Projektbezogen

25. Januar 2012

„Projektbezogen“ – so ein städtischer Bediensteter, soll der Bebauungsplan (Fachjargon: „B-Plan“) für das Grundstück entwickelt werden, das unsere Kommune jetzt zu Bargeld machen will. Es liegt „Am Wall-Ost“ neben dem Konrad-Adenauer-Ring und ist bislang Teil der „Stadtgrabenpromenade“, die vor gefühlt 20 Jahren in einem Wahlkampf proklamiert wurde und alles ist, bloß keine Promenade. Die Verkaufsfläche ist Reststück der historischen Lingener Wallanlage (Stich re.), die seit 1970 aber so etwas von konsequent vernichtet worden ist, dass in Kürze nichts mehr übrig bleiben wird – nur noch die Schilder „Stadtgrabenpromenade“. Das zum Fremdschämen geeignete Resultat sieht dann so aus wie auf dem in der Zeitung veröffentlichten Foto.

Immerhin soll nun ein Bebauungsplan her, wenn dieses Grundstück -losgelöst von der Stadtgeschichte-  verkauft und bebaut wird. Das ist nicht selbstverständlich; denn ein Bebauungsplan macht dem Baudezernat Arbeit und beteiligt den gewählten Stadtrat. Also lässt unser Stadtbaurat aus Oldenburg es lieber und behauptet, es sei bebaubarer Innenbereich (Fachjargon: „34-er Gebiet“) und daher könne man auch ohne Bebauungsplan. Letzte Beispiele: Die Bebauung das Hafenareals mit drei Investitions-Zweckbauten, das Medicus-Wesken-Zentrum oder das Hotel an der Bernd-Rosmeyer-Straße. Angekündigte 34er-Neubauten: neue Pflegezentren an der Burgstraße und an der Mühlentorstraße/Konrad-Adenauer-Ring. Da bleiben dann notwendige Abwägungsprozesse privater und öffentlicher Belange aus und das Gemeinwohl zugunsten privater Finanzinteressen regelmäßig auf der Strecke. Besonders eindrucksvoll wird dies beim Nachweis der notwendigen Parkplätze. Die Häuser am Alten Hafen haben zwar Wohnungen mit allem Schnickschnack, doch ebenso wenig eine Tiefgarage wie die anderen genannten 34er-Objekte. Bei Medicus-Wesken stimmte die CDU dem Verzicht auf eine Tiefgarage zu, weil die „sechs Wochen längere Bauzeit dem Bauherrn nicht zuzumuten“ war, beim Hotelvorhaben legt der Bauherr die Parkplätze mit Zustimmung der CDU gar in das Erdgeschoss (!!).

Längst hat sich die Ratsmehrheit vom Verständnis verantwortlich mitplanender kommunaler Selbstverwaltung verabschiedet und begnügt sich mit den finanziellen Interessen der Investoren. Nahezu in Verzückung gerät die CDU immer, wenn jemand „Geld in die Hand nimmt“. Die Unzulänglichkeiten sind anschließend greifbar; machen Sie einfach mal den Selbsttest und parken  im verunglückten Parkhaus neben dem Medicus-Wesken-Zentrum! Regelmäßig sind auch die baugestalterischen bzw. architektonischen Leistungen der Bauvorhaben der letzten Jahre -sagen wir mal- außerordentlich bescheiden; das wird auch dadurch nicht anders oder gar besser, dass einzelne Ratskollegen anschließend verunglückte Architekturleistungen als „das gelungenste Gebäude überhaupt“ bezeichnen oder der Oldenburger von „so baut man heute“ schwadroniert.

Jetzt soll also das vorletzte Reststück des historischen Walls verkauft und bebaut werden und nun soll ein B-Plan dafür her. Ich glaube das noch nicht. So oder so besteht die Gefahr, dass alles, was dann kommt, dem reinen Finanzinteresse des Investors untergeordnet wird, schon weil man nicht vorher festlegt, was die Bürgerschaft an diesem Platz städtebaulich will sondern weil man auf die Wünsche genannten Forderungen des Investors wartet, also das und nur das, was er will –  eben „projektbezogen“.

(Lingen Historischer Stadtgrundriss – Gesamtansicht Belagerung der Stadt durch Spinola, Kupferstich von Hogenberg bei Frhr. von Aitzing 1606)

Depublikationspflicht

25. Januar 2012

Im Dezember hatte Blogger Peter Piksa sich per offenem Brief an den WDR gewandt. Ihm (wie vielen anderen) leuchtet nicht ein, warum öffentlich-rechtliche Medieninhalte – wenn sie schon vom jeweligen Sender selbst wieder depubliziert werden müssen – nicht vorher unter CC-Lizenzen gestellt werden. Das würde es den Hörern/Zuschauern gestatten, die Sendungen ihrerseits zu verbreiten und dadurch länger verfügbar zu halten, ohne dass die Depublikationspflicht verletzt werden würde. Inzwischen hat der WDR recht ausführlich geantwortet und man sieht der Antwort an, dass man sich dort mit dem Thema schwertut.

Grundaussage der Antwort ist, dass der WDR nur schwer die für eine CC-Lizenzierung erforderlichen Rechte einholen könne, weil CC-Lizenzen immer auch das Recht zur Bearbeitung mit umfassen würden. Das stimmt so nicht. Zwar können Bearbeitungen tatsächlich das Urheberpersönlichkeitsrecht beeinträchtigen und auch die Persönlichkeitsrechte von gefilmten/aufgezeichneten Personen können dann betroffen sein. Aber gerade dafür gibt es die CC-Lizenzvarianten mit “ND” für “no derivatives”, also die BY-ND und BY-NC-ND. Sie erlauben (nur) genau das, was Peter Piksa einfordert, nämlich die öffentliche Verbreitung durch jede/n.

Man kann sicherlich darüber streiten, ob die ND-Lizenzen noch eine “Freigabe” im eigentlichen Sinne sind, ein Mittel zur Behebung von “Depublikationsschäden” wären sie allemal. Den Hinweis auf die CC-lizenzierten Formate des NDR beantwortet der WDR damit, dass dort bewusst auf eine Freigabe hin in besonderer Weise produziert werde. Das aber heißt nur, dass eine CC-ND-Lizenzierung auf eigenes Material der jeweiligen Rundfunkanstalt beschränkt werden müsste. Damit dürfte noch immer der allergrößte Teil des Contents erfasst sein.* Und dass es gar nicht so schwer ist, beim Online-Stellen “unfreies” Material rauszunehmen aus den Beiträgen, beweist Deutschlandradio Kultur mit seiner Sendung Breitband jede Woche.

*Anm./Update: Der Genauigkeit halber muss allerdings anerkannt werden, dass sich Hörfunk und Fernsehen hier deutlich unterscheiden. Bei Fernsehbeiträgen ist es wesentlich schwieriger, ohne Fremdmaterial zu produzieren oder es nachträglich zwecks Freigabe herauszunehmen.

(Crossposting von creativecommons.de und Netzpolitik.org)