ARDRetro

31. Oktober 2022

ARD Retro startet jetzt auch mit 1.000 Audiodokumenten zur Zeit- und Kulturgeschichte vor 1966. Abgedeckt werden damit die Nachkriegsjahre, der Mauerbau, der Kalte Krieg und mehr. In der letzten Woche hatte man  sozusagen die Archive geöffnet, um den UNESCO-Welttag des Audiovisuellen Kulturerbes am 27. Oktober 2022 zu feiern.

Neben der ARD sind auch Deutschlandradio und das Deutsche Rundfunkarchiv (DRA) beteiligt. Die neuen Inhalte sind neben den bereits seit 2020 zugänglichen historischen Videos in der ARD Mediathek online verfügbar. Die zeit- und kulturgeschichtlich relevanten Beiträge sind frei zugänglich und zeitlich unbegrenzt in der ARD Audiothek verfügbar. Beginnen werden die Pilotpartner Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), Saarländischer Rundfunk (SR), Südwestrundfunk (SWR), Deutschlandradio und Deutsches Rundfunkarchiv (DRA) mit zusammen rund 1.000 Audios. Die weiteren Rundfunkanstalten werden sich 2023 ebenfalls beteiligen, also dann, wenn das Radio in Deutschland seinen 100. Geburtstag feiert.

Die Tondokumente geben Einblicke in Themen, Denkweisen und Sprachstil der Zeitepoche vor 1966. Der rbb stellt zum Beispiel Interviews und Gespräche mit prominenten Persönlichkeiten zur Verfügung, darunter Otto Suhr, Willy Brandt, Erich Kästner, Thomas Mann oder auch Max Born sowie Otto Hahn. Wie die Videos in der ARD Mediathek können auch die Audios in der ARD Audiothek verlinkt und in eigene Webseiten eingebettet werden.  Aus Lingen und umzu ist leider nichts dabei, vielleicht weil NDR und WDR noch nichts verlinken. Im neueren Archiv findet sich allerdings der zwei Jahre alte MDR-Podcast „Von drüben und drüben“ von Doreen Jonas und Mario Köhne. Der lohnt allemal.

Im ARD-Videoarchiv gibt es mehr aus Lingen. Aus den 1960er Jahren finden sich ein paar -allerdings überwiegend stumme-  Filme über diedamals neue Krankenpflegeschule am „Bonifazius“-Hospital, die landwirtschaftliche Emslandschau, den Neubau der JVA in Damaschke oder das starengeplagte Keienvenn bei Salzbergen. Und mit flotter Marschmusik ein Filmbericht über das Kivelingsfest 1961, – mit grimmig blickenden Bürgersöhnen und dem lächelnden Polizeibeamten vor einem Schreckensteiner-Schild.

Klickt mal rein…

 


Quellen: Caschys Blog, ARD Mediathek

Was bleibt, wenn die letzten Zeuginnen und Zeugen nicht mehr am Leben sind? Wie kann auch den nachfolgenden Generationen nachhaltig vermittelt werden, was während der NS-Zeit geschah? Diese Fragen gaben den Anstoß für die Portraitreihe „Zeuge der Zeit“ von ARD-Alpha. Die inzwischen 25 Filme widmen sich ohne Ablenkung den Worten der Überlebenden – ihren Erlebnissen und Gefühlen.

Jeder Interviewfilm der Filmautoren Andreas Bönte und Michaela Wilhelm-Fischer im Sinne einer „Oral History“ ist ausschließlich einem Zeitzeugen gewidmet. Teilweise berichten diese hier zum ersten Mal so ausführlich, was geschah. Der gezielte, reduzierte Einsatz von Archivbildern und bewusst gewählte, zurückhaltende Musikakzente rahmen die Worte ein. Die fast unmerkliche Kamera lässt den Menschen erzählen. Nah, intensiv und fokussiert. Geschichten, die bleiben und ohne Zeigefinger zum Frieden mahnen.

Der jüngste Film in der Reihe betrifft Georg Stefan Troller.  Sven Prange schreibt auf piqd: „Georg Stefan Troller zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Dokumentarfilmern und Fernsehmachern der Nachkriegszeit. Der Mann  ist eine Legende für alle, die im Beobachten und Beschreiben ihre Berufung sehen. Ein Reporter, mittlerweile auch ein Zeitzeuge, der eher ein Zeitenzeuge – Plural – ist, so viele Epochen Bundesrepublik und Welt er erlebt hat.“

Verlust der österreichischen Heimat, Flucht und seine Zeit als US-Soldat in Deutschland haben das Schaffen Georg Stefan Trollers beeinflusst.“

Stefan Georg Troller, den alle kennen, die vor 50, 40, 30 Jahren TV geschaut hat, ist vor zwei Wochen 100 Jahre alt geworden. 1938 floh er über Prag nach Frankreich, dann in die USA, lebt seit 1949 in Paris. Berühmt wurde er in den 60er Jahren mit der Fernsehsendung „Pariser Journal“, danach lief seine „Personenbeschreibung“ über mehr als zwei Jahrzehnte. Troller hat bedeutende Dokumentarfilme („Mord aus Liebe“, „Unter Deutschen“, „Amok“) gedreht, Drehbücher geschrieben und mehrere Bücher veröffentlicht.

Von all dem berichtet dieser Interviewfilm, in dem der Sohn einer jüdischen Familie in Wien geborene Jahrhundert-Zeitzeuge auf sein bewegtes Leben zurückblickt. Eine Stunde Zuhören und Zusehen bitte:

Fazze gegen Biontech

31. Mai 2021

Die Woche beginnt, aber nehmt Euch bitte ein paar Augenblicke für diesen @netzpolitk-Text:

Eine Londoner Agentur bietet nämlich Influencer:innen auf der ganzen Welt Geld an, damit sie falsche Behauptungen über den Impfstoff von Biontech/Pfizer verbreiten. Mehrere beißen an und veröffentlichen Videos. Recherchen von netzpolitik.org und dem ARD-Magazin Kontraste zeigen: Hinter der Kampagne steckt eine Werbefirma, die vor allem in Russland operiert.

Eine Scheinfirma mit besten Verbindungen nach Russland macht Stimmung gegen den Impfstoff von Biontech/Pfizer – aber weshalb?
Eine Scheinfirma mit besten Verbindungen nach Russland macht Stimmung gegen den Impfstoff von Biontech/Pfizer – aber weshalb? (Symbolbild) Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Hakan Nural

Sein Video vom Freitag beginnt Ashkar Techy noch mit einem Zusammenschnitt aus lustigen Instagram-Filmchen, auf einmal ist das Bild schwarz. „Leute, bitte überspringt das jetzt nicht, ich habe etwas Wichtiges zu sagen“, wird eingeblendet. Dann überbringt der indische YouTuber seinen 500.000 Follower:innen von seinem Gaming-Stuhl aus eine Botschaft, die dramatisch klingt: Die Sterblichkeitsrate von Menschen, die den Impfstoff von Biontech und Pfizer erhalten haben, sei um ein Vielfaches höher als die von Menschen, die mit Astrazeneca geimpft wurden. Dazu blendet er eine Tabelle ein, die der Überschrift zufolge Impftote in Ländern auf der ganzen Welt auflistet.

Auch Everson Zoio, ein Influencer aus Brasilien, teilt am Donnerstag die scheinbare Schocknachricht. Er lässt sich dabei mit einer Sonnenbrille am Steuer eines Autos filmen und beruft sich auf einen Artikel, dessen Titel behauptet, ein Impfstoff könne einen schneller töten als das Coronavirus, und dazu eine schaurige Statistik präsentiert.

Die jungen Männer trennen 15.000 Kilometer, aber es ist kein Zufall, dass sie nun beide über dieses Thema sprechen. Ashkar Techy und Everson Zoio haben denselben Werbekunden. Bei den Videos vergangene Woche arbeiten sie nicht zum ersten Mal für ihn, aber so brisant wie diesmal war es wohl noch nie. Diesmal sind sie Teil einer weltweiten Desinformationskampagne. Sie ist ein Angriff auf den Ruf des in Deutschland entwickelten Impfstoffs von Biontech/Pfizer. Um ihr Ziel zu erreichen, haben geheime Auftraggeber Influencer:innen auf der ganzen Welt Geld angeboten – auch in Frankreich und in Deutschland.

Gemeinsame Recherchen von netzpolitik.org und dem ARD-Magazin Kontraste zeigen nun, wie sie dabei vorgegangen sind. Wir konnten den geschützten Bereich auf der Website einer Londoner PR-Agentur einsehen, die penible Anweisungen für die Verbreitung der Behauptungen erteilte. Ihre Spur führt zu einer Scheinfirma mit besten Verbindungen nach Russland. Deutsche Sicherheitsbehörden nehmen den Fall offenbar ernst.

Die Umsetzung der Kampagne beginnt mit einer E-Mail. Verfasser ist ein Mitarbeiter von Fazze, der Agentur in Großbritannien. Der Mann schreibt auf Englisch, er engagiere sich in einer Informationskampagne über Coronavirus-Impfstoffe. Ein Datenleck habe eine signifikante Anzahl von Todesfällen nach der Impfung von Pfizer gezeigt. Wie viel es wohl kosten würde, einen Link zu teilen?

Empfänger dieser E-Mail, wie sie offenbar an zahlreiche Influencer:innen ging, ist auch der Journalist Mirko Drotschmann, bekannt für seinen YouTube-Kanal „MrWissen2go“ mit rund 1,5 Millionen Abonnent:innen. „Ich war überrascht darüber, wie plump diese Anfrage war“, sagt er. „Man hat gemerkt, dass die Agentur sich überhaupt nicht über die Person informiert hat, die sie angeschrieben hat.“ Es passiere immer wieder, dass Influencer dubiose Anfragen erhielten. „Aber dass man Geld angeboten bekommt, um Falschnachrichten zu verbreiten, ist eine völlig neue Dimension.“

Drotschmann hat kein Interesse daran, sich auf das dubiose Angebot einzulassen, aber er ist neugierig geworden. Er twittert einen Screenshot der E-Mail und stellt eigene Nachforschungen, erkundigt sich, wer die Influencerkampagne bezahle. Aber der Mitarbeiter will keine Auskunft darüber geben, er schreibt, es handele sich dabei um eine „streng vertrauliche“ Information.

