„Geheimplan gegen Deutschland“
Szenische Lesung
Nordhorn, St. Augustinus, Burgstr. 12
Dienstag, 16.04.2024 – 19.30 Uhr
(Einlass 19 Uhr)
Kein Eintritt, um Spenden wird gebeten

Im November 2023 hatten sich AfD-Vertreter nahe Potsdam getroffen. Wie das Recherchenetzwerk „Correctiv“ veröffentlichte, wollten die Teilnehmer Migranten ausweisen – mit oder ohne deutschen Pass. Nur wenige Wochen später brachte Kay Voges, Regisseur und Intendant des Volkstheaters Wien, die Recherche als Koproduktion des Berliner Ensembles in Form einer szenischen Lesung auf die Bühne. Diese Lese-Inszenierung wird umgesetzt vom Kammertheater „Der Kleine Bühnenboden“ aus Münster (Foto (c) St. Augustinus).

Mit der Aufführung „Geheimplan gegen Deutschland“ wird zum Gedankengut der neuen Rechten aufgeklärt. Weitere Infos unter www.katholisch-in-nordhorn.

Ein Wolf (Canis lupus) ist im nordöstlichen Katalonien entdeckt worden. Schon das ist ungewöhnlich, nachdem die Wölfe dort bereits vor 100 Jahren ausgerottet worden waren. Doch das wirklich Besondere daran ist: Das Tier wurde 2020 auf dem Bombenabwurfplatz Nordhorn Range geboren, und es ist dann in nur zwei Jahren aus der Grafschaft Bentheim im deutschen Nordwesten bis in den Kreis Alta Ribagorça gewandert. Der liegt in der katalanischen Provinz Lleida, direkt hinter der südfranzösischen Grenze in den Pyrenäen. Dokumentiert ist damit der längste Wanderweg, der jemals bei einem Wolf nachgewiesen wurde. Der Rüde  hat von Nordhorn aus die angrenzenden Länder und ganz Frankreich durchquert, bis er  2023 im Dorf Vilaller (Ribagorça) nachgewiesen wurde, als seine Losung untersucht wurden.

Damit fanden die Wissenschaftler heraus, dass das Jungtier die längste Wolfswanderung zurücklegte, die bisher weltweit dokumentiert wurde. Allein die Luftlinie beträgt 1.240 Kilometer. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und Katalonien bei der Nachverfolgung wandernder Wölfe und der Vergleich von Proben in Genlabors ermöglichten es, seinen Wanderungsweg herauszufinden. Seit Februar 2023 wurden allerdings in Alta Ribagorça keine Hinweise mehr auf GM1909m gefunden.

Gabriel Lampreave, Koordinator für die Überwachung von Wölfen und Bären im katalanischen Norden, zeigte sich von der Wanderung dieses Wolfes quer durch Mitteleuropa dann auch sehr beeindruckt, wenn man bedenke, dass das Tier „nicht durch große Wildgebiete wanderte, sondern sich über eine so weite Strecke durch die von Menschen geprägte Landschaft Westeuropas bewegt hat“. Zwar ist unklar, wo sich das Tier jetzt befindet; doch es muss abgewartet werden, ob künftige genetische Analysen den Rüden oder seine Nachkommen wieder aufspüren können. Lampreave sagte, es sei das erste Mal gewesen, dass in Katalonien ein Wolf aus Deutschland entdeckt worden sei.

Der Wolfskot wurde übrigens schon  am 13. Februar letzten Jahres in Alta Ribagorça gefunden, mit Hilfe spezieller Hunde der Grup Especial Caní (GEK9), die für die Erkennung von Exkrementen großer Fleischfresser wie Wölfe oder Bären ausgebildet sind.

Wölfe können bekanntlich  über Hunderte von Kilometern wandern. Bisher betrugen die längsten Luftlinienstrecken, die je gemessen wurden, 1.092 Kilometer zwischen Norwegen und Finnland (2007), 880 Kilometer zwischen Deutschland und Weißrussland im Jahr 2009 und 829 Kilometer zwischen der Schweiz und der Slowakei im Zeitraum 2022–2023.

Schon 2021 war übrigens in der katalanischen Bergregion ein erster zugewanderter Wolfsrüde identifiziert worden;  im Winter 2022/2023 lieferten dann Wildkameras erste Aufnahmen eines zweiten Rüden (Foto unten). Aus diesem Grund intensivierten die Behörden ihre Suche, was schließlich im 500-Seelen-Dorf Vilaller am Südhang der Pyrenäen zum Fund der Wolfsausscheidungen führte. Deren  anschließend vom Labor der Universität Barcelona (UAB) durchgeführte genetische Analyse belegte dann überraschend eine „w1“-Abstammungslinie, die sich auf die Wolfspopulation in Mittel- und Osteuropa bezieht. Es war der erste Fall, dass die w1-Linie in Katalonien nachgewiesen wurde. Im Rahmen der langjährigen Wolfskooperation zwischen Frankreich und Katalonien wurde ein Teil der Kotprobe auch zur Analyse an das französische Labor Antagene geschickt: Dort zeigte sich eine Übereinstimmung mit einem zuvor in Burgund im Osten des Landes festgestellten Rüden.

