4:5

8. Juli 2015

4:5. Nein, kein Fußballergebnis, sondern eine enorme Schweinerei und letztlich auch eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten kleinerer bäuerlicher Betriebe. Es gibt Neues aus der Agrarindustrie:

Hähnchen-Cops

27. April 2011

Die für die Genehmigung von Massenställen überwiegend zuständigen Landkreise in Niedersachsen greifen rechtzeitig vor den Kommunalwahlen zu Maßnahmen gegen industrielle Großmastanlagen. Darauf hat jetzt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hingewiesen.

So haben die Landkreise Emsland, Oldenburg und Vechta  inzwischen einen Genehmigungsstopp für Anträge ohne Brandschutzkonzepte für die Evakuierung der Tiere ausgesprochen und auch für Neuanlagen in 500 Meter Nähe zur Wohnbebauung ohne Keimschutzgutachten, so die AbL. Auch die Region Hannover verlange ausführliche Brandschutzkonzepte, der Landkreis Aurich erlaube keine gewerblichen Anlagen ohne ausreichende Futtergrundlage mehr. Jetzt hat auch der Landkreis Diepholz angesichts der „steigenden Anzahl von Anträgen zur Errichtung von Intensivtierhaltungsanlagen“, „zunehmenden Bürgerprotesten“ und bisher  „eingeschränkten Steuerungsmöglichkeiten“ die Möglichkeit beschlossen, oberhalb folgender, allerdings erheblicher „Aufgreifschwellen“ Verfahren nach dem Raumordnungsgesetz durchzuführen: 85.000 Geflügelmastplätze, 60.000 Putenmast- oder Hennenplätze, 85.000 Junghennenplätze, 3.000 Schweinemastplätze, 900 Sauenplätze, 9.000 Ferkelaufzuchtplätze, 800 Rinderhaltungsplätze, 1.000 Kälberplätze und 1.000 Pelztierplätze. Die AbL begrüßte diesen Beschluss, weil dem Kreis damit deutlich bessere Instrumente gegen eine in Barver, östlich Diepholz an der B 214 gelegen, geplante 3.200er-Milchviehanlage zur Verfügung stünden.

Auch der der Landkreis Cloppenburg genehmigt neue Stallbauten mit mehr als 2.000 Schweinemast- und mehr als 750 Sauenplätzen nur noch mit Abluft-Reinigungsanlagen, weil der Landkreis als Genehmigungsbehörde verpflichtet sei, durch geeignete Maßnahmen schädliche Umwelteinwirkungen sowie erhebliche Belästigungen für Allgemeinheit und Nachbarschaft zu verhindern. Der Cloppenburger Landrat eveslage (CDU) empfahl Städten und Gemeinden, ihre Steuerungsmöglichkeiten über die Bauleitplanung zu nutzen, um Stallbauten in freier Landschaft zu verhindern.

Auch der landwirtsfreundliche Niedersächsische Landkreistag hat mittlerweile vom Land eine Neuregelung beim Bau von neuen Tierställen eingefordert. Im ganzen Nordwesten sei die objektive Grenze des Möglichen erreicht. Außerdem nehme die Akzeptanz für bestimmte Arten von Tierhaltungsanlagen in weiten Teilen der Bevölkerung ab. Das geltende Recht biete, so die Organisation, keine hinreichenden Möglichkeiten zur Grenzziehung. Die Landkreisversammlung forderte jüngst vom Land Niedersachsen konkrete Vorgaben für die Genehmigung und den Bau von Großmastanlagen. Auch der Bund müsse „das Baurecht ändern.“

AbL-Sprecher Eckehard Niemann forderte die niedersächsische Landesregierung auf, landesweit gegen den Neubau von“Agrarfabriken oberhalb der vorhandenen Grenzen“ des vorzugehen. Das sind zurzeit 1.500 Schweinemast-, 560 Sauen-, 20.000 Geflügelplätze. Gleichzeitig müssten über neue Nutztierhaltungs-Verordnungen die Forderungen der EU-Richtlinien nach einer artgerechten Haltung mit genügend Platz auf Stroh und ohne Tierverstümmelung endlich durchgesetzt werden. Ein Programm für den Umbau auf solche Haltungsformen und auf Auslaufhaltung stehe auf der Tagesordnung. Niedersachsen solle  solche Regelungen auch bundes- und EU-weit auf den Weg bringen, zum Beispiel im Rahmen der EU-Agrarreform.

