Umfrage

27. Februar 2023

Die Sache mit dem Hirn und der Lingener Stadtverwaltung hatte ich letzte Woche schon. Daran gilt es zu Wochenbeginn anzuknüpfen. Das mache ich mit diesem Posting und einer Umfrage:

Zwischen der Halle IV und der Justizvollzugsanstalt an der Lingener Kaiserstraße befindet sich ein großer Parkplatz -ich schätze ihn auf 4000 qm- mit einer einzigen Zufahrt, auf dem Kfz abgestellt werden können. Das ist jetzt neu und nachdrücklich schildermäßig geregelt: Halten oder gar Parken darf niemand bzw. es dürfen nur die, die eine „Parkberechtigung der Halle/JVA“ haben; das sind natürlich vor allem die, die dort arbeiten. Alle anderen müssen in die Nachbarstraßen ausweichen, wenn die nicht verbotenen ca. 15 Kfz-Parkplätze belegt sind. Für Fahrradräder gibt es fast nichts, ausgenommen einige wenige Bügel unter freiem Himmel nahe der Hallenwand. So weit, so Lingen-typisch kfz-lastig. Doch jetzt muss ich hier noch nachfragen:

Was meint die geschätzte Leserschaft dieses kleinen Blogs: Wieviele Schilder der abgebildeten Art gibt es auf dem Gesamt-Parkplatz der Halle IV?

Ratet mal, bitte!

Die These, es gebe in unserer Stadt viel zu wenig Respekt für Bäume, hat jetzt eine weitere, geradezu eindrucksvolle Bestätigung gefunden. Weil im Laufe  von 45 Jahren die Bäume auf dem Fuß- und Radweg entlang der Josefstraße so groß geworden sind, dass er für FußgängerInnen und Radfahrende kaum zu nutzen war, wurde eine Lösung gesucht. So kam die Vorlage 124/22 für die Beratungen auf den Tisch zusammen mit einem Änderungsantrag unserer BN.

Die roten X bedeuteten übrigens nicht das Beseitigen der dort vor sich hinwachsenden Bäume sondern lediglich die Aufgabe des Fuß- und Radwegs.

Die Ratsmitglieder hatten schon zuvor die Idee entwickelt, alle Fuß- und Radfahrer von Norden über die parallel verlaufende Alte Josefstraße bis zur Mohrmannstraße und dort zurück an den westlichen Rand der Josefstraße zu führen. Der zuständige Ratsausschuss für Planen, Bauen und Mobilität beschloss dazu am 20. April 2022 entsprechend dem Änderungsantrag der BN:


3) Für die Ertüchtigung und Verbreiterung des Rad- und Fußweges im Bereich der südlichen Anbindung der Alten Josefstraße bis zur Mohrmannstraße werden Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern aufgenommen; im Einmündungsbereich mit der Mohrmannstraße wird der Rad- und Fußweg höhengleich hergestellt.

Das kümmerte die Stadtverwaltung offenbar nicht sonderlich; denn sie ersann in 10 Monaten ihre eigene Baum-ab-Lösung. Nirgendwo wurde die vorgestellt, geschweige denn in den Gremien beraten. Bloß umgesetzt wurde sie im Dezernat von Stadtbaurat Lothar Schreinemacher sofort und zwar so:

Das Bild ist real(er Irrsinn). Mein Schwiegervater Ernst Wiegmann pflegte zu solchen Dingen zu sagen: „De hebb se in’t Gehirn scheten.“


Foto: Josefstraße in Höhe Einmündung Mormannstraße, Blickrichtung Norden , Aufnahme von Juergen Barenkamp, FB

Fahrradgarage

2. Februar 2023

Wir diskutieren gerade in unserer Die-BürgerNahen-Fraktion die Frage, weshalb eigentlich Fahrräder in unserer Stadt nicht vernünftig untergestellt werden können und ob die Umnutzung der Tiefgarage unter dem Markt ein erster Schritt wäre, die zu ändern. Die Befürchtung, die Zufahrt von der Gymnasialstraße habe „eine zu großes Gefälle“, teile ich jedenfalls nicht. Wer sein Rad liebt, der schiebt, wäre vielleicht ein wahrlich etwas zu flaches (!) Argument, aber es soll auch ein Aufzug nachgerüstet werden, was bereits wi vieles andere in Lingen seit -zig Jahren angekündigt wurde.