Dort war der in Katalonien entdeckte Wolf bereits am 17. Juni 2022 gesehen worden, als ein Autofahrer in der Gemeinde Fleurey-lès-Faverney  (Département Haute-Saône, Region Bourgogne/Franche-Comté) ein wolfsähnliches Tier an einer Straße entlanglaufen sah. Er machte ein Foto des Tieres und alarmierte die örtlichen Behörden. Dank seines Hinweises konnte dann ein Mitarbeiter des Office français de la biodiversité (OFB) einige Tierhaare an einem Stacheldrahtzaun sammeln, wo der Zeuge den Wolf gesehen hatte.  Das Referenzlabor Antagene fand den DNA-Haplotyp „w1“, der für Wölfe in Frankreich sehr ungewöhnlich ist.

Weil das Tier aber genetische Merkmale aufwies, die in Deutschland und angrenzenden Gebieten Mittel- und Nordosteuropas häufig vorkommt, schickten die französischen Wissenschaftler eine Probe zur Kreuzanalyse auch an ein deutsches Referenzlabor. Dessen Untersuchung ergab dann, dass die Losung von einem Rüden stammt, der von den Wissenschaftlern GW1909m genannt wurde und bereits in der deutschen genetischen Wolf-Datenbank bekannt war.

Dank Stuhlproben, die im August 2020 in Deutschland vom Forschungsinstitut Senckenberg analysiert wurden, ist bekannt, dass GW1909m in einem Wolfsrudel in der Nähe von Nordhorn (Niedersachsen), wenige Kilometer von der Grenze zu den Niederlanden entfernt, geboren wurde. Durch die Analysen konnte GW1909m seinem Geburtsrudel zugeordnet werden, wo er im Mai 2021 noch einmal nachgewiesen wurde.

GW1909m in Vilaller (Cat.) (Wildkamerafoto der Agents Rural)


Foto oben: Wolf, s. CC v.. 22.6. 2019.
Quelle: vilaweb.cat, https://wolf.org

Winterzeit im Vechtehof

1. Februar 2024

„Winterzeit im Vechtehof“
Mit der Vechtehoffamilie die alte Zeit erleben und genießen.

Nordhorn – Tierpark
3.+4. Februar, 11 – 17 Uhr
Eintritt
(Kinder bis 4 Jahre frei)

Wenn das Feuer in der alten Kochmaschine prasselt, dann wird es gemütlich in der guten Stube des Vechtehofes. Ziehen dann auch noch köstliche Gerüche durch die Räume, dann wird ein Winterbesuch im Nordhorner Familienzoo zu einem echten Vergnügen.

Am Samstag, den 03. und Sonntag, den 04. Februar 2024 ist die Vechtehoffamilie des Groafschupper Plattproater Kring e.V. von 11 bis 17 Uhr mit einem winterlichen Programm zu Gast im historischen Vechtehof. Auf der alten Kochmaschine werden Wurstebrot und Leberbrot vom Bunten Bentheimer Schwein gebraten. Eine echte Köstlichkeit, die mit Apfelmus gereicht wird.

Außerdem werden wieder Knieperties gebacken, die den Geruch in der guten Stube des Vechtehofs noch vervollständigen und die dort auch gekostet und käuflich erworben werden können. Besucher, die Appetit auf etwas Besonderes aus der alten Zeit haben, kommen hier voll auf ihre Kosten.

Weitere Demos gegen Rechts

28. Januar 2024

Die große Welle von Demonstrationen gegen rechts in unserer Region geht auch an diesem Wochenende weiter.

Am Freitagabend nahmen mindestens 9.000 an der „Die-Grafschaft-steht-auf“-Demonstration in Nordhorn teil. Nordhorns Bürgermeister Thomas Berling war von der Teilnehmerzahl beeindruckt: „Das habe ich in meinen 13 Jahren als Bürgermeister noch nicht erlebt. Wir zeigen, dass wir keine braune Gesellschaft wollen, sondern eine bunte, soziale Gesellschaft, in der wir uns gegenseitig helfen und nicht gegenseitig hassen.“ Er rief die Menschen dazu auf, wählen zu gehen. „Wir müssen die Menschen nicht nur auf die Straße, sondern auch in die Wahlkabine bekommen.“ Wer nicht wählen gehe, der schenke seine Stimme den Demokratiefeinden.

In Osnabrück hatte für Samstagvormittag ein Bündnis aus rund 40 Verbänden, Parteien, Gewerkschaften und Vereinen zu einer Kundgebung im Schlossgarten aufgerufen. Hauptredner war dort Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Der frühere Osnabrücker Oberbürgermeister rief in seiner Rede dazu auf, sich „entschlossenen für die Demokratie“ einzusetzen. „Wir stehen zusammen gegen den Hass der Faschisten und der AfD. Wir stehen für die Freiheit und die Menschenwürde jedes Einzelnen, denn die Würde des Menschen ist unantastbar“, sagte Pistorius. Die AfD wolle den Systemwechsel. „Sie wollen zurück in die dunklen Zeiten des Rassenwahns, der Diskriminierung, der Ungleichheit und des Unrechts“, sagte der Sozialdemokrat.

