illegale Abschüsse
15. Januar 2023
Heute endet die Jagdzeit für die meisten Gänsevögel in Niedersachsen. Der niedersächsische NABU hat dies zum Anlass für einen Appell an die Jägerinnen und Jäger genommen, bestehende Jagd- und Naturschutzgesetze einzuhalten. Für diesen Appell gibt es handfeste Gründe:
So wurden am 24. November 2022 bei Twist im Landkreis Emsland 37 Gänsekadaver auf einem Acker gefunden. Geschossen waren nach Behördenangaben Graugänse, die gejagt werden dürfen. Das habe eine Auswertung von Beweisfotos ergeben, sagte jetzt die zuständige Staatsanwaltschaft. Die Fotos hatte ein Zeuge gemacht, der die Gänse zufällig auf einem Acker entdeckt hatte. Bevor die Polizei eintraf, waren die Tiere allerdings schon von dem Landwirt, dem der Acker gehört, vergraben worden. Daraufhin wurde (lediglich) eine Gans wieder ausgegraben und genauer untersucht. Wer für die Tat verantwortlich ist, bleibt bisher unklar.
Obwohl bei der ersten Untersuchung eines Tieres eine Graugans bestimmt wurde, äußert der NABU Niedersachsen erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei allen geschossenen Tieren um Graugänse handelte. Im Winter seien die meisten Gänse im Emsland besonders geschützte Saat- oder Blässgänse, die sich häufig mit Graugänsen vermischen. Im Flug können diese Arten vor allem in der Dämmerung nicht sofort voneinander unterschieden werden, was die Vermutung nahelegt, dass unter den geschossenen Tieren auch Saat- oder Blässgänse vertreten sind.
„Das niedersächsische Jagdrecht sieht für Saat- und Blässgänse keine Jagdzeiten vor, so dass die Jagd auf sie ganzjährig verboten ist. Werden diese Arten trotzdem geschossen, handelt es sich um eine Straftat, die entsprechend geahndet werden muss“, sagt Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen. Auch deshalb zeigt sich der NABU empört darüber, dass weder die Jagd- und Naturschutzbehörden des Landkreises Emsland noch die Polizei alle toten Tiere im Hinblick auf die Artzugehörigkeit bestimmt haben. „Nur, wenn die Arten genau bestimmt werden, kann eine solche Tat entsprechend geahndet werden“, so Dr. Buschmann weiter.
Auch Ende 2021 hatte es im Emsland einen Fall von illegalen Abschüssen gegeben. Mehrere streng geschützte und mittlerweile seltene Zwergschwäne, die sich in einem Naturschutzgebiet aufhielten, waren mit Schussverletzungen, die auf jagdliche Aktivitäten zurückzuführen sind, aufgefunden und tot geborgen worden. Auf die Schliche kam man den Jägern, weil die Zwergschwäne im Rahmen eines NABU-Projektes besendert worden waren. Die Strafverfolgung wurde vorerst eingestellt, weil die Täter behaupteten, die Tiere seien nur von ihrem Leid erlöst worden. Allerdings ergaben die Senderdaten und auch die Obduktionsuntersuchungen keine Hinweise auf ein vorheriges Leiden. „Und selbst wenn: Auch bei leidenden Tieren hätten die Jäger keine Berechtigung gehabt, die streng geschützten Tiere zu töten“, bekräftigt Dr. Buschmann.
Abgesehen von solchen illegalen Abschüssen, die einzelne Tiere treffen, werden beispielsweise im Vogelschutzgebiet Tongrube Oberhammelwarden – mit Genehmigung des Landkreises Wesermarsch – immer noch sogenannte Gesellschaftsjagden abgehalten. Diese Gruppenjagden mit mehreren Schützen und entsprechend vielen Schüssen bringen massive Störungen für die dort ansässigen Arten mit sich. Diese Jagdereignisse und verschiedene jagdliche Verfehlungen in dem Schutzgebiet führten dazu, dass über die vergangenen Jahre etliche schwer verletzte und teils flugunfähige Wasservögel dokumentiert wurden. Die Tiere leiden, bis sie irgendwann sterben oder einem Räuber zum Opfer fallen. Hinzu kommt, dass die Jagden entgegen der Gesetzgebung in fast völliger Dunkelheit durchgeführt werden, womit keine sichere Artansprache möglich und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass neben Arten, die bejagt werden dürfen, auch nicht bejagdbare, geschützte Tiere den Abschüssen zum Opfer fallen.
Ein weiterer Fall ereignete sich im Landkreis Lüneburg im Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“, speziell im Vogelschutzgebiet „Niedersächsische Mittelelbe“. Hier sind Saat- und Blässgänse wertbestimmend. Einer Zeugenaussage zufolge wurden hier drei Jäger in Tarnkleidung beobachtet, die auf einen einfallenden Trupp aus u.a. Saat- und Blässgänsen Schüsse abgegeben haben. Bei einer Durchsuchung der Gräben wurden acht tote Saat-, fünf tote Bläss- und eine tote Graugans entdeckt – alle Tiere wiesen Schussverletzungen auf. Außerdem konnten mehrere Schrotpatronenhülsen sichergestellt werden (Stahl- und Bleischrot). Laut Aussage des Zeugen haben die Jäger außerdem keine Hunde geführt – in Niedersachsen muss allerdings bei jeder Jagd auf Federwild ein brauchbarer Hund geführt werden.
Diese Beispiele zeigen, dass naturschutzfachliche Aspekte und die Vorgaben der Jagd- und Naturschutzgesetze offenbar zunehmend weniger Beachtung in Niedersachsen finden. Der NABU Niedersachsen hat daher dringend die Einführung einer entsprechenden Schwerpunktstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität gefordert und vor allem, dass die Staatsanwaltschaften und Gerichte für die strenge Einhaltung bestehender Gesetze sorgen.
Quellen: NABU, NOZ, NDR,
Foto: Saat- und Blessgänse, von Von Frank Liebig – Archiv Frank Liebig, CC BY-SA 3.0 de,