Leben in Deutschland in den Kosovo abgeschoben worden war, ist wieder in Deutschland. Die Familie hatte lange Zeit im Landkreis Rotenburg gelebt und soll nun auch wieder dorthin „verteilt“ werden.

Wegen einer schweren psychischen Erkrankung hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2004 der Mutter Abschiebungshindernisse zugestanden, worüber die gesamte Familie Aufenthaltserlaubnisse erhielt. Im Zuge der Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse widerrief das BAMF 2008 jedoch seine Entscheidung, da die Erkrankung auch im Kosovo behandelt werden könne. Auch zwei Söhne sind chronisch krank. Sie leiden an Diabetes. Trotzdem sahen weder BAMF noch das Verwaltungsgericht Stade und das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in Lüneburg gesundheitliche Abschiebungshindernisse vorliegen.

Alle vier Kinder sind in Deutschland geboren und aufgewachsen, Vater Lulzim und der älteste Sohn Lutfi hatten Arbeit. Trotzdem ist die Familie in ein den Kindern unbekanntes Land ins Elend abgeschoben worden. Dass es für diese Familie unter allen Umständen ein Bleiberecht hätte geben müssen – was u.a. mit Bezug auf Artikel 8 der EMRK wegen der faktischen Verwurzelung in Deutschland möglich gewesen wäre – liegt auf der Hand. Familie Shala hat die volle Härte der damals in Niedersachsen herrschenden Flüchtlingspolitik zu spüren bekommen.

Wie schlecht es der Familie im Kosovo erging und dass die gesundheitliche Versorgung – anders als BAMF und Gerichte es annahmen – keineswegs gewährleistet war, lässt sich in einem Artikel des Weser Kurier (siehe hier) und im Bericht von VertreterInnen des Roma Center (siehe hier) nachlesen, die die Familie kurz nach der Abschiebung im Jahre 2010 sowie vier Jahre später dort besucht haben.

Offensichtlich hielt die Familie das Leben im Kosovo nicht mehr aus und hat sich deswegen wieder auf den Weg nach Deutschland gemacht. Ebenso skandalös wie die damalige Abschiebung von Familie Shala verlief anscheinend auch ihre Einreise nach Deutschland: Nachdem die Familie in Sachsen die tschechisch-deutsche Grenze überquert hatte, wurden sie laut ihrem Anwalt von der Bundespolizei für rund elf Stunden in Gewahrsam genommen, ohne dass es einen richterlichen Beschluss gab oder dieser auch nur beantragt wurde. Nach Intervention des Anwalts wurde die Familie schließlich freigelassen und nach Niedersachsen geschickt, nicht ohne gegen den Vater, der am Steuer des Autos saß, mit dem die Familie eingereist war, eine Anzeige wegen „Einschleusens von Ausländern“ und gegen die anderen Familienmitglieder wegen illegalen Grenzübertritts zu stellen.

Der Anwalt hat einen Asylfolgeantrag gestellt, über den v.a. die gesundheitlichen Abschiebungshindernisse geltend gemacht werden sollen. So oder so muss die Familie ein Bleiberecht in Deutschland erhalten. (Quelle)

Kurswechsel

24. September 2014

Pistorius2Manchmal dauert es unsäglich lange, bis sich Richtungen ändern. Als ob man einen 100000-Tonnen-Tanker in voller Fahrt auf dem Meer wenden will. Weil in Niedersachsen der unsägliche Uwe Schünemann (CDU) samt CDU/FDP*-Regierung  vor 20 Monaten abgewählt wurden, wird jetzt ein weiterer Schritt zu einem menschlichen Umfang mit Nichtdeutschen in unserem Bundesland gegangen. Innenminister Boris Pistorius (SPD) legte gestern einen Erlass vor, der für die Ausländerbehörden den behutsameren Umgang mit Flüchtlingen verbindlich regelt. Die taz berichtet über diesen Kurswechsel:

„Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius hat die Flüchtlingspolitik der rot-grünen Landesregierung auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt. Per Erlass sind die Ausländerbehörden des Landes von nun an angewiesen, auch bei Abschiebungen möglichst human vorzugehen. So sollen keine Familien mehr durch Ausweisungen auseinandergerissen werden.

Fälle wie den der aus dem Libanon stammenden schwangeren Kurdin Gazale Salame, die 2005 zusammen mit ihrer einjährigen Tochter von der Polizei in ein Flugzeug in die ihr unbekannte Türkei verfrachtet wurde, will Pistorius nicht mehr sehen: Erst 2013 konnte Gazale Salame nach acht Jahren nach Deutschland zurückkehren – und ihre beim Vater gebliebenen zwei weiteren Kinder wiedersehen.

Auch auf nächtliche Abschiebungen sollen die Ausländerbehörden künftig nach Möglichkeit verzichten. „Niemand soll damit rechnen müssen, nachts um zwei die Polizei vor der Tür stehen zu haben – mit der Aufforderung, die Klamotten zu packen“, sagte der Innenminister am Dienstag in Hannover.

Stattdessen sollen Flüchtlinge…“ [weiter in der taz].

*Hinweis für jüngere LeserInnen: FDP war mal eine respektable Partei hierzulande.

(Foto: Boris Pistorius; Bernd Schwabe CC BY-SA 3.0)

Da issa wieder

10. Juli 2014

SchünemannDa issa wieder, weiß die taz und meldet, was wir schon befürchteten:

Die CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag kann sich auf Unterstützung von unerwünschter Seite gefasst machen: Der sogar bei manchen Christdemokraten als Hardliner in Misskredit geratene Ex-Innenminister Uwe Schünemann kann auf seine Rückkehr in das Landesparlament hoffen.
Grund für Schünemanns mögliches Comeback ist der Tod des Landtagsabgeordneten Norbert Böhlke: Der 59-jährige Abgeordnete sei „nach kurzer schwerer Krebserkrankung“ völlig überraschend gestorben, teilte die CDU-Fraktion mit.
Doch steht Schünemann, der als Innenminister eine präventive Telefonüberwachung ebenso befürwortet hat wie die Vorratsdatenspeicherung, nur auf Platz zwei der Liste der Nachrücker: Den ersten Zugriff hätte theoretisch der ehemalige Kultusminister Bernd Althusmann – aber der lebt nicht mehr in der Bundesrepublik. Althusmann arbeitet in Windhuk, wo er das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung für Namibia und Angola leitet. Deshalb hat er keinen Wohnsitz mehr in Niedersachsen – und ohne den kann der Ex-Minister nicht in den Landtag einziehen. „Sehr wahrscheinlich heißt der Nachrücker Schünemann“, so Althusmann zur taz.
Hardliner Schünemann, in dessen Amtszeit mindestens sieben Journalisten unter abstrusen Begründungen vom niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet wurden und der einen verpflichtenden „Heimatschutzdienst“ für Männer gefordert hat, dürfte das gelegen kommen: Seit der verlorenen Landtagswahl sucht er zunehmend verzweifelt… [weiter bei der taz]

 

(Foto: Schünemann (2009)  CC-BY-SA-3.0-de Martina Nolte )