Protestwählern der AFD müsse „klar sein, dass sie Faschisten wählen“, sagte der SPD-Politiker. Pistorius verwies auf das Ende der Weimarer Republik. Die erste deutsche Republik sei nicht an ihren Feinden, sondern an der Schwäche ihrer Freunde zugrunde gegangen. „Heute wissen wir es besser, Geschichte darf sich nicht wiederholen“, sagte Pistorius. Die AfD glaube, sie repräsentiere die Mehrheit. Aber: „Wir sind mehr“, rief Pistorius. Die Polizei sprach anschließend von rund 25.000 Teilnehmenden in Osnabrück, die Organisatoren von 30.000.

In Papenburg setzten am Samstagmittag nach Polizeiangaben 2.500 Menschen ihr Zeichen gegen Faschismus und für Vielfalt und Toleranz. Wegen des großen Zulaufs zur Kundgebung auf dem Vorplatz der St.-Antonius-Kirch sperrte die Polizei einen Teil der dort vorbeiführenden B70. Die Veranstalter zeigten sich von der Resonanz beeindruckt; sie hatten mit 1.000 Teilnehmenden gerechnet.

Als eine von gleich 10 (!) Rednerinnen und Rednern sagte die Papenburger Bürgermeisterin Vanessa Gattung (SPD), es sei an der Zeit, „klar und deutlich“ Position zu beziehen. Sie blicke mit großer Sorge auf die aktuelle Stimmungslage in der Gesellschaft. Zu häufig werde nur das Negative gesehen. Umsturzfantasien und Fremdenfeindlichkeit drohten die Grundfesten der Demokratie zu erschüttern, so Gattung. Daher müssten die demokratischen Werte geschützt werden – „jetzt mehr denn je“.

Der frühere Lingener Pfarrer Franz-Bernhard Lanvermeyer zeigte auf, wer aus seinem persönlichen Umfeld  „alles weg wäre“, wenn die nach einem Treffen von rechtsextremen Politikern in Potsdam bekannt gewordenen Pläne zur massenhaften Vertreibung („Remigration“) Wirklichkeit würden. „Auch das Marien-Hospital in Papenburg wird kaum noch funktionieren und die Meyer Werft keine Schiffe mehr bauen“, sagte Lanvermeyer.

In Neuenhaus (Kreis Grafschaft Bentheim) nahmen Samstagnachmittag nach Veranstalterangaben rund 1.500 Menschen an einer Demonstration teil, zu der die Neuenhauser Kirchen unter dem Titel „Keinen Meter den Nazis – Neuenhaus gegen Rechts!“ aufgerufen hatten. Am Ende der Veranstaltung sagte Pastorin Anne Noll (Ev.-Luth. Kirche): „Ich habe mich noch nie so sehr mit meiner Heimat verbunden gefühlt wie heute.“

Am heutigen Sonntag findet in Haselünne die nächste Gegen-rechts-Kundgebung in der Ems-Vechte-Region statt. Hier organisiert der kommerzielle Stadtmarketingverein die Demonstration, die ab 15 Uhr vor dem Rathaus stattfindet. Die Veranstalter rechnen mit 500 Teilnehmenden; es sprechen acht (!) RednerInnen. Reichlich irritiert hatte im Vorfeld das Motto „Haselünne Natürlich, gut & bunt“. Der Stadtmarketingverein nutzt dazu den Slogan seiner Stadtwerbung und ergänzte sie durch  „& bunt“.

Am Dienstagabend werden 5.000 Demonstranten in Rheine erwartet. Die Veranstaltung beginnt um 18.30 Uhr uf dem Borneplatz.

 

(Quellen: DPA, GN, NOZ, NDR, FB)

für Buntes, gegen Rechts

25. Januar 2024

Nach der beeindruckenden „Nie wieder ist jetzt!“-Großdemonstration am vergangenen Samstag in Lingen engagiert sich die Region weiter für Buntes und gegen Rechts und damit gegen die bekannt gewordenen Vertreibungs- und Deportationspläne der deutschen Rechten.

Knapp 5.000 Menschen auf dem Marktplatz in Meppen demonstrierten gestern Abend gegen Rechts (Foto); die Polizei zählte 4.000 Demonstrierende. Ein wenig irritierte dabei der Redebeitrag des Meppener Pastors Ralf Krüger. Er prangerte zwar die Massenausweisungen der politischen Rechte an, kritisierte dann aber die etablierten Parteien und die Ampel: „Wir brauchen eine Alternative zur aktuellen Politik. Diese dürften nicht mehr den Eindruck vermitteln, den Kontakt zur Bevölkerung verloren zu haben.“ Der Verdruss darüber stärke Extremisten. Ein kopfschüttelnder Kommentar zu Krügers Beitrag lautete anschließend: „Es mag Gründe geben, die Ampel zu kritisieren und anzugreifen – aber nicht bei dieser Gelegenheit und zu diesem Zeitpunkt. Denn es geht um den Schulterschluss aller Demokraten gegen Rechts.“ Großen Beifall erhielten die jungen Organisatoren Marcel Fahrtmann und Nina Nakonetzki. Sie zeigten sich sehr zufrieden mit der Resonanz.

