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10. November 2011

Ungebrochen geht nach den Kommunalwahlen vor zwei Monaten das Zupflastern des Emslandes mit Mastställen voran. 83.900 Hähnchenmastplätze sollen schon seit längerem in Wippingen, nahe Dörpen, entstehen. Die Besonderheit: Im Genehmigungsverfahren für die neue Hähnchenmastanlage Wilmes fordert der Landkreis ein Brand- und ein Keimschutzgutachten. Ein Erfolg des Berliner Verwaltungsrechtlers Peter Kremer, der vor allem den fehlenden Brandschutz moniert hatte. Ob es jetzt allerdings zu der für den 8. Dezember um 10 Uhr im Kreishaus in Meppen geplanten öffentlichen Erörterung des Vorhabens kommen wird, ist trotzdem fraglich.

Denn der beauftragte Berliner Rechtsanwalt Peter Kremer hat im Namen der zahlreichen Einwender beantragt, wegen fehlender Antragsunterlagen den geplanten Erörterungstermin am 8. Dezember abzusagen und die Antragsunterlagen ggf. nach ihrer Vervollständigung neu auszulegen. Zum anderen hat seine rechtliche Überprüfung der Antragsunterlagen ergeben, dass die Anlage nicht genehmigungsfähig ist, da zahlreiche Rechtsvorschriften dem entgegenstehen. Insbesondere bemängelt Jurist Kremer folgende Punkte:

  • Die Immissionsprognose sowie das darauf aufbauende Keimgutachten sind u.a. wegen Mängeln bei der Ausbreitungsberechnung fehlerhaft und nicht verwendbar.
  • Eine Geruchs-Immissionsprognose fehlt.
  • Das Keimgutachten ist grob fehlerhaft, weil an keiner Stelle auf die spezifische Gefährlichkeit von Bioaerosolen eingegangen wird und keine Prognose im Hinblick auf die zukünftige Belastung der Anwohner mit Keimen und Endotoxinen vorliegt.
  • Das Brandschutzkonzept versucht gar nicht erst, eine Rettung der Tiere im Brandfall zu erreichen, was dem im Grundgesetz verankerten Tierschutzgedanken und den Vorgaben der Niedersächsischen Bauordnung widerspricht.
  • Die geplante Haltungsform der Masthähnchen ist mit den Vorgaben des Tierschutzrechtes unvereinbar.
  • Die Anlage ist bauplanungsrechtlich unzulässig, da eine Privilegierung des Vorhabens nicht besteht und durch das Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt werden.
  • Es fehlt eine Umweltverträglichkeitsprüfung, obwohl dies erforderlich gewesen wäre.

„Wir hoffen sehr, dass die sehr umfangreichen Ausführungen insbesondere zu Keim- und Brandschutzfragen dazu führen, dass der Landkreis Emsland Anträge auf Massentierhaltungsanlagen nicht mehr bzw. nur noch sehr restriktiv genehmigt,“  wird Katja Hübner vom federführenden NABU-Regionalverband Emsland / Grafschaft Bentheim in einer Pressemitteilung des „Aktionsbündnis Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ zitiert. „Wir rechnen allerdings damit, dass wir ggf. auch gerichtlich gegen Genehmigungen des Landkreises vorgehen müssen,“ so die diplomierte Landespflegerin. „Aber das, was wir in einem solchen Verfahren wie in Wippingen erreichen, wirkt sich auch auf alle weiteren Verfahren positiv aus. Deshalb lohnt sich unser Engagement gleich mehrfach,“  ist die Mitarbeiterin des NABU überzeugt.

Unter Federführung des NABU-Regionalverbandes Emsland / Grafschaft Bentheim haben deshalb insgesamt 10 Vereine und Verbände sowie zusätzlich etwa 100 Privatpersonen umfangreiche Stellungnahmen in Sachen „HMA Wilmes Wippingen“ abgegeben und massive Bedenken geäußert.

„Wir erwarten, dass in diesem Verfahren die Standards im Umgang mit Keim- und Brandschutzfragen gesetzt werden, die auch in zahlreichen weiteren Genehmigungsverfahren Anwendung finden werden. Deshalb haben wir uns sehr intensiv mit den Antragsunterlagen auseinandergesetzt, uns mit anderen Vereinen wie BUND und Tierschutzbund sowie zahlreichen Privatpersonen zusammengetan und auch professionelle Unterstützung  von Rechtanwalt Peter Kremer und Immissionsschutzgutachter Knut Haverkamp in Anspruch genommen,“ heißt es in der vom NABU-Regionalverband Emsland / Grafschaft Bentheim verantworteten Pressemitteilung weiter.

Der NABU bittet übrigens um Spenden für seinen Einsatz gegen Massentieranlagen. Sie können  unter dem Stichwort „Aktionsbündnis“ auf das Konto des NABU-Regionalverbandes Emsland/Grafschaft Bentheim Nr. 1060015888, Sparkasse Emsland, (BLZ 26650001) überwiesen werden und fließen direkt in Aktionen gegen Massentieranlagen. Diese Spenden sind steuerlich absetzbar.

Fluchtweg II

23. Oktober 2010

Die bislang faktisch unkontrollierte Massentierhaltung mit ihren Hunderten Käfigen und Ställen  im Emsland geht unverdrossen weiter. Anträge für 230 neue Großmastställe liegen beim Landkreis auf Halde. 150 von ihnen betreffen industrielle Monsterställe, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zu genehmigen wären – oder eben nicht. Rund 30 Millionen Geflügelmastplätze gibt es in unserem Landkreis bereits. 100 Hähnchen und Hühnchen pro Kopf. Sie scheißen uns schlicht zu.

