Aus Anlass des Internationalen Frauentags wurde am Mittwoch eine neue, knapp 100 Seiten umfassende  Broschüre der Stadt präsentiert. „Frauen der Lingener Geschichte“ verknüpft die Porträts von 20 Lingener Frauen mit einem Stadtrundgang. Für den Oberbürgermeister ist dies in seinem Vorwort bereits eine „feministische Reise durch unsere Stadt“. Einfach gesagt ist Feminismus  bekanntlich ein Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen in der Gesellschaft, und darum geht es bei der Broschüre nicht; doch OB Krone liegt mit seinen Wortmeldungen auch sonst zunehmend daneben, beispielsweise wenn er im überdimensionierten Ausbau des Emslandstadions das „olympische Niveau“  sieht oder Lingen(Ems) zur „Wasserstoff-Hauptstadt“ Deutschlands erklärt.

Dieses Mal erkennt man schnell, dass zwei namhafte Frauen in der neuen Broschüre und beim Rundgang fehlen. Es handelt sich ausgerechnet um zwei Frauen, die gegen die politische CDU-Mehrheit agierten:

Wo beispielsweise ist Elke Müller? Fest steht: Ohne die engagierte Lingener Sozialdemokratin gäbe es keinen Campus der Hochschule Osnabrück oder, wer es kleiner möchte, keine Polizeiinspektion in Lingen. Den Campus rang sie der klugen Helga Schuchardt ab, die ab 1990 als parteilose Ministerin im ersten niedersächsischen Kabinett Gerhard Schröder für die Hochschulen zuständig war. Die PI verteidigte sie gegen CDU-Landrat Hermann Bröring, der sie unbedingt  in Meppen wollte. Wer in der Broschüre die langjährige Landtagsabgeordnete und dreifache Mutter Elke Müller und ihre politische Arbeit sucht, findet aber nichts darüber.

Und geradezu unverzeihlich ist das Versäumnis, dass Helga Hanauer totgeschwiegen wird. Als 1975 die Stadt Lingen (Ems) stolz ihre 1000jährige Geschichte feierte, wurde dabei das schreckliche Schicksal der jüdischen Lingener und Lingenerinnen in der NS-Zeit komplett verschwiegen. Das prangerte Helga Hanauer, die damals 35jährige letzte Lingener Jüdin und Überlebende des Holocaust, öffentlich an und machte sich so bei den ertappten Honoratioren mehr als unbeliebt. Aber mit ihrem Engagement begann (endlich) die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte unserer Stadt. Trotzdem gibt es in der Broschüre aus  dem Rathaus nichts über sie. 

Gleichzeitig widmet die neue Broschüre neben manch Anekdotischem beispielsweise der ersten Lingener Abiturientin Berta Gelshorn einen eigenen Beitrag. Nach dem Willen der Stadtverwaltung soll aber nach ihr tunlichst keine Straße benannt werden, weil sie in den 1930er Jahren in mehreren NS-Organisatoren Mitglied wurde. 

Sicher werden die Verantwortlichen entgegnen, dass man „doch nicht alle verdienten Frauen“ erwähnen könne und überhaupt man es nicht jedem und jeder recht machen könne. Aber etwas Respekt vor den großen Lebensleistungen der unbequemen Frauen Elke Müller und Helga Hanauer hätte nicht nur ich mir gewünscht. Also: Wo ist Elke? Wo ist Helga?

Zu Karin gehen

2. Oktober 2022

„Zu Karin gehen“ war 27 Jahre lang in der Gesamtschule Emsland an der Lingener Heidekampstraße  ein feststehender Ausdruck. Dahinter steckten ganz viel, gleichermaßen Nöte wie Freuden des Alltags: Sich krank fühlen, einen Rat benötigen, etwas Zuwendung abholen, ordentlich den Kopf gewaschen bekommen, weil man „Mist gebaut“ hat, sich entspannen, Spiele spielen…
Die Bedürfnisse von jungen Menschen, die den ganzen Tag gemeinsam leben und lernen gehen eben deutlich über unterrichtliche Belange hinaus. Dies führte dazu, dass schon kurz nach dem Start der Gesamtschule klar wurde, dass sie Schulsozialarbeit braucht. Das wäre auch im so genannten Halbtagsbetrieb so gewesen, aber der Ganztagsbetrieb der Gesamtschule machte und macht sie umso deutlicher.
1995 startete Karin Albers (Foto) deshalb an der Gesamtschule als eine der ersten Schulsozialarbeiterinnen in der Region. Ihre Aufgaben waren zahlreich. Sie vermittelte bei familiären Konflikten, beriet Eltern, Schülerinnen und Schüler bei sozialen und psychischen Problemen und allen Besonderheiten. Immer hielt sie engen Kontakt zu anderen sozialen Einrichtungen. Ihre einzigartige Vernetzung macht es möglich, dass Karin Albers stets über aktuelle soziale Entwicklungen informiert war und einen Überblick über vielseitige -auch außerschulische-Hilfsangebote für Familien hatte. Wenn es überhaupt jemand konnte, dann Karin: Alle notwendigen Kontakte herzustellen. Besonders wichtig war ihr, die individuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen an der Gesamtschule zu verstehen, diese zu begleiten, zu unterstützen, zu ermuntern und, wo nötig, auch schlicht einzugreifen.
Karin Albers hatte am Freitag ihren letzten Schultag. Sie wurde von allen an der Gesamtschule wehmütig in den Ruhestand verabschiedet. Auch ehemalige Schülerinnen und Schüler schauten vorbei. Das größte Lob: Karin Albers war die wichtigste Identifikationsperson an der Lingener GE, ihr Gesicht. Es ist zu hoffen, dass dies auch über ihr/e Nachfolger/in gesagt wird, wenn diese/r in den Ruhestand geht.
Hintergrund:
Die Gesamtschule Emsland (GE) ist eine 1993 gegründete vierzügige Integrierte Gesamtschule. Die einzige integrierte Gesamtschule im Landkris emsland.  Zuvor war durch die maßgeblich durch die damalige Landtagsabgeordnete Elke Müller (SPD) auf den Weg gebrachte „Aktion 108“ der Elternwille für diese Schule so deutlich gemacht worden. der Name der Aktion hing damit zusammen, dass es 108 Eltern brauchte, um einen Antrag beim Schulträger für die Einrichtung der Gesamtschule zu stellen. Dies gelang schnell, so dass sogar die die Gesamtschule aus ideologischen Gründen ablehnende CDU dem nicts mehr entgegensetzen konnte. Der langjährige Schul- und Umweltpolitiker Werner Remmers (CDU) hatte seine Parteifreunde ermutigt, die Schule zuzulassen. Sein Übriges tat der  Regierungswechsel 1990 in Niedersachsen von der CDU- zu einer rotgrünen Regierung.
Einzugsbereich und Schulträger der GE ist der Landkreis Emsland. Sie pflegt längst einen musisch-kulturellen Schwerpunkt, hat sich darüber hinaus in den letzten Jahren stark darum bemüht unterschiedliche Schülerinteressen zu verknüpfen; weiterhin ist sie die einzige Gesamtschule im Landkreis Emsland. Bisher vergeblich waren Bemühungen, die Schule mit einer Sekundarstufe II auszustatten, damit SchülerInnen auch das Abitur machen können.