Spielanleitung für Desinformation

Wer die Verbreitung von Desinformation zurückverfolgen will, hat vor allem ein Problem: Kampagnen fallen in der Regel erst auf, wenn sie bereits Auswirkungen haben. Weil Spuren verwischt wurden, bleibt ihr Ursprung meistens im Verborgenen, wer eine Falschbehauptung gestreut hat, höchstens ansatzweise nachvollziehbar. Im Fall der Fazze-Kampagne ist das anders.

Auf der Website von Fazze gibt es einen geschützten Bereich, Zugang erhält nur, wer ein Passwort kennt. netzpolitik.org und Kontraste konnten diese Unterseite einsehen, wie sie auch eingeloggten Influencer:innen angezeigt wird. Sie enthält eine umfangreiche Anleitung, wie die YouTuber:innen vorgehen sollen, wenn sie die Desinformation teilen.

„Verwenden Sie keine Wörter wie ‚Werbung‘, ‚gesponsertes Video‘ usw. in Ihren Beiträgen, Geschichten und Videos!“, heißt es etwa – ein Vorgehen, das in Deutschland klar gegen die Kennzeichnungspflicht von Werbung verstoßen würde.

Was Fazze von den Influencer:innen verlangt, ist ein Aufruf, ihre Follower:innen in den sozialen Medien gezielt in die Irre zu führen: „Tun Sie so, als hätten Sie die Leidenschaft und das Interesse an diesem Thema. Präsentieren Sie das Material als Ihre eigene, unabhängige Sichtweise.“

Echte Zahlen, aber eine falsche Darstellung

Im Zentrum der Kampagne steht eine Tabelle, die vermeintlich die Zahl der Impftoten abbildet. In Deutschland sollen umgerechnet auf eine Million Dosen 29,9 Menschen infolge einer Impfung mit Biontech/Pfizer gestorben sein, 6,5 Menschen durch Astrazeneca. Das Problem daran: Die Zahlen sind echt, aber ihre Darstellung ist falsch.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bezeichnet die Tabelle, wie Fazze sie verbreitet hat, gegenüber netzpolitik.org und Kontraste als grob irreführend. Die Zahlen für Deutschland, die offensichtlich auf öffentlich zugänglichen Daten des PEI von Anfang April beruhen, sagen in Wahrheit gar nicht aus, wie viele Menschen durch eine Impfung gestorben sind, wie es in der Überschrift behauptet wird, sondern lediglich, wie viele Menschen innerhalb von 40 Tagen nach der Impfung gestorben sind.

Ein Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Todesfällen ist damit unbelegt, obgleich die Fazze-Kampagne einen solchen als Tatsache darstellt. Hinzu kommt, dass die nach einer Impfung Verstorbenen im Schnitt älter als 80 Jahre waren – also altersbedingt ein deutlich erhöhtes Risiko hatten, aus natürlichen Gründen zu sterben.

„Gäbe es einen Hinweis auf eine erhöhte Sterblichkeit nach Impfung mit einem Impfstoff und damit ein Sicherheitssignal, würde dieses nachverfolgt und untersucht“, schreibt das PEI uns.

Dennoch nutzt Fazze diese aus dem Zusammenhang gerissenen Daten, um nun auch jungen Menschen Angst vor einer Impfung zu machen. In den Tagen vor der E-Mail des Fazze-Mitarbeiters wurde die Tabelle auf einer Reihe von Plattformen hochgeladen, darunter Reddit und Medium. Die dafür verwendeten Benutzerkonten sind offenbar erst kurz davor erstellt worden, sie tragen bizarre Namen wie „Heuristic Leavitt“ oder „Keith Farrow George Koch“. In ihren englischsprachigen Beiträgen verweisen die Autor:innen auf weitere Artikel, die ihre Darstellung stützen sollen, in Wahrheit aber Teil desselben Netzwerks sind.

In einem der Texte wird dazu aufgerufen, unter keinen Umständen den Impfstoff von Pfizer zu nehmen. Ein anderer nimmt Bezug auf die vermeintliche Herkunft der Daten: ein angebliches Datenleck bei Astrazeneca. Das Unternehmen distanziert sich von dieser Behauptung. „Wir verurteilen auf das Schärfste jede Initiative, die darauf abzielt, das Vertrauen in Impfstoffe zu untergraben“, so eine Sprecherin.

Doch Fazze legt nach. Den vermeintlichen Täter setzen die Verfasser:innen mit einem Superhelden gleich. „Der Hacker ist wie ein freundlicher Nachbar, ein Spiderman im World Wide Web.“

Spiderman im World Wide Web

Auch Ashkar Techy und Everson Zoio werden diese Beiträge mit der Impftoten-Tabelle später verlinken. „Sagen Sie, dass diese Information in der berühmten französischen Publikation ‚Le Monde‘ veröffentlicht wurde“, lautet dennoch die Anweisung.

Der Verweis auf die Zeitung soll die Desinformation womöglich glaubwürdiger machen. Fazze hat den Artikel als Quelle verlinkt, aber nur wer Französisch versteht, merkt: Der Text hat nichts mit den angeblich gerade bei Astrazeneca geleakten Zahlen zu tun, sondern ist bereits im Januar erschienen.

Der Text beruht auf Dokumenten, die bei einem Hackerangriff auf die Europäische Arztneimittelagentur (EMA) in Amsterdam am 9. Dezember erbeutet wurden. Einem Bericht von WDR und BR zufolge gehen niederländische Ermittlungsbehörden davon aus, dass ein staatlicher Akteur die Attacke verübt hat – mit einem geheimdienstlichen oder militärischen Hintergrund.

„Le Monde“ zufolge zeigen die Dateien, unter welchem Druck die EMA gestanden habe, den Impfstoff von Biontech und Pfizer zuzulassen. Ende Dezember waren sie im Darknet in einem russischen Hacking-Forum aufgetaucht. Die Überschrift des dortigen Beitrags ließ wenig Zweifel an der Motivation hinter der Veröffentlichung. Reißerisch war da die Rede von angeblichen „Beweisen für den Big-Data-Scam der Impfstoffe von Pfizer!“

Doch die bei der EMA geleakten Dokumente, die netzpolitik.org und Kontraste vorliegen, enthalten keine solchen Beweise. In einer Pressemitteilung gab die EMA zudem an, die Angreifer:innen hätten das Material nur teilweise veröffentlicht und es so ausgewählt, dass es dazu geeignet sei, das Vertrauen in die Impfstoffe zu untergraben.

Augenscheinlich sollte der Eindruck erweckt werden, beim Impfstoff von Biontech/Pfizer gebe es massive Probleme. Damit deutet einiges darauf hin, dass die unbekannten EMA-Angreifer:innen ein ähnliches Ziel verfolgt haben könnten wie der Auftraggeber der Kampagne, für die Fazze jetzt Influencer:innen engagiert hat.

Eine Fassade aus Backstein

Die Agentur hat ihren Sitz laut Angaben auf ihrer Website in einem Backsteinbau im Londoner Stadtteil Fitzrovia (Foto lks.). An der Adresse sind im britischen Handelsregister weit über hundert Firmen gelistet, doch Fazze ist keine davon. Offenbar ist die vorgebliche Firma noch nicht einmal angemeldet.

Ein Mann namens Vyacheslav Usoltsev, der im Karrierenetzwerk LinkedIn als Geschäftsführer der Agentur auftritt, ließ eine Anfrage von netzpolitik.org und Kontraste unbeantwortet. Nach eigener Darstellung arbeitet Usoltsev von Moskau aus. Auch alle vier Firmenkunden, die Fazze auf der Website eingeloggten Influencer:innen als potenzielle Auftraggeber präsentiert, haben erkennbare Bezüge zu Russland. Es handelt sich dabei um Unternehmen aus dem Technologiebereich sowie Plattformen, die den Handel mit einer Form von Finanzderivaten anbieten, wie er in Deutschland verboten wäre.

Vieles spricht dafür, dass Fazze lediglich eine Fassade ist, die verdecken soll, wer wirklich hinter mitunter fragwürdigen Influencerkampagnen steckt. Mehrere Internetdomains, über welche die Agentur ihre Geschäfte betreibt, gehören laut einer Datenbank des IT-Sicherheitsunternehmens RiskIQ eigentlich einer anderen Firma mit dem Namen AdNow.

Recherchen von netzpolitik.org und Kontraste ergeben zudem, dass auch E-Mails, die an Fazze adressiert sind, zu AdNow umgeleitet wurden. Der angebliche Fazze-Geschäftsführer Vyacheslav Usoltsev hat seinem LinkedIn-Profil zufolge in der Vergangenheit für AdNow gearbeitet. Und selbst beim genannten Fazze-Sitz in Fitzrovia gibt es eine Überschneidung: 2014 wurde hier AdNow gegründet.

Niemand, der gefunden werden will

Auf seiner Firmenwebsite schreibt AdNow, das Unternehmen sei das Produkt von Nerds, die ein neues „natives Werbeformat“ entwickelt hätten. Der Ansatz nativer Werbung ist es, möglichst nicht als Werbung wahrgenommen zu werden – statt klassischer Anzeigen preisen etwa Artikel oder Videos ein bestimmtes Produkt an. Es ist eine ähnliche Herangehensweise, wie sie auch Fazze bei der Desinformationskampagne verfolgt: Wer die Videos der Influencer:innen schaut, soll am besten gar nicht merken, dass es sich dabei um bezahlte Botschaften handelt.

Gründer und Geschäftsführer von AdNow sind zwei Männer und wieder scheint einer von beiden Wurzeln in Russland zu haben: Stanislav Fesenko. Bis 2017 lebte der heute 39-Jährige dem britischen Handelsregister zufolge in Moskau, dann meldete er eine Adresse in Budapest. Fesenko ist dem Anschein nach niemand, der gefunden werden will. Kaum etwas ist über seine Biografie bekannt, umso mehr hingegen über seine Geschäfte.

Seit Jahren taucht sein Name in Verbindung mit einer Reihe von Firmen auf, die im Werbegeschäft tätig oder in den Handel mit Finanzderivaten verwickelt sind. Vor Jahren versuchte er sich als Entwickler eines Videospiels, wie man einem Beitrag in einem Internetforum entnehmen kann. Zuletzt war er laut in einer Domaindatenbank hinterlegten Angaben in die Arbeit einer Beratungsfirma verwickelt, die aus Ungarn heraus Menschen mit russischem Pass eine Aufenthaltsgenehmigung in der EU beschaffen wollte – für 10.000 Euro pro Kopf.

Viele von Fesenkos Firmenwebsites sind noch immer abrufbar, gelistet sind dort auch Telefonnummern, die in den meisten Fällen eine russische Ländervorwahl haben. Ruft man dort an, nimmt niemand ab oder der Anschluss wurde längst abgeschaltet. Als bei AdNow doch einmal jemand den Hörer abnimmt, wird aufgelegt, sobald wir Fesenkos Namen nennen.

Auf Fragen, die wir ihm per E-Mail schicken, antwortet der AdNow-Chef nicht. Damit lässt er offen, ob der geheime Auftraggeber der Desinformationskampagne zu Biontech/Pfizer wie schon die übrigen bekannten Fazze-Kunden aus Russland kommt.

Eine Kampagne wie aus dem Lehrbuch

Es wäre nicht das erste Mal, dass aus Russland Zweifel an westlichen Impfstoffen befeuert werden. Das Land hat mit „Sputnik V“ seinen eigenen Impfstoff entwickelt (Foto lks), kommt mit der Verabreichung der Dosen aber nur langsam voran. Ein offizieller „Sputnik V“-Account auf Twitter schießt seit geraumer Zeit gegen die westliche Konkurrenz, auch mit bezahlten Anzeigen. Wie der BR berichtete, ist an der Kampagne hinter diesem Twitter-Account ein Investmentfonds beteiligt, der dem russischen Staat gehört.

Am 23. April twitterte „Sputnik V“ etwas, das der Fazze-Kampagne auf den ersten Blick erstaunlich ähnelt: Eine eigene Studie habe gezeigt, dass es signifikant mehr Todesfälle nach einer Impfung mit Biontech/Pfizer gebe als mit Astrazeneca. Unheilvoll fragten die Verfasser:innen, ob „die EU-Medien“ dies noch immer verschweigen könnten.

Fazze erteilte Influencer:innen die Anweisung: „Sagen Sie, dass die Mainstream-Medien dieses Thema ignorieren.“

Felix Kartte von der Initiative Reset zufolge ist es schwierig, zu beurteilen, ob der Kreml hinter der Fazze-Kampagne stehe. Sie entspreche jedoch geradezu lehrbuchartig Taktiken, die man während der Pandemie beobachtet habe. Häufig konzentriere sich Russland auf Themen, die das Potenzial hätten, Angst zu schüren und Gesellschaften zu spalten. „Es ist überhaupt nicht unüblich, dass der Kreml PR-Agenturen beauftragt. Ein Grund dafür ist, dass das die Zuordnung schwieriger macht – und der Kreml selbst seine eigene Autorenschaft gut verschleiern kann.“

Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag Omid Nouripour sieht einen eindeutigen Nutznießer derartiger Kampagnen. „Das Schlechtreden der Impfstoffe im Westen unterminiert das Vertrauen in unsere Demokratien und soll das Vertrauen in die Impfstoffe Russlands erhöhen und da gibt es nur eine Seite, die etwas was davon hat und das ist der Kreml.“

Behörden sind alarmiert

Das Bundesinnenministerium (BMI) ist auf den Fall aufmerksam geworden. Dort beschäftigt man sich mit sogenannten hybriden Bedrohungen, unter welche die mögliche Einflussnahme fremder Staaten fällt. Nach Informationen von netzpolitik.org und Kontraste haben die Sicherheitsbehörden damit begonnen, zu den Hintergründen der Desinformationskampagne zu ermitteln.

Auch in Frankreich hat der Fall Wellen geschlagen, auch dort hatte Fazze mehrere Influencer:innen kontaktiert – unter anderem den YouTuber Léo Grasset, der eine E-Mail der Agentur öffentlich machte. Ein angehender Arzt, der einen großen Instagram-Account betreibt, gibt an, er sei ebenfalls kontaktiert worden. 2000 Euro seien ihm für eine Teilnahme an der Kampagne geboten worden, schrieb er auf Twitter.

Nachdem französische Medien über den Fall berichtet hatten, äußerte sich Gesundheitsminister Olivier Véran. Gegenüber dem Fernsehsender BMFTV bezeichnete er das Vorgehen als „armselig, gefährlich und verantwortungslos“.

Der brasilianische YouTuber Everson Zoio hat sein Video stillschweigend gelöscht, schriftliche Fragen von netzpolitik.org und Kontraste zu seiner Beteiligung an der Kampagne beantwortete er nicht. Auch der indische Influencer Ashkar Techy hat reagiert. Sein Video mit den lustigen Instagram-Filmchen ist nun exakt 60 Sekunden kürzer, die ach so wichtige Botschaft an seine Abonnent:innen hat er einfach rausgeschnitten. Wahrgenommen haben dürften sie früheren Abrufzahlen zufolge dennoch Hunderttausende.


NDR Retro

27. Oktober 2020

Heute ist der UNESCO-Tag des audiovisuellen Erbes. Der öffentlich-rechtliche NDR hat sich dazu etwas Besonderes einfallen lassen Mit NDR Retro hat der Norddeutsche Rundfunk sein Fernseh-Archiv geöffnet und stellt zeit- und kulturhistorisch relevante Beiträge online zur Verfügung. Man liest von einer Archiv-Offensive zum audiovisuellen Welterbe-Tag.

