Nebelbombe

28. September 2012

Heute empört sich die NOZ, dass die vom Betreiber geplante Vernebelungsanlage am AKW Lingen bislang vom niedersächsischen FDP-Umweltminister nicht bearbeitet worden ist.  Diese Aufregung hat nun mindestens zwei Aspekte.

In der Sache hat mich das Nebelkonzept nie sonderlich überzeugt und her an „weiße Salbe“ erinnert, die beim Auftragen nicht hilft. Aber man tut so. Die Vernebelung  von Atomkraftwerken bietet jedenfalls nicht die angedachte Sicherheit gegen Terrorangriffe aus der Luft: Verkehrsflugzeuge werden über GPS gesteuert, Terroristen würden im Zweifel zusätzlich über mobile GPS-Systeme, etwa in Laptops, verfügen. Die GPS-Genauigkeit liegt längst im Zentimeterbereich. Solche Systeme lassen sich nicht durch Nebel täuschen.

Binnen 40 Sekunden -so der Plan-  soll der Nebel ausgebreitet sein, wenn ein anfliegender Jet noch 15 km – das entspricht rund zwei Minuten – von seinem Ziel entfernt sei. Das ist sehr wenig Zeit für die AKW-Mitarbeiter, um die verbunkerte „Notsteuerstelle“ zu besetzen und die „Reaktorschnellabschaltung“ auszulösen – für den Fall, dass der Pilot auch im Nebel trifft. Zusätzlich es gibt noch diese weiteren offene Fragen:

• Reicht die Vorwarnzeiten von zwei Minuten aus, um rechtzeitig die Einnebelung der Kraftwerke im Ernstfall auszulösen?
• Funktioniert das Projekt auch bei  Kälte oder Sturm?
• Kann ein Flugzeug nicht einfach abdrehen und erneut angreifen, wenn sich die künstliche Wolke verzogen hat?

Letztlich scheint es mir ein reichlich hilfloses Projekt zu sein. Es geht natürlich zurück auf den 11. September 2001 und eine sich anschließende Studie der bundesdeutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit zur Sicherheit deutscher AKW bei Flugzeugabstürzen. Das Lingener „Kernkraftwerk Emsland“ ist danach bei Abstürzen von Verkehrsmaschinen nicht sicher, folglich ein potentielles Ziel von Terroristen. Nach der GRS-Studie begann das große Nachdenken, weil bis zum 11. September das Szenario eines Flugzeugangriffs überhaupt nicht zum offiziellen Sicherheitsprogramm für Atomkraftwerke gehört hatte. Ihre Meiler gegen Terrorangriffe aus der Luft zu schützen sei deshalb, so die Betreiber vor acht Jahren, erst einmal eine gesamtstaatliche Aufgabe. Allenfalls zu „freiwilligen Maßnahmen“ wollten sich die Betreiber seinerzeit bereit finden. Dazu zählten auch die Nebelbomben.

Und jetzt zum zweiten Aspekt: Bereits vor acht Jahren, 2004, zählte Niedersachsen zu vier schwarz-gelb- bzw. schwarz-regierte Bundesländern mit AKW-Standorten, die einen Brief an den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verfasst, indem sie ihm öffentlichkeitswirksam Untätigkeit des Bundes vorwarfen. Der Schutz der AKWs gegen gezielten Flugzeugabsturz werde „seit über einem Jahr erörtert, ohne dass der Bund seinen Aufgaben nachgekommen ist“ schrieben sie.

Wenn ich heute, Ende 2012, sehe, dass der Nebelbombenantrag von RWE im niedersächsischen Umweltministerium immer noch auf Bearbeitung wartet, dann wird die ganze Unehrlichkeit einer solchen Politik greifbar. Und dann behauptet das Umweltministerium auch noch, die Nichtbearbeitung liege an der Tragödie von Fukushima und der daraus resultierenden Arbeitsbelastung. Die aber war 2011, sieben Jahre nach dem scheinheiligen Brief aus Hannover nach Berlin.  Für wie vernebelt-dumm hält uns dieses niedersächsische Ministerium eigentlich?

(Foto: AKW Lingen, © dendroaspis2008; Quelle)

Und ihr?

28. September 2012

100 Menschen in Baden-Baden, Berlin, Frankfurt am Main, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Heidelberg, Karlsruhe, Kassel und Mannheim hatManuel Däbritz die gleichen drei Fragen gestellt – hier ihre Antworten auf die erste davon.

(Quelle)