Am Freitag steht dann ab 18 Uhr die Grafschaft auf dem Marktplatz in Nordhorn; nach der Auftaktkundgebung führt ein Demonstrationszug durch die Innenstadt. Erwartet werden dazu mehr als 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch die Nordhorner Organisator*innen reagieren so auf die Enthüllungen des Recherchenetzwerkes Correctiv, das das Treffen von Rechtsextremen, AfD-Vertretern, Werteunion, Neonazis und anderen Unterstützern in Potsdam aufgedeckt hat.“Die menschenverachtenden Plänen einer Massendeportation sorgen auch bei uns in der Grafschaft einerseits für Entsetzen und zeigen andererseits klar und deutlich: Nie wieder ist jetzt! Aus diesem Grund zeigen wir Haltung für unsere Demokratie und stellen uns entschieden gegen rechtsextremistische Bestrebungen. Es ist Zeit, die Demokratie zu verteidigen und sich schützend vor diejenigen zu stellen, die direkt oder indirekt von solchen Plänen betroffen wären.“

Um 19 Uhr am Samstagabend, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, findet in Lingen (Ems) mit der  „Solidaritäts- und Friedenswache“  am Lingener Theater die zweite Demonstration gegen Rechts binnen einer Woche statt. Veranstaltet wird sie durch das Lingener Kinder- und Jugendparlament KiJupa, den Stadtjugendring sowie das Forum Juden Christen Altkreis Lingen eV.  Sie findet am Internationalen Holocaust-Gedenktag statt, den Bundespräsident Herzog für Deutschland zum jährlichen Gedenktag an die Opfer der Shoah (Holocaust). Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das beispielhaft für alle Nazi-Mordstätten steht.

Am Dienstag, den 30. Januar, demonstriert dann Rheine: „Wir rufen alle Rheinenserinnen und Rheinenser zu einer Kundgebung gegen Rassismus, insbesondere gegen Antisemitismus, gegen Ausländer- und Demokratiefeindlichkeit, für ein friedliches Miteinander, für Toleranz und für ein buntes Rheine auf“, wird dazu die Initiative zitiert. Unterschrieben wurde der Aufruf gegen Rechts von 13 Personen aus Rheine, darunter auch die ehemalige Bürgermeisterin der Stadt, Angelika Kordfelder (SPD).

Tausende Menschen haben am Abend auf dem Marktplatz von Lingen (Ems) demonstriert. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: „Kein Rassismus, keine AfD! Lingen bleibt bunt!“ Nach der Begrüßung durch OB Dieter Krone redeten Nils Freckmann von der Lingener Wählervereinigung „Die BürgerNahen“, der CDU-Landtagsangeordnete Christian Fühner, die Bundestagsabgeordnete Filiz Polat (Bündnis’90/Die Grünen) und der BlogAgrar-Macher und Bauer Bernhard Barkmann aus dem benachbarten Messingen. Brian Lüken moderierte die Veranstaltung.

Die Redner sprachen zu mehr als 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, wie die Polizei mitteilte. Die Veranstalter zählten 12.000 Menschen, die bis weit in die Marienstraße standen. Darunter waren auch zahlreiche Jugendliche und Kinder. Angemeldet hatten die Initiatoren Tobias Dankert und Max Koop rund 500 Demonstrierende. Am Abend aber fand sich ein Vielfaches davon auf dem Marktplatz ein, und so wurde es die größte Manifestation seit mehr als 40 Jahren in Lingen; damals demonstrierten die Anti-AKW- und die Friedensbewegung gemeinsam gegen das seinerzeit geplante Kernkraftwerk Emsland, den Nato-Doppelbeschluss und den Bombenabwurfplatz Nordhorn-Range. Auch sie mobilisierten etwa 10.000 Teilnehmende, die aber überwiegend nicht aus der Emsstadt kamen.

Die gut halbstündige Veranstaltung verlief nahezu störungsfrei. Zwei rechten Störern erteilte die Polizei einen Platzverweis.  Brian Lüken verwies abschließend auf weitere anstehende „Gegen-rechts“-Veranstaltungen in der  Region. Sie sind in der kommenden Woche in Papenburg, Meppen und, unter dem Motto „Die Grafschaft steht auf!“, am nächsten Samstag Freitag in Nordhorn (18 Uhr, Marktplatz) angemeldet. Am selben Samstag veranstaltet das Lingener Forum Juden Christen  eine Mahnwache anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages ab 19 Uhr vor dem Theater an der Wilhelmshöhe. Im Theater schließt sich ab 20 Uhr die Aufführung des Altonaer Theaters „Die Reise der Verlorenen“ an. Das Kehlmann-Stück dreht sich um fast 1000 jüdische Menschen aus Nazideutschland, die im Frühsommer 1939 ein Visum für Kuba erhalten hatten. Sie reisten mit dem Dampfer „St. Louis“ nach Havanna. Dort angekommen, verweigerte Kuba aber ihre Aufnahme. Auch die USA und Kanada nahmen die Flüchtlinge nicht auf, so dass das Schiff schließlich nach Europa zurückkehren musste. Der Lingener Max Frank war ein Passagier auf der St. Louis. Er wurde später in Auschwitz ermordet.

Am 27. Januar 2024 jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee zum 79. Mal. Seit 1996 ist der 27. Januar Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus, seit 2005 auch internationaler Gedenktag der Vereinten Nationen. Viele Gruppen, Kommunen, Kirchengemeinden, Bildungseinrichtungen etc. halten mit ihren Veranstaltungen die Erinnerung an die Gräueltaten der Nazizeit wach, gedenken der Opfer und appellieren an Toleranz und Solidarität in unserer Gesellschaft und im internationalen Zusammenleben. 

In vielen Städten und Orten im deutschen Nordwesten finden Veranstaltungen zum 27. Januar statt;  die genauen Termine dafür sind der Tagespresse und lokalen Medien zu entnehmen. Hier finden sich die Gedenkveranstaltungen in und um das Emsland:

Lingen 
– Mahnwache am Hist. Rathaus Lingen (Ems) zum Gedenktag, Samstag, 27. Januar um 18 Uhr.

Theater an der Wilhelmshöhe, Willy-Brandt-Ring 44, Altonaer Theater: „Die Reise der Verlorenen“, Samstag, 27. Januar um 20 Uhr: 1939 hatten fast 1000 jüdische Menschen aus Nazideutschland ein Visum für Kuba. Sie reisten mit der „St. Louis“. Angekommen, verweigerte Kuba die Aufnahme. Das Schiff musste nach Hamburg zurückkehren. Schauspiel von Daniel Kehlmann. Auch Max Frank aus Lingen war auf der St. Louis. Näheres und Tickets unter: https://s.et4.de/d9lMd

Osnabrück 
Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft – mit der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück, Kirchengemeinde, Caritas, Diakonie & anderen. St. Marien (am Markt), Samstag, 27. Januar, 9.30 Uhr. 

Führung über den Heger Friedhof zum Holocaust-Gedenktag, Samstag, 27. Januar, Treffpunkt um 11 Uhr – Große Kapelle, Rheiner Landstraße 168 in Osnabrück. Dauer: ca. 90 Minuten, Veranstalter: #spurensuche_osnabrueck. 

Gottesdienstgestaltung zum 27. Januar, Kleine Kirche (neben d. Dom), am Samstag, 27. Januar um 18.15 Uhr. Die liturgische Leitung hat Domkapitular Theo Paul, vorbereitet vom Pax Christi Regionalverband Osnabrück-Hamburg. 

„Annelies“ – Oratorium von James Whitbourn über Anne Frank, Samstag, 27. Januar um 19.30 im Dom zu Osnabrück. Karten (online): www.dommusik-os.de 

Gedenkveranstaltung und Kranzniederlegung, Sonntag, 28. Januar um 11.30 Uhr, Gedenktafel unter den Arkaden der Stadtbibliothek am Markt, mit OBin Pötter u. Landrätin Kebschull. Totenklage/Gebet: Kantor Baruch Chauskin u. Mario Franz. 


Georgsmarienhütte
 
Gedenkgottesdienst für die Opfer des Holocaust, Mittwoch, 31. Januar um 18 Uhr in der Krypta der Heilig-Geist-Kirche, Overbergstraße 12, 49124 GM.-Hütte – Oesede. – Die Krypta mahnt aus der NS-Zeit zu lernen und sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. 


Leer
 
Gottesdienst für die Opfer des Nationalsozialismus, Samstag, am 27. Januar um 19.30 Uhr in der kath. Kirche St. Michael, Kirchstraße 27, 26789 Leer, gestaltet von der ACK Leer. 


Bunde
(Ostfriesland)
Zentraler Rheiderländer Gottesdienst zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, Sonntag, 28. Januar um 10 Uhr, Ev.-ref. Kirche, Bahnhofstraße 3, 26831 Bunde. Vorbereitung: Arbeitskreis 27. Januar.

 

Esterwegen 
Eröffnung der Wanderausstellung „Unterwegs mit Felix Nussbaum“ am Sonntag, 28. Januar um 15 Uhr, in der Gedenkstätte Esterwegen, Hinterm Busch 1, 26897 Esterwegen. Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen. Die Ausstellung ist voraussichtlich bis zum 31. März zu sehen. Der Eintritt ist frei. 


Papenburg
 
Die VHS Papenburg lädt ein, Sonntag, 21. Januar zum Vortrag: „Als Kolpingbruder im KZ Esterwegen 1935 – Heinrich Kroes aus Werne“. Zeit: 15 – 17.15 Uhr. Referenten: Michael Kroes u. Kurt Buck. Ort: Hauptkanal rechts 72, 26871 Papenburg. Einlass ab 14.30 Uhr. – Beitrag: € 10,-. U.A.w.g. 04961/922317


Freren

Ausstellungseröffnung „Der gelbe Stern“ am 27. Januar um 17 Uhr. Bilder und Texte zum Leben und zur Verfolgung jüdischer Menschen in Deutschland von 1900 bis 1945. Veranstalter: Kulturkreis Impulse, Bahnhofstr. 79, 49832 Freren.  


Nordhorn

Die Gedenkveranstaltung
am Samstag, 27. Januar um 17 Uhr, Luth. Gemeindehaus und Schwarzer Garten, gestaltet von SchülerInnen der Ludwig-Povel-Oberschule mit Theresa Sperling (Poetry-Slam-Meisterin 2023) und Bürgermeister Thomas Berling, anschließend Kranzniederlegung. 


Bersenbrück
 
Die Gedenkveranstaltung der Samtgemeinde Bersenbrück zum 27. Januar findet statt am Freitag, 26. Januar um 12 Uhr in der Gemeinde Gehrde auf dem Gelände der Grundschule (Schulhof 6, 49496 Gehrde). Erinnert wird an den in Gehrde geborenen Hermann van Pels. Er gehörte zu den Untergetauchten im Versteck in Amsterdam, die in Anne Franks Tagebuch erwähnt werden. Vorbereitet vom Arbeitskreis Geschichte der Juden in der Samtgemeinde Bersenbrück.

 

Ankum 
Das Hermann-Ehlers-Bildungsforum Weser-Ems veranstaltet zum Holocaust-Gedenktag – Denktag 2024 – eine Klangkunstperformance mit der Schauspielerin, Autorin und Theatermacherin Anja Bilabel, musikalisch begleitet von Hanne Feldhaus. Zeit: 24. Januar, 19 – 21 Uhr, Ort: See- und Sporthotel Ankum, Tütinger Str. 28, 49477 Ankum.
Näheres: 0441- 2051 799-1. 

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Seitenblick nach
Berlin
 
Die Gedenkstunde zum 27. Januar im Deutschen Bundestag wird am Mittwoch, 31. Januar um 10 Uhr (Ende: 11 Uhr) im Plenarsaal stattfinden. Als Gastredner sprechen die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi und der Sportjounalist Marcel Reif. Näheres: 

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw05-gedenktag-985648 

-> Übertragung im Parlamentsfernsehen und in den Medien.

An der Jugendbegegnung nehmen wieder Jugendliche teil, die sich für eine lebendige Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus einsetzen. 

Am Mittwoch, 31. Januar, wird im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages siw Ausstellung  „85 Jahre – Kindertransport nach Großbritannien“ eröffnet, die bis zum 23. Februar 2024 – nach Anmeldung – besucht werden kann. Näheres unter: 

https://www.bundestag.de/ausstellung-85-jahre-kindertransport 


Danke für die Zusammenstellung an Anne-Dore Jakob, Berlin
Foto: Stolperstein Max Frank Gmbo 2013, Creative-Commons-Lizenz „CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright“

Gewaltmonopol

9. Januar 2024

In ganz Deutschland sind an diesem montäglichen Wintermorgen Tausende zu Demonstrationen aufgebrochen, schreibt die SZ, „sie fahren zu Kundgebungen, Mahnwachen, Straßensperren. Der Deutsche Bauernverband hat zu „Aktionstagen“ aufgerufen gegen die Pläne der Ampel, Subventionen für Landwirte einzudampfen. Auch andere Landwirtschaftsverbände sind dabei, eine Woche lang wollen sie demonstrieren, bis die Bundesregierung gefälligst alles zurücknimmt. Aber es geht hier längst nicht mehr nur um einen womöglich harten, aber wohl doch legitimen Protest gegen politische Maßnahmen. [Der Brandenburger Betriebsleiter eines 630-Hektar-Hofes] Hannes-Peter Dietrich geht es jetzt auch darum, „das ganze Militante da rauszubekommen“. So nennt er das.

Denn dem Bauernverband ist die Sache offensichtlich schon entglitten, bevor sie überhaupt losgegangen ist. Das ist spätestens am Donnerstagabend überdeutlich geworden, als 250 bis 300 Aufgebrachte mit Traktoren, Lkws und übrig gebliebenen Silvesterraketen Wirtschaftsminister Robert Habeck davon abhielten, nach seinem Urlaub auf Hallig Hooge wieder an Land zu gehen. Der Bauernverband stellte zwar schnell klar, dass solche Aktionen ein „No-Go“ seien, aber die Wut mancher ist offensichtlich längst zu groß, um sie noch einzufangen.

Landauf, landab haben Bauern in den letzten Wochen schon Misthaufen aufgeschüttet und Galgen aufgebaut, an denen Ampeln baumeln. Schon da hätte allen dämmern können, dass es hier um mehr geht als um die Landwirtschaft. Überall im Land versuchen Politikverächter und selbsternannte Systemumstürzler vom rechten Rand schließlich gerade, die Proteste für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Sie wollen einen „Generalstreik“ gegen die Regierung, manche fantasieren vom Umsturz.“

