עין תּחת עין

31. Mai 2012

In Emden ist gestern ein junger Mann zu einem zweiwöchigen Jugendarrest verurteilt worden. Er hatte nach der Festnahme eines unschuldigen, nach Meinung der Ermittlungsbehörden aber dringend des Mordes verdächtigen 17jährigen  auf einer Facebook-Seite geschrieben: „Aufstand! Alle zu den Bullen. Da stürmen wir. Lasst uns das Schwein tothauen.“ Für diesen Aufruf zu Straftaten gab es jetzt also Jugendarrest; den haben die Nationalsozialisten durch Verordnung vom 4. Oktober 1940 eingeführt, in Fachkreisen ist er ob seiner zweifelhaften Wirkung umstritten. Dabei hatte eine Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe in der Gerichtsverhandlung betont, der Angeklagte habe „alles zur Wiedergutmachung getan, was denkbar“ sei.

Ob das Urteil richtig ist, kann ich mangels Kenntnis des Angeklagten und der Akten nicht sagen. Aber ich habe gesehen, dass der 18jährige im Gerichtssaal des Amtsgerichts Emden wie ein Stück Vieh den versammelten Medien präsentiert und geradezu vorgeführt wurde. Hemmungslos wurden Kameras und Fotoapparate auf ihn gerichtet und „die Medien“ knippsten und filmten, was das Zeug hielt. Das erinnerte angesichts des Vorwurfs an alttestamentarische Vergeltungsgrundsätze á la עין תּחת עין aber nicht an einen Strafprozess vor einem bundesdeutschen Jugendgericht. Irgendjemand muss dem Angeklagten einen Aktendeckel in die Hand gedrückt haben, den er sich vors Gesicht hielt. Doch niemand schützte den Schlosserlehrling wirklich vor den Medienleuten, die ihn „umzingelten“ (NDR). Kein Wunder! Der 18-Jährige Angeklagte hatte keinen Verteidiger und verzichtete später auf ein Schlusswort, wie Spiegel-online berichtet.  Er war sichtlich eingeschüchtert, überfordert und nicht imstande, seine prozessualen Rechte zu wahren. Es fehlte ein Verteidiger. Das Gericht hatte keinen bestellt und die Staatsanwaltschaft Aurich hatte dies offenbar auch nicht beantragt, obwohl dessen Anwesenheit greifbar notwendig war.

Ein Strafverteidiger hätte im Vorfeld beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Im Strafprozess gegen einen 18 – 20jährigen  kann dies geschehen, wenn es im Interesse des Heranwachsenden geboten ist. Das betreffende Jugendgericht muss eine Ermessensentscheidung über den Ausschluss der Öffentlichkeit treffen. Das Bundesverfassungsgericht sagt dazu in schlechtem Juristendeutsch, dass den Belangen des Angeklagten besonderes Gewicht zukommt, wenn die „vom Gesetzgeber typisiert festgelegten personenbezogenen Voraussetzungen für den Ausschluss selbst der Saalöffentlichkeit vorliegen“. Das Verfassungsgericht unterstreicht, dass zu den zu wahrenden Schutzinteressen vor allem das Persönlichkeitsrecht der Beteiligten gehört. Es verweist ausdrücklich auf Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende.

Eine der vornehmsten Aufgaben jedes Gerichts ist es, einen Angeklagten vor seelischen Verletzungen zu schützen. Kein Angeklagter darf in einem Rechtsstaat bloß gestellt werden. Das gilt für jeden Täter. Auch in Emden. Zurschaustellungen sind inakzeptabel. Doch die gestrige Verhandlung in Emden gegen den Heranwachsenden stellte ihn zur Schau, war damit unfair und nicht rechtsstaatlich.

Noch dies: Bislang habe ich es nicht gesehen, dass der Vorsitzende eines Gerichts die Entscheidung seines Gerichts nach Schluss der Verhandlung vor laufenden Kameras rechtfertigt und begründet. Auch dies fand gestern statt.

Warum hat man in Emden eigentlich immer noch nichts dazu gelernt?

(Foto: Rathaus Emden CC Tim Schreder)

Abifestival F

30. Mai 2012

Abifestival 2012  –  Programmvorschau

The Driftwood Fairytales

Gepäckschließfach

30. Mai 2012

Der Lingener Bahnhof und seine vielfältigen Unzulänglichkeiten sind ja ein Dauerthema nicht nur in diesem kleinen Blog. Also wagen wir einen neuen Versuch:

Wie beispielsweise wäre es mit einer solchen Einrichtung, damit die freundliche Kioskbesitzerin im Lingener Bahnhof nicht immer Reisenden helfen muss, die verzweifelt eine Unterstellmöglichkeit für ihr Gepäck suchen.