Schließlich fahren sehr viele Lingener:innen inzwischen mit Pedelecs, E-Bikes und Lastenräder. Die sind häufig viel mehr wert und kostbarer sind als vierrädrige Kfz, die aber in überdachten Garagen geparkt werden können. Bei Rädern geht das nicht, sieht man von einer kleinen Ecke versteckt hinten im sog. Parkhügel ab.

Da ist es andernorts besser. In Amsterdam beispielsweise wurde gerade nahe des Hauptbahnhofes („Amsterdam Centraal“) ein Parkhaus unter dem dortigen Wasserlauf eröffnet. Es hat Platz für 7000 Zweiräder und ist damit ein Zeichen, was heute in Zeiten von Verkehrswende und Klimawandel notwendig ist:

Wenn…

19. Januar 2023

Vorsitzender Martin Koopmann (CDU) machte gestern Druck in der Sitzung des Wirtschafts- und Grundstücksausschusses unserer Stadt Lingen (Ems). Er wollte nämlich rechtzeitig zuhause sein, um die Nordreportage des NDR über die Lingener Meckerbrücke zu sehen. Letztlich wurde es damit nichts, aber es gibt ja die ARD-Mediathek und natürlich dieses kleine Blog. Also schaut hinein und wettet mit. Der Abschlusssatz lautet nämlich, im März (2023 !) komme die Brücke zurück, „wenn sie nicht zu marode sei“. Da läuft in unserer BN-Fraktion die Wette, dass das passieren werde und dann eine neue Brücke komme…

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Out of the box

18. Dezember 2022

„Menschen, die Kreativitätsseminare besucht haben, aber selbst nicht kreativ genug sind für eigene Formulierungen, sagen gern Sätze wie: „Wir müssen ‚out of the box‘ denken.“ Die Box ist in dem Fall die Auswahl an gewöhnlichen Vorschlägen, die in der Vergangenheit alles nur schlimmer gemacht haben.

Bei allem, was sich unter dem Begriff Mobilitätswende zusammenfassen lässt, ist zum Beispiel ein großes und bislang ungelöstes Problem, dass in den Innenstädten zu wenig Platz ist. Man könnte so schön breite Gehwege, Radwege und Grünstreifen bauen, wenn am Rand nicht überall Häuser stehen und in der Mitte Autos fahren würden. Wie soll man das lösen?

Man kann den zur Verfügung stehenden Raum umverteilen. Das ist der naheliegendste Vorschlag. Man reißt also die Häuser ab und ersetzt sie durch Radwege, doch dann ziehen die Leute aufs Land und fahren mit ihren Autos in die Stadt, man braucht breitere Straßen. Aber das will man auch nicht. Nimmt man den Autos dagegen den Platz, riskiert man einen Bürgerkrieg.

In Osnabrück, der anderen Stadt des Westfälischen Friedens, hat man daher auch im Sinne der Harmonie im Straßenverkehr ein bisschen „out of the box“ gedacht, und herausgekommen ist: eine Schwebebahn. Ja, genau, eine Schwebebahn – wie man sie aus dem 19. Jahrhundert in Wuppertal kennt. Daher kann man sie auch nicht einfach Schwebebahn nennen, sie braucht einen Namen, der etwas mehr hermacht. Vielleicht  „Flyover”? Nein, sie heißt  „Sunglider”. 

Über den Sunglider spricht man in Osnabrück schon etwas länger. In dieser Woche beschäftigt sich die Wochenzeitung „Die Zeit“ mit der Idee (€) Der Artikel skizziert sie sehr schön in zwei Sätzen. Am Boden sei in den Städten wenig Platz. Also müsse man eine Ebene nach oben gehen.

Die Bahn soll aus dem 3D-Drucker kommen und sich selbst mit Strom versorgen, am Steuer soll eine künstliche Intelligenz sitzen. Schon das würde ein Problem lösen, für das im öffentlichen Personennahverkehr bislang eine Lösung fehlt. Es findet sich kaum noch wer, der die Busse und Straßenbahnen fährt. Aber warum sieht man solche Systeme dann nicht vielfach auf dieser Welt?

„Es muss einen Grund geben, warum wir solche Systeme nicht vielfach auf der Welt sehen“, sagt ein Verkehrsfachmann der Uni München in dem Artikel. Aha. Wir kommen der Antwort also näher.

In den Städten einen „massiven, durchgehenden Fahrweg herzustellen“, das sei eine Herausforderung, sagt der Münchener Verkehrsexperte. In anderen Worten: In den Innenstädten ist zu wenig Platz. Man müsste also gewissermaßen „out of the box“ denken. Und so käme man wieder weg von der Idee einer Schwebebahn.

So weit ist man in Osnabrück allerdings noch nicht. Dort soll der nächste Schritt eine Machbarkeitsstudie sein, die eine Antwort auf die Frage gibt, ob so eine Bahn – Sie ahnen es – überhaupt machbar ist. Und wer weiß, vielleicht ist sie das ja.

Möglicherweise gibt es aber auch noch andere Lösungen…“

[Ein Beitrag von Ralf Reimann in RUMS, der Münsteraner Online-Zeitung, die ich empfehle zu abonnieren]

Knopf drücken

5. Dezember 2022

Oldenburg testet just eine Ampelanlage, die Fahrradfahrende bei Regen bevorzugt behandelt. Eine Ampel, die automatisch grün wird, wenn ein Fahrrad kommt: Natürlich ist das eine gute Nachricht, diese deutsche Utopie. Selbst wenn es die erst einmal nur an einer einzigen Oldenburger Kreuzung gibt, und sie außerdem nur bei Regen funktioniert. Das war nämlich die Idee des kürzlich gestarteten Pilotprojekts: Rad­fah­re­r:in­nen bei Schietwetter nicht gleichberechtigt mit bedachten Autos durchregnen zu lassen, sondern sie fix durchzuwinken – weil sie eben nasser werden und der Straßenverkehr bei schlechter Sicht und Pfützen auch.

Technisch ist das Projekt recht aufwändig. Wärmesensoren im Boden registrieren biologische Ver­kehrs­teil­neh­me­r:in­nen bereits 50 Meter vor der Ampel, eine weitere Wärmebildkamera behält die Einmündung im Blick, während die Anlage in Echtzeit Wetterdaten ausliest, um auch pünktlich in den Regenmodus umzuschalten. [mehr in der taz…]

Soweit die Oldenburger Utopie vor wenigen Tagen in der taz. Da wird man als Lingener auf dem Rad neidisch, weil -ganz unabhängig vom Wetter-  die lokalen Radwegfahrer*innen doch an den meisten Kreuzungen erst anhalten und, damit die Fahrradampel grün zeigt, auf den Fahrradampel-Knopf drücken müssen – selbst dann, wenn parallel die Autos flott bei Grün vorbeirauschen.

Mein kleiner Nachtrag zur Oldenburger Utopie:
Im Oktober 2012, also vor rund zehn Jahren (!) gab es diese Meldung:

„Das Fahrradparadies Holland will Radfahrer nicht im Regen stehen lassen: Die Stadt Groningen rüstet Ampeln an Radwegen sukzessive mit einem Regensensor aus, der Radfahrern bei Niederschlag und Schneefall schneller Grün gibt.

Wie die Stadt im Norden der Niederlande am Donnerstag mitteilte, sei ein Test an einer ersten Kreuzung positiv verlaufen. Nennenswerte Verzögerungen für den übrigen Verkehr habe es nicht gegeben. Neue Fahrradampeln sollen ab sofort serienmäßig mit dem Sensor ausgestattet werden, das Nachrüsten alter Ampeln kostet 10.000 Euro.

Die optischen Sensoren können Regen und Schneefall erfassen und die Intensität des Niederschlages messen. Bei Schlechtwetter sowie Temperaturen unter 10 Grad Celsius werden automatisch häufigere Grünphasen für Radfahrer geschaltet.“

(Quelle/Text: taz; Foto: sipa / via pixabay)

Erinnerung: Fahrradklimatest

27. November 2022

ADFC Fahrradklima-Test 2022: Wie ist Radfahren bei Dir vor Ort, fragt der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club ADFC. Ich setze konkret hinzu. Wie ist das Radfahren bei uns in Lingen (Ems)?

Bewerte mit wenig Aufwand die Situation für Radfahrende in Deiner / unserer Stadt – und gib Politik und Verwaltung ein wichtiges Feedback aus Sicht der „Alltagsexperten“. Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der weltweit größten Umfragen dieser Art und wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert. Die Ergebnisse geben einen umfassenden Überblick zur Situation des Radverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland. Dies hilft, damit es vor Ort besser wird.
Am Test kann man noch bis zum 30. November 2022 teilnehmen! Du auch.

