CDU-Politik III

28. November 2010

Nach der allseits beeindruckenden Berlinreise der Duisburger Junge Union im Frühherbst gerät jetzt die Abteilung Köln der JU in die Schlagzeilen. Die Kölner CDU Jugend (Junge Union) will nämlich vom 16. bis 18. Dezember eine Reise nach Berlin machen. Das ist nicht ihr eigenes Vergnügen; denn die „Wir-fahren-nach-Berlin-Tour“ wird aus Steuergeldern des Familienministeriums unterstützt. Thema der „Informationsfahrt“ ist dabei vorgeblich der  „Linksextremismus“ .

Bundesfamilienministerin und langjähriges JU-Mitglied Kristina Schröder (CDU) und ihre Fördergelder gegen Extremismus machen es möglich, dass die Adventsreise der Kölner Jungen Union „in seiner ganzen Fülle“ in die Hauptstadt aus Steuermitteln gefördert wird. Der Haushaltstitel in Schröders Ministerium hat den Titel „Initiative Demokratie stärken“.  Wo es ursprünglich um Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und aufkeimeneden Neonazismus ging, gibt es jetzt neben viel Kritik an den Nazigegnern (mehr…) Geld für die vorweihnachtliche  Erlebnisreise der Jungkonservativen nach Berlin.

Auf dem Reiseprogramm „gegen Linksextremismus“ stehen neben Besichtigungen des Checkpoint Charlie, ein Treffen mit Kölner CDU Abgeordneten und eine Feier mit ,Freunden des JU-Deutschlandrates‘ im Club Felix in Mitte, einem „Ort, an dem man sehen und gesehen werden möchte und in pulsierender Clubatmosphäre elegant und ausgelassen feiert“ (Eigenwerbung). Wie die taz berichtet sollen die Reisenden auch ein „besetztes Haus“ besuchen.

Die Kritik der Opposition ist deutlich. „Vergnügungsreisen der Jungen Union finanziert“, werfen die SPD-Bundestagsabgeordneten Sönke Rix und  Rolf Schwanitz Ministerin Schröder vor. „Wenn so Ihre Extremismusprävention aussieht, dann sollten Sie aufhören.“ Der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler (Bündnis’90/Die Grünen) kritisiert die „dreister Klientelpflege“ und fordert, der Rechnungshof sollte den Fall prüfen.

JU-Bundesgeschäftsführer Alexander Humbert versteht nichts und entgegnet, die Kritik sei „ein Witz“. Auch den mit der Reise verbundenen „Ausflug in das Berliner Nachtleben“ verteidigt er. Wenn man junge Leute für solche Fahrten gewinnen wolle, müsse man ihnen auch ein Abendangebot machen. Dieses werde aber nicht aus Steuergeldern finanziert, versichert Humbert: „Sein Bier muss jeder selber bezahlen.“ Insgesamt seien drei JU-Fahrten nach Berlin bewilligt, darunter auch die Kölner.

Schon seit Monaten kritisiert die Parlamentsopposition, dass Schröder kein wissenschaftlich fundiertes Konzept zur Prävention von Linksextremismus vorlegen könne – und sieht sich nun bestätigt. Von „pseudowissenschaftlichen Extremismusverwirrungen“ spricht in diesem Zusammenhang der  empörte Grünen-Abgeordnete Kindler. Indes: „Für die Fahrt kann Bildungsurlaub beantragt werden.“

Schnüffeln

28. November 2010

Verdeckte Ermittlungen durch die Sozialämter sind grundsätzlich nicht zulässig. Der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts /Foto lks.) hat  dies jetzt unterstrichen und  deshalb die verdeckte Datenerhebung durch einen Außendienstmitarbeiter der Stadt Eisenach („Sozialdetektiv“) für rechtswidrig erklärt. Die Stadt Eisenach hatte  den Verdacht, dass eine Mutter mit dem Vater ihrer beiden Töchter in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammenlebe, dessen Einkommen die Mutter sich dann für den Kindergartenbeitrag hätte anrechnen lassen müssen. die Kommune beauftragte deshalb  einen Außendienstmitarbeiter mit verdeckten Ermittlungen. Der Mann  kontrollierte in der Zeit von Mai bis September 2002 sowohl durch Observierungen als auch durch Befragungen von Mitbewohnern die Kontakte zwischen Kindesmutter und Kindesvater und dabei vor allem dessen Aufenthalte in der  Wohnung der Frau.

Als sie dies erfuhr, erhob die Frau  im Jahre 2003 beim Verwaltungsgericht Meiningen (Thüringen) Klage. Sie wollte die Feststellung, dass die Ermittlungen des Außendienstmitarbeiters rechtswidrig waren. Die Meininger Verwaltungsrichter wiesen die Klage durch Gerichtsbescheid vom 6.  November 2006 ab, da sie die Schnüffelei („Datenerhebung“) für rechtmäßig hielten. Hiergegen richtete sich die vom Oberverwaltungsgericht in Weimar im Jahre 2008 zugelassene Berufung, der das höchste Verwaltungsgericht Thüringens jetzt stattgab. Leider erst 8 Jahre nach der fünf Monate währenden Schnüffelei.

In seiner mündlichen Urteilsbegründung sagte der Senatsvorsitzende Dr. Hans-Peter Hüsch, die verdeckten Ermittlungen des Außendienstmitarbeiters verletzten die Klägerin in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, da sie von keiner gesetzlichen Grundlage gedeckt gewesen seien. Nach der einschlägigen Regelung der Datenerhebung in § 62 Abs. 3 SGB VIII dürften Sozialdaten nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen ohne Mitwirkung des Betroffenen erhoben werden, die hier aber nicht erfüllt seien. Insbesondere war nicht erkennbar, dass eine Datenerhebung bei der Klägerin selbst  unmöglich gewesen wäre – etwa durch eine eingehende Befragung.

Längst sind übrigens die Sozialgerichte für die Überprüfungen der meisten Sozialleistungen und Maßnahmen der Behörden zuständig. Das Urteil der Verwaltungsrichter ist also eines der letzten seiner Art. Es stellt aber gleichwohl Grundsätzliches klar und ist deshalb von Bedeutung.  Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen kann aber die verklagte Stadt Eisenach noch eine sog. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegen.

Übrigens:
Auch bei uns im Emsland (Wappen lks.) und in Lingen gibt es Sozialdetektive, -fahnder oder wie sie sonst noch genannt werden, die von den örtlichen Sozialämtern in Marsch gesetzt werden – vorzugsweise nach Denunzierungen und nicht selten, ohne die betroffenen Leistungsempfänger zu befragen.
Die „Recherchen“  erfolgen querbeet bei allen Arten von Sozialleistungen, und rechtsstaatliche Bedenken hiergegen hat bislang bei uns wohl  noch niemand so recht geäußert. Die schnüffelnden Untersuchungspraktiken  verstoßen aber grundsätzlich und nicht nur in Thüringen gegen das Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde gleichermaßen.
Die Kreisverwaltung ist verantwortlich für die allermeisten Sozialleistungen. Also: Vielleicht fragt doch einmal ein Kreistagsabgeordneter nach den Praktiken?

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(Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25. November 2010 – 1 KO 527/08 –Presseerklärung – Vorinstanz: Verwaltungsgericht Meiningen, Gerichtsbescheid vom 06 November 2006 – 8 K 119/03.Me)

(Quelle; Foto: © Thüringer Oberverwaltungsgericht)