H2 aus dem Klärwerk?

11. Februar 2024

Offiziell zurückgezogen hat die SPD im Lingener Stadtrat einen Antrag zum Etat 2024/25. Nach ihrem Willen sollten immerhin gleich 100.000 € für ein Gutachten bereit gestellt werden für die  „Wasserstoffbereitstellung aus der Kläranlage als Rohstoff für die Wasserstoffherstellung“. Was da etwas quer formuliert daher kam, war auch sonst kein Renner. Skeptisch zeigtn sich die anderen Ratsfraktionen von CDU, Grünen und BürgerNahen (BN) vor allem deshalb, weil in mehreren Städten in Deutschland exakt zum selben Punkt geforscht wurde. Warum also sollte unsere Stadt zu diesen Forschungsvorhaben ihr eigenes hinzufügen? fragten sie de SPD.

Die Skepsis der anderen Fraktionen Rat führte jedenfalls Ende Januar zur Antragsrücknahme der SPD und zwar, wie sich aktuell herausstellte, völlig zu recht. Denn ein entsprechendes Elektrolyseprojekt in einem  Klärwerk in Hannover ist gerade gescheitert. „Doch kein Wasserstoff aus Hannover“, titelt dazu die taz-Nord und erinnert fast ein wenig wehmütig, dass die Produktion dieses sog. grünen Wasserstoff in einem Klärwerk in Hannover ein Leuchtturmprojekt werden sollte. Doch die Stadt Hannover musste es beenden. Die taz:

„Es klang so charmant und hatte schon eine Menge Vorschusslorbeeren eingeheimst: Am Klärwerk in Hannover-Herrenhausen sollte grüner Wasserstoff produziert werden. Doch nun musste die Stadt die Reißleine ziehen, die Kosten explodieren, das Leuchtturmprojekt zerbröselt, noch bevor es gebaut wurde.

Sektorenkopplung heißt das Zauberwort für das, was hier versucht werden sollte. Mit einem Elektrolyseur direkt am Klärwerk sollten gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Der Plan: Das Klärwerk hätte das Wasser geliefert – einfach geklärtes Betriebswasser statt kostbaren Trinkwassers – und den bei der Wasserstoffproduktion übrig bleibenden Sauerstoff direkt weiterverwertet.

Bisher wird bei der Abwasseraufbereitung Luft verwendet, die mit Turboverdichtern aus der Umgebung gewonnen und dann in die Klärbecken gepumpt wird – ein Vorgang, der für einen Großteil des hohen Stromverbrauchs der Anlage verantwortlich ist. Hier hatte man auf ein Einsparpotenzial und eine effizientere Nutzung gehofft.

Mit dem entstehenden Wasserstoff sollten dann unter anderem Wasserstoffbusse des kommunalen Verkehrsunternehmens Üstra betankt werden. Dazu hätte eine Wasserstofftankstelle errichtet werden sollen. Die entstehende Abwärme sollte außerdem in das Fernwärmenetz vom kommunalen Energieversorger Enercity eingespeist werden.

Eine Win-win-Situation in mehrfacher Hinsicht sozusagen. Das sah auch das Land Niedersachsen so, zumindest hat es dieses Investitions- und Forschungsprojekt mit 6,37 Mio. gefördert. Auf 25 Millionen Euro hatte man das Gesamtvolumen des Projekts ursprünglich geschätzt.

Wobei der Bau…“

[weiter bei der taz]


Grafik: Wasserstoff-Molekül – CC gemäß Blog-Beitrag vom 28.02.2021

Grüner Wasserstoff

27. Mai 2021

Wasserstoff, grün

28. Februar 2021

Ende Januar warb der große deutsche Energiekonzern E.ON in einer Pressemitteilung dafür, mit grünem Wasserstoff zu heizen – das sei der kostengünstigste und sozial ausgewogenste Weg zum Klimaschutz bei der Wärmeversorgung, habe eine Studie ergeben (die E.ON praktischerweise gleich selbst durchgeführt hat). Mit grünem Wasserstoff könne man energetische Sanierungen und die damit verbundenen Mietsteigerungen vermeiden. Schön für den Versorger, weil er so seinem Geschäft mit dem Transport und Vertrieb von Brennstoffen für den Heizungskeller eine Zukunft geben kann.

Auch in anderen Branchen setzen Akteure auf grünen Wasserstoff, um ihre bestehenden Geschäftsmodelle zu sichern. Die Autoindustrie zum Beispiel, die so den Verbrennungsmotor retten will (und damit bei der Bundesregierung sperrangelweit offene Ohren findet, wie die jüngsten Beschlüsse zur Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II zeigen).

Und auch auf den politischen Ebenen -ganz besonders im südliche Emsland um Lingen herum- überschlägt man sich mit der PR für all den grünen Wasserstoff, der in Zukunft alle Probleme lösen wird. Nun, all das schient bei näherem Hinsehen ausgesprochen naiv.

Im Spiegel hat Wissenschaftsredakteur Kurt Stukenberg darüber geschrieben, dass der überall gehypte, „breite“ Einsatz von Wasserstoff ein Irrweg ist. Wasserstoff ist mitnichten Allheilmittel für den Klimaschutz. Bei dessen Erzeugung geht nämlich viel Energie verloren. Das macht ihn zum einen sehr teuer. Vor allem aber benötigt man enorme Mengen an Ökostrom, um nennenswerte Volumina an Wasserstoff zu produzieren.

Schon heute, so Stukenberg, reichen die anvisierten Erneuerbare-Ausbaupfade bei Weitem nicht aus, um die Ziele für 2030 zu erreichen.

„Wer von Wasserstoff träumt, muss in erneuerbare Energien investieren und deutlich schneller ausbauen als bisher“,

zitiert er Claudia Kemfert vom wahrlich nicht progressiven Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Wo immer möglich, sollte der Ökostrom direkt genutzt werden, statt den Umweg über Wasserstoff zu gehen. Das vermeidet die hohen Effizienzverluste. Also: Elektroautos statt Benziner mit synthetischem Kraftstoffe im Tank. Und Wärmepumpen statt Wasserstoff im Heizkessel. Der Wasserstoff sollte denjenigen Anwendungen vorbehalten bleiben, die sich nicht elektrifizieren lassen, der Stahlindustrie zum Beispiel oder dem Flug- und Schiffsverkehr.

Alles weitere dazu findet sich hier im SPIEGEL, den man tatsächlich bisweilen noch lesen kann und auch muss, um manch euphorischen Jublern nicht auf den Leim zu gehen.

ps Bei uns in Lingen soll eine dutzende Meter breite Strom-Schneise von der A 31 nördlich Wietmarschen-Lohne quer durch die Wälder im Lohner Sand und der nördlichen Elberger Schlipse geschlagen werden, um dann den Bereich östlich der Bahnstrecke in Darme zu erreichen und den dortigen Endmoränen den Garaus zu machen. Auf vielen Hektar zwischen Bundesbahnstrecke und Bärlocher Chemie soll eine für den „grünen“ Wasserstoff notwendige Konverterstation entstehen, plant Amprion. Vielleicht aber sollte auf die ökologischen Kosten genauer geachtet werden?


Grafik burlesonmatthew auf pixabay
Quelle Ralph Diermann auf piqd