Viel subtiler und ganz anders als bei den Klimaklebern agiert aktuell die Staatsmacht. Die Polizei lässt die Bauern gewähren. Wo andere wie Terroristen behandelt wurden und sie in Präventivhaft genomnen worden, weil sie sich aus Sorge und Angst um die Zukunft des Planeten auf dem Asphalt festklebten oder vielleicht festkleben wollte, war gestern alles völlig anders. In Höhe der Autobahnanschlussstelle Lingen wurden die Personalien eines Mannes und seiner Begleiterinnen aufgenommen, die mit dem Bus zum Arzt nach Nordhorn wollten, es sei eine Schwangerschaft im Spiel äußerte sie trickreich und falsch. Als das rauskam, wurden nicht etwa die Namen der blockierenden Bauern notiert, sondern eben die derjenigen, die frisch genötigt wurden. Oder dass Zufahrtswege zu den Feuerwehrzentrale in Lingen blockiert wurden, so dass keine freiwilligen Feuerwehrleuten zum Einsatz hätten kommen können, wenn es einen solchen denn unverhofft gegeben hätte. Zur Erinnerung: Wir haben in unserer Stadt freiwillige Feuerwehren. Die Feuerwehrleute müssen erst einmal zu den Feuerwehrstationen hinfahren…

Viel gravierender empfinde ich es, dass unter den Augen der Polizei (!) Landwirte vor dem Aldi-Zentrallager in Lingen-Darme die Lkw-Fahrer zwangen, ihre Lkw für Bauern-Kontrollen der Ladeflächen zu öffnen. Ärzte auf dem Weg in ihre Praxen mussten sich gegenüber Protestierern als Ärzte ausweisen und als Ärzte legitimieren, um weiterfahren zu können. Andere mussten Umwege fahren, weil sie keine bäuerlichen Passierscheine hatten. Und Mitarbeiter des Lingener Krankenhauses, die dort die EDV im Einsatz halten, wurden gar nicht erst durchgelassen, weil sie  ja „sowieso nur rumsitzen“. Das ist alles abenteuerlich in einem Land, in dem bei Demonstrationen Polizeibehörden  selbst die Größe mitgeführter Plakate auf den Zentimeter genau vorschreiben und Strafverfahren einleiten, wenn die Transparente 50cm breiter als vorgeschrieben sind.

So missachtet und zerstört eine hochsubventionierte Berufsgruppe das staatliche Gewaltmonopol, und die Polizei findet’s augenzwinkernd offenbar gut. Auch wenn mittlerweile die Bauernverbände so tun, als gehe es um die Zukunft der deutsche Landwirtschaft. Tatsächlich geht es nur ums Portmonee – genauer: den Abbau lächerlicher Subventionsbeträge, der von allen (!) Parteien im Bundestag -auch der rechten NoAfD- noch Dezember einstimmig befürwortet wurde. Dafür gehen diese Bauern Allianzen mit Rechten, Nazis und Querdullies ein, die nicht nur mich frösteln lassen. Unfassbar.

 

 

Uwe Seeler

21. Dezember 2023

Er hat auch schon in Lingen zu Mittag gegessen. Der unvergessene Uwe Seeler, damals – am 20. August 1961-  im „Hotel zur Sonne“ und auf dem Weg zum Oberligasieg bei Eintracht Nordhorn (5:2), als er drei Tore schoss.

Klar wird durch den Hinweis, dass dieses wertvolle Last-Minute-Weihnachtsgeschenk eher etwas für ältere Semester ist. Der Fotoband aus dem Bielefelder Verlag Die Werkstatt über den herausragenden Hamburger Fußballer Uwe Seeler ist aber auch eine formidable Chronik Nachkriegsdeutschlands.

Möglicherweise erschließt sich nicht allen Besuchern von Heimspielen des HSV, warum so viele besonders warm applaudieren, wenn der HSV-Kaderangehörige Levin Öztunali eingewechselt wird. Mit diesem Spieler verbindet sich jedoch immer auch der Name „Uwe Seeler“, denn Öztunali ist der über alles geliebte Enkel des im vorigen Jahr verstorbenen Fußballhelden aus Hamburg.

In der gewissen Liebe zum 27-Jährigen verbirgt sich immer auch die mehr oder weniger stille Ultraverehrung zu Seeler, „Uns Uwe“ genannt. „Uns“ als Beifügung zum Namen des Stürmers des HSV verdankt sich natürlich einer Erfindung von Hamburger Boulevardmedien, weil Seeler völlig zurecht als seine wichtigste Lebensleistung einmal bezeichnete, „immer normal“ geblieben zu sein. Aber das „Uns“ ist insofern immer auch wahrhaftig.

Immer beim HSV unter Vertrag, nie seine Wurzeln im Arbeitersport verleugnend und stets darauf bedacht, keine Capricen oder Allüren zu kultivieren, was er sich allerdings nicht vornehmen musste, denn er war einfach charakterlich unbegabt, seinen Sport nach Marketinggesichtspunkten auszurichten.

Seeler, der nie Weltmeister wurde, 1966 mit seinem Team im Wembleystadion der gastgebenden Mannschaft unterlag und 1974 beim WM-Turnier in der Bundesrepublik nicht mehr im Nationalteam spielte, war immer populärer als singuläre Figur wie alle weltmeisterlichen Spieler: weil er wie kein anderer seines Berufs verehrt wurde – weil er so wirkte (und Fußball spielte), als sei er kein Abgehobener, kein Arroganzling, kein Star.

