Emsland-Putin

11. Januar 2011

Da gibt er doch tatsächlich den Emsland-Putin. Bernd Busemann, gegenwärtig Niedersachsens Justizminister, ist schon in der Vergangenheit selten als Mann rechtsstaatlicher Prinzipien aufgefallen – eher im Gegenteil. Trifft die Berichterstattung über ein Provinztreffen mit Haselünner CDU-Senioren zu, dann hat er jetzt gefordert, die Verantwortlichen des Dioxin-Skandals zu „langjährigen Haftstrafen“ zu verurteilen. Busemann laut den Emslandausgaben der Neuen Osnabrücker Zeitung wörtlich:  „Wir brauchen ein Signal für Deutschland, dass so etwas nicht geht.“

Das Populistenkreuz in Silber mit Stammtisch und Schützenkette dürfte dem Schafzüchter mit EU-Subventionen jetzt sicher sein. Demokraten jedoch, die den Begriff der Gewaltenteilung ernst nehmen oder jedenfalls verstanden haben, schütteln sich und wenden sich ab. Busemann hat sich in die Strafgerichtsbarkeit eingemischt und weit im Vorfeld eines Schuldspruchs eine konkrete Strafe gefordert. Ausgerechnet Busemann, der Justizminister des Landes, in dem auch dank einer ungezügelten und hemmungslosen Agrarentwicklung die Auswirkungen des Dioxinskandals am größten sind, fordert konkret „langjährige Freiheitsstrafen“ und weiß auch schon weshalb „wegen gewerbsmäßigen Betruges“.

Mit seinem „Signal für Deutschland“ etikettiert er seine eigene rechts- und verfassungswidrige Einmischung. Denn Artikel 92 des Grundgesetzes bestimmt: „Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut.“ Diese Unabhängigkeit ist bester  Teil der in Jahrhunderten entwickelten Gewaltenteilung des demokratischen Rechtsstaates. Kein Justizminister hat der Justiz deshalb irgendwelche Handlungsanweisungen vorzugeben. Sein Dienst besteht darin, die Arbeitsfähigkeit der  unabhängigen Justiz als „dritte Gewalt“ sicher zu stellen. Punkt.

Das Schlimme: Als sich Putin schamlos in den Chordorkowski-Prozess einmischte, wurde er hierzulande dafür heftig und zu recht kritisiert. Der Schwadroneur aus Dörpen merkt nicht einmal, dass er gerade dasselbe tut wie der Mann aus Moskau. Das macht diesen Justizminister unerträglich. „Wir brauchen ein Signal für Deutschland, dass so etwas nicht geht.“  Zurücktreten, Busemann!

 

(Foto © Michel Balzer CC)

5 Antworten to “Emsland-Putin”

  1. kib said

    Im Zusammenhang mit dem Dioxinskandal liegt politisch einiges im Argen:
    Frau Aigner hält es derzeit eher mit Terence Trent Darby: „All I can do, is sit and wait…“
    Sie fordert ausgerechnet die Futtermittelindustrie auf, Lösungsvorschläge zu erarbeiten?
    Da hat sie sich aber nicht mit H. Busemann abgestimmt, oder meint sie aus der Haftanstalt heraus 🙂
    Foodwatch-Sprecher Martin Rücker bemerkte zu ihrem Vorschlag treffend:
    „Man fragt doch auch nicht den Autodieb, wie die Diebstahlsicherung von Autos verbessert werden soll.“

  2. ottoh said

    So abwegig ist die Sache denn doch nicht. Im IT Bereich findet man zu Hauf erfolgreiche Hacker, die als Sicherheits-Berater bei großen Firmen anheuern.

    Warum also nicht Kenner der Szene einbinden und sich von denen schlau machen lassen?

    Busemann ist Rechtsanwalt und Notar (wie der Betreiber dieses Blogs) und dürfte ebenso (wie der Betreiber dieses Blogs) durchaus wissen, was formal geht. Dem populistische veranlagten CDU Abgeordneten könnte man ja noch zustimmen, aber als Justizminister macht er sich mit solchen Äußerungen untragbar.

    • lingentheo said

      Ein Mann, der gerne kriminalisiert und vorverurteilt ist als Justizminister völlig Fehl am Platze und unerträglich.

    • kib said

      @ottoh, der Gedanke zu Hackern, die die Seiten wechseln ist mir auch gekommen (u.a. mit „Catch me, if you can“ verfilmt).
      Es macht allerdings m.E. einen gewaltigen Unterschied, ob ein Computer-Freak seinen (falschen) Ergeiz nicht zügeln kann, oder jemand aus Profitgier die Gesundheit und das Leben von Menschen gefährdet.
      Unsäglich allerdings: bevor Frau Aigner als erste Reaktion „den Ball“ an die Verursacher dieses Skandals zurückspielt, hätte ich erwartet, dass sie die bestehenden Gesetzeslücken (in Bezug auf strengere Kontrollen, höhere Auflagen für Futtermittelproduzenten und eine transparentere Lebensmittelproduktion) reflektiert. Sie wird ihre Gründe dafür gehabt haben, dies zunächst zu unterlassen. Sie war mit ihrem „Maßnahmen-Ranking“ schlecht beraten.

      • na ja, ist natürlich die Frage wie man es sieht. Hacker sind in der Regel Softwareentwickler oder Systemadministratoren, ich würde den Begriff nicht gleich immer negativ belegen, zudem helfen auch viele „Hacker“ Sicherheitslücken in Frimen zu schließen.

        Wir haben auch Hacker, die z.B. über Software staatliche Internetsperren im Iran umgehen, um mal den Internetnickname Austin Heap zu nennen.

        Würde nun der Iran jetzt versuchen diese Person über die Staatsanwaltschaft in San Francisco wegen diesen „Hacks“ verfolgen, würde es wahrscheinlich so sein, das der Staatsanwalt den Brief aus Tehran direkt in die Mülltonne verfrachtet. 😀 😀

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