Straßennamen

25. November 2021

Die BürgerNahen (BN) möchten andere Straßennamen für das neue „Baugebiet“ „Gauerbach 5“ bzw. Brockhausen als die vorgesehenen. Es entstehen dort fünf neue Straßen.Der neue Baubereich schließt direkt an den Gauerbach an, liegt allerdings formal im Stadtteil Brockhausen.

Formal ist der Rat für die Straßennamen zuständig, weil es im kleinen Brockhausen keinen Ortsrat gibt, der sich sonst der Straßenbenennung anzunehmen hätte. Die Stadtverwaltung ist nicht zuständig, auch nicht der OB, oder der Ortsvorsteher Brockhausen und nicht die jetzigen Einwohner in Brockhausen; sie wohnen  sämtlich nicht im Baugebiet. Auch im alten Stadtbereich sind die Anwohner nicht befragt worden, wie „ihre Straße“ heißen soll, die Nachbarn neuer Baugebiete im Stadtbereich natürlich auch nicht.

Die Ausgangslage: In den letzten Jahrzehnten (!) haben alle Stadtratsfraktionen vielfach gefordert, Anwohner-Straßen nach verdienten, engagierten Frauen zu benennen, an sie zu erinnern und sie auf diese Weise dauerhaft zu ehren. Clara Begger, Elke Müller, Leni Johannsen, Bertha Gelshorn und Rosa Bunge z.B. sind solche Frauen. Im neuen Baugebiet würden die Straßennamen an starke Frauen unserer Region erinnern und sie ehren. Es wäre für künftige Anwohner eine Ehre, würden sie an einer Straße wohnen, die einen dieser Namen trägt.

Ohne die Ratsmitglieder zu informieren, hat übrigens am vergangenen Woche eine Bürgerversammlung in Brockhausen stattgefunden. Sie hat mangels Alternative einstimmig (!) diese Straßennamen beschlossen: Planstraße A: Achterwälde, Planstraße B: Vorderwälde, Planstraße C: Neubrockhausen, Planstraße D: Im Gauer, Planstraße E: Koorskamp.

Es brauchte dann noch bis Montag, bis diese Namen im Ratsinformationssystem sichtbar wurden. Daraufhin entstand der Änderungsantrag der BN. Der Kulturausschuss hat gestern auf Vorschlag aus den Reihen der CDU die Entscheidung vertagt. Denn der bisherige städtische Vorschlag ist wahrlich zu kurz gesprungen.

ps
Stadtarchivar Dr. Mirko Crabus berichtete gestern zu Bertha Gelshorn, erste Abiturientin in Lingen überhaupt; bei ihr müsse man noch einmal genau hinsehen. In den 1930er Jahren sei sie nämlich Mitglied in NSdAP-Organisationen gewesen. Sollte sich dies verdichten, könnte die Straße nauch ach der Schwester M. Firminia genannt werden. Die im Krankenhaus fast 40 Jahre selbstlos tätige Franziskanerin wurde 1975 zur ersten Ehrenbürgerin der Stadt berufen.

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Foto: Hist. Rathaus, Giebel © milanpaul

100 Jahre SPD Lingen

17. November 2019

Am Samstag hat die Lingener SPD im ITEL-Zentrum ihren 100. Geburtstag gefeiert, also da, wo die Herzkammer der Sozialdemokratie war – im ehemaligen Ausbesserungswerk der Bahn. Dabei hielt u.a. der langjährige Vorsitzende der SPD-Ratsmitglieder Hajo Wiedorn einen Rückblick auf die Geschichte der lokalen SPD von 1945 bis heute, den ich hier wiedergeben darf. Die werte Leserschaft darf den Longread durchaus auch lesen.

„Die SPD in Lingen von 1945 bis 2019

Ich beginne mit einem Zitat aus dem Festvortrag von Willi Wolf zum 60-jährigen Bestehen der SPD in Lingen, das wir 1979 gefeiert haben:

„Nach 1945 kam der tiefste Impuls für den sofort einsetzenden Willen zum Neuaufbau aus den grauenhaften Leiden und Verfolgungen der Hitlerzeit. Die sie überlebten, waren nicht entmutigt, nicht von Rachegefühlen erfüllt. Ihr einziges Streben war, Deutschland eine Grundlage zu geben, die eine Wiederholung der Schrecken der Vergangenheit ausschließt.“

So hat es auch Kurt Schumacher bei anderer Gelegenheit ausgedrückt und das hatte sicher auch für Lingen Gültigkeit.

Am 12. Oktober 1945 wurde der erste Stadtrat in Lingen von der britischen Besatzungsmacht eingesetzt. Die Sozialdemokraten Wilhelm Engelke, August Hundertmark, Heinrich Melcher und Heinrich Wemhörner gehörten dazu.

Ein Jahr später, am 15. September 1946 gab es die erste freie Kommunalwahl nach dem Krieg. Die Sozialdemokraten erhielten 28,8 % der Stimmen, die CDU 57,1 %, das Zentrum 9,5 % und die KPD 4,8 %. Das ergab eine Sitzverteilung von 6 für die SPD, 12 für die CDU, 7 für das Zentrum und 1 für die KPD.

Die sechs Mandatsträger der SPD waren Heinrich Bergjohann, Wilhelm Engelke, Hermann Hantelmann, Heinrich Lüssling, Helene Müller und Heinrich Wemhörner. Weitere Personen der Handlung in dieser Zeit waren Erich Tautz und Georg Wiedorn, letzterer in der damals selbständigen Gemeinde Holthausen und nach Umzug in Biene, und bis zu seinem Tod im Jahre 1966 im Kreistag des Landkreises Lingen. Nicht zu vergessen Emil Hagemann in Brögbern und Bernhard Meiners in Baccum.

Auch eine SPD-Parteigliederung wurde 1947 wieder ins Leben gerufen. 1947 wurde Heinrich Bredigkeit zum ersten Nachkriegsvorsitzenden der Lingener SPD gewählt. Er übte dieses Amt bis 1953 aus.  Seine Weggefährten waren Abbo Adam, Franz Grünhagen, Willi Testorf, Änne Keppler, Wilhelm Haarlammert, Hans Müller, Heinz Klocke und Karl-Heinz Melcher. Diese Aufzählung kann nur beispielhaft sein und ist auf keinen Fall vollständig.

Auf Heinrich Bredigkeit als Vorsitzender folgte im Jahr 1954 Ferdi Stümer. Bei der Wahl 1954 zog Ferdi Stümer  über die Landesliste in den Deutschen Bundestag ein, dem er bis 1957 angehörte.

Als Ortsvereinsvorsitzender folgten ihm 1956 Wilhelm „Willi“ Haarlammert  und 1957 Bernhard Niehoegen. Bernhard Niehoegen verstarb nach nur 2 Monaten in diesem Amt. Sein Nachfolger war Willi Wolf, vielen von uns noch persönlich bekannt und in guter Erinnerung. Er gehörte von 1963 bis 1976 dem Deutschen Bundestag und viele Jahr dem Rat der Stadt Lingen und auch dem Kreistag an.

Ihm folgte Heinz Wolf und 1967 ging der Vorsitz an den langjährigen Schriftführer Erich Tautz, dem 1969 Werner Wolters folgte. Dessen plötzlicher Tod im Jahr 1978 hinterließ eine schmerzliche Lücke. Dieter Hoffmann folgte als Vorsitzender. Nach Querelen bei der Aufstellung der Kandidaten zur Kommunalwahl 1981 trat er zurück.

Es folgte Robert Koop, der das Amt bis ins Jahr 2000 ausübte. Mit fast 20 Jahren Amtszeit ist er bis heute Rekordhalter in diesem Amt. Er gehört auch heute noch dem Rat der Stadt Lingen als dienstältestes Mitglied an. Leider hat er die SPD verlassen.

Am 28.05.2000 wurde Jürgen Schonhoff zu seinem Nachfolger gewählt. Ihm folgten 2002 Jörn Laue-Weltring, 2007 Dr. Thomas Stockmann und 2009 erneut Jürgen Schonhoff. 2011 übernahm Andreas Kröger den Vorsitz und seit 2018 ist der Ortsvereinsvorsitz bei  Carsten  Primke in guten Händen. Ihnen allen gebührt Dank und Anerkennung für die im Laufe der vielen Jahre geleistete Arbeit.

Bis zur Gemeindereform im Jahre 1974 gab es SPD-Ortsvereine auch in den bis dahin selbständigen Gemeinden Holthausen-Biene, Brögbern und Altenlingen. Den Vorsitz in Altenlingen hatte Wolfgang Ploeger inne, in Brögbern war es Emil Hagemann und in Holthausen-Biene war ich seit 1966 im Amt, das ich als Nachfolger meines Vaters übernommen hatte. Alle Beteiligten waren sich einig, das es sinnvoll ist, sich zusammen zu schließen und die Kräfte zu bündeln. Und im Rückblick ist zu sagen, dass dieser Zusammenschluss zum Vorteil für alle wurde. Das gilt übrigens auch für die Gemeindereform.

Dass uns trotz dieser Vorgeschichte noch einmal der Spaltpilz befallen würde war wohl dem Geltungsbedürfnis einzelner Personen zu verdanken. Nach dem Motto „wenn ich schon keine Mehrheit für meine Ideen finde mache ich mich selbständig“ wurde im Ortsteil Baccum ein neuer Ortsverein gegründet. Wenige Monate später folgte Brögbern.  Und so musste dem Statut der SPD folgend ein Stadtverband gegründet werden, was 2011 erfolgte. Vorsitzender des Stadtverbandes ist Carsten Primke. Die Schlagkraft der SPD wurde durch die Zersplitterung sicher nicht erhöht.

Ich habe bereits das Wahlergebnis von 1946 mit 28,8 % der Stimmen erwähnt. Die SPD konnte sich in Lingen bis 1972 auf 41,9% steigern. Durch die Eingemeindung der 9 ländlichen Umlandgemeinden wurde dieser Höhenflug aber jäh gestoppt. Bei der Kommunalwahl im Jahr 1976 waren es 32,7%. Seit 2019 verfügt die SPD über 9 Mandate bei einem Stimmenanteil von 20,8 %. Zur besten Zeit hatte die SPD  14 Mandate im Stadtrat.

Aber was geschah dort wo die in den Parteigremien erarbeiten Ideen und Vorschläge umgesetzt werden, in Stadt- und Ortsräten? Die im Stadtrat für die SPD handelnden Personen waren weitgehend die gleichen, die anfangs auch die Vorstände bildeten. Durch die gleichzeitige Tätigkeit in Parteivorstand und Stadtrat war ein hohes Maß an Kontinuität gewährleistet. Klaus Schumacher, Heinz Schmidt, Werner Wolters, Martin Braese waren Fraktionsvorsitzende und einige Jahre habe auch ich die Stadtratsfraktion geleitet. Einige erinnern sich vielleicht noch daran. Es folgte Bernhard Bendick und jetzt leitet Edeltraut Graeßner die Fraktion.

Unvergessen sind Ruth West, Christoph Westermann, Jutta Strohmayer, Hagen Trautmann, Trudi Schellmann, Harald und Helmut Höhne, Gerd Rachut, Richard Senst, Hans Riddering, Michael Fuest, Gerhard Kastein und Klaus Schumacher. Letzterer wurde später Landesgeschäftsführer der SPD Niedersachsen. Und auch die DGB-Kreisvorsitzenden Helmut Hartmann und Johannes Jakob waren für die SPD im Stadtrat aktiv. Sicher kann auch diese Aufzählung nur beispielhaft sein.

Natürlich darf der Name Elke Müller nicht unerwähnt bleiben. Vom Niederrhein war sie nach Lingen gezogen, wo sie sich sehr schnell in der Kommunalpolitik engagierte. Von 1986 – 1996 gehörte sie dem Stadtrat an. In diese Zeit fällt die Einrichtung der „Gesamtschule Emsland“, die maßgeblich von ihr beeinflusst wurde. 1990 wurde sie in den Niedersächsischen Landtag gewählt. Ihrem unermüdlichen Einsatz ist die Einrichtung der Hochschule als auswärtigem Standort der Hochschule Osnabrück zu verdanken. Heute bietet der „Campus Lingen“ Platz für 2.300 Studierende. Leider ist Elke Müller schon 2014 gestorben.

Wir hoffen nun auf die Benennung einer Straße nach Elke Müller. Wie auch seit 2015 ein Antrag der AWO auf Benennung einer Straße nach der Begründerin der Arbeiterwohlfahrt Marie Juchacz im Rathaus vorliegt. Wir hatten auf Realisierung im Jubiläumsjahr 2019 gehofft, leider vergeblich. Aber wenn ich daran erinnere wie lange es gedauert hat, auf Vorschlag der SPD und vor allem Robert Koop den Gertrudenweg in Synagogenstraße umzubenennen, es waren 12 Jahre, besteht ja noch Hoffnung, das bis zum nächsten Jubiläum realisieren zu können.

An der rasanten Entwicklung der Stadt Lingen seit 1945 will ich versuchen, die Rolle der Sozialdemokratie zu erläutern.

Bereits kurz nach dem Kriegsende wurde im Norden der Stadt, in der damals selbständigen Gemeinde Holthausen, die Erdölraffinerie gebaut. Für die dort tätigen Arbeiter entstand als Wohnstätte der Stadtteil Heukampstannen. Die Erdölraffinerie ist noch heute ein wichtiger Arbeitgeber in unserer Stadt und hat gerade erhebliche Investitionen in die Zukunft getätigt. Das dafür wieder einmal stadtnahe Waldflächen geopfert wurden trübt die Freude allerdings.

1966 ging das erste Atomkraftwerk in Betrieb. Es wurde aber schon 1977 wieder abgeschaltet. Wegen zahlreicher Pannen hat das AKW aber  nur an 1.000 Tagen wirklich Strom erzeugt. Anfangs waren viele Menschen in Lingen stolz daraif, eine so moderne Technologie hier zu haben. Die Beigeisterung wich aber nach und nach der Ernüchterung und als das jetzt noch in Betrieb befindliche Atomkraftwerk in die Planung ging, regte sich auch in Lingen heftiger Widerstand.

Als ich in der Planungsphase dem späteren Leider des AKW erklärte, dass ich den Bau eines solchen Kraftwerkes nicht befürworten könne weil die Frage der Endlagerung des radioaktiven Abfälle ungelöst sei, beruhigte mich jener mit dem Hinweis, das sei bis zur Inbetriebnahme des Kraftwerkes sicher erledigt. Die Inbtriebnahme erfolgte  1988. Wie weit das Problem der Endlagerung gelöst werden kann ist auch 30 Jahre später noch nicht zu sagen…

Die Diskussion innerhalb der SPD-Fraktion über den erforderlichen Bebauungsplan war leider wenig erfreulich. Nachdem lange Zeit Einigkeit darüber bestand, diesen abzulehnen, entschied sich in letzter Minute die Mehrheit der Fraktion dafür, dem Bebauungsplan zuzustimmen. Nur noch 4  Fraktionsmitglieder entschieden sich dagegen. Ich gehörte dazu.

Einhergehend mit der Bau des Atomkraftwerkes entstand im Norden der Stadt der Speichersee. Dafür wurden über 300 ha geschlossene Waldfläche geopfert. Auch gegen dieses Bauvorhaben gab es Proteste aus der Bevölkerung. Und dem ist es wohl zu verdanken, dass das Speicherbecken nicht für 4 Atomkraftwerke sondern nur für 2 ausgelegt wurde. Heute wird überlegt, was mit dem Speichersee geschehen soll wenn 2022 das Ende der Atomkraft gekommen ist.

Ein wichtiger Punkt in der Stadtentwicklung war der Bau der Umgehungsstraße. Dadurch konnte der bis dahin durch Stadt fließende Durchgangsverkehr aus der Stadt heraus gehalten werden. Und so war es nur logisch, dass die Lingener Jusos mit dem Vorschlag kamen, einen Fußgängerbereich in der Innenstadt einzurichten. Die bis dahin als Durchgangsstraßen genutzte Burgstraße, die Lookenstraße, die Große Straße, der Marktplatz und die Marienstraße sollten vom Straßenverkehr frei gehalten und zur Fußgängerzone werden. Erster Kommentar eines maßgeblichen Kommunalpolitikers war „jetzt sind die total verrückt geworden“.  Auch hier kann ich nur sagen, urteilen sie selbst.

In diesem Zusammenhang sind auch der Bau der Tiefgarage unter dem Marktplatz sowie des Parkhauses an der Neuen Straße und die Tiefgarage unter dem Pferdemarkt zu nennen.

Einhergehend mit dem Krankenhausneubau entstand auch dort eine großzügig angelegte Tiefgarage. Das St. Bonifatius-Krankenhaus ist für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung, auch über Lingen hinaus, eine wichtige Einrichtung. Und die Bedeutung als Arbeitgeber ist ebenfalls beachtlich.

Leider mussten die lange Jahre als wichtiger Arbeitgeber auftretende Wäschefabriken in Folge des Strukturwandels in der Textilindustrie ihren Betrieb einstellen. Heute haben die Stadtwerke in den Räumen der früheren Wäschefabriken ihren Sitz.

Die Gründung der Hochschule habe ich bereits im Zusammenhang mit Elke Müller erwähnt. In den Hallen des früheren Eisenbahn-ausbesserungswerkes konnten dafür geeignete Räumlichkeiten geschaffen werden. Vorausgegangen waren erhebliche Investitionen der Stadt bei der Sanierung der Gebäude. Und ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass der damalige Oberstadtdirektor Karl-Heinz Vehring bei der Durchsetzung dieser Investitionen eine herausragende Rolle gespielt hat.

Wie gut dieses Geld mit Blick in die Zukunft angelegt wurde kann heute jeder sehen, der die Entwicklung des „Campus Lingen“ beobachtet. Mittlerweile studieren hier über 2.000 junge Menschen. Die auf der östlichen Seite der Kaiserstraße liegenden Wohnungen, im Volksmund mittlerweile „Legoland“  genannt, erfreuen sich bei den Studierenden großer Beliebtheit.

Die Ansiedlung der Hedonklinik in Laxten, östlich der Umgehungsstraße, war ein von vielen kritisierter Schritt. Sollte doch die Bebauung nach Meinung vieler nicht über diese Verkehrsachse hinausgehen.

Zu erwähnen sind sicher auch der Bau der Emslandhallen und der Emslandarena. Die Emslandhallensollten die früheren Viehmarkthallen ersetzen. Lingens Nutzviehmarkt war einer der größten im Nordwesten. Durch den Strukturwandel in Landwirtschaft und Viehzucht verlor dieser aber zunehmend an Bedeutung. Und so werden die Emslandhallen heute für vielerlei Veranstaltungen, Ausstellungen und Events genutzt.