Auch nach seinem Tod bleibt er so unsterblich: Uwe Seeler als Inbegriff von Bodenständigkeit und Bescheidenheit blieb 24 lange Jahre seinem Heimatverein treu. Trotz großer fußballerischer Erfolge ist „Uns Uwe“ mit beiden Beinen auf der Erde geblieben.

Die Hamburger Fotografen-Familie Metelmann setzt dem berühmten Fußballspieler nun ein sehr persönliches Denkmal: Von klein auf begleitet Otto Metelmann ihn mit seiner Kamera und ist als Freund der Familie immer ganz nah dran am Idol. Neben großartigen Fußball-Highlights versammelt dieser Band auch bislang unveröffentlichte Bilder des Privatmenschen Seeler. Sie zeigen den Ausnahme-Kicker von einer Seite, die man so garantiert noch nicht gesehen hat.

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Uwe Seeler: Ikonische Bilder eines Idols
256 Seiten, 69 Euro
Verlag Die Werkstatt Bielfeld.
ISBN-10 ‏ : ‎ 3730706764
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3730706763


Foto: Umschlag – Uwe Seeler: Ikonische Bilder eines Idol

Die Deutsche Bank ist Eigentümerin der Postbank und sie beabsichtigt aktuell tiefe Einschnitte in das Filialnetz ihrer Postbank. Von rund 550 Filialen sollen bis Mitte 2026 etwa 250 Zweigstellen wegfallen. Erstmals soll es Postbank-Standorte ohne Post-Dienstleistungen geben. Da braucht man wenig Phantasie, um das Ende der traditionellen Post in der Lingener Lookentorpassage vorherzusehen.

Damit würde die Lingener Innenstadt ein weiteres Mal erheblich geschwächt. Denn das volle Angebot an Postdienstleistungen von Deutsche Post und DH steht wohl vor dem Ende. OB Krone mit seiner behäbig wirkenden Verwaltung dürfte von den Plänen noch gr nichts mitbekommen haben. Jedenfalls hat er in den kommunalen Gremien noch nichts dazu gesagt und Einfluss hat er wahrscheinlich auch nicht. Das zeigt beispielhaft der Weggang der Commerzbank, die Lingen verließ aber in Nordhorn blieb. Krones hilflos wirkender Beitrag dazu bestand darin, die Bankverbindung der Stadt bei der Commerzbank aufzuheben.

Der Hintergrund: Als die Deutsche Bank zwischen 2008 und 2025 die Postbank von der Deutschen Post übernahm, verpflichtete sie sich vertraglich, an allen Postbank-Standorten weiterhin auch Post-Dienstleistungen anzubieten – also auch in Lingen(Ems).

Auch mit Blick auf die Zahl der Postbank-Filialen sowie die Zahl der genehmigten Filialschließungen musste sich die Deutsche Bank jetzt mit der Post einigen. Das ist wohl geschehen. Der geänderte Kooperationsvertrag mit der Deutschen Post sieht nun vor, dass künftig jede dritte der verbleibenden Postbank-Standorte zu einer reinen Bankfiliale wird: An etwa 100 Standorten gebe es ein neues, „ausschließlich auf Bankdienstleistungen fokussiertes Filialformat“ für Beratungen vor Ort, so ein Sprecher. In den übrigen 200 Postbank-Standorten gibt es wie bisher Post- und Bank-Dienstleistungen unter einem Dach. Mit den Arbeitnehmervertreternn der Postbank ist das Thema zwar noch nicht ausverhandelt. „In diesen Gesprächen werden die endgültigen Zahlen und Standorte festgelegt“, sagte ein Sprecher des Instituts.

Die tiefen Einschnitte ins Filialnetz stehen fest, berichtete nach der Financial Times (€) gestern das Handelsblatt, und zitierte den neuen Privatkundenchef der Deutschen Bank, Claudio de Sanctis. Der will das Massenkundengeschäft bei der Postbank stärker als bisher digitalisieren. Eine solche Digitalisierung gilt in Bankkreisen als wichtige Voraussetzung dafür, das Geschäft mit Privatkunden profitabler zu gestalten. Letztlich wird wohl aus der traditionellen Postbank eine Online-Bank. Im betriebswirtschaftlichn Jargon heißt das dann: „Die Postbank wird mittelfristig zu einer Mobile-first-Bank entwickelt“, so ein Sprecher der Bank. Kundinnen und Kunden sollen alle Produkte über Mobiltelefon, Tablet oder eben im „gestrafften Filialnetz“ erhalten können.

Die Digitalisierung der Postbank hatte im Rahmen der Umstellung der IT-Systeme auf die der Deutschen Bank schwere Rückschläge erlitten. Zwar klappte angeblich technisch alles. Doch der Kundenservice war der Umstellung und den damit verbundenen häufigeren Kundenrückfragen nicht gewachsen; viele Beschäftigte waren nur unzureichend geschult.
Die Finanzaufsicht Bafin hatte die Bank deshalb auf einen Zeitplan bis Jahresende verpflichtet, bis zu dem der Rückstau an Kundenrückfragen und -problemen abgearbeitet sein muss. Jetzt  schickte die Bafin sogar noch einen Aufpasser zum Institut, der das überwachen soll.
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Quellen: FT, Handelsblatt, Tagesschau