letztlich immer
3. Dezember 2020
Wie steht es um die Rechte von Polizei und Ordnungsbehörden, wenn die Corona-Beschränkungen im privaten Raum überprüft werden sollen? Die Politik gibt – etwa in NRW durch Landesgesundheitsminister Laumann – zwar momentan gerade mit Blick auf Weihnachten die Leitlinie aus, dass Corona-Kontrollen in Wohnungen nicht in Frage kommen. Stichwort: Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG).
Allerdings ist es natürlich nicht ganz abwegig, dass einzelne Ämter oder Polizeidienststellen dies anders sehen. Wie nicht anders zu erwarten, ist die Rechtslage kompliziert. Einzelheiten erläutert der Wuppertaler Jura-Professor Sebastian Kluckert in einem Interview mit ntv:
In Nordrhein-Westfalen und Berlin ist man bei Verstößen gegen wohnungsbezogene Kontaktbeschränkungen zwischen 21 und 6 Uhr vor einem „Hausbesuch“ der Polizei sicher, solange man keinen Lärm macht. Hier scheiden jedenfalls alle Tatbestände aus, die ein jederzeitiges Betreten der Wohnung ermöglichen. Das dürfte wohl auch in den anderen Bundesländern gelten. Das Betreten zur Nachtzeit würde voraussetzen, dass Tatsachen die Annahme nahelegen, dass sich ein Kranker, Krankheitsverdächtiger oder Ansteckungsverdächtiger in der Wohnung befindet. Nur dann kann der Einsatz die Verhütung einer dringenden beziehungsweise gegenwärtigen schweren Gesundheitsgefahr bezwecken.
Letztlich stellt sich jedenfalls immer die Frage nach der Verhältnismäßigkeit eines so tiefgreifenden Grundrechtseingriffs. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich ja beispielsweise jeden Tag Schüler in Bussen und Bahnen wie die Ölsardinen stapeln, um nur ein Bespiel zu nennen. Für die gesellschaftliche Akzeptanz der Corona-Maßnahmen wären Corona-Kontrollen gefährlich.
In Lingen schritt gestern die Polizei „im Rahmen der Gefahrenabwehr“ gegen Außer-Haus-Verkauf in einem Innenstadtlokal ein und untersagte diesen. Später dann mussten die Uniformierten vom Marktplatz zurückrudern. Alles ist wieder erlaubt, nur Glühwein dar nicht in den verschlossenen Becher. Das nämlich sei nach der aktuellen Corona-Verordnung in Nidersachsen verboten – trotz dieser Entscheidung hier und trotz des Wortlauts der aktuellen Verordnung.
(Foto: pixabay; text: LawBlog von Udo Vetter)
komplexes Thema
21. November 2020
Wir müssen noch einmal über die lokale Sicherheitskultur sprechen, die seit einigen Wochen in Form eines Polizeicontainers auf dem Marktplatz demonstriert wird.
Eigentlich sollte dieser Polizei-Container gar nicht unbedingt auf Lingens beschaulichen Marktplatz. Die Polizei soll, sagt meine Quelle, mit diesem zentralen Ort für ihren Container gar nicht geliebäugelt haben. Sie wollte -angesichts der Corona-Maßnahmen und der lokalen Feier-Szene- nur im Zentrum präsent sein. Den Container-Standort mitten auf dem Markt habe dann OB Dieter Krone aber selbst festgelegt – übrigens ohne irgendein Ratsgremium zu beteiligen. Wie immer öfter, hat er wohl nur die CDU-Spitzen von seiner Entscheidung informiert. Unter keinem (!) seiner Vorgänger hätte es so einen Alleingang gegeben.
In der abgelaufenen Woche versuchte die lokale CDU dann schon wieder, die sachliche Kritik an dem Bild, das unsere Stadt jetzt ihren Besuchern vermittelt, als unbegründet darzustellen und Krone natürlich auch. Die CDU nutzte dazu eine Sitzung des stets nicht-öffentlich tagenden Verwaltungsausschusses der Stadt -bekanntlich nach dem Rat das höchste Beschlussgremium unserer Kommune. Die Container-Kritik deutete sie bewusst fälschlich zu einer Kritik an der Polizei um und behauptete außerdem, „alle Bürger“, mit denen sie gesprochen habe, hätten sich positiv geäußert. Man kümmere sich eben „auch um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger“; OB Krone stimmte dem zu.