Teilhabe

27. Oktober 2022

Wenig überraschend gibt es eine Nachricht aus Erfurt, die das noch mal schwarz auf weiß bestätigt, was alle wissen: Das 9-Euro-Ticket stärkte die soziale Teilhabe von Menschen mit geringen Einkommen. Die Studie befasst sich explizit mit der thüringischen Landeshauptstadt, wo die Umfragenden 6.000 Menschen im Rahmen einer Haushaltsbefragung angeschrieben haben. 1.157 antworteten und äußerten sich weitestgehend positiv über das 9-Euro-Ticket. Man darf fest davon ausgehen, dass das in anderen Städten ähnlich sein dürfte.

Eine neue Studie des Instituts Verkehr und Raum der Fachhochschule Erfurt belegt, dass das 9-Euro-Ticket den Zugang zum Verkehrssystem und damit die Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe von Menschen mit geringen Einkommen wesentlich verbessert hat. Das Ticket ermöglichte für die Befragten vermehrte Sozialkontakte, mehr Aktivitäten außer Haus und eine verbesserte Erreichbarkeit von Angeboten der Daseinsvorsorge und führte damit insgesamt zu mehr Lebensqualität für einkommensschwache Menschen.

Zwei Anmerkungen dazu:

Schade, dass man Menschen mit geringem Einkommen nun wieder von der sozialen Teilhabe ausschließt. Das hätte anders laufen müssen.

Schade, dass sich die BürgerNahen in Lingen nicht mit ihren Anträgen zum 9-Euro-Ticket durchsetzen konnten. Dabei ist die Blockade im Rat auch ein Musterbeispiel für undemokratisches Handeln:

Zunächst sagte der OB auf meine Frage am 29.03. im Rat (Top 11.2), man wisse nichts, der Plan sei für die öffentliche Hand doch sehr teuer und man müsse abwarten; damals am Ende März hieß das Ticket noch „9-für-90“, weshalb man den ersten BN-Vorstoß in der Recherche des Ratsinformationsystems nicht unter 9-Euro-Ticket findet.

Am 20. Mai stimmten dann Bundestag und Bundesrat dem Vorhaben zu; tags darauf, einem Samstag, wurde das Vorhaben im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Als die Pläne also auf dem Tisch lagen, waren sie in Lingen noch lange nicht dringlich. Die BN beantragte:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, …
Nachdem das Vorhaben zum sog. „9-Euro-Ticket“ von Bundestag und Bundesrat mit enger zeitlicher Taktung verabschiedet wurde, ist dieses Angebot nun für die Menschen in Lingen (Ems) greifbar.
Eine frühere Aussprache zu diesem Thema war somit nicht möglich; bei einer später angesetzten Aussprache kann ein Beschluss nicht mehr rechtzeitig verabschiedet werden bis zum ersten Geltungstag am 01. Juni 2022.
Die BN-Fraktion hat daher für die heutige Ratssitzung einen Dringlichkeitsantrag nach §8 GO eingebracht und die Aussprache nach §7 (2) GO beantragt. Der Wortlaut des Antrags ist dieser Mail angehängt.
Wie bekannt, können Änderungsanträge bis zur Abstimmung zu jedem Tagesordnungspunkt gestellt werden. Für inhaltliche Rückfragen stehe ich gerne bzw. auch direkt vor der Ratsitzung zur Verfügung.
Mit freundlichem Gruß,
iA Bernd Koop
Die BürgerNahen – Stadtratsfraktion

Die Dringlichkeit des BN-Antrags, den ich übrigens im Ratsinformationssystem gar nicht finde, durfte in der Sitzung übrigens nicht einmal begründet werden, weil die Ratsvorsitzende Annette Wintermann (CDU) dies verweigerte:

Als der BN-Antrag dann endlich beraten wurden, war es bereits der 6. Juli und die Hälfte der 9-Euro-Ticket-Zeit war nahezu rum. Der an diesen Zeitablauf angepasste Antrag der BN sollte dann entgegen der Geschäftsordnung aber nicht in den zuständigen Ratsausschuss verwiesen sondern gleich abgelehnt werden (hier: Top 14). Dabei taten sich CDU, FDP und der OB hervor. Um diesem Nein zuvor zu kommen, hat die BN ihn daraufhin zurückgezogen.