Dass es so weit gekommen ist, ist die zwangsläufige Folge langjährig sorgloser und rechtlich zweifelhafter Genehmigungspraxis und einer kumpelhaften Verknüpfung von absoluter CDU-Mehrheit, fehlender Kontrolle durch die lokalen Medien, augenzwinkernd mitmachenden „Wie hätten Sie’s denn gern?“-Genehmigungsbehörden und  industriellen Nahrungsmittelproduzenten, die immer noch so tun und dargestellt werden, als hätten sie irgendwas mit Bauern oder Landwirten zu tun – alle natürlich mit demselben CDU-Parteibuch, sei es tatsächlich oder zumindest im politischen Geiste.

Inzwischen versucht der  Landkreis Emsland unter seinem Landrat Hermann Bröring die Genehmigungsgeister der Massentierhaltung, die man rief und wollte, atmosphärisch etwas  einzugrenzen. Es brennt nämlich ein Jahr vor der Kommunalwahl 2011 politisch und so sucht Hermann Bröring -frei nach § 20 Niedersächsische Bauordnung– seine eigenen Fluchtwege.

Doch erst auf direkten Hinweis von Fachanwalt Peter Kremer (Berlin, mehr…) hat der Landkreis mit seinen Dutzenden von Beamten im Bauamt jetzt  den Brandschutz für die gequälten Kreaturen entdeckt -ich kommentierte. Man konnte ihn einfach nicht mehr missachten, wo er doch tatsächlich in der Niedersächsischen Bauordnung steht. Jetzt soll gar ein „unabhängiges Rechtsgutachten“ Klarheit schaffen – so als ob es das in dieser Frage geben könne, ein unabhängiges Rechtsgutachten.

Und nach all den tausenden Atemwegserkrankungen beginnen die Mannen um Landrat Bröring ein Jahr vor der Kommunalwahl auch noch die Menschen zu beachten, deren Gesundheit durch die unkontrolliert stinkenden Monsterställe bedroht werden. Allerdings nur bei den absoluten Riesenställen und sofern sie nicht jenseits einer 500m-Grenze leben und mit dem zarten Entschuldigungsaugen-Aufschlag, dass man seit Jahren „am Ball“ sei, doch „keine rechtliche Handhabe“ gehabt habe. Welch unehrliches Gerede! Denn niemand hätte den Landkreis gehindert, zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt Schluss zu machen mit der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und Regeln aufzustellen, was geht und was nicht. Woanders war dies möglich. Denn weshalb, Hermann Bröring, gibt es diese Emslandisierung mit ihren Monsterställen praktisch nur  hier im Nordwesten,vorzugsweise in Cloppenburg, Vechta und eben im Emsland?

Die Menschen merken: Was der Landkreis will, kommt  viel zu spät und ist nicht konsequent; ein Drittel der auf Halde liegenden 230  neuen emsländischen Anträge braucht gar nichts und die anderen 150  brauchen auch nicht etwa den jetzt entdeckten Keimschutz, sondern nur ein Gutachten, ob denn Keimschutz sein müsse. Ähnliches gilt auch für den bislang nahezu immer fehlenden Brandschutz … Das Fluchtmanöver des 2011 scheidenden Landrats ist also durchsichtig und  führt nur in eine  Sackgasse. Heraus geht es hier.

Fluchtwege

17. September 2010

„Offiziell gibt es keine Maststall-Krise im Landkreis Emsland, und auch kein Genehmigungsmoratorium. Folgerichtig kann das Treffen, das Landrat Hermann Bröring (CDU) mit den zuständigen Abteilungsleitern der Kreisverwaltung anberaumt hat, auch nicht Krisentreffen heißen. „Es gibt kein Krisentreffen“, sagt der Kreissprecher.

Gut, nennen wir’s also Statusgespräch, auch wenn das eher nach unbeholfener PR einer Regionalverwaltung klingt, die abwiegelt – vielleicht, weil eine Maststall-Krise leicht nach Krise des Emslandes klingt: Nirgends in Deutschland ist die Konzentration an Geflügelmastplätzen ähnlich hoch, fast 33 Millionen sind genehmigt, rund 250 Millionen Stück Schlachtvieh produzieren sie pro Jahr. Eine gewaltige Lobby – da scheut man…“

Weiter auf der Internetseite der taz-Nord (Hier der taz-Kommentar: „Es kommt drauf an, wie mans macht“)

Informativ ist für mich vor allem das „Fluchthilfethema“ in der taz-Veröffentlichung: „Bauliche Anlagen müssen so angeordnet sein“, heißt es nämlich in der Niedersächsischen Bauordnung, „dass bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind“. Das gilt immer, denn zu § 20 NBauO gibt es  „keine Ausnahmetatbestände, die auf Mastställe anwendbar wären“, erläuterte gegenüber der taz der Berliner Verwaltungsrechtler Peter Kremer.

Fluchtmöglichkeiten für die Tiere fehlen aber in allen(!)  genehmigten Massentierställen – im Emsland allgemein und in Lingen mit seiner eigenen Baubehörde im Besonderen. Im Landkreis des Hermann Bröring war das bisher niemandem aufgefallen, in Lingen genauso wenig. In unserer Stadt ist dafür Stadtbaurat L. zuständig, und dem Oldenburger fällt bekanntlich ohnehin nichts auf. Sonst hätte er bemerkt, dass wahrscheinlich alle Baugenehmigungen der letzten Jahre für Mastställe dem § 20 NBauO widersprechen und damit rechtswidrig sind.