Ich habe der Einschätzung widersprochen und darauf hingewiesen, dass es ohne jeden sachlichen Grund nicht richtig sei, unbegründete, subjektive Gefühle zum Maßstab einer solchen kommunalen Entscheidung zu machen und im konkreten Fall damit gar den gegenteiligen Effekt zu erzielen. Noch vor einem Monat habe die Polizei im Stadtrat bei der Vorstellung der Lingener Kriminalitätsstatistik objektiv eine sichere Stadt Lingen nachgewiesen. Dem laufe das jetzt erzeugte Bild völlig zuwider; es erzeuge bei den Menschen erst das, was es zu bekämpfen vorgebe: ein Unsicherheitsgefühl. Wer wolle sich schon in einem solchen, offenbar gefährlichen Stadtzentrum aufhalten oder unterwegs sein, wo man sogar einen Container aufstellt, damit die Polizei sofort eingreifen kann? Daher sei der Container für das Stadtzentrum einfach nur schädlich.
Eine höhere Polizeipräsenz und nicht einmal schwer bewaffnete Einsatzkräfte führen in der Tat gar nicht dazu, dass sich BürgerInnen sicherer fühlen. Das ist das Ergebnis einer Befragung von Besuchern des Weihnachtsmarkts am Berliner Breitscheidplatz Ende 2019, wie Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik ganz aktuell dem Tagesspiegel in einem Interview erklärte.
Entscheidend für das Sicherheitsempfinden sei vielmehr, ob der letzte Kontakt der Bürger mit der Polizei positiv oder negativ empfunden werde. Hatten Bürger also bei einer Polizei-Kontrolle oder auf einer Demonstration einen Kontakt mit Beamten, an sie sich im positiven erinnern, steigt auch ihr Sicherheitsgefühl, mit dem sie sich durch die Stadt bewegen.
„Man kann also nicht nur an der Stellschraube drehen, mit mehr Polizisten fühlen sich alle auf der Straße sicherer“, sagte Slowik zu der in Berlin erscheinenden Zeitung. „Das funktioniert so nicht.“ Auch die technische Ausstattung der Polizei spielt laut Berlins Polizeipräsidentin eine Rolle. Wenn Polizisten eine Maschinenpistole tragen, sinke die gefühlte Sicherheit. Die Menschen hätten dann den Eindruck, dass die Lage unsicher sei.
Berlins Polizeipräsidentin hatte in einem Interview mit „Zeit Online“ Ende 2018 erklärt, dass sie sich auch für die gefühlte Sicherheit der Bürger verantwortlich fühle. Sie sagte dem Tagesspiegel nun, dass die Polizei inzwischen untersuche, inwiefern Polizeipräsenz das Sicherheitsgefühl verändert. „Das ist ein sehr komplexes Thema.“
Und da sind wir neben dem vermittelten Unsicherheitsbild dann beispielsweise auch wieder bei diesen polizeilichen Abkassier-Fahrradkontrollen, bei denen beispielsweise auf völlig leeren sonntäglichen Straßen Radfahrer anhalten und wegen einer Ordnungswidrigkeit abkassieren, hinter ihnen herbrüllen, um sie zu stoppen, und ähnliches praktizieren, was Menschen bloß aus unserem Stadtzentrum vertreibt. Dies alles in seine undemokratischen „Ich-bin-OB-Entscheidungen“ einzubinden, ist aber wohl zu komplex für diesen ausgebildeten Musiklehrer…
ps Die Lingener Container-Wochen sind übrigens bis Weihnachten verlängert…
Laxe Ermittlungen
8. November 2020
Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt fürchten, dass eine Reihe von Brandanschlägen rund um Bremen falsch eingeschätzt und nicht konsequent verfolgt wird. Es seien wohl eher laxe Ermittungen, textet die taz.:
Bremervörde, Beverstedt, Ganderkesee, Gnarrenburg, Syke und Vegesack: Sechs Orte in Niedersachsen unweit von Bremen, in denen bisher unbekannte Täter/innen seit 2018 Brandanschläge auf Restaurants und Bars von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte verübt haben sowie auf eine Wohnung. Die Existenzen der Betroffenen sind weitgehend vernichtet, die Angst in den Communitys ist gewachsen.