Die noch junge EL-Arena sticht mit vielerlei Großveranstaltungen hervor und findet ihr Publikum auch in weit entfernten Bereichen, weit über die Grenzen des Emslandes hinaus und auch in den benachbarten Niederlanden. Mit der Bundesligamannschaft HSG Nordhorn/Lingen hat die Arena ein Heimteam. Besondere Höhepunkte der Veranstaltungen waren sicher das Konzert mit Bob Dylan und im letzten Sommer Sting.

Eine schmerzliche Maßnahme war der Abzug der Bundeswehr aus Lingen. Viele haben sich bemüht, den Standort Lingen zu erhalten. So waren der damalige Ortsvereinsvorsitzende Jürgen Schonhoff  und ich zu einem Gespräch nach Berlin gefahren. Wir wollten den Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping von der Bedeutung des Bundeswehrstandortes überzeugen, mussten uns allerdings mit der Staatssekretärin Schulte begnügen. Sie zeigte sich sehr gut informiert über die Situation und war uns gegenüber sehr aufgeschlossen. Erfolg war uns trotzdem  nicht beschieden.

Auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände ist zwischenzeitlich ein attraktives Wohngebiet, der Emsauenpark, entstanden. Es wirkt dort zwar noch vieles ein wenig steril, aber im Laufe der Zeit sich das sicher ändern.

Besonders erwähnen möchte ich die Ereignisse um den Mauerfall und die Wiedervereinigung Deutschlands. Schon lange bestand der Wunsch nach einer Städtepartnerschaft mit einer Stadt in anderen Teil Deutschlands. Es gab bereits Kontakte der  evangelischen Kirche ins sächsische Marienberg, mitten im Erzgebirge. Wir, die SPD, haben diese Kontakte genutzt. Und so fanden schon 1989 erste Begegnungen statt. In mehreren Besuchen haben wir Aufbauhilfe für die SPD in Marienberg geleistet, sowohl mit Schulungen als auch mit materieller Hilfe. Eine wichtige Rolle spielte dabei unser stellvertretender Vorsitzender Bernhard Menke. Und 1993 wurde eine offizielle Städtepartnerschaft begründet. Leider sind die Kontakte zu den Parteifreunden in Marienberg nur noch sporadisch. Für alle die von Anfang an dabei waren, waren es ganz besondere Erlebnisse die Lebensverhältnisse unserer Landsleute kennen zu lernen. Eine damals entstandene persönliche Freundschaft hat noch heute Bestand.

Zum Schluss möchte ich eine Empfehlung an politisch interessierte junge Menschen aussprechen. Und ich lehne mich dabei an unseren früheren Oberbürgermeister Bernhard Neuhaus (CDU) an: „Wenn ihr euch engagieren wollt geht in die Kommunalpolitik. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, man lernt viel dabei weil man sich mit Dingen befassen muss, zu denen man sonst keine Berührungspunkte hat. Man wird nicht dümmer dadurch!“

Ich wünsche der SPD in Lingen weiterhin erfolgreiche Arbeit. Dabei darf nie vergessen werden, dass eigene Interessen immer hinter dem Gemeinwohl zurückzustehen haben.“

(Fotos unten: Mitte SPD Wahlplakat von 1991; unten: Gratulanten am Samstag bei der SPD-Geburtstagsfeier, © SPD Lingen)

Geschenk

24. November 2017

Heute Abend feiert die Kunsthalle in der Halle 4 den 20. Geburtstag. Peter „Pit“ Leuschner, der Vorsitzende des Kunstvereins Lingen, begrüßt um 19 Uhr Dr. Annette Schwandtner, Abteilungsleiterin Kultur im Nieders- Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Es sprechem auch Heiner Schepers, der erste Direktor der Kunsthalle und andere – darunter die jetzige, seit 2009 tätige Direktorin Meike Behm. Alle Gäste erwarten außerdem „Speis und Trank aus der kküche“. Es gibt Musik von DJ Sebastian.

Zu den Gästen zählt auch Lingens OB Dieter Krone, der noch ein besonderes Geschenk im Gepäck hat. CDU und SPD haben nämlich am Mittwoch im Lingener Finanzausschuss einen Antrag der FDP abgelehnt, den Betrag aufzustocken, mit dem die Stadt Lingen ein Werk des alle zwei Jahre vergebenen Kunstpreises ankauft. Die Liberalen hatten dafür 15.000 Euro amgesetzt, nachdem sich -so die FDP- der „Kunstpreis der Stadt Lingen“ (gemeint war wohl der Lingener Kunstpreis) seit 1983 in der Kunstszene etabliert habe, inzwischen aber die Mittel für den Erwerb eines Kunstwerkes aufgrund der Preisentwicklung der letzten Jahrzehnte nicht mehr ausreichten. 

Für die CDU-Neinsager erklärte deren Ratsmitglied Karl-Heinz Schwarz, die CDU halte den seit Jahren im Haus eingestellten Betrag von 4.900 € für ausreichend und diese Summe werde deshalb „weder jetzt noch jemals in der Zukunft“ erhöht. Das sagte er wirklich so und erst auf fremdschämenden Vorhalt meinerseits, eine solche Festlegung für die Zukunft habe es ja noch nie gegeben, ruderte er zurück; da habe er sich falsch ausgedrückt, so Schwarz.

Die SPD stieß durch ihren Vorsitzenden Bernhard Bendick in dieselbe Tröte und behauptete einmal mehr, die städtische Kunstsammlung werde sowieso nicht so präsentiert, wie man das wolle. Dafür, so seine Logik, brauche man auch nicht mehr Geld. So blamiert sich die gute alte, doch leider häufig kunstferne Tante SPD, wo doch zu Zeiten ihrer Lingener Landtagsabgeordneten Elke Müller (1940 -2014) selbst in deren Wahlkreisbüro in der Mühlentorstraße Arbeiten aus der Städtischen Kunstsammlung hingen. Darauf waren gleichermaßen Elke Müller wie ihre Mitarbeiterin Edeltraut Graeßner sehr stolz. Tja, liebe Sozialdemokraten – Vergeben, vergessen, vorbei?