Was rechts zu sehen ist,  nennt man, liebe Bahn, Gepäckschließfach. Ich hab die kompakte Einheit auf dem Bahnsteig 1 im niederländischen Amersfoort gefunden. Sie passt doch vielleicht auch auf unseren Bahnhof.

Nachlese

29. Mai 2012

Eine Nachlese aus aktuellem Anlass: Jens R., begnadeter Lingener Kochkünstler und u.a. bekannt aus der Serie „Das perfekte Dinner“, versteigert diese nicht minder perfekte Bürgerschützenfrikadelle -soweit mir bekannt, aus dem Haus HoLa Catering- bei ebay. Ich nehme an, die Versteigerung erfolgt zu einem guten Zweck. Es ist aber eine Frikadelle. Alles weitere hier:


gewählt wird

29. Mai 2012

Das ist Ihnen bestimmt auch schon aufgefallen: Uwe Schünemann, noch niedersächsischer Innenminister und  Prototyp des unchristlich handelnden Christdemokraten, ist ziemlich abgetaucht. Acht Monate vor den Wahlen zum niedersächsischen Landtag hört und liest man kaum mehr etwas von ihm und seiner harten Flüchtlingspolitik. Wir haben Wahlkampfzeit. Da muss man sich anders darstellen.

Letzten Monat beispielsweise präsentierte Innenminister Schünemann gemeinsam mit dem Kultusminister Althusmann “aus Anlass des zwanzigjährigen Jubiläums des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention” eine Grundrechtefibel für Kinder ab 8 Jahren : “Voll in Ordnung – unsere Grundrechte” titelt die Presseerklärung des Ministers dazu. Wie schön! Wie großartig! Kinder, Grundrechte, Fibel!

Das aber ist die geheuchelte Theorie für die Medien. In der Praxis missachtet Niedersachen die Grundrechte allemal dann, wenn sie Flüchtlingskinder in Niedersachsen betreffen. Da werden Familien durch Abschiebung getrennt, Kinder um ihren Anspruch auf eine Erziehung durch beide Elternteile gebracht, eine angemessene Anhörung der Kinder und vorrangige Orientierung aller behördlicher Maßnahmen an ihrem Wohl findet oft gar nicht erst statt.

Genau das fordert aber die UN-Kinderrechtskonvention. Mit ihrer Ratifikation hat Deutschland sich verpflichtet, diese Rechte aller Kinder zu sichern. Niedersachsen schert sich nicht drum. Exemplarisch zeigt dies das Schicksal der Familien Salame und Naso.

Mitten in der Nacht waren Anfang letzten Jahres der damals 16-jährige Anuar und sein Vater Bedir Naso Anfang 2011 in ihrer Wohnung im Landkreis Hildesheim festgenommen worden. Mutter und Schwester blieben zurück. Noch in der selben Nacht wurden Vater und Sohn nach Syrien (!!) abgeschoben – und in Damaskus sofort  verhaftet. Nach 13 Tagen syrischer Haft kam zuerst der Vater und nach einem Monat in Haft samt Misshandlungen auch der Junge Anuar frei. Schünemann bezeichnete dies als „zur Identitätsfeststellung übliche Ingewahrsamnahme“ (Quelle).

Und auch der Fall Gazale Salame belegt die Brutalität der von Minister Schünemann zu verantwortenden Ausländerpolitik:
2005 war Gazale Salame nach 17 Jahren in Deutschland schwanger mit ihrer jüngsten Tochter aus Hildesheim in die Türkei abgeschoben worden – während ihr Mann die beiden älteren Kinder zur Schule brachte. Ihre Mutter wisse weder, wie sie aufgewachsen sei noch was ihre Lieblingsfarbe ist, sagt Salames heute 15-jährige Tochter am Mittwoch in Hannover. Und dass ihre Familie nicht mehr verlange „als ein glückliches Zusammenleben“, das gerade wieder verweigert wurde.

„Die niedersächsischen Behörden und politischen Verantwortungsträger verletzen offenkundig ihre Fürsorgepflicht gegenüber Flüchtlingskindern“, kommentiert  dies Heiko Kauffmann von der Flüchtlingsorganisation PRO ASYL und  kritisiert, dass Niedersachsen nach wie vor „ausländerrechtliche Maßnahmen über das Kindeswohl stellt“ Kauffmann sagt, dass sei ein „Lehrstück über staatliche und behördliche Missachtung von Verfassung und Völkerrechtsnormen“.