Eine solche Beschränkung der Tierhaltung allein auf mittelständische bäuerliche Strukturen liege auch im Interesse der allermeisten Landwirte, weil dadurch die überschuss-produzierende Konkurrenz der Agrarindustrie ausgeschaltet werde, weil durch die Mengenreduzierung viel Spielraum für faire Erzeugerpreise geschaffen würde und weil dadurch eine gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung entstünde.

Erst einmal aber soll es im Emsland den weitgehend unkontrolliert agierenden Agrarindustriebetrieben an den Kragen gehen. Pressewirksam hat Landrat Hermann Bröring dafür eine 11-köpfige Pensionärstruppe rekutriert. 10 eigens ausgebildete Polizisten und ein Lehrer werden zukünftig im Auftrag des Landkreises Emsland als Kontrolleure tätig sein.  Ich erkenne auf dem Pressefoto (re) gleich mehrere gute und erfahrene  Polizisten, die z.T. auch früher schon als „Cops“ tätig waren (guckst Du hier). Arbeitsschwerpunkt unserer neuen Hähnchen-Cops  sollen laut Landkreis zunächst Stallanlagen sein. Dort sollen die Ex-Ruheständler kontrollieren, ob die in den jeweiligen Genehmigungen festgelegten Auflagen eingehalten werden. Das Hauptaugenmerk soll auf dem Brandschutz, auf  Schwarzbauten, funktionierenden Abluftwäschern und Lagerung wie Verwertung des  „Wirtschaftsdünger“ genannten Hähnchen- und anderen Tierscheiß‘ liegen.

Doch gemach, liebe Industrielandwirte: Werden bei den Kontrollen erhebliche Beanstandungen festgestellt, drohen empfindliche Bußgelder, meldet die Emslandpresse. Ich nehme an, die Betonung liegt auf „erhebliche“…

Aber natürlich sind die Kontrollen längst überfällig. Auch wenn Landrat Bröring sich bei den Betreibern quasi entschuldigt:  „Künftig setzen wir auf eine systematische Kontrolle. Dabei möchte ich betonen, dass weder die Landwirte noch andere Personengruppen unter Generalverdacht stehen. “ Es ist nämlich nicht nachzuvollziehen, dass jede Heizung beispielsweise regelmäßig auf die Abgase  überprüft wird, aber bei den Agrarindustriellen so getan wird, als würden sich diese pflichtschuldigst von ganz allein an Auflagen und Genehmigungsbedingungen halten.  Übrigens: Wer zahlt eigentlich die Überprüfungen? Der Steuerzahler oder die Verursacher? Bei meiner Heizung weiß ich nämlich, wer ‚abdrücken‘ darf.

ps: Lingen legt großen Wert auf den Status als Große selbständige Stadt. Wer kontrolliert eigentlich hier systematisch das, was einmal an Massentierställen genehmigt wurde? Ich werde nachfragen.

update, 27.4.11,  14.00
(Foto: (C) Landkreis Emsland)

Pflicht

5. Januar 2011

„Die Futtermittelindustrie ist bislang für alle Dioxinfuttermittelskandale verantwortlich gewesen. Warum sollte es dieses Mal anders gelaufen oder ein Versehen gewesen sein? Es muss der Eindruck entstehen, dass bei der Futtermittelherstellung bewusst Giftstoffe untergemischt werden, um zusätzliche Gewinne zu erzielen, ganz gleich, welche Folgen das für Tier und Mensch hat,“ so Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bauer aus Spenge (Westfalen) und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in einer Stellungnahme zum jüngsten Futtermittelskandal.

Beim erneuten Dioxinskandal sieht die AbL die betroffenen Landwirte auch „abermals als Opfer agrarindustrieller Strukturen in der Futtermittelindustrie“. Eine extrem kostenminimierendere Futter-Industrie mische eine Unzahl von oftmals zweifelhaften Kompenenten zusammen und sei wegen der verschlungenen Wege dieser chemischen Zutaten kaum noch kontrolliertbar. Insofern werde selbst durch die andauernden Futtermittel-Skandale lediglich die „Spitze eines schmutzigen Eisberges“ aufgedeckt. Offenbar würden manche chemische Reststoffe dem Futter beigemengt, um Entsorgungskosten zu sparen. Anhang III der EU-Futtermittel-Verordnung benenne als „verbotene Materialien“ lediglich: Fäkalien, gegerbte Häute, pestizidbelastetes Saatgut, holzschutzmittelbelastete Stoffe, Materialien aus Abwässern und festen Siedlungsmüll…

AbL-Sprecher Eckehard Niemann forderte im Interesse von Verbrauchern und Landwirten eine klare und wesentlich enger gefasste Positivliste von Rohstoffen, die in Mischfutter Verwendung finden dürften. Diese Inhaltsstoffe müssten in einer „offenen Deklaration“ auch mengenmäßig wieder klar angegeben werden. Die Agrarpolitik müsse zudem endlich dafür sorgen, dass Futtermittel wieder hauptsächlich auf den eigenen Futterflächen der Landwirtschaftsbetriebe erzeugt würden. Durch ein Bauverbot müssten flächenunabhängige und damit total mischfuttermittelabhängige Tierhaltungsfabriken systematisch zurück gedrängt würden.