In einer gemeinsamen Presseerklärung fordern die „Mobile Beratung gegen Rechts“, der Flüchtlingsrat Niedersachsen und die Beratungsstellen für Betroffene eine „systematische Aufklärung“ dieser Fälle. „Die Ermittlungen müssen in den Kontext von rechter Gewalt gestellt und als Serie betrachtet werden“, sagt Marc Weber von der niedersächsischen Beratungsstelle für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt.
Die Ermittlungsbehörden, gingen „nicht konsequent von rechten Motiven und einer rechtsextremen Anschlagsserie“ aus, kritisiert Annika Hesselmann vom Flüchtlingsrat. Und sie verweist auf eine Aussage eines Justizsprechers aus Verden vor wenigen Tagen zu dem Brandanschlag auf die Bar „Martini“ in Syke am 13. Februar.
Der Hannoverschen Allgemeinen hatte der Justizsprecher gesagt, dass die Polizei zunächst wegen zwei Hakenkreuzen und der Parole „Ausländer raus“ einen fremdenfeindlichen Hintergrund vermutet habe, doch sei der „rechtsextreme Hintergrund wohl entfallen“, da die Motive sich an der von der Straße abgewandten Seite des Hauses befunden hätten. Rechtsextreme wollten aber „ein gewisses Zeichen setzen und möchten, dass es gesehen wird“.
Im Laufe der Ermittlungen hatten die Behörden schon früher…
Containerbrief
28. Oktober 2020
Seit einigen Tagen steht ein Polizei-Container auf unserem Marktplatz in Lingen. Wegen Corona. BN-Ratsmitglied Sabine Stüting hat dazu heute einen Brief an Oberbürgermeister Dieter Krone geschrieben.
Hier ist er im Wortlaut:
Sehr geehrter Oberbürgermeister Krone,
mit großem Befremden habe ich nach kurzer Abwesenheit aus Lingen heute zum ersten Mal den Polizeicontainer auf dem Marktplatz gesehen.
Er stellt einen irritierenden Fremdkörper dar, der in meinen Augen einschüchternd wirkt und den Eindruck eines Kriminalitätsschwerpunktes auf unserem Marktplatz befördert.Ähnliches wurde zum Beispiel Ende 2017 am Berliner Alexanderplatz implementiert, nachdem dieser nach einer Reihe von Schlägereien, tödlichen Messerstechereien und zahlreichen Taschendiebstählen bundesweit in Verruf geraten war.
Die „Lingener Tagespost“ zitiert Sie, Sie hätten die Entscheidung außerordentlich begrüßt. Daraus entnehme ich, dass es sich nicht um Ihre Entscheidung handelt. Wer hat die Entscheidung getroffen und auf welcher Grundlage?
Ich spreche mich selbstverständlich nicht dagegen aus, dass Polizei und Ordnungsamt Lärm und Müll in der Innenstadt verhindern helfen.
Aber die Containerlösung ergibt ein häßliches, bedrohliches und darüber hinaus falsches Bild von unserer Stadt. Sofern es andere Möglichkeiten gibt, den Streife-Gehenden gelegentliches Aufwärmen, Ausruhen oder Schreibarbeiten zu ermöglichen, sollten diese genutzt werden. Dies kann in städtischen Räumlichkeiten oder ggf. auch in dem bereits existierenden, bedauerlichen Leerstand geschehen.
Solange diese Möglichkeiten nicht ausgeschöpft sind, handelt es sich um eine unverhältnismäßige Lösung.
Ich fordere Sie daher im Namen der Fraktion die BürgerNahen auf, für Abhilfe zu sorgen.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Stüting
Die BürgerNahen
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Ein Crosspost vom Blog der Bürgernahen
Unfassbar
13. August 2020
Ich finde, das ist unfassbar:
Tod eines Guineers
25. Juni 2020
Gefunden auf der Webseite des Nieders. Flüchtlingsrat:
Nach dem Tod eines 23-jährigen asylsuchenden Guineers nach einem Polizeieinsatz in Twist (Landkreis Emsland; Wappen lks) gilt unser Beileid seinen Angehörigen und Freund_innen. Dem Mann wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft Osnabrück im Rahmen eines Polizeieinsatzes in den Oberschenkel geschossen und er verstarb später im Krankenhaus. Erneut starb damit in Niedersachsen ein junger Schutzsuchender im Rahmen eines Polizeieinsatzes. Im August 2019 wurde der 19-jährige Afghane Aman Alizada bei einem Polizeieinsatz in seiner Unterkunft in Stade erschossen.
