Schwarzfahrer

10. Juni 2013

BahnhofLingenDie Technokraten sind los und haben wieder in ganzer Breite… Guckst Du:

Für die Regionalzüge zwischen Elbe und Ems gilt ab dem 9. Juni 2013 der neue Niedersachsentarif. Im Zug können dann keine Fahrkarten mehr nachgelöst werden. Wer ohne Ticket in einen niedersächsischen Regionalzug steigt, fährt ab sofort als Schwarzfahrer und zahlt bei einer Kontrolle 40 Euro. [Quelle und mehr]

Wer einmal nach dem Warten in einer Schlange vor einem dieser bisweilen störrischen Automaten versuchte, noch eine Fahrkarte zu lösen, während der Zug einfuhr, weiß, was ich meine. Kurzum: Wer kommt auf solch eine kunden- und bahnfeindliche Idee?

Verbraucherverbände kritisieren die Technokratenidee als „extrem fahrgastunfreundlichen Rückschritt“. Jürgen Klimpel vom Bahngastverband „Pro Bahn“ sagt mit Blick auf zerknitterte Geldscheine: „Ich kann doch kein Bügeleisen immer in der Tasche haben und die Noten vorher bügeln. Oder wir hatten doch neulich den Fall, dass die neuen Fünf-Euro-Noten gar nicht vom Automaten akzeptiert wurden. Also, man kann nicht bei diesen Ausnahmefällen sagen, jetzt bist Du Schwarzfahrer oder Du bist kriminell.“

Vor einiger Zeit durfte ich in Finnland mit der Eisenbahn fahren. Dort gibt es in jedem Zug einen markierten Bereich, in dem Reisende ohne Ticket Platz nehmen können, damit ihnen durch den Zugbegleiter eine Fahrkarte verkauft wird. Wer außerhalb dieses Bereichs ohne Fahrkarte angetroffen wird, fährt schwarz. Eine einfache, effektive Idee.  Hier werden wir stattdessen zu einem Volk von Schwarzfahrern, weil es eine neue, reichlich idiotische Niedersachsenregel gibt.

Ich sage dieser Neuigkeit mal eine Halbwertszeit von einem Monat voraus. Dann haben sich so viele Bahnfahrer empört, dass sie in der Versenkung verschwindet.

(Foto: Bahnsteig im Bahnhof Lingen © milanpaul)

 

21 Antworten to “Schwarzfahrer”

  1. Otacon said

    Was du dabei übersiehst ist, dass es innerhalb von Verkehrsverbünden bereits gängige Praxis ist. Zum Beispiel zwischen Rheine und Münster ist es seit mindestens 2005 im Normalfall nicht möglich eine Fahrkarte in Zug zu kaufen. Das macht es zwar nicht besser, dass wir das jetzt auch nicht mehr können, aber mit einer kurzen Halbwertszeit rechne ich nicht wirklich.

  2. Emsland said

    Leider ein sehr schlechte Regelung. Ich fahre sehr selten mit der Bahn, obwohl ich gerne öfters fahren würde. Da fehlen aber spät abends im Emsland Zugverbindungen, mit denen man nach einem Konzert z. B. in Osnabrück noch zurück kommt.

    Mindestens bei jeder zweiten Fahrt bekomme ich die Karte nicht pünktlich, sei es weil ich einen bestimmten Tarif (auch nach Anfrage bei gewieften anderen Reisenden) nicht finde, weil die Schlange zu lang ist oder Emsbüren am Automaten nicht zu finden ist!
    P.S.: Inzwischen ist mir bekannt, wie Emsbüren zu finden ist…

  3. Michael Sänger said

    Deinen Optimismus in puncto Halbwertzeit von einem halben Monat in Ehren, aber du unterschätzt die Hartnäckigkeit der DB.