Graefe zu Baringdorf grundsätzlich: „Wir sehen aber auch uns Bauern in der Pflicht. Zu der von der Gesellschaft zu recht geforderten tiergerechten Haltung auf unseren bäuerlichen Höfen gehört auch eine tiergerechte Fütterung, z.B. durch selbst erzeugte Futtermittel, durch einheimisches Getreide und einheimische Eiweißfuttermittel. Und wir sehen die Verbraucher und Verbraucherinnen in der Pflicht, bei ihrem Einkauf von Lebensmitteln auf Nachweise zu achten bzw. sie einzufordern.“

Emslandisierung

17. August 2010

In Wietze nahe Celle planen der Agro-Industrielle Franz-Josef Rothkötter („Wir können ja auch sagen, wir produzieren in China“) aus Haren und sein Unternehmen Europas größte Geflügelschlachtanlage. Für deren Auslastung müssten in der Region um Wietze rund 400 (!) Mastfarmen entstehen, sagen Fachleute. Die Gegner dieses agrarindustriellen Großprojekts werden derweil immer zahlreicher. Sie fürchten die hier längst und asndernorts bekannte Belastung der Umwelt durch Antibiotika, Feinstaub und Ammoniak und die Zerstörung des Aller-Leinetals. Inzwischen zählt die lokale Bürgerinitiative 900 Mitglieder. Die Kritiker werfen den Schlachthofbetreibern und Zulieferer-Landwirten auch Tierquälerei vor. Letztere würden die Tiere auf engstem Raum halten. Verhaltensstörungen bis hin zu Kannibalismus und Selbstverstümmelung seien die Folge. Der deutsche Geflügelmarkt sei gesättigt, die Anlage diene einzig und allein der Produktion für den Export, so ein weiteres Argument der Gegner. CDU und FDP im Niedersächsischen Landtag befürworten dagegen die Pläne ebenso wie der Wietzer Gemeinderat, bringt so ein Schlachthof doch Arbeitsplätze – nach Angaben der „Emsland Frischgeflügel“ rund 250.

In der vergangenen Woche hat die Polizei das seit Mai besetzte Baugelände in Wietze geräumt. Aktivisten haben daraufhin am Montagmorgen einen Acker im Kreis Peine besetzt. Sie protestieren damit gegen den Bau einer Hühnerfarm, die den geplanten Geflügelschlachthof in Wietze beliefern soll. Nach Angaben des Besetzerblogs sollen in dem Mastbetrieb künftig ständig 84.000 Hähnchen gezüchtet werden. An anderen geplanten Standorten für Hähnchenfarmen wie Groß Denkte, Cramme, Mehrum, Wendesse und Solschen (alle im Kreis Peine) sollen je Mastperiode bis zu 40 000 Tiere groß gezogen werden. Rund sieben Mastperioden im Jahr sind vorgesehen, jede dauert üblicherweise 35 Tage. Die Bauern erachten die Geflügelzucht als wichtige zusätzliche Einnahmequelle, weil die Gewinnspannen beim Ackerbau immer geringer ausfallen würden.

Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Eckehard Niemann, bezeichnete gegenüber dem lokalen Newsportal Celle Heute den geplanten Schlachthof in Wietze als den deutlichsten Ausdruck einer verfehlten Subventions- und Agrarpolitik und einer agrarindustriellen Produktion, die eine unsinnige Produktion von Fleischüberschüssen vorantreibe. Und das alles zu Lasten der Tiere, der Umwelt und der Anwohner. Niemann forderte die Landesregierung auf, ihre Subventionierung und Schönrederei dieser agrarindustriellen Tierhaltung endlich zu beenden Die Schlachthofgegner wollen aber gerade eine „Emslandisierung“ von Ost- und Südniedersachsen verhindern.

„Emslandisierung“ – dieses Wort wird die Amtszeit des auf seinen Landkreis so unkritisch-stolzen Landrats Hermann Bröring (CDU) locker überleben. Längst heißt es in der Blogosphäre:  „Deutschland braucht keine neuen, stinