dösig kiffen

9. Februar 2014

Bünde, die Zigarrenstadt, kennt man ja spätestens, wenn man von hier mit dem Zug gen Osten oder von dort zurück reist Doch kennt man hierzulande auch Tilburg? Man sollte. Denn über die südniederländische Stadt schreibt  Niederlande.net, dass sich dort inzwischen der illegale Anbau von -regelmäßig zu rauchendem- Hanf zum größten Wirtschaftszweig der niederländischen Stadt Tilburg entwickelt hat: „Dies zeigt ein vertraulicher Bericht der Universität Tilburg, des Regionalen Informations- und Expertisezentrum Süd-West Niederlande und Oost-Brabant sowie eines Spezialteams zur Bekämpfung des Cannabishandels. Mit einem Jahresumsatz von 728 bis 884 Millionen Euro, entspreche der Umsatz des lokalen Drogenhandels in etwa dem jährlichen Etat der Stadt Tilburg.

Der Bericht konstatiert, dass die Situation eine „ernsthafte Bedrohung für Sicherheit und Integrität der Gesellschaft“ darstellt. Der Drogenhandel habe sich zu einer kriminellen Industrie entwickelt, die zunehmend „die legale, die wirtschaftliche und die rechtliche Infrastruktur korrumpiert“. Insgesamt seien in Tilburg rund 2.500 Personen im Hanfanbau und –vertrieb tätig.

Peter-NoordanusDer Bürgermeister von Tilburg, Peter Noordanus (PvdA, Foto lks), ist der Überzeugung, dass das Hanf, das in seiner Stadt angebaut wird, für den Export bestimmt sein muss. In Tilburg gebe es zwischen 600 und 900 Hanfplantagen. Bei 200.000 Einwohnern könne die Menge nicht zum Eigenbedarf bestimmt sein, sonst müsste sich „ jeder Tilburger den ganzen Tag dösig kiffen, um die Menge zu bewältigen“. Noordanus fordert, eine Intensivierung der Ermittlung und Strafverfolgung von illegalem Hanfanbau. Darüber hinaus sei eine internationale Umsetzung erforderlich, denn die Hanfzucht sei auch ein europäisches Problem. Lokale niederländische Maßnahmen blieben erfolglos, so lange die Grenzen geöffnet, der Warenverkehr frei und die Drogenpolitik in angrenzenden Gebieten unverändert bestehen bliebe.

opsteltenEinige Bürgermeister kündigten bereits an, sich für Experimente zur Kontrolle und Regulierung des Anbaus einsetzen zu wollen, denn das Ausmaß des Drogenhandels in Tilburg sei kein Einzelfall. Der niederländische Justizminister Ivo Opstelten (VVD, Foto lks)) will von diesen Experimenten allerdings nichts wissen. Bereits 2012 hatte er sich gegen Legalisierung des Anbaus einer festgelegten Menge von Cannabispflanzen für Mitglieder eines Coffeeshops ausgesprochen. Diese Idee war aufgekommen, um den Widerspruch zwischen Illegalität und Duldung in den niederländischen Coffeeshops aufzuheben. Während Verkauf und Konsum ‚weicher‘ Drogen geduldet werden, machen sich die Coffeeshops mit der Beschaffung und dem Ankauf strafbar.

Aktuelle Zahlen zeigen, dass in den Niederlanden jährlich 65 Tonnen Cannabis konsumiert werden. Bei einer Produktion von jährlich 448 Tonnen bedeutet das, dass nach Schätzungen 383 Tonnen für den Export bestimmt sind. Vor diesem Hintergrund bietet allerdings auch eine Regulierung des Hanfanbaus keine Lösung. Denn diese würde sich nur auf den Teil beziehen, der in den Niederlanden konsumiert würde. Die Produktion für den Export bliebe weiterhin illegal, aber auch attraktiv und gewinnbringend.

Dass vor allem im Süden der Niederlande die Entwicklung des Drogenhandels mit der Entwicklung einer kriminellen Infrastruktur einhergeht, ist nicht neu. Die Maßnahmen der Regierung konzentrierten sich bislang allerdings vor allem auf die Bekämpfung des Drogentourismus (NiederlandeNet berichtete), während Vorschläge zur Regulierung des Drogenanbaus mit dem Verweis auf internationale Vertragsverpflichtung abgewiesen wurden. Außerhalb der Niederlande scheint Regulierung aber mittlerweile in immer mehr Fällen möglich zu sein. In jedem Fall muss die niederländische Regulierung ihre Bemühungen intensivieren und sich auch an internationalen Lösungen orientieren, um den illegalen Anbau von Hanf in den Griff zu bekommen“, so NiederlandeNet.

Mehr Informationen zur niederländischen Drogenpolitik gibt es im NiederlandeNet-Dossier Drogenpolitik in den Niederlanden.“

(Quelle NiederlandeNet; Foto: Tilburg von M.Minderhout CC)

verdienen

20. Januar 2014

Das ist ein Thema für Facebook, den virtuellen Stammtisch unserer Nation. Da werden alle Pöbelexperten Hurra schreien und die Übernahme dieser Regel für  Deutschland verzückt herbeiflehen: Niederländische Inhaftierte sollen für Tage in Haft bezahlen und zwar in Zukunft 16 Euro am Tag.

Fred TeevenSo lautet ein Gesetzesvorschlag, den der niederländische Justizminister Ivo Opstelten und sein Staatssekretär Fred Teeven (beide VVD) Anfang der vergangenen Woche präsentierten. Auch an den Kosten der Strafverfolgung sollen verurteilte Straftäter künftig beteiligt werden. Dies würde der niederländischen Regierung 65 Millionen Euro pro Jahr in die Staatskasse spülen.

Ein Teil der Kosten, die der niederländischen Regierung bei der Ermittlung, Verfolgung und Verurteilung von Straftaten sowie durch die Unterbringung der Straftäter in einer Justizvollzuganstalt entstehen, soll – wenn es nach Opstelten und Teveen (Foto) geht – in Zukunft auf die Täter umgelegt werden. „Auch wenn der Vollzug (strafrechtlicher) Sanktionen ausschließlich Aufgabe der Regierung ist, ist es nicht mehr selbstverständlich, dass die Kosten, die dadurch entstehen, von der Gesellschaft getragen werden“, heißt es in der Erläuterung zum Gesetzentwurf. Bereits jetzt sei es üblich, bei Bußgeldern auch einen Beitrag für die Verwaltungskosten zu erheben.

„Es soll um einen festen Betrag pro Tag gehen (16 Euro), der über einen maximalen Zeitraum von zwei Jahren erhoben wird“, so das Justizministerium. Bei jugendlichen Straftätern sollen die Eltern bezahlen. Das Ministerium verspricht sich hiervon einen Netto-Ertrag von 65 Millionen Euro pro Jahr. Das niederländische Gefängnissystem steht derzeit unter hohem Druck. Aufgrund von Budget-Kürzungen überlegte das Land im vergangenen Jahr, 19 Gefängnisse zu schließen, erinnert die deutsche Zeitung Frankfurter Rundschau.

Der Bund der Gesetzesübertreter (Bond van Wetsovertreders, BWO), der sich für Gefängnisinsassen stark macht, kritisiert die Pläne. „Die Europäische Menschenrechtskonvention geht davon aus, dass die Mitgliedstaaten die Kosten für Menschen in Haft bezahlen. Das kann man nicht mit einem simplen kleinen Gesetz in den Niederlanden verändern. Der erste Inhaftierte, der bezahlen muss, wird die Regelung beim Europäischen Hof für Menschenrechte anfechten“, so BWO-Vorsitzender Pieter Vleeming.