Was hat den Norden in den 50ern und 60ern geprägt? Wie haben die Norddeutschen gelebt, was haben sie erlebt? Und vor allem: Wie sah das alles aus? Wir können selbst nachschauen:

Ab sofort stellen die ARD und das Deutsche Rundfunkarchiv schrittweise rund 40.000 zeitgeschichtlich relevante Videos ins Netz. Besonders berücksichtigt sind eigene NDR-Fernsehproduktionen aus dem Bereich der aktuellen und regionalen Berichterstattung für die Zeit vor 1966. Die Beiträge anderer ARD-Landesrundfunkanstalten können zentral über die ARD Mediathek abgerufen werden. Das Angebot des NDR finden Sie dort separat gebündelt im Channel NDR Retro.

Unter diesem Label  beteiligt sich der Norddeutsche Rundfunk an dem Gesamtprojekt mit einer vierstelligen Zahl an Sendungen und Beiträgen. Neben der aktuellen Berichterstattung der damaligen Sendereihen Nordschau und Berichte vom Tage laden unter der Rubrik „Norddeutsche Geschichte(n)“ eine Vielzahl interessanter Langformate dazu ein, in Alltag, Arbeit, Leben, und Gesellschaft der damaligen Zeit einzutauchen. Ergänzt wird das Angebot durch ausgewählte Sendungen und Beiträge aus den Bereichen Sport und Kultur.

Die Reihe „Diesseits und jenseits der Zonengrenze“ bietet spannende Einblicke in die deutsch-deutsche Teilung und den Kalten Krieg aus norddeutscher Sicht. Sie wurde von 1960 bis 1965 in Hannover produziert und berichtete unter anderem über das heutige Sendegebiet Mecklenburg-Vorpommern. Die Sendung bemühte sich – aus westlicher Sicht – um Objektivität und wollte damit auch DDR-Zuschauer ansprechen. Bei den Beiträgen handelt sich meist um kommentierte Mitschnitte aus dem DDR-Fernsehen. Der Sprecherton ist in vielen Fällen allerdings nicht mehr erhalten.

In einem ersten Schritt werden der Öffentlichkeit aus rechtlichen Gründen zunächst Videos mit dem Entstehungsdatum bis 31. Dezember 1965 zugänglich gemacht. Die Publikation von Audios aus diesem Zeitraum wird geprüft. Wegen der damals noch anderen technischen Voraussetzungen und Sendeabläufe steht ein Teil der Beiträge nur ohne Ton beziehungsweise ohne Sprecher-Ton zu Verfügung. Denn insbesondere in Nachrichten-Formaten wurde der Text häufig live in der Sendung eingesprochen – und dabei oftmals nicht mit aufgezeichnet.

Auch die Sehgewohnheiten und gesellschaftlichen Gepflogenheiten haben sich im Lauf der Jahrzehnte verändert: So mögen Einstellungen, Bildschnitte, Einschätzungen und auch die Sprache an einigen Stellen ungewohnt oder überholt erscheinen oder sogar irritieren – ermöglichen dadurch aber gleichzeitig einen originalgetreuen und lebendigen Blick auf das Leben in den 50er- und 60er-Jahren in Norddeutschland.

Quellen: NDR, UNESCO

Friesland & Co.

23. April 2020

Regionalkrimis stillen ein ähnliches Verlangen des Publikums nach der Idylle wie die Heimatfilme in den 1950er-Jahren, schreibt die taz, und was soll ich drum reden? Die taz hat recht.

Klischees stören da nicht, sondern sind im Gegenteil unbedingt nötig. Realismus sollte dagegen möglichst vermieden werden. Die Morde sind gepflegt und mit der Aufklärung im letzten Akt ist die Welt wieder in Ordnung. Aber sie haben das gemütlich Altbekannte ja auch kaum angekratzt.

Im Netz sind mit „Friesland“, „Nord bei Nordwest“ und „Deichbullen“ drei sehr unterschiedliche Regionalkrimiserien von der Küste als Streaming-Angebote zu sehen.

  • „Friesland“: die erste Staffel auf Netflix, die zweite in der ZDF-Mediathek
  • „Nord bei Nordwest“: die letzten sechs von elf Folgen in der ARD-Mediathek
  • „Deichbullen“ läuft deftig als sechsteilige Miniserie bei Netflix.

„Friesland“ spielt übrigens nebenan im ostfriesischen Leer. Die Serie wird in der dortigen Altstadt, auf Norderney und am Hafen von Ditzum gedreht. Die Fälle löst ein uniformiertes Polizistenpaar: Sophie Dahl spielt die Streifenbeamtin Süher Özlügül, Florian Lukas den Polizisten Jens Jensen. In der zweiten Staffel wurde er durch Maxim Mehmet als Henk Cassens ersetzt. Süher Özlügül ist die Tochter des türkischstämmigen Hafenmeisters von Leer, der schon mal ein paar kleine Knirpse in einen Verschlag sperrt, weil sie ins Hafenbecken gepinkelt haben…

Wir sollen ja -Corona sei bei uns- trotz guten Wetters Hände waschend und mit Mundschutz zuhause bleiben, und das machen wir auch. Also, liebe Leute, auf’s Sofa und klickt mal in die Beiträge. (Mehr…)

Was ist Deine Geschichte?

4. Dezember 2019

Die ARD hat am Sonntag zur besten Sendezeit ihre neue Weihnachtskampagne gestartet. Darin plädieren die Sender für mehr gesellschaftliche Gemeinschaft, Zusammenhalt und einen offenen Umgang miteinander. Dreh- und Angelpunkt ist ein Song, der eigens für die Kampagne komponiert und von einem Laienchor eingesungen wurde.