Übrigens wenn schon kein SPD- oder CDU-Blick für aktuelle Kunst und die Freude an ihr vorhanden ist und auch dieser Termin nicht die schwarzen Augen zu öffnen vermochte, könnte vielleicht die monetäre Bewegung in der CDU nachrechnen: Kein städtischer Vermögensbestandteil hat sich „wertmäßig“ so positiv entwickelt, wie die städtische Kunstammlung, die sich im wesentlichen aus den Ankäufen von Arbeiten der Kunstpreisträger zusammensetzt. Das 1994 angekaufte, großformatig-museale Werk der Malerin Karin Kneffel beispielsweise dürfte seinen Wert etwa verfünfzigfacht haben und heute mehrere Hunderttausend Euro wert sein. Hinweis: Die CDU-Fraktion sieht es in jeder Ratssitzung, weil es im Ratssitzungssaal hängt. Die SPD sieht es nicht, weil sie davor sitzt, sie schaut zur CDU gegenüber, hinter der (noch) das Triptychon „Schmutzige Hände“ von „Apfelkünstlerin“ Antje Majewski hängt…

 

(Foto Kunsthalle 1997; @Kunstverein Lingen)

 

abgerückt

6. März 2015

Da klittert sich der CDU-Mann Bernd-Carsten Hiebing sein konservatives Weltbild zusammen. Er war es bekanntlich, der sich mit der geradezu boshaften Initiative hervortat, die erfolgreiche Lingener „Gesamtschule Emsland“ in Werner-Remmers-Gesamtschule umzubenennen. Große Empörung war die Antwort. Jetzt ist die Emsland-CDU vom Hiebingschen Vorschlag offiziell abgerückt und versucht sich hinter den kritischen Worten der Familie von Werner Remmers zu versteclen.

Die CDU zitiert Hiebing in einer Presseerklärung mit dieser Begründung: „…mit seinem ideologiefreien Politikverständnis hat [Werner Remmers] die Möglichkeit eröffnet, einzelne Gesamtschulen als zusätzliches Angebot in der Schullandschaft zu etablieren, ohne das dreigliedrige Schulsystem infrage zu stellen“. Allerdings vergießt sie nur Krokodilstränen, wie ein Blick in die Geschichte der Niedersächsischen Gesamtschulen zeigt:

Mit dem Beginn des Schuljahres 1971/72 entstanden in Niedersachsen die ersten Integrierten Gesamtschulen in Braunschweig, Fürstenau, Garbsen, Hannover-Linden, Hildesheim, Langenhagen und Wolfsburg sowie die Kooperativen Gesamtschulen Osnabrück und Neuen- haus. Die damit einsetzende erste Gründungsperiode umfasste die Regierungszeit der SPD-Kultusminister Peter von Oertzen und Ernst Gottfried Mahrenholz. Die ersten 13 Gesamtschulen wurden dabei als Schulversuche geführt. Eine flächendeckende Einführung war nicht geplant.

1976 wechselte die Regierungsmehrheit im Landtag zu einer CDU/FDP-Koalition, die in der 1978 folgenden Landtagswahl bestätigt wurde. Werner Remmers war dann der erste Kultusminister der CDU/FDP-Regierung Albrecht. Zunächst genehmigte er noch die Gründung einiger Kooperativer Gesamtschulen, deren Planung weit fortgeschritten war. Dann aber brachte er ein erstes Gesamtschulmoratorium auf den Weg, das die weitere Gründung von Gesamtschulen bis auf Weiteres verbot. Beinahe bis zum Ende der Regierungsperiode der CDU/FDP-Koalition hatte es Bestand. Schwarzgelb wurde 1990 durch die rot-grüne Schröder-Regierung abgelöst, und man hatte nur ganz am Ende von 14 Jahren Albrecht-Regierung eine einzige neue Integrierte Gesamtschule genehmigt, die IGS Franzsches Feld in Braunschweig. In den folgenden 13 Jahren einer SPD-geführten Regierung verdoppelte sich die Zahl der Gesamtschulen. Dazu zählte 1993 auch die IGS Lingen, die später in „Gesamtschule Emsland“ umbenannt wurde.  Angesichts der weit höheren Nachfrage nach Gesamtschulplätzen auf Elternseite kann man allerdings wohl nur von einer gebremsten Entwicklung sprechen.

1994 stellte das Schulgesetz die Gesamtschulen dann estmals formal mit allen anderen allgemeinbildenden Schulen im Sekundarbereich gleich. Dagegen klagte 1996 die CDU-Landtagsfraktion (!) vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg und beantragte festzustellen, dass die rechtliche Gleichstellung der Gesamtschulen mit den übrigen allgemeinbildenden Schulen gegen die niedersächsische Verfassung bzw. gegen das im Grundgesetz festgelegte Recht der Eltern verstoße, über Erziehung und Bildungsgang ihrer Kinder zu bestimmen. Der Staatsgerichtshof wies die CDU-Klage im Kern ab.

Bildschirmfoto 2015-03-06 um 00.09.38Fazit: Die CDU ist gegen Gesamtschulen, weshalb es sie in CDU-regierten Landkreisen nicht gibt (Karte lks). Die Gesamtschule in Lingen ist eine Ausnahme und nur der Kraft und dem Einsatz der damaligen SPD-Landtagsabgeordneten Elke Müller (Lingen) zu verdanken. Werner Remmers verlautbarte zwar öffentlich, keine grundsätzlichen Einwände gegen die Gesamtschulen zu haben, die ihm, ebenso wie Ganztagsschulen und Freie Waldorfschulen, als Alternative zum dreigliedrigen System durchaus recht zu sein schienen, „sofern auch Eltern dies wollen“. Dieses Statement aber überzeugt im Rückblick nicht, weil Remmers tatsächlich ein Gesamtschul-Moratorium verordnete und die CDU Niedersachsen dies 14 Jahre lang einhielt. Remmers war Teil der Gesamtschule-Blockade der CDU, und wenn er denn eine liberale Schulpolitik wollte, konnte er sie in der Gesamtschulfrage nicht gegen die CDU-Majorität durchsetzen.

Werner Remmers hat also die Gesamtschulen in Niedersachsen blockiert, wenn er auch nach außen als Mann liberaler Schulpolitik auftrat. Der Vorschlag überzeugt daher nicht, die Gesamtschule ausgerechnet nach einem CDU-Politiker im Allgemeinen und nach Werner Remmers im Besonderen zu benennen.

Grundsätzlich ist es aber natürlich richtig, eine öffentliche Bildungseinrichtung nach dem Kulturpolitiker Werner Remmers zu benennen. Daher muss man nach dem CDU-Rückzieher überlegen, ob die Idee unserer Fraktion der BürgerNahen nicht weiterhin richtig ist, die Grundschule an Werner Remmers‘ Wohnort Holthausen-Biene nach dem unkonvemntionellen Querdenker der CDU und langjährigen Kultusminister zu benennen. Die Lehrer der jetzigen „Grundschule Holthausen“ sind nicht dafür; aber das Leben ist ja bekanntlich weder ein  Wunschkonzert noch ein Ponyhof noch gar eine Facebookdiskussionsgruppe….