So ist es, wenn ein vor allem aus der Mittelschicht bestehender Rat über Menschen mit geringem Einkommen entscheidet und im Mittelpunkt keine große Presseveröffentlichung steht sondern einfach nur Hilfe.


Quellen: FHS Erfurt, das_kfmw, RIM Stadt Lingen

Foto: Shugal Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication /wikipedia

Aufruf!

13. September 2022

Also, da könnte unsere Stadtverwaltung ja mal wirklich, also, ich mein‘ ja nur. Oder habe ich den Aufruf aus dem Rathaus zur Teilnahme am Fahrradklima-Test 2022 übersehen?

Anders gesagt:

Der bundesweite Fahrradklimatest 2022 des ADFC ist wieder online. In den Vorjahren waren seine Resultate für unser am Auto ausgerichteten Mittelzentrum mit oberzentralen Teilaufgaben eher mau. Ganz im Gegensatz zum Vorbild Nordhorn. Fahrradwegemäßig hat sich 2022 leider nichts geändert; denn weiterhin wird zwar viel gesabbelt und versprochen aber wenig getan und umgesetzt.

Oder siehst du das anders? Klick rein.

 

Wenigstens das

12. September 2022

Heute vor genau einem Jahr wählten die Lingenerinnen und Lingener das neue Stadtparlament. Die Kommunalwahl 2021 war (lokal)historisch, als die CDU ihre absolute Mehrheit in Lingen verlor, die sie seit 1950 immer innehatte, wenn man die Orte mit hinzuzählt, die in späteren Jahren eingemeindet wurden. In der Folge sprangen ihr die große Koalition in Niedersachsen mit einem nach (!) der Kommunalwahl veränderten Auszählsystem und die örtliche FDP beflissen zur Seite, um sie wieder herzustellen. So unterstrichen sie, auf wen man sich verlassen kann und auf wen nicht und die Chance für eine bessere Stadtpolitik war perdu.

Ein weiterer politischer Geburtsfehler der CDU-geführten Ratsgruppe bestand darin, die Zahl der Ratsausschüsse zu verringern, weil die FDP sonst personell die Teilnahme nicht leisten kann; ihr Fraktionsvorsitzender arbeitet im Ruhrgebiet und MdB Jens Beeck hat meistens in Berlin zu sein. Daher fehlt schlicht die Manpower, um in allen bisherigen Ausschüssen Sacharbeit zu leisten. Die soll bekanntlich dort, in den Ratsausschüssen geleistet werden. Das ist jetzt schwieriger, weil es weniger Ausschüsse gibt. Insbesondere vermisst man den Verkehrsausschuss und auch der LWT arbeitet seither faktisch ohne Ratsbegleitung.

Auch nimmt Oberbürgermeister Krone weiterhin an den montäglichen CDU-Fraktionssitzungen teil. Etwas, das seine fehlende Bereitschaft zu gemeinsamer Entwicklung der Stadtpolitik unterstreicht – auch wenn SPD und Grüne immer wieder in Zuschriften und Anträgen den „lieben Dieter“ anschreiben. In diesem Sommer traf ich einen Amtskollegen unseres OB, der über so viel Vorweg-Parteinahme nur den Kopf schütteln konnte: „Nie würde ich so etwas machen.“ Es ist lange her, dass SPD und Grüne den Amtsinhaber auf den Schild gehoben haben.

Auch im ersten Jahr der laufenden Wahlperiode hat sich die Benachteiligung der alten Kernstadt Lingen fortgesetzt. Was in den 1970er Jahren als 10jähriges Übergangsmodell ersonnen wurde – die Ortsteile- hat sich aus einem Nachteilsausgleich längst in das Gegenteil verkehrt:  Denn die Ortsteile und ihre Vertreter bestimmen, was in Lingen geschieht, und das ist nicht gut. So erhält gerade reihum jeder Ortsteil gerade eine millionenteuere, neue Feuerwehrwache, obwohl es keinen Feuerwehrbedarfsplan gibt. Ein weiteres Beispiel ist die unveränderte, einseitige Ausrichtung der Stadtentwicklung auf neue Baugebiete in den Ortsteilen. Als ob es deutschlandweit keine Debatte über Flächenverbrauch, Klimafragen oder unbezahlbare Baupreise gibt, und vor allem, als ob es nicht längst kluge Alternativen gibt.