Prof. Dr. Lothar Krappmann stimmt ihm zu. Auch er kritisiert den Umgang mit Flüchtlingskindern in Niedersachsen scharf: „Das Recht der Kinder auf Erwägung ihres Wohls und auf Leben mit beiden Eltern wurde von Niedersachsen mehrfach verletzt. Der Innenminister nimmt das Wort Kindeswohl nicht einmal in den Mund, das für Kinder zuständige Ministerium wird aus dem Fall ausgeschlossen. Integrationsleistungen werden nicht anerkannt.“ Lothar Krappmann kündigte an, den Fall Salame im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens vor dem UN-Ausschuss für Kinderrechte vorzutragen.

Die Reaktion des Schünemann-Ministeriums ist peinlich: Die UN-Kinderrechtskonvention sei eine „völkerrechtliche Vereinbarung“ ohne „unmittelbare Rechtswirkung“. Dass dies falsch ist, unterstreicht Lothar Krappmann: „Das Kindeswohlprinzip ist ein Menschenrecht, das zu seiner Anwendung keine gesetzliche Konkretisierung im Rechtssystem eines Landes benötigt.“  Für CDU-Minister Schünemann ist das offenbar zu viel. Er versagt mit der  Trennung ihrer Familien den betroffenen  Flüchtlingskindern lieber den notwendigen Schutz und die erforderliche Fürsorge. Niedersachsen könnte dabei die Voraussetzung für eine schnelle Familienzusammenführung  schaffen. Schünemann und seine Bürokraten lehnen es aber ab, die notwendigen Aufnahmeerklärungen nach § 22 AufenthG für Gazale Salame und ihre Kinder Schams und Gazi abzugeben und ebenso für Bedir und Anuar Naso, die inzwischen aus Syrien geflüchtet sind und sich in Bulgarien aufhalten.

Also: Nachhilfeunterricht in Sachen UN-Kinderrechtskonvention benötigt vor allem die Landesregierung. Dafür hat man viel Zeit, wenn man in die Opposition gewählt wird.

(Quellen PM, taz, NDR)

Abifestival E

29. Mai 2012

Abifestival 2012  –   Programmvorschau

Vierkanttretlager

Maßlos

28. Mai 2012

Die GEMA lässt mich einmal mehr kopfschüttelnd zurück. Die „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“ -so ihr vollständiger Name- verwertet in Deutschland die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht von KomponistenTextdichtern und Verlegern von Musikwerken. Sie wird zunehmend kritisch gesehen.

Gerade hat die GEMA bzw. ihre ZPÜ angekündigt, am 1. Juli kräftig die Urheberabgabe für USB-Sticks und Speicherkarten zu erhöhen: Statt derzeit einheitlich 10 Cent pro USB-Stick und Speicherkarte kassiert die GEMA ab Juli bei USB-Sticks unter 4 Gigabyte künftig 91 Cent, darüber 1,56 Euro. Bei Speicherkarten steigt der Tarif entsprechend auf 91 Cent beziehungsweise 1,95 Euro. Die Vereinbarung über Sticks und Karten zwischen GEMA und den Interessenverbänden der Branche war 2011 ausgelaufen. Weil eine neue Vereinbarung scheiterte, setzt die Verwertungsgesellschaft jetzt den Tarif einseitig fest. Grund für die Erhöhung von bis zu 1.850 Prozent sei der technische Fortschritt.  Eine solche Urheberabgabe fällt nicht nur bei USB-Sticks und Speicherkarten an sondern -geregetl in separaten Verträgen- beim Kauf vieler Geräte mit Speichermöglichkeit an, zB Rohlingen, Smartphones, Computer oder MP3-Player.