Zudem führe die Beteiligung der Gefangenen an den Unterbringungskosten nur zu mehr Kriminalität, prophezeit Vleeming: „Häftlinge können im Gefängnis im Durchschnitt 12,50 Euro pro Woche verdienen. Wenn sie zwei Jahre lang 16 Euro pro Tag bezahlen sollen, dann bedeutet das, dass sie mit einem Schuldenberg von ungefähr 12.000 Euro aus dem Gefängnis kommen. Es lässt sich hier leicht eins und eins zusammenzählen: Sie werden wieder kriminell werden, um das nötige Geld zu verdienen.“

Papperlapapp werden die Stammtischbrüder und -schwestern rufen. Selbst schuld. Und dann heben sie die Finger und zeigen auf die andern. Bergpredigt und so ist schon lange nicht mehr. Wir sind wieder hier.

(Text/Quelle von Niederlande.net; Foto Fred Teveen (VVD), Staatssekretär für Sicherheit und Justiz, Quelle: Roel Wijnants/cc-by-nc)

Closed Shops

29. Oktober 2011

Das nennt man wohl eine deutliche Veränderung in der liberalen niederländischen Coffeeshop-Politik: ab 1. Januar 2012 dürfen Ausländer, u.a. Deutsche nicht mehr in die “Weiche-Drogen-Lokale”. Ausnahme möglicherweise: Sie wohnen in den Niederlanden. Das meldet taz-Blogger Falk Madeja.

Coffee Shops – in den Niederlanden geduldete Verkaufsstellen für weiche Drogen – sollen künftig  “geschlossene Klubs” werden, die maximal 2000 Mitglieder aus der eigenen Gemeinde haben dürfen. Die Coffee-Shop-Betreiber müssen “kontrollierbare Mitgliederlisten” haben, wird Justiz- und Sicherheitsminister Ivo Opstelten von der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) zitiert. Konsumenten ihrerseits sollen künftig Mitgliedskarte und Ausweis vorzeigen, um eingelassen zu werden.

Mit diesem, auch auf Druck der EU-Partner Frankreich und Deutschland vorgenommenen Neuausrichtung ihrer Drogenpolitik dürfte der illegale Drogenhandel in den Niederlanden zunehmen und vor allem zu einer verstärkten Vermischung von Weich- und Hartdrogenhandel und zur Zunahme des illegalen Straßenhandels führen. Zweifelhaft erscheint mir, ob auf diesem Weg das Ziel der Neuregelung erreicht werden kann, die sog. organisierte Kriminalität zurückzudrängen. Sie habe sich „in den letzten Jahren rund um die Coffee-Shops entwickelt“, so Ivo Opstelten.

(Quellen 1, 2; Foto: Coffeeshop-Lizenz (c) )

Legal

20. März 2011

Es gibt einen Punkt, da ist die niederländische Drogenpolitik unbegreiflich. So dürfen die Coffeeshops  “weiche Drogen” verkaufen – aber sie dürfen nicht beliefert werden! In der Stadt Utrecht soll das Problem nun gelöst werden. Es soll eine “neue Art von Coffeeshop” geben, hat die Stadt verkündet.

Und das soll so gehen. Die Coffeeshops sollen sogenannte “Mitglieder” werben. Diese haben Recht auf jeweils fünf Pflanzen, die in einer Art Gemeinde-Plantage gezüchtet werden (auch wenn die Gemeinde die nicht selbst betreiben will). Die Kunden können ihren Vorrat dann in einem Coffeeshop abholen.

Auch in Amsterdam, Eindhoven und Enschede soll es Interesse für diesen Plan geben. Fünf Pflanzen – so viele kann jeder Einzelne in den Niederlanden auch zu Hause legal züchten. Der zuständige Minister Ivo Opstelten ist allerdings dagegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Plan umgesetzt wird, ist dennoch groß.

von Falk Madeja in: meinegüte – tazBlog