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12. August 2021

Wasserstoff, grün

28. Februar 2021

Ende Januar warb der große deutsche Energiekonzern E.ON in einer Pressemitteilung dafür, mit grünem Wasserstoff zu heizen – das sei der kostengünstigste und sozial ausgewogenste Weg zum Klimaschutz bei der Wärmeversorgung, habe eine Studie ergeben (die E.ON praktischerweise gleich selbst durchgeführt hat). Mit grünem Wasserstoff könne man energetische Sanierungen und die damit verbundenen Mietsteigerungen vermeiden. Schön für den Versorger, weil er so seinem Geschäft mit dem Transport und Vertrieb von Brennstoffen für den Heizungskeller eine Zukunft geben kann.

Auch in anderen Branchen setzen Akteure auf grünen Wasserstoff, um ihre bestehenden Geschäftsmodelle zu sichern. Die Autoindustrie zum Beispiel, die so den Verbrennungsmotor retten will (und damit bei der Bundesregierung sperrangelweit offene Ohren findet, wie die jüngsten Beschlüsse zur Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II zeigen).

Und auch auf den politischen Ebenen -ganz besonders im südliche Emsland um Lingen herum- überschlägt man sich mit der PR für all den grünen Wasserstoff, der in Zukunft alle Probleme lösen wird. Nun, all das schient bei näherem Hinsehen ausgesprochen naiv.

Im Spiegel hat Wissenschaftsredakteur Kurt Stukenberg darüber geschrieben, dass der überall gehypte, „breite“ Einsatz von Wasserstoff ein Irrweg ist. Wasserstoff ist mitnichten Allheilmittel für den Klimaschutz. Bei dessen Erzeugung geht nämlich viel Energie verloren. Das macht ihn zum einen sehr teuer. Vor allem aber benötigt man enorme Mengen an Ökostrom, um nennenswerte Volumina an Wasserstoff zu produzieren.

Schon heute, so Stukenberg, reichen die anvisierten Erneuerbare-Ausbaupfade bei Weitem nicht aus, um die Ziele für 2030 zu erreichen.

„Wer von Wasserstoff träumt, muss in erneuerbare Energien investieren und deutlich schneller ausbauen als bisher“,

zitiert er Claudia Kemfert vom wahrlich nicht progressiven Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Wo immer möglich, sollte der Ökostrom direkt genutzt werden, statt den Umweg über Wasserstoff zu gehen. Das vermeidet die hohen Effizienzverluste. Also: Elektroautos statt Benziner mit synthetischem Kraftstoffe im Tank. Und Wärmepumpen statt Wasserstoff im Heizkessel. Der Wasserstoff sollte denjenigen Anwendungen vorbehalten bleiben, die sich nicht elektrifizieren lassen, der Stahlindustrie zum Beispiel oder dem Flug- und Schiffsverkehr.

Alles weitere dazu findet sich hier im SPIEGEL, den man tatsächlich bisweilen noch lesen kann und auch muss, um manch euphorischen Jublern nicht auf den Leim zu gehen.

ps Bei uns in Lingen soll eine dutzende Meter breite Strom-Schneise von der A 31 nördlich Wietmarschen-Lohne quer durch die Wälder im Lohner Sand und der nördlichen Elberger Schlipse geschlagen werden, um dann den Bereich östlich der Bahnstrecke in Darme zu erreichen und den dortigen Endmoränen den Garaus zu machen. Auf vielen Hektar zwischen Bundesbahnstrecke und Bärlocher Chemie soll eine für den „grünen“ Wasserstoff notwendige Konverterstation entstehen, plant Amprion. Vielleicht aber sollte auf die ökologischen Kosten genauer geachtet werden?


Grafik burlesonmatthew auf pixabay
Quelle Ralph Diermann auf piqd