Nach dem Todesfall in Twist protestierten am vergangenen Samstag Schwarze Menschen in einer Demonstration vor dem Polizeikommissariat in Meppen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Auf einem Plakat wurde die Version der Behörden in Zweifel gezogen, es habe sich um einen Oberschenkelschuss gehandelt. „Kein Oberschenkelschuss, sondern Bauchschuss“, hieß es darauf.
Laut Polizei sei die Versammlung sehr friedlich verlaufen, wurde aber in den sozialen Medien offenbar hart attackiert. Die Demonstration wurde nämlich zeitweise live über die sozialen Medien übertragen. Dabei sei es bei der Kommentierung im Internet zu teilweise deutlich rassistischen und volksverhetzenden Aussagen gekommen, sodass die Polizei sich entschieden hat, die Kommentarverläufe zu sichern und strafrechtlich zu prüfen.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen wird die weiteren Entwicklungen sehr aufmerksam verfolgen und erwartet eine umfassende Aufklärung des Polizeieinsatzes. Für Kontaktaufnahmen im Zusammenhang mit dem Todesfall stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft Osnabrück gemeinsam mit der Polizeiinspektion in Leer. Zunächst wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen den beteiligten Polizeibeamten eingeleitet, wie die Staatsanwaltschaft Osnabrück mitteilte.
Presseberichte
Polizei ermittelt gegen Facebook-Nutzer nach Demonstration in Meppen, in: Neue Osnabrücker Zeitung online vom 22. Juni 2020.
20 Schwarzafrikaner prangern in Meppen tödlichen Polizeischuss an, in: Neue Osnabrücker Zeitung online vom 20. Juni 2020.
Von Polizei in Twist angeschossen: 23-Jähriger tot, in: NDR vom 19. Juni 2020.
Mann stirbt nach Schussverletzung durch die Polizei, in: SPIEGEL vom 19. Juni 2020.
Nanu
28. Februar 2020
Anfang der 1970er Jahre war die „Lingener Tagespost“ aus dem hinteren Büro im Schreibwaren-Geschäft Nottbeck in die Große Straße 9 umgezogen. Das vermutlich im 18. Jahrhundert entstandene Haus war vorher modernisiert worden. Dabei wurde es durch eine Fenstervergrößerung regelrecht entstellt. In Wahrheit handelt es sich um ein giebelständiges Fachwerkhaus. Vielleicht bestand im hinteren Teil auch einmal eine breite Diele wie im „Feiling“-Haus Große Straße 22. Als eines der wenigen Häuser in der Großen Straße wurde es aber nie aufgestockt. Hinter den entstellenden Schaufenstern konnte man dann bis in die 1980er Jahre die dort ausgehängte tägliche Ausgabe der Lingener Tagespost lesen.
Damals hatte sich in unserer Stadt die sog. „Jugendinitiative“ gebildet. 30-40 junge Leute, die kreativ für ein unabhängiges Jugendzentrum kämpften. Nach drei, vier Jahren war ihr Einsatz erfolgreich und der Alte Schlachthof entstand, wenn auch die Protagonisten der Jugendinitiative durch einen formalen Hausordnungstrick ausgeschlossen wurden, den CDU und Stadtverwaltung ersonnen hatten. Die allermeisten von ihnen wurden per Hausordnung für „zu alt“ erklärt, um im JZ mitzumachen. An diese Lingener Geschichte musste ich heute denken und an Alois Dickopp, den damaligen „Chefredakteur“ der Lingener Tagespost. Dickopp saß im Hinterzimmer des Hauses Große Straße 9 und setzte von dort alles daran, die aktiven Jugendlichen zu diskreditieren, indem er sie in die kommunistische Ecke drückte, wo sie allerdings -man ahnt es- nicht hingehörten.