Das Lied ist ein Appell für Toleranz und ehrliches Interesse an seinen Mitmenschen: In dem Song heißt es unter anderem: „Was ist Deine Geschichte? Was hast Du erlebt, was zählt? Was möchtest Du ändern, was hat Dich wirklich bewegt?“. Für den vierminütigen Hauptspot wurden in ganz Deutschland 300 Menschen gecastet, die in München das Lied „Was ist Deine Geschichte“ gemeinsam aufgenommen haben….

[weiter bei Horizont.Net]

FCKAFD

19. November 2018

Gestern war ja nun ein flotter Tatort aus Hamburg. Aber das Thema des Wochenendes waren die Anti-Nazi-Sticker aus dem letzten „Polizeiruf 110“. Jede/r dürfte das mitbekommen haben, das Rumgeopfer der AfD war auch nicht zu überhören. Beim Ersten hat man sich dem offenbar gebeugt und in der öffentlich-rechtlichen Mediathek zumindest den „FCK AFD“-Aufkleber wegretuschiert. Seht Ihr ihn? Ganz oben 1,4cm links dem dem DasErste-Logo.

+++ Der NDR-Film „Für Janina“ aus der Reihe „Polizeiruf 110“, der am 11. November 2018 um 20.15 Uhr im Ersten gesendet wurde, ist für eine weitere Ausstrahlung einer digitalen Bildbearbeitung unterzogen worden. In einigen sehr kurzen Sequenzen war unbeabsichtigt im Hintergrund ein kleiner Anti-AfD-Aufkleber zu sehen. Die bearbeitete Fassung ist nun in der Mediathek abrufbar. +++

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Schöne Woche!

 

(Quelle: Kraftfuttermischwerk)

Inkrafttreten

3. Januar 2018

Das gesetzlich vorgeschriebene Löschen und Sperren bei den kommerziellen Plattformen hat vorgestern begonnen: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz der alten GroKo wird in die Praxis umgesetzt. Einen ganzen Schwall an Meldungen über als rechtswidrig eingeschätzte Inhalte müssen Twitter, Facebook und Co. seit Jahresbeginn innerhalb von 24 Stunden abarbeiten. netzpolitk.org berichtet:

Mit dem neuen Jahr ist ein Gesetz der noch amtierenden Regierung in Kraft getreten, das heute nicht weniger umstritten ist als zum Zeitpunkt des Beschlusses: das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Seit dem ersten Entwurf aus dem Justizministerium bis zum Beschluss im Sommer ist das NetzDG nicht nur von den Betroffenen, also den kommerziellen sozialen Netzwerken, als Fehlleistung kritisiert worden, sondern auch von ausgesprochen vielen Institutionen, NGOs, Verbänden sowie dem wissenschaftlichen Dienst des Bundestages (pdf). Ziel des Gesetzes ist die Durchsetzung eines Kommunikationsverhaltens mit weniger Hass und verbaler Gewalt.

Mit dem Jahresbeginn ist die gesetzlich festgelegte Übergangsfrist beendet. Das bedeutet, dass die großen Werbeplattformen den Nutzern Klick-Portale anzubieten haben, um dort als rechtswidrig wahrgenommene Inhalte melden zu können. Vielleicht wird das Melden in Zukunft auch noch in den Apps auf Mobiltelefonen möglich sein. Die ersten dieser Meldungen nach Inkrafttreten des NetzDG kommen in diesen Tagen bei den Nutzern an, das entfacht die Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Gesetzes aufs Neue.

Für die Rechtsredaktion der ARD fasst Bernd Wolf heute die beiden wesentlichen Kritikpunkte so zusammen:

Die einen sprechen von Zensur, weil Facebook und Co. aus Angst vor Bußgeldern zu viel löschen könnten. Die anderen beklagen, dass die Online-Portale bei den Prüfungen hoheitliche Aufgaben übernähmen, die Sache des Staates seien.

Rechtlich betrachtet geht es dabei vor allem um die verfassungsrechtlich verankerte Meinungsfreiheit und die Frage, ob das NetzDG mit diesem Grundrecht vereinbar ist.

Von Zensur reden in diesen Tagen vor allem die Rechten. Denn…“

[weiter bei netzpolitk.org]

Gewusst? Das Gesetz ist übrigens ein deutscher Alleingang und kann auch umgangen werden.


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ARD-Themenwoche

10. Juni 2017

Die ARD-Themenwoche ist ein Format der ARD, in dem die Sendeanstalten der ARD parallel in allen Hörfunk und Fernsehprogrammen ein besonderes Thema als Schwerpunkt behandelt. Die erste Themenwoche wurde 2006 ausgestrahlt. In diesem Jahr nun also die 12. Auflage. Die diesjährige ARD-Themenwoche „Woran glaubst Du?“ stellt dazu viele Fragen:

Nach welchen Maßstäben ordnen wir unsere Erfahrungen zu einem Selbstbild? Was bestimmt, ob etwas als schlimm oder als das Gegenteil empfunden wird? Warum sagt ein Mann, der im Rollstuhl sitzt, von sich, dass er Glück gehabt habe? Was bestimmt unser Handeln, wie orientieren wir uns: An uns selbst und darüber hinaus? So vielfältig das Thema Glaube ist, so vielseitig präsentiert sich das ARD-Programm zu dieser Themenwoche 2017:

Das Erste beteiligt sich mit seinen aktuellen Magazinen wie „Tagesthemen“ (ARD/NDR), „Morgen- und Mittagsmagazin“ (ARD/WDR/BR),„ARD-Buffet“ (ARD/SWR), mit dem Kinderprogramm wie mit Dokumentationen an dieser vielschichtigen Spurensuche nach unserem Wertekanon – egal, ob er religiös, ethisch, wissenschaftlich oder sozial geprägt ist, – und hinterfragt in Gesprächssendungen bis hin zum satirischen Programm „Nuhr dran glauben“ (rbb), was von der abendländisch-christlichen Tradition überdauert hat oder verloren gegangen ist. Drei Dokumentationen befassen sich mit dem Glauben in der Gegenwart: „Was glaubt Deutschland? – Die Gewalt, der Frieden und die Religionen“ (SWR), „Die Story im Ersten – Land ohne Glauben?“ (MDR) und „Gott und die Welt: Wenn Gewalt das Leben verändert – Belastungsprobe für den Glauben“ (MDR).

Programmhöhepunkte der Themenwoche sind -so die ARD- der Dresden-Tatort „Level X“, das Film-Drama „Atempause“ und Katrin Bauerfeinds Recherchereise durch Deutschland.

(Quelle: ARD)

BND-Gesetz

20. Oktober 2016

Legalisierte Massenüberwachung, weniger parlamentarische Kontrolle und Datenweitergabe an die NSA: Das neue BND-Gesetz hat es in sich. Diesen Freitag stimmt der Bundestag darüber ab. Wir haben für euch die fünf drastischsten Punkte zusammengefasst.

Am Freitag soll der Bundestag das umstrittene BND-Gesetzespaket verabschieden, das die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) erheblich ausweitet. Die Kritik von drei Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen, der OSZE, namhaften Juristen, Wirtschaftsvertretern, Journalistenverbänden, zahllosen Menschenrechtsorganisationen, ARD und ZDF sowie der Opposition im Bundestag wird von der Großen Koalition komplett ignoriert. Wir fassen hier nochmal die drastischten Auswirkungen des neuen Gesetzes zusammen. Bitte teilen und Donnerstag und Freitag mitdemonstrieren!

1. Abhören wird jetzt auch im Inland legal

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Der Auslandsgeheimdienst BND darf innerhalb Deutschlands nicht abhören. Er tat es dennoch. Deswegen klagt der Internet-Knoten DE-CIX dagegen, dass er seit 2009 vom BND abgehört wird. Das geplante BND-Gesetz will nun den bisher illegalen Vollzugriff legalisieren.

2. 100 Prozent Überwachung statt Limits

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Bisher durfte der BND nur einzelne Leitungen abhören, z. B. eine Glasfaser der Telekom zwischen Luxemburg und Wien – und davon eigentlich nur zwanzig Prozent der Kapazität. Im Gesetzentwurf fallen beide Grenzen und der BND darf ganze Telekommunikationsnetze ohne Begrenzung anzapfen, also etwa sämtliche Telekom-Leitungen oder den gesamten Internetknoten DE-CIX. Damit wird das Ausmaß der Überwachung erheblich steigen. Ein Full Take, wie es in der Geheimdienstsprache heißt.

3. Gummiparagrafen statt klarer Abhörgründe

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Bislang galten für den BND acht Abhörgründe wie Terrorangriffe auf die BRD oder Menschenschmuggel, die aber zuletzt auch schon aufgeweicht wurden. Mit dem BND-Gesetz kommen neue schwammig formulierte Anlässe, die de facto keine echte Begrenzung darstellen. Dazu zählen: „Gefahren für die innere und äußere Sicherheit der BRD“ oder „sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“. Mit solchen Gummiparagrafen lässt sich alles rechtfertigen.

4. Vorratsdatenspeicherung für die NSA

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Metadaten, die nicht eindeutig von Grundrechtsträgern stammen, hat der BND schon bisher gesammelt – im Zweifel also fast alles. Künftig soll der BND Metadaten anlasslos ein halbes Jahr speichern dürfen. Und nach dem neuen BND-Gesetz darf der Geheimdienst diese Daten massenhaft und automatisch an „Partner“ wie die NSA geben. Bisher gab der BND der NSA mindestens 1,3 Milliarden Metadaten jeden Monat – wenn nicht illegal, dann auf sehr fragwürdiger rechtlicher Grundlage. Mit dem neuen BND-Gesetz wird das alles legalisiert.

5. Noch mehr Gremien statt echter Kontrolle

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Die Kontrolle der Geheimdienste ist schon jetzt zersplittert in drei Gremien, die jeweils nur einen Ausschnitt sehen. Das Gesetz schafft ein viertes, „unabhängiges“ Gremium, das aber von der Bundesregierung ernannt wird. Somit gibt es weiterhin keine Kontrollinstanz, die ein vollständiges Bild über die Aktivitäten des BND hat. Effektive Kontrolle ist so unmöglich, das sieht sogar Ex-BND-Chef Gerhard Schindler so.

Im Juni haben wir den Gesetzesentwurf geleakt. Schon damals war klar: Die neuen Befugnisse sind grundrechtswidrig. Die seitdem vorgenommenen Änderungen haben es noch schlimmer gemacht.

(via @netzpolitik.org}