Aufsicht
10. November 2010
Die CDU-Ratsmitglieder schlagen den FDP-Mann Jens Beeck als neuen Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Stadtwerke Lingen GmbH vor. Er soll damit dem Ersten Stadtrat Dr. Ralf Büring folgen, der seinerseits erst kürzlich den ehemaligen Oberbürgermeister Heiner Pott nach dessen Rücktritt ersetzte.
Die Personalie überrascht. Aber sie ist aufschlussreich, zeigt sie doch zumindest dreierlei:
a) Es ist nicht weit her mit der Ankündigung der CDU an die Adresse des neu gewählten Oberbürgermeister Dieter Krone, vertrauensvoll mit ihm zusammenzuarbeiten. Denn in einer Zeit der Verhandlungen mit RWE über deren Gesellschaftsanteile an den Stadtwerken Lingen gehört natürlich der neue OB an die Aufsichtsratsspitze der Stadtwerke. Wir erleben also eine ganz spezielle Antwort der CDU an das vielfache Angebot Krones zur Gemeinsamkeit bei der Gestaltung der Stadt.
b) Die CDU hält ihre Kandidaten für das Amt bewusst zurück. Neben dem bisherigen Vorsitzenden Dr. Ralf Büring hat sie 2006 Klaus Flachmann (Altenlingen), den zurückgetretenen stellv. Vorsitzenden Hermann Gebbeken, die 2. Bürgermeisterin Monika Heinen, den Baccumer Ortsbürgermeister Heinrich Schomaker und die zurückgetretene Swenna Vennegerts in das Gremium entsandt , dem außerdem Hajo Wiedorn (SPD) und Dr. Bernhard Bendick (SPD) sowie die Fraktionsvorsitzende von Bündnis’90/Die Grünen Birgit Kemmer angehört – und eben Jens Beeck (FDP). Es spräche, wenn man denn den neuen OB nicht allzu provokativ sondern nur ein bisschen stutzen will, alles dafür, Ralf Büring auf dem Posten zu belassen, der ihn ja erst seit wenigen Wochen hat. Auch Büring wird kurzerhand demontiert. Warum? Nun:
c) Es kommt zu einer weiteren Annäherung von CDU und FDP, und die CDU stellt Weichen: Offenbar will sie mit Blick auf die Kommunalwahlen 2011 den eloquenten FDP-Mann als künftigen Juniorpartner gewinnen, wenn es zur eigenen absoluten Mehrheit nicht mehr reicht. Beeck seinerseits hat bei den Entscheidungen der letzten Monate vielfach CDU-Positionen eingenommen. Auch als OB-Kandidat hatte der FDP-Vorsitzende die städtische Entwicklung über den Klee gelobt – bis zur eigenen politischen Unkenntlichkeit.
Es bahnt sich Schwarz-gelbes an in Lingen.
(Foto: Wasserturm – Das Markenzeichen der Stadtwerke Lingen; © dendroaspis2008, flickr)
Klug
18. August 2010
Lingen soll beim Sparen keine Schnellschüsse abfeuern. Das hat der Erste Stadtrat Ralf Büring gefordert. Büring sagte in einem Interview mit der ems-vechte-welle, das seltsamerweise erst in fünf Tagen gesendet wird:
„Selbstverständlich müssen alle großen Maßnahmen, die noch nicht begonnen sind, auf den Prüfstand. Ich warne aber auch davor, jetzt auf Grund dieser Situation gleich alles über Bord zu werfen. Man muss da mit Bedacht rangehen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Stadt sich auch noch weiterentwickeln können muss, denn ein reiner Stillstand ist bekanntlich ein Rückschritt. Also müssen wir uns Optionen offen halten, um auch zukünftig noch uns entwickeln zu können.“
Dazu drei Punkte:
Die Position Bürings halte ich für klug; ich teile seine Aussage, mit Bedacht zu sparen. Allerdings bzw. gerade deshalb frage ich mich, weshalb darüber nicht unverzüglich in den Ratsgremien gesprochen, debattiert und entschieden wird. Dass bis damit znoch Wochen gewartet wird, halte ich für falsch. Drittens interessiert mich aber die Position von Sabine Stüting. Sabine, was sagst Du zum Thema Sparen?
Nachtrag: Sabine Stüting schreibt hier.
(Quelle)
Gestorben
11. August 2010
Im Wietmarscher Gewerbegebiet an der A 31 in Lohne darf kein Krematorium errichtet werden. Der zuständige Landkreis Grafschaft Bentheim hat die Genehmigung dafür verweigert. Der Kreis berief sich bei seiner Ablehnung sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 23.04. 2010 dieses Jahres (2 A 21/09). Die Richter hatten entschieden, dass ein Krematorium in einem Gewerbegebiet auch ohne Andachtsraum nicht zulässig ist. Es ist eine richtige und gute Entscheidung.
Das sittliche, religiöse und weltanschauliche Empfinden der Allgemeinheit verbiete es, so das Verwaltungsgericht, die Einäscherung Verstorbener als reinen technischen Vorgang, losgelöst von der mit dem Sterbefall verbundenen Trauerarbeit der Hinterbliebenen zu betrachten. Deshalb sei ist auch ein Krematorium ohne Andachtsraum in einem Gewerbegebiet nicht zulässig. „Der Betrieb eines Krematoriums in einem durch stete Geschäftigkeit und Unruhe geprägten Gewerbegebiet ist mit dem sittlichen Empfinden der Allgemeinheit, insbesondere mit der in Deutschland vorherrschenden Anschauung in Bezug auf den Umgang mit Verstorbenen nicht vereinbar. Nach § 1 des Niedersächsischen Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen sind Leichen und Aschen Verstorbener so zu behandeln, dass die gebotene Ehrfurcht vor dem Tod gewahrt und das sittliche, religiöse und weltanschauliche Empfinden der Allgemeinheit nicht verletzt wird. Auch den Verstorbenen verbleibt hinsichtlich der Art und Weise ihrer Bestattung sowie deren Vorbereitung aufgrund der nachgehenden Wirkung des Anspruches auf Achtung der Menschenwürde noch ein über den Tod hinauswirkender Schutz.“ Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bezieht sich auf ähnliche Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. Anderer Auffassung war allerdings vor einem Jahr das Verwaltungsgericht Münster, das die Achtung der Menschenwürde durch eine gewerbliche Totenverbrennung in einem Gewerbegebiet nicht tangiert sah- ein bemerkenswerter Ausdruck eigener richterlicher Vorstellungen von dem, was im Todesfall menschlich geboten ist (und gleichermaßen eine Abkehr von dem, was das Bundesverwaltungsgericht vorgegeben hatte).
Auslöser des Osnabrücker Verwaltungsrechtsstreits war der Plan der „Krematorium Münsterland GmbH“, nahe Osnabrück ein Krematorium zu errichten. Dazu hatte das Unternehmen auch einen Standort in Georgsmarienhütte ausgesucht. Interesse bestand an einem Privatgrundstück an der Bielefelder Straße in Georgsmarienhütte, verkehrsgünstig gelegen an der A 33. Neben einem Raum für rund 2000 Feuerbestattungen im Jahr sollte auch eine Trauerhalle entstehen. Die Stadt Georgsmarienhütte und der Landkreis Osnabrück lehnten diesen Plan ab. Konkret ging es in dem Gerichtsverfahren dann um einen Bauvorbescheid, den die Krematorium Münsterland GmbH beim Landkreis Osnabrück als Genehmigungsbehörde vergeblich beantragt hatte. Zu klären war, ob der Betrieb eines Krematoriums in einem Gewerbegebiet grundsätzlich zulässig ist. Die für Bausachen zuständige 2. Kammer des Verwaltungsgericht wies die Klage des Unternehmens ab.
Bürgermeister Alfons Eling sagte inzwischen, die Gemeinde Wietmarschen respektiere die Entscheidung des Landkreises Grafschaft Bentheim, die dieser Entscheidung folgt. Was, frage ich mich, sollte sie auch sonst tun? Ich finde es auch beruhigend, dass in einer Zeit, in der alles und jedes liberalisiert und entbürokratisiert wird, die Nordhorner Behörde einem Investor und einem Bürgermeister Einhalt gebietet, weil ihr Plan Grundüberzeugungen und -einstellungen zum Leben und zum Tod verletzte (mehr…)
Das Unternehmen, das in Georgsmarienhütte bauen wollte, plant inzwischen nach der nicht unerwarteten Prozessniederlage – laut NOZ– übrigens in Rheine. Außerdem gibt es weiterhin Pläne für ein Krematorium in Lingen; sie oder ihre Verwirklichung ruhen offenbar im Moment, in erster Linie wegen der Planungen in Lohne, aber wohl auch wegen der OB-Wahl, nachdem bei einer Bürgerversammlung in Darme fast alle anwesenden Einwohner -angeführt vom Darmer CDU-Ortsbürgermeister Werner Hartke- die Pläne, südlich des Waldfriedhofs ein Krematorium zu errichten, strikt abgelehnt und den anwesenden Dezernenten Dr. Büring beschimpft hatten – mit geradezu abenteuerlichen Erklärungen. Der untersuchte Lingener Standort „Schüttelsand“ in Holthausen-Biene an der Auffahrt zur B70 scheidet aus: Gewerbegebiet! Mit Blick auf die hohe Zahl von Feuerbestattungen steht das Thema aber weiterhin oben auf der Tagesordnung, und der Darmer Waldfriedhof ist unverändert erste und beste Wahl für ein Krematorium, es sei denn, man hält das für richtig oder macht sich sonst gemein mit dem, was seinerzeit in Darme gepöbelt gesagt wurde. Das nämlich darf und wird nicht das letzte Wort der Menschen in Darme gewesen sein.
(Foto: maxirafer, creative commons)
Sahne
21. Mai 2010
„Herr Koop, ich kenne Sie. Ich weiß, dass Sie mich provozieren wollen. Aber ich lasse mich nicht provozieren und ich werde deshalb nicht sagen, dass…“
Die frischgebackene CDU-Kandidatin Vehring antwortete dann doch noch in der Ratssitzung am Donnerstag auf meine etwas spöttische Bemerkung, ich sei „eigentlich nur deshalb zur Ratssitzung gekommen, um zu hören, was die neue Kandidatin zur Stellungnahme der Stadt zum Regionalen Raumordnungsprogramm zu sagen hat, und nun schweigt sie.“ Frau Vehring sagte dann, was sie nicht sagt. Ich hab’s nicht verstanden, und es war auch eher nicht von großer Bedeutung. Enttäuschend, weil doch Debatte und Diskussion das Salz in der Demokratie sind.
Egal. Die eigentliche personelle Überraschung dieser Ratssitzung war für mich Erster Stadtrat Ralf Büring, der bislang ein loyaler Arbeiter für den unverhofft abgewanderten OB war. Der promovierte Jurist, der jetzt Chef der Stadtverwaltung ist, lief zu wirklich großer Form auf. Die massiven Angriffe aus den Reihen der Ratsherren gegen Stadtbaurat L. und dessen schräge „GVZ“-Argumente ließ er diesen selbst ausbaden, bevor er souverän seine Position zum Regionalen Raumordnungsprogramm darstellte. Als er dann die Feuerwehrleute in ihre Ämter beförderte und entließ, schien es gerade so, als sei er in seinem Element. Noch mal souverän. Das war erste Sahne, was der Mann am Donnerstag abgeliefert hat (und nicht nur dicke Milch wie mein Freund Jens B.).
Vielleicht sollte die Ratsminderheit mal fragen, ob Stadtrat Büring nicht doch am 12. September…. 😉
Heiner geht
19. April 2010
Lingens Oberbürgermeister Heiner Pott geht fast auf den Tag genau nach 10-jähriger Amtszeit nach Hannover. Er wird – im Rahmen der Kabinettsumbildung – neuer beamteter Staatssekretär im Niedersächsischen Sozialministerium. Sein Amt tritt er bereits am kommenden Montag an. Pott erklärte, er habe sich kurzfristig entschieden. Das Amt sei für ihn „noch einmal eine neue Herausforderung“. Der neue Staatssekretär wird Wochenendfahrer und behält mit seiner Familie seinen Wohnsitz in Lingen.
Neue Sozialministerin wird die Hamburger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Aygül Özkan. Die 38-jährige Muslimin stammt aus der Türkei und sitzt seit 2008 im Hamburger Stadtparlament. Sie ist die erste Muslimin, die ein Ministeramt in Deutschland bekleidet. Mehr zur Kabinettsumbildung in Hannover hier und auf der Internetseite der Landesregierung.
Während der scheidende OB sich nach Hannover orientiert, wird Lingen also in Kürze einen neuen Oberbürgermeister wählen. Die Wahlen dürften spätestens im September erfolgen. Scheidet ein hauptamtlicher Bürgermeister nämlich vorzeitig aus dem Amt aus, so wird nach § 61 der Niedersächsischen Gemeindeordnung die neue Bürgermeisterin oder der neue Bürgermeister innerhalb von sechs Monaten gewählt. Die CDU dürfte den Ersten Stadtrat Dr. Ralf Büring ins Rennen schicken, wenn er denn will. Abzuwarten ist, ob sich die anderen Parteien und politischen Gruppierungen wie vor zehn Jahren im legendären „Bürgerbündnis für Lingen“ wiederum auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen oder sich wieder wie 2006 in chancenlosen Einzelkandidaturen verlieren.
Ein einzelnes Datum bekommt durch den Amtsverzicht Potts etwas ganz Besonderes. Nach den bisherigen Ankündigungen wollen am kommenden Freitag (23. April 2010) ab 19:30 Uhr in der Tanzgalerie Lorenz, Bernd-Rosemeyer-Straße Oberbürgermeister Heiner Pott sowie Erster Stadtrat Dr. Ralf Büring und andere Prominente zur Live-Musik der Lingener Band NOBC die Bewirtung der Gäste übernehmen. Da kann sich also, wer will und wenn es dabei bleibt, ein letztes Mal durch OB Pott „einen einschenken lassen“ – zugunsten des Kinderschutzbundes. Die Veranstaltung ist am Mittwoch abgesagt worden.
Nachtrag: Ems-Vechte-Welle-Podcast mit persönlichen Stellungnahmen