Nach einer neuerlichen, besonders üblen Verleumdung durch Dickopps LT klebten 1973/74 nächtens die Initiativler mit (wasserlöslichem) Kleister die beiden großen, „entstellenden Fenster“ fein säuberlich von oben bis unten mit Flugblättern voll, die eine Gegendarstellung enthielten. Dickopp kam aus seinem Büro, wo er noch werkelte, gelaufen und entfernte die Anschläge. Keine Stunde später wurden sie dann wieder neu geklebt, dann kam die Polizei, jagte und stoppte nur einen von drei Plakattrupps, die sich besser als die Polizei in Lingens Stadtzentrum auskannten, und stellte deren Kleister und Flugblätter sicher, die dann im Schrank des Ordnungsamtsleiters des Lingener Rathauses landeten. Es war eine wirklich muntere Schnitzeljagd in dieser Nacht bis in den ganz frühen Morgen hinein. Die Fenster waren jedenfalls beklebt…
In den 1980er Jahren zog dann die Lokalzeitung in die Schlachterstraße 6-8 um und das Textilgeschäft „Nanu“ übernahm die Räume im Haus Große Straße 9. Zuletzt war dort ein Internetshop.
Und jetzt will der neue Eigentümer aus dem Osten der Stadt dort, wie ich höre, anders bauen als er darf. Da hat er wohl gemeint, er müsse am besten mit der NoAfD „auf die Kacke hauen„. Ich übernehme hier meine entsprechende (wenn auch nicht wirklich gesicherte) Information.
Der Eigentümer hängte jedenfalls gestern dümmliche AfD-Plakate in die beiden Schaufenster. Keine Frage: Durch die modernisierte. Fenster und die braunen Plakate in blau war jetzt das Gebäude gleich doppelt entstellt. Doch auch dieses Mal reagierten die „Wir-haben-das-mal-vorerst-geregelt-Aufmüpfigen“ in unserer Stadt sofort und überklebten kurzerhand die plakatierte braune Gesinnung. Freuen wir uns also gemeinsam über eine schöne nachhaltige Tradition der entstellenden Fenster im Hause Große Straße 9. Sie werden einfach von außen beklebt, wenn auf der Innenseite mit Druckwerk verleumdet und gehetzt wird.
neues Level
15. Januar 2020
Die PR-Abteilungen der Polizeibehörden sind in den letzten Jahren ja enorm gewachsen. Anscheinend steigt ihre vermeintliche Bedeutung den Social-Media-Machern und PR-Strategen mancher Dienststellen so zu Kopf, dass sie gar nicht mehr wissen, was eigentlich ihre Aufgabe ist. Hier ein aktuelles Beispiel aus Hessen.
Dort fahndet die Polizei öffentlich nach Männern, die bei Unglücksfällen nicht nur keine Erste Hilfe geleistet haben sollen (Bericht der hessenschau). Sie stehen auch im Verdacht, die Unglücke gefilmt und die Aufnahmen veröffentlicht zu haben. Sicher keine schönen Sachen. Allerdings könnte man sich an dieser Stelle fragen, ob das schon „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ sind, wie sie § 131b StPO für eine Öffentlichkeitsfahndung zur Voraussetzung macht.
Aber wozu fragen – wenn es doch um ganz andere Dinge geht. „Wir drehen den Spieß einfach um“, erzählt ein Polizeisprecher stolz dem Hessischen Rundfunk. Wie zuvor die gefilmten Opfer würden jetzt die Täter den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt. Damit, so der Bericht, werde der Kampf gegen Gaffer „auf ein neues Level“ gehoben.
Die Polizei, dein Freund und Helfer. Seit Neuestem also auch zuständig für eine Bestrafung, lange bevor sich ein Gericht mit der Sache beschäftigt hat. Die Methode: publizistisch unterstützte Existenzvernichtung durch eine Polizeibehörde. Ihr könnt noch so lange in der Strafprozessordnung blättern, eine rechtliche Grundlage für so ein Vorgehen gibt es nicht. Mit anderen Worten: Die Beamten, die sich das – oder zumindest die öffentliche Rechtfertigung ihrer Maßnahmen – ausgedacht haben, sollten erst mal verstärkt an ihrem eigenen Rechtsverständnis arbeiten – und sich weniger im Lichte ihrer sicherlich zahlreichen Facebook-Claqueure sonnen.
(Quelle: LawBlog)