Dabei zahlen wir anständig. Der CDU-Abgeordnete Peter Tauber hat beispielsweise 180 Euro errechnet, die allein er in jüngerer Zeit an Urheberrechtsabgabe gezahlt hat.  Den Rechentest kann vielleicht jeder machen. Bei mir beispielsweise kommt deutlich mehr zusammen. Nach eigenen Angaben hat die GEMA übrigens nur für Micro-SD-Karten (mSD) versucht, die tatsächliche Nutzung zu ermitteln. Man wolle kein Geld, das einem nicht zustehe, sagten die ZPÜ-Leute in den Verhandlungen mit dem Informationskreis Aufnahmemedien. Aber jetzt  hat sie dennoch einen Tarif für sämtliche Speicherkarten veröffentlicht. Weit mehr als die Hälfte der Speicherkarten sind jedoch „normale“ SD-Karten, die hauptsächlich in Digitalkameras und Camcordern eingesetzt werden. Die Folge: Der Verbraucher soll also für selbst erstellte Fotos und Videos Geld an die Verwertungsgesellschaften zahlen. GEMA & Co.  fordern offensichtlich und wissentlich doch Geld, das ihnen nicht zusteht. (mehr…)

Schon in ein paar Monaten kommt es noch schlimmer:
Nachdem inzwischen auch die Veranstalter von Straßenfesten an die GEMA zahlen müssen, will die Gesellschaft zum 1. Januar 2013 jetzt ihre Abgaben deutlich steigern. Diskotheken, Clubs, Tanzschulen, traditionelle Feste und Festivals sind in großem Maße betroffen. In der letzten Woche haben deshalb beispielsweise die Berliner Clubs Alarm geschlagen. Die Clubszene in der Hauptstadt ist weltberühmt, doch selbst sie ruft um Hilfe; denn die Tarife der GEMA sollen um 400 bis 500 Prozent, teilweise sogar über das Zehnfache  steigen wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband („DEHOGA“) errechnet hat. Das betrifft natürlich nicht nur Berlin sondern  auch die Clubs und Diskotheken in unserem Städtchen – also  das Koschinski, das Qurt, das Litfass, das gemeinsame Altstadtwirtefest, den Joker. Clubs zahlten bisher einen Pauschaltarif (MU III 1c), der die Tonträgerwiedergabe in Clubs und Discotheken abdeckt, und Diskotheken konnten bisher einen Jahrespauschalbetrag abführen. Künftig aber will die GEMA jeden Öffnungstag separat abrechnen und einen  Zeitzuschlag ab einer Öffnungsdauer von 5 Stunden einführen. Eine mittelgroße Discothek mit zum Beispiel 4 Tanzbereichen soll dann anstatt 28.000 Euro brutto jährlich 172.000 Euro brutto zahlen! Da hilft auch nicht der Vorsteuerabzug, das ist maßlos.

Was kann ich tun? Es gibt eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag, die inzwischen rund 100.000 unterstützen, aus unserem Städtchen leider im Gegensatz zu den Nachbarn in Gronau, Rheine, Nordhorn oder Leer erst verhältnismäßig wenige (s. Karte lks.). Über diese Petition kann man sich informieren, man kann sie unterschreiben und so daran  mitarbeiten, dass die Maßlosigkeit der GEMA gestoppt werden.

Nachtseminar

28. Mai 2012

Artland

27. Mai 2012

Auch im Artland, nicht weit entfernt im nördlichen Landkreis Osnabrück, soll mit der Fracking-Methode Erdgas gefördert werden. Exxon Mobil nimmt sich dazu den Schiefergasgürtel vor, der von Nordhorn bis Hannover und von Osnabrück bis ins artländische Quakenbrück reicht. Längst ist bekannt, dass Fracking kein lokales oder  regionales Problem ist. Die Fördermethode  ist von grundsätzlicher Bedeutung. Die am 9. Mai gegründete lokale Interessengemeinschaft  Fracking-freies Artland  hat  jetzt eine Online-Petition erstellt, die über diesen Link erreichbar ist.

Die Bürgerinitiative bittet darum, die Petition zu unterstützen, zu unterschreiben und den Link überall hin weiterzuleiten, zu posten, zu teilen usw. Maria Entrup-Henemann, Sprecherin der jungen BI, sagt nichts Überraschendes: „Wir zählen auf Eure Unterstützung. Wir brauchen so viele Unterstützer und Unterstützinnen wie möglich. Dafür allerbesten Dank.“

Unterzeichner können übrigens wählen, ob ihre persönlichen Daten öffentlich einsehbar sind oder nicht. Immer sollte man aber  nach Eingabe der Daten daran denken, auf  die Schaltfläche “Unterschreiben” zu klicken; denn sonst wird der Eintrag nicht gespeichert.

(Quelle PM der BI)

ESC 2012 – II

27. Mai 2012

Danke an Anke! – die einzige, die das Thema Menschenrechte bei der ESC Liveübertragung zur Sprache gebracht hat.