Die vor sieben Jahren von der CDU erhobene Forderung, schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist jedenfalls bisher nicht umgesetzt worden. Durch die gegründete Wohnungsbaugenossenschaft wurden seither nämlich nur rund 70 Wohnungen gebaut. Dabei sollten es einmal 30 im Jahr sein. Es gibt keinen aktiven Klimaschutz in der Stadt, vielmehr nur Worte. Dasselbe gilt für das aktuelle Aufgabe, Energie zu sparen. Da fällt dem OB und seinem Team außer der Übernahme der Sparverordnungen des Bundes und dem Verzicht auf Straßenbeleuchtung nichts ein.

Die fehlende Beteiligung aller in unserer Stadt hat auch andere Auswirkungen. Oder wie ist es sonst erklärbar, dass die ehemalige VHS am Pulverturm erst leer stand und jetzt dort Flüchtlinge mit DIN-gerechter Unterrichtsbeleuchtung an der Decke wohnen? Beraten und beschlossen hat das niemand im Rat und seinen Ausschüssen. Das darin zum Ausdruck kommende Versagen in der Versorgung von Flüchtlingen jedenfalls führt auch dazu, dass jetzt in Lingen zum ersten Mal tatsächlich Container auf einem Acker in Holthausen/Biene aufgestellt werden sollen, ohne dass dies in Bürgerversammlungen besprochen wurde. Es gebe keine andere Möglichkeit, heißt es.

Überhaupt gab es seit der Wahl keine sozialen Ratsbeschlüsse, die über Symbolik hinausgingen. So gibt es keine Balkonkraftwerke für wirtschaftlich Schwache und auch eine Unterstützung der 9-Euro-Tickets wurde von der Ratsmehrheit abgelehnt.

Es bleibt Lingen als Wasserstoff-Stadt im Nordwesten, weil in den 1970er Jahren die dafür jetzt genutzten Strukturen geschaffen wurden. Davon profitiert man und nicht etwa aufgrund vorausschauender kommunaler Entscheidungen der letzten Zeit. Auch die Verkehrspolitik entwickelt sich nicht. Seit sechs Jahren soll ein Verkehrsplan entstehen, kommt aber nicht, obwohl Rad- und Busverkehr die Zukunft einer nachhaltigen Stadtentwicklung sind.

Alles das bleibt durch eine gänzlich geänderte Medienpraxis eher unbekannt. Die zum NOZ-Verlag zählende Lingener Tagespost hat sich völlig aus der Kulturberichterstattung und der Sportberichterstattung (Ausnahme: SV Meppen) verabschiedet. Auch über Kommunales berichtet sie nur in wenigen Zeilen aber dafür mit großen Fotos. Dieser Rückzug ist gleichermaßen für unser Gemeinwesen und seine demokratische Ausrichtung gefährlich.

Personell ändert sich an diesem Monatsletzten etwas im Rathaus, weil der Erste Stadtrat Stefan Altmeppen ausscheidet. Nie konnte er inhaltlich überzeugen, geschweige denn ausgleichende oder gar fortschrittliche Akzente setzen. Als peinlich bleiben mir seine rechtlichen Verdrehungen in Erinnerung, wenn es um langzeitgeduldete Flüchtlinge oder demokratische Grundfragen ging. Da kam von dem zu Studien- und Referendarzeiten glühenden Anhänger der SPD nur Indiskutables.

Apropos SPD: Sie irrlichtert gern mit Seltsam-Anträgen wie, städtische Baugrundstücke pro Kind um 1 Euro pro Quadratmeter günstiger zu verkaufen; jede/r kann ausrechnen, wie dies bei 500qm Grundstück und 500.000 Euro Baukosten „entlastend“ wirkt. Auch als ehrlicher Sachwalter hat sie sich spätestens seit dem Tag verabschiedet, als ihr die CDU gönnerhaft einen Bürgermeister-Stellvertreterposten überließ und etwas später dann just der neue Amtsinhaber mit SPD-Parteibuch für die Beibehaltung eines Straßennamens nach einem SS-Offizier votierte. Ausgerechnet ein Mann aus der Partei, deren führende Köpfe von der SS und den Nazis vernichtet wurden – man fasst es nicht.

Doch es gibt -bei aller Unterschiedlichkeit- inzwischen eine sehr ordentliche, meist informelle  Zusammenarbeit zwischen den Grünen und unseren BürgerNahen im Rat. Wenigstens das.