(Quelle FES)

 

anders

12. Februar 2015

Gesamtschule_Lingen Sie kann sich freuen, die Gesamtschule Emsland in Lingen (Foto lks); denn gerade hat sie von 669 teilnehmenden Schulen in Niedersachsen den ersten Platz im Landeswettbewerb „Starke Schule“ belegt. Überzeugt hat die Bildungseinrichtung -so das Niedersächsischen Kultusministerium – vor allem mit der hohen Kontinuität in den Jahrgangsteams und der individuellen Förderung von Schülern; die Persönlichkeitsentwicklung werde unter anderem durch Sozialstunden gefördert. Die Gesamtschule hat nun sogar die Chance auf den bundesweiten Gesamtsieg; der wird am 21. April in Berlin bei einer Festveranstaltung mit Bundespräsident Joachim Gauck bekannt gegeben.

Die Erfolgsgeschichte der von den gerade in den Ruhestand verabschiedeten Protagonisten, dem „Gründungsrektor“ Hans-Georg Krupp und der didaktischen Leiterin Irmgard Monecke, geprägten Schule hindert zeitgleich die Landes-CDU nicht daran, wieder einmal ihre ideologische Keule gegen das längere gemeinsame Lernen im Allgemeinen und Gesamtschulen im Besonderen herauszuholen.

Und jetzt der fast schon skurrile, allemal verblüffende Beitrag der Emsland-CDU, womit klar ist, dass diese häufig so bräsig-unsensibel wirkenden Christdemokraten das auch durchsetzen wollen. Die „Gesamtschule Emsland“ soll künftig den Namen des CDU-Politikers Werner Remmers tragen: „Werner-Remmers-Gesamtschule“. Typisch CDU: Die Eltern, Lehrer und Schüler der Gesamtschule hat niemand (!) zuvor gefragt oder gar um eine Stellungnahme gebeten. Ob die Familie Remmers um eine Stellungnahme gebeten wurde? Man darf daran zweifeln.

Zweifellos war der vor vier Jahren verstorbene Werner Remmers ein engagierter, kluger und bisweilen auch unkonventioneller Politiker, ein engagierter Katholik. Er selbst wäre daher kaum auf die Idee gekommen, die die CDU-Kreistagsfraktion jetzt umtreibt.

Man muss kein Sozialdemokrat sein, um diese Namensgebung der konservativen Gesamtschulgegner mit dem Adjektiv zu versehen, das davor gehört: Scheinheilig. Und angesichts der stets diffamierenden CDU-Gesamtschulpolitik auch eher peinlich. Hier -lesenswert!- die empörte, aber auch konstruktive Reaktion der Emsland-SPD:

Seit Jahrzehnten kämpft die CDU auf Landes- und Emslandebene gegen die Integrierten Gesamtschulen. Von Einheitsschule und Gefährdung der Bildungslandschaft ist die Rede und erst vor ein paar Tagen veröffentlichte die Emsland-CDU in einem Eigenbericht: „Das werden wir nicht widerstandslos hinnehmen“.

Jetzt musste sich die SPD-Kreistagsfraktion verwundert die Augen reiben. Die CDU-Kreistagsfraktion stellt den Antrag die Gesamtschule Lingen umzubenennen in „Werner-Remmers-Gesamtschule“. Es sollte guter Brauch sein, dass ein Namensvorschlag von der betreffenden Schule erarbeitet wird und jetzt – ausgerechnet bei der Gesamtschule, dem „Lieblingskind“ der CDU wird die Schule im Vorfeld noch nicht einmal informiert, gefragt schon gar nicht. Häufig soll der Name der Schule das Leitbild der Schule zum Ausdruck bringen.

Die Gesamtschule Lingen, Lehrer, Eltern und Schüler/innen warten seit vielen Jahren auf die Einrichtung einer Oberstufe. Die vielen Versuche der SPD scheiterten immer wieder an der Mehrheitsfraktion. Auch Elterninitiativen auf Gründung einer IGS in Aschendorf/Papenburg wurden abgelehnt.

Die Schule soll den Namen eines CDU-Politikers erhalten, der mit dem Aufbau der Schule überhaupt nichts zu tun hatte, denn zur Gründung der Schule war Herr Remmers gar nicht mehr Kultusminister. Die Schule soll den Namen einer Person erhalten, der einer Partei angehört hat, die die Gesamtschulen seit vielen Jahren und auch heute noch bekämpft.

Es ist auch ein Affront gegen die große Elterninitiative, die sich Anfang der 90er für die Einrichtung der IGS stark gemacht hat. Damals gab es keine CDU-Abgeordneten, die sich stark gemacht haben, sondern Sozialdemokraten wie Elke Müller, Harald Höhne und Edeltraut Graeßner. Erst als der Druck groß wurde, überredete der damalige Landrat Hermann Bröring die Mehrheitsfraktion dem Druck nachzugeben. Alle, die damals dabei gewesen waren können sich noch an viele, nicht immer schöne Auseinandersetzungen und Debatten im Kreistag und in der Presse erinnern. Und nun soll ausgerechnet diese Schule einem CDU-Minister als Denkmal gesetzt werden. Es gäbe sicherlich ehrlichere Möglichkeiten die Arbeit von Herrn Dr. Remmers zu würdigen.

„Die Gesamtschule Lingen verdient unseren größten Respekt“, so die Fraktionsvorsitzende Karin Stief-Kreihe. „Der große Einsatz und das Engagement der Lehrerschaft, der Eltern und der Schüler/innen hat sich gelohnt. Die Gesamtschule Lingen hat sich weit über das Emsland hinaus einen hervorragenden Ruf erworben. Es bleibt der Wunsch der Lehrerschaft, der Eltern und der Schüler/innen und der SPD-Kreistagsfraktion auf Einrichtung einer Oberstufe. Dazu sollte sich die Mehrheitsfraktion durchringen“.

Vergeblich hat der bei seinem Ausscheiden vor zwei Wochen viel gelobte Schulleiter Hans-Georg Krupp darum gerungen, der Gesamtschule in Lingen eine Oberstufe („Sekundarstufe II“) anzugliedern, damit die Schüler auch das Abitur an der Gesamtschule machen können. Deshalb hat er zu seinem Abschied vom Landkreis weniger Geschenke bekommen als solche gemacht: Eine Machbarkeitsstudie für die Sekundarstufe II. „Ich bin absolut sicher, dass der Zeitpunkt kommen wird, zu dem alle Beteiligten sehen werden, dass unsere Sek. II niemandem wehtun und endlich die emsländische Schullandschaft komplettieren wird“, sagte Krupp dazu. Jetzt liegt in gewisser Weise die CDU-Antwort auf dem Tisch: Es gibt ein Namensschild, das täuscht und daher verärgern muss. Gute Politik geht anders.

 

(Foto: Winterliche Gesamtschule Emsland in Lingen; © dendroaspis2008 via flickr)

Blumenstrauß

31. Juli 2014

Inzwischen habe ich ein wenig mehr über die gestrige Performance der palästinensischen Kinder der Theatergruppe YES Theatre aus Hebron im Lingener Burgtheater herausgefunden, von der ich leider erst im Nachhinein erfahren habe. Der Hintergrund ergibt sich u.a. aus der Presseeinladung zu „Gathering for Gaza“, der die Zeitung unseres Städtchens dann nicht zu folgen vermochte und über die überhaupt der Mantel des emsländischen Schweigens gelegt werden sollte. Andreas Poppe, Beauftragter für Internationales am Institut für Theaterpädagogik, sage in dieser Einladung:

 „“Colour your world“ heißt das Motto des diesjährigen Welt-Kindertheater-Festes in Lingen. Man möchte unwillkürlich fragen, mit welchen Farben die Kinder des Gazastreifens ihre Welt in den nächsten fünf Jahren malen werden.“

Und man muss fragen, warum die Einladung zum „Gathering for Gaza“ weder von der Intendanz des Welt-Kindertheater-Fest (WKT) noch vom Oberbürgermeister, dem Landrat oder dem „Präsidenten“ der RupingEmsländischen Landschaft stammt oder jedenfalls unterschrieben ist. Teilgenommen hat meines Wissens nach auch niemand. Die ursprüngliche Idee stammte aus der Spitze des Forum Judentum Christentum im Altkreis Lingen eV.  Ihr blieb es aber verwehrt, das Vorhaben dem künstlerischen Leiter des WKT und den Obersten im Rathaus darzulegen und zu erklären. Statt dessen kam eine  Ablehnungsbegründung zum Fremdschämen: „Das ist ja was Politisches. Das wollen wir doch gar nicht!“.

Dass „Gathering for Gaza“ („Ein Treffen für Gaza“) dann doch beim TPZ und Professor Dr. Bernd Ruping (Foto lks)  landete ist reines Glück und zugleich Grund, warum die „künstlerische Demonstration in Bildern, Musik und stiller Aktion“ dann doch stattfand, obwohl es im WKT-Zentrum kein Hinweis oder gar eine Empfehlung für diese Sonderveranstaltung gab. Für dieses und das Versäumnis unserer gesellschaftlichen Protagonisten entschädigt auch die Rose nicht, die Heribert Lange nach der Performance jedem Darsteller überreichte. Mehr…

Einmal mehr musste ich heute an die frühe Debatte um den Standort Lingen der Hochschule Osnabrück zurück denken, die damals noch Fachhochschule hieß. Es war seinerzeit nämlich einer der Grußwortschreiber des WKT’14, der wirklich alles daran setzte, keine Theaterpädagogen und keine Kunstschaffenden nach Lingen zu holen. Er sang das Hohe Lied der Betriebswirte und schuchardtIngenieure. Die damalige Lingener SPD-Landtagsabgeordnete Elke Müller und Helga Schuchardt (Foto lks), seinerzeit im ersten Landeskabinett Gerhard Schröder niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, setzten sich gegen ihn durch. So kamen doch die Kulturleute in unser bisweilen so enges Städtchen. Arbeit und Einsatz von zwei starken Frauen haben sich gelohnt, wie gestern bei „Gathering for Gaza“ einmal mehr zu sehen war. Ohne Kulturschaffende in Lingen wäre diese wichtige Veranstaltung mit ihrer Forderung nach Menschenwürde, Frieden und Humanität nicht zustande gekommen. Beiden Frauen hat unsere Stadt mehr als viel zu verdanken.

Elke Müller geht es übrigens nicht gut in diesen Tagen. Sie kämpft  einen schweren Kampf gegen eine heimtückische Krankheit. Ich kann ihr nur von Herzen Kraft und gute Besserung wünschen.

Helga Schuchardt wird an diesem Samstag 75 Jahre alt. Man sollte ihr einen großen Blumenstrauß schicken. Aber ich nehme an, dass unser Oberbürgermeister das längst in Auftrag gegeben hat.

Erstes Foto

14. Oktober 2012

Heute findet ab 11 Uhr der Tag der offenen Tür der Hochschule Osnabrück auf dem Campus Lingen statt. Ein Besuch lohnt. Hier das Bild einer ersten, frühen Besuchergruppe:


(Die Ortstermin-Aufnahme aus dem Jahr 2002 zeigt u.a. neben dem jugendlichen Heiner Pott (4. von re.) die damalige Lingener Landtagsabgeordnete Elke Müller (SPD, 2. v. lks) beim Besuch des hochschulpolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion Heinz-Wolfgang Domröse (5. v. lks);  ohne ihre hartnäckige Entschlossenheit gäbe es diesen Hochschulstandort Lingen nicht oder jedenfalls nicht in dieser Form. Das wussten bei der Eröffnung des Campus am 8. Oktober manche Redner mitzuteilen. Der Campus Lingen in den ehem. Lokhallen I/II des Eisenbahnausbesserungswerks wäre auch schon längst mit Automaten und WLAN  bestückt in Betrieb, hätte nicht Anfang 2003 die CDU die Landtagswahl in Niedersachsen gewonnen: Denn sie drückte nach dem Wahlsieg erst einmal die Stopptaste beim (Fach-)Hochschulausbau und brauchte anschließend vier lange Jahre von 2003 bis 2007, um das Projekt Hochschulcampus Lingen doch noch umzusetzen. Nach dem 2003 vorliegenden SPD-Fachhochschulkonzept wäre der Campus vier Jahre vor dem heutigen Tag realisiert worden.

Aber schön, dass es doch noch geklappt hat.

Tag der offenen Tür?  Schauen Sie einfach vorbei. (Programmheft, pdf 1,1 MB)

Zwei Frauen

8. Oktober 2012

Dieser Montag ist ein richtig guter Tag für unsere Stadt. Der Hochschul-Campus in der ehem. Lokrichthalle I/II des Eisenbahnausbesserungswerks wird offiziell eröffnet. Es werden sich viele feiern lassen, die nicht für diesen regionalpolitischen Erfolg verantwortlich waren.

Daher ist es Zeit an diese zwei Frauen zu erinnern: Elke Müller (Foto lks) und Helga Schuchardt. Denn „ohne den Einsatz von Frau Müller und der damaligen Wissenschaftsministerin Helga Schuchardt hätten wir 1995 die Fachhochschule in Lingen niemals eröffnen können.““ (Karl-Heinz Vehring, Lingens damaliger Oberstadtdirektor).

Danke, Ihr Zwei!