Der Niedersächsische Landtag hob am Mittwochmorgen die Immunität des Landtagsabgeordneten Ansgar Schledde (Schüttorf) und die von Thorsten Moriße, einem weiteren AfD-Landtagsabgeordneten einstimmig auf; um wen es sich bei dem zweiten Betroffenen handelt, ist bisher nicht bekannt. Vorangegangen waren hinsichtlich Schledde Anträge des Amtsgerichts und der Staatsanwaltschaft Hannover, die Immunität der beiden rechtsextremen Politiker aufzuheben.

Nachdem dies sofort zu Beginn der Plenarsitzung geschehen war, ging es sofort Schlag um Schlag. Schon um wenige Minuten später fuhren um kurz nach 9  Uhr fünf Mannschaftswagen und mehrere Zivilfahrzeuge der Polizei vor der AfD-Parteizentrale im Haus 3 am Brabrinke 14 in Hannover vor. Dann durchsuchten Staatsanwaltschaft und Polizei die dortigen Büros des Landesverbandes und des dort (!) befindlichen Kreisverbands Ems-Vechte in Hannover. Hannovers erste Staatsanwältin Kathrin Söfker bestätigte später dem NDR Niedersachsen die Ermittlungen ihrer Behörde.

Es gehe um den Anfangsverdacht des Verstoßes gegen das Parteiengesetz, sagte die Staatsanwältin: „Es sollen Spenden auf einem privaten Konto vereinnahmt und nicht unverzüglich an die Partei weitergeleitet worden sein.“ Diese Gelder sollen für Parteizwecke verwendet worden sein. „Die Gelder tauchen nicht im Rechenschaftsbericht der AfD auf“, so Söfker. Das sei ein Verstoß gegen § 31d Parteiengesetz.

Nach Informationen des NDR Niedersachsen, der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) und der Neuen Presse soll Ansgar Schledde Parteispenden nicht rechtzeitig an die AfD weitergeleitet und diese auch nicht gesetzestreu angegeben haben. Jedes Jahr müssen Parteien über Einnahmen und Ausgaben im Bundestag schriftlich Rechenschaft ablegen und dabei auch Parteispenden transparent aufführen. Der Bundestag, der den Rechenschaftsbericht prüft, bestätigte auf NDR Anfrage, den Sachverhalt zur Niedersachsen-AfD zu kennen.

Nach Informationen des NDR Niedersachsen und der HAZ stehen im Zentrum der Ermittlungen rund 48.000 Euro, die mit klarem AfD-Bezug auf Ansgar Schleddes Privatkonto eingegangen sein sollen. Auf das Konto sollen demnach unter anderem AfD-Politiker Zahlungen geleistet haben, die inzwischen im Landtag oder im Bundestag sitzen. Konkret geht es, so der NDR Niedersachsen, um die Landtagsabgeordneten Klaus Wichmann, Jens Brockmann, Harm Rykena, Dennis Jahn sowie Ansgar Schledde selbst. Einzahler seien, so der NDR, außerdem die aktuellen Bundestagsabgeordneten Thomas Erhorn, Jörn König, Frank Rinck und Dirk Brandes. Die Namen und die jeweils eingezahlten Summen liegen dem NDR vor. Die Zahlungen variieren zwischen mehreren Hundert und mehreren Tausend Euro. Zum Teil soll es sich um regelmäßige Überweisungen handeln. Die Verwendungszwecke sollen unter anderem die Begriffe „Kriegskasse“ oder „K-Kasse Mandatsträger“, sowie „Aufstellungsversammlung“, „eventueller Parteitag“ und „Wahlkampf“ enthalten.

In einer gemeinsamen Stellungnahme haben die genannten AfD-Politiker auf eine Anfrage des  NDR geantwortet. Sie erklären darin: Richtig sei, dass auf ein privates Konto private Zahlungen von verschiedenen Personen geleistet wurden. „Falsch ist, dass dieses Geld für Parteizwecke verwendet wurde.“ Das Geld sei lediglich für private politische Treffen und private Reisekosten verwendet worden. „Kein einziger Euro wurde der AfD zur Verfügung gestellt“, schreiben die neun AfD-Mitglieder weiter. „Eine Aufnahme solcher Gelder in den Rechenschaftsbericht einer Partei wäre sachlich falsch und rechtlich strafbar.“

Die AfD Niedersachsen bestreitet ebenfalls die Vorwürfe, die vier tage vor ihrem Landesparteitag in Unterlüß bei Celle öffentlichen werden. Entsprechende Ermittlungen von zwei Staatsanwaltschaften seien in der Vergangenheit bereits eingestellt worden. Der jetzige Zeitpunkt  im Vorfeld der EU-Wahl lege „den starken Verdacht nahe, dass es sich hier wiederholt um eine Schmutzkampagne gegen die AfD Niedersachsen handelt“.

Tatsächlich war Ansgar Schledde bereits vor zwei Jahren vorgeworfen worden, eine „schwarze Kasse“ zu führen. Der frühere AfD-Landtagsabgeordnete und Amtsrichter Christopher Emden hatte Vorwürfe erhoben, dass Schledde von ihm und anderen möglichen Kandidaten Geld für aussichtsreiche Plätze auf der Landesliste der AfD für die niedersächsische Landtagswahl 2022 verlangt habe. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück untersuchte seinerzeit die Vorwürfe, stellte die Ermittlungen ein. Jetzt geht es wieder um die  von Emden seinerzeit angeprangerten, undurchsichtigen Zahlungen, die es offenbar an den Schüttorfer Bauunternehmer Schledde gegeben hat.


Quellen; GN, Tagesschau, NDR, HAZ, Süddeutsche
Foto: Nieders. Landtag in Hannover, CC  am 22. Juli 2012

update: 20.04.2024

Niedersachsen will mehr Windräder aufstellen. Um die Akzeptanz zu erhöhen, sollen die Betreiber Kommunen und Anwohner finanziell beteiligen. Dazu will Niedersachsen die Genehmigung von Anlagen für erneuerbare Energie an Land neu regeln. Einen 50-seitigen Gesetzentwurf der Landesregierung soll der Landtag in dieser Woche beschließen. Er ist ein Aufbruch ins Neuland, denn künftig soll bei Windkraftanlagen die finanzielle Beteiligung der betroffenen Kommunen und Anwohner verpflichtend werden, um die Akzeptanz zu erhöhen.

Wer im Kartenportal des „Energieatlas Niedersachsen“ des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz das Häkchen bei „Windenergieanlage“ setzt, könnte denken: Schon ganz schön zugebaut, das Land.

Rund 6.300 Anlagen sind in Niedersachsen in Betrieb, mit einer Leistung von 12,7 Gigawatt. Das ist mehr als ein Fünftel der bundesweit installierten Windenergie-Gesamtleistung. Niedersachsen ist damit Spitzenreiter in Deutschland.

Aber das ist erst der Anfang. Der Energiehunger nimmt zu. Zugleich verschärft sich die Klimakrise. Mehr Windenergie soll her, und das schnell. Damit das funktioniert, braucht es mehr Akzeptanz in Kommunen und Bevölkerung.

„Nicht zuletzt geht es um die Demokratisierung der Energiewende“, sagt Marie Kollenrott der taz, Landtagsabgeordnete der Grünen, Fraktionssprecherin für Energie und Klimaschutz. „Und wir legen hier eine Blaupause für die anderen Bundesländer und den Bund vor. Das ist eines der größten Vorhaben unserer Rot-Grün-Legislatur.“ Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, habe auch schon Interesse gezeigt.Kollenrott hat den Gesetzentwurf mitverfasst, der auch den Bau von Freiflächen-Photovol­taikanlagen neu regelt. Der Entwurf legt regionale Teilflächenziele fest, um das Generalziel Niedersachsens zu erreichen, 2,2 Prozent der Landesfläche als Windenergiegebiete auszuweisen. Zudem schreibt er die Aufstellung neuer Raumordnungspläne vor.

Sein Kernstück ist jedoch die Beteiligung von Kommunen und Bevölkerung am wirtschaftlichen Ertrag neuer Windenergieanlagen. Auf Freiwilligkeitsbasis gibt es das schon. Jetzt wird es verbindlich.

Der Anlagenbetreiber muss betroffenen Gemeinden 0,2 Cent pro eingespeister Kilowattstunde als „Akzeptanzabgabe“ zahlen, zudem den Anwohnern innerhalb eines Radius von 2,5 Kilometer 0,1 Cent. Um…

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Foto: Windräder, von matthiasboeckel Pixabay-Inhaltslizenz