Jungfer-Hotze-Sektion

11. April 2024

Vielleicht der wohl älteste Schützenverein in Niedersachsen zeigt der noch älteren De Burgerzoons Schötterij Lingen, auch bekannt als „Die Kivelinge“, was da auch hier in Lingen kommen wird und kommen muss: Die Gleichberechtigung.

Wie in Lingen das Kivelingsfest ist im  niedersächsischen Stadthagen, der Kreisstadt des Landkreises Schaumburg-Lippe, das Schützenfest schon sehr, sehr lange eine große Sache: Jährlich wird es im Sommer über gleich fünf Tage hinweg gefeiert, 628 Mal bereits und damit sogar länger als in der benachbarten Landeshauptstadt Hannover, Hauptstadt des größten Schützenfestes der Welt zu sein.

Doch während Frauen beim Schützenfest in Hannover mittlerweile sogar das Amt der Bruchmeisterin bekleiden dürfen, zieht Stadthagen erst jetzt nach, Frauen in den Stadthäger Schützenverein aufzunehmen.

Vor zehn Jahren gab es schon einmal einen Anlauf. Damals hatte Simone Mensching vorgeschlagen, ein Frauenrott auf dem Schützenfest mitmarschieren zu lassen. Die Forderung führte zu erbitterten Debatten: Die städtische Frauenbeauftragte schaltete sich ein ebenso wie der Bürgermeister, der NDR berichtete und auch die taz.

Am Ende gab es damals noch ein einstimmiges Nein der Männer im sechsköpfigen Festkomitee. „Wir haben damals zwar verloren, aber einige Konflikte wegräumen können“, sagt Mensching, die sich aber mittlerweile aus der Debatte herausgezogen hat. Doch ihre Vorarbeit und die ihrer Kolleginnen war erfolgreich. Denn jetzt haben sich tatsächlich sieben Stadthäger Frauen zu einem eigenen Rott zusammengeschlossen. Gleichberechtigt mit den anderen 15 Rotts der Schützen aus Stadthagen nehmen sie im  kommenden Juni am Festprogramm des Volksfestes teil.

Bisher sei es ja nicht so gewesen, dass Frauen gar nicht am Schützenfest beteiligt waren, sagt Tania Dählmann, die das Frauenrott anführt. „Aber sie waren eben in einer eher passiven Rolle.“ Konkret bedeutete das, so die taz: Für das morgendliche Zusammenkommen der Herren in den Rotts schmierten sie die Mettbrötchen, zapften das Bier, durften auh abends bei den Partys und Festbällen mittanzen. Aber der Zusammenschluss in den Rotts blieb einzig Männern vorbehalten. Das ist jetzt vorbei.

Denn beim aktuellen Anlauf der Stadthäger Frauen gab es in den letzten Monaten kaum kontroverse Diskussionen. Das über die Aufnahme entscheidende Festkomitee führte im Vorfeld Gespräche, holte in einer Abstimmung unter den aktiven Schützen ein Stimmungsbild ein. Die Mehrheit der Männer hatte ihre Vorbehalte aufgegeben, weshalb das Komitee seine Entscheidung von damals revidierte.

„Es ist schön zu sehen, wenn sich etwas tut“, sagt Mensching, die in Stadthagen mit dem Schützenfest aufgewachsen ist. Zur 629. Auflage in diesem Sommer marschiert dann auf dem Stadthäger Marktplatz der „Julianen-Rott“ auf – benannt nach einer Regentin des Fürstentums Schaumburg-Lippe, die als reformorientierte und tolerante Herrscherin galt.

Aktuell dreht sich bei uns in Lingen noch alles um Marketenderinnen, ohne die es beim Kivelingsfest nicht geht. Die Grünen im Lingener Stadtrat haben durchgesetzt, den Platz zwischen Große Straße und Mühlentorstraße als Platz der Marketenderinnen zu benennen. 

Die Rolle der Lingenerinnen beim Kivelingsfest wird sich darüber hinaus nachhaltig ändern. Auch wenn die AD 1372 als Junggesellenverein ins deutsche Vereins- und Soldatenleben eingetretenen Kivelinge gerade ohne Frauen im Verein ihr 650. Jubiläumsjahr gefeiert haben: Die Aufnahme von Frauen in den Verein wird kommen, noch nicht 2024, aber beim nächsten oder übernächsten Fest, also in ein paar Jahren. Vielleicht wird eine weibliche Sektion dann Jungfer-Hotze-Sektion heißen oder anders, wenn jemand einen anderen oder gar besseren Vorschlag hat. 


Quellen: NDR, taz, HAZ, wikipedia