    Mit dieser Regelung läßt sich doch viel Geld verdienen. Das ist die einzige Überlegung einer solchen Monopolinstitution. Leider leben wir nicht in Frankreich, dort würden alle Bahnfahrer für vier Wochen die Bahn meiden und eine solche vergleichbare Regelung würde schnell gekippt. In Deutschland lassen sich die Untertanen immer noch von „Obrigkeiten“ alles bieten, was diese an Unsinn produzieren, aber das Volk kuscht, frei nach dem Motto von Karl Rode, Oberleutnant zur See: ….Wir steh´n an deines Thrones Stufen und halten ihn in Treuen fest und sind bereit hurra zu rufen, wenn es sich irgend machen läßt“. Also: Wir wollen sein ein einig Volk von Schwarzfahrern. Ich finde das so schade, da solche Bahnobrigkeitsentscheidungen das Image der Bahn verschlechtern. Ich fahre sehr oft von Rheine nach Berlin und erlebe pünktliche Züge mit freundlichem Zugpersonal. Diese 40 Euroregelung könnte fast dem Hirn eines Herrn Medohrn entsprungen sein, wenn er denn noch bei der Bahn wäre.

    • Ich glaube eher, dass Sie den Hirnen der Landesnahverkehrsgesellschaft entsprungen (oder von ihr nicht verhindert) ist. Denn der Niedersachsenverbund besteht nicht nur aus der Bahn AG.

    • Hendrik said

      Die 40,00 € werden sich sicher bald erledigt haben, hieß es nicht es stünden bald 60,00 € auf dem Zettel?

  4. In der Eisenbahn-Verkehrsordnung (§ 9 Abs. 2) steht die schöne Regel: „Der Anspruch auf Ausgabe eines Fahrausweises erlischt fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges.“ Ich deute sie so, dass man Anspruch auf Ausgabe eines Fahrausweises hat, wenn man sich spätestens fünf Minuten vor Abfahrt um einen solchen bemüht.

    Wenn die Bahn ihren Fahrkartenverkauf so einrichtet, dass man keine Chance hat, rechtzeitig an eine Fahrkarte zu kommen, kann das die Beförderungspflicht (§ 10 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes) nicht aushebeln. Daraus folgt für mich: Man darf dann auch ohne Fahrschein einsteigen und hat den Fahrpreis dem Schaffner zu zahlen.

    Aber bevor jetzt einer diese Argumentation ausprobiert: Ich bin kein Jurist. Aber Robert Koop ist einer. Was hält er von dem Zusammenspiel dieser beiden Regelungen?

  5. Vielfahrer said

    Hier regen sich mal wieder die Gelegenheitsfahrer auf. Früher oder später wird es bei der DB genauso kommen wie bei den privaten Anbietern. Da gibt es Fahrkartenautomaten nämlich nur im Zug oder bei einigen (z.B. HKX) nur über das Internet. Die DB arbeitet intensiv auf die Abschaffung der Fahrkartenschalter in kleineren Bahnhöfen hin und der Kostenfaktor für mutwillig zerstörte Automaten an Bahnhöfen ist so imens, dass man schon lange überlegt sie in die Züge zu verlegen.
    Weiterhin gibt es jederzeit die Möglichkeit über´s Internet Karten zu kaufen und wer früh bucht erhält sie sogar oft zum Bruchteil des normalen Preises. Außerdem wird immer mehr das Handy (App´s etc.) als Möglichkeit angeboten um Fahrkarten zu kaufen.

    Ich als Vielfahrer (mit dem Zug) sehe keinerlei Probleme darin mein Ticket nicht mehr im Zug kaufen zu können (was soweiso nur noch mit ordentlichen Zusatzgebühren möglich war).
    Sicherlich wird es jetzt mehr Schwarzfahrer geben aber nur weil alle die sonst erst ein Ticket gekauft haben wenn der Schaffner kam (und keines gekauft haben wenn er nicht in Sicht war) nun definitv als Schwarzfahrer gelten.

    • Emsland said

      Fraglich ist, wieso etliche Personen nur Gelegenheitsfahrer sind? Vielleicht ist das Angebot nicht da?
      Bei mir ist es ein Teufelskreislauf: da die Verbindungen (abends) nicht da sind, steige ich sehr selten auf die Bahn um, obwohl ich direkt am Bahnhof wohne. Da ich selten die Fahrgelegenheit habe, lohnt sich eine Bahncard nicht, da ich keine Bahncard habe, sind die paar Fahrtmöglichkeiten wiederum zu teuer und ggü anderen Beförderungsmöglichkeiten nicht konkurrenzfähig… etc. pp…

      Von den Verbindungen von Meppen Richtung NL oder CLP gar nicht zu reden!

      Und dann rauche ich auch noch!

    • Tja, der behördliche Fortschritt hat Sie auf seiner Seite!

  6. SirHM said

    Erwischt als Schwarzfahrer, 40,- Euro sind zu berappen. Und nun? die 40,- Euro sind doch sicherlich als Strafe zu sehen. Um den Erwerb eines ordentlichen Tickets kommt man doch anschließend nicht herum oder? Soll heißen: Am nächsten Bahnhof muss ich aussteigen und mir bei einer Aufenthaltszeit von 2 Minuten schnell ein Ticket besorgen? Oder kann / darf der Verkauf in diesem Fall doch durch den Schaffner erfolgen?
    Willkommen in Niedersachsen!

    • Emsland said

      Das wäre dann systematisch die gleiche Unlogik wie die Bussgelder für das Einfahren in eine Umweltzone. Würde die Regelung ernst genommen, müsste zusätzlich abgeschleppt werden oder eine Kralle an die Räder….

      Der nächste Verstoß wird aber hingenommen oder damit nicht die Ernsthaftigkeit der Regelungen unterstrichen.

      Bin übrigens auf diese Zonen immer wieder gestoßen, da das Bahnangebot nicht da war:-)

      • ulrike said

        Aber man darf schon mit gültiger Fahrkarte einen Zug besteigen , oder ???
        Nach wiederholtem Lesen der Zuschriften drängt sich fast die Vermutung auf , daß o h n e der Regelfall sei .
        Ich persönlich neige dazu ,für Dienstleistungen eines Taxifahrers,Fensterputzers , Anwalts oder Frisörs zu bezahlen.

        • OK. Das freut die Dienstleister. Aber zahlst Du stets vorher?

          • ulrike said

            Ich vermute , daß aus praktischen Gründen , wie bei Inanspruchnahme eine Busses oder Flugzeuges, es hier seit vermutlich zich Jahren üblich ist , eine standardisierte Dienstleistung im Voraus zu bezahlen .
            Ich vermute ferner , daß es Situationen geben kann , in denen man ohne Fahrkarte einen Zug besteigen muß.
            Wenn z. B. ein naher Angehöriger meiner Hilfe bedarf und der ZUG fährt in wenigen Minuten ab , -der Schalter ist geschlossen , der Automat kaputt oder nimmt meine neuen Fünfeuro-Scheine nicht , — ich habe abgeklärt , daß ein Flugzeug aus Klausheide nicht zur Verfügung steht und ein Taxi meinen finanziellen Rahmen ebenfalls sprengt , ja dann ….

          • Robert Koop said

            @Ulrike Ich sehe, wir verstehen uns!

    • Otacon said

      Die 40 € sind ein sogenanntes erhöhtes Beförderungsentgeld, die Bescheinigung über die 40 € gelten also quasi als Fahrschein. Die komplette Regelung ist übrigens doppelter Fahrpreis, mindestens jedoch 40 €. Also kann es auch noch teurer werden.

      • Emsland said

        und dann kann ich meine geplante Fahrt nach München antreten, weil ich ja einen „Pauschal-Fahrschein“ habe?
        Danke für den Tipp!

        • Otacon said

          Ja klar. Kostet halt nur das doppelte. Natürlich steht da drauf von wo nach wo du willst. Also Lingen Rheine = 40€. Lingen-München= 278€. Aber dafür muss man sich als Schwarzfahrer schon so dumm anstellen und sagen wo das eigentliche Ziel ist.

          • Emsland said

            Ach sooo! Ja der Ehrliche ist der Dumme! Tolles System. Wobei ich hier die „unverschuldeten“ Schwarzfahrer meine. Fängt ja schon bei der Zugbindung an….

        • Bernd Koop said

          Vergisst man das Semesterticket, muss man jeweils pro Zug den vergessenen Fahrschein anmelden. Und eben auch die 8.00 € „Gebühr“ die beim nachträglichen Vorzeigen anfallen pro Zug zahlen.

          Der Nahverkehr, oder SPNV, ist so voller Schikanen für die vorgeblichen Kunden, ich versteh‘ das schon lange nicht mehr.

          • Job said

            Ich bin auch der Meinung, dass der Fahrgast der keinen gültigen Fahrkarte hat, warum auch immer, die Möglichkeit haben muss einen solche im Zug zu kaufen. Wenn die Bahn dies nicht ermöglicht, kann der Fahrgast kostenlos die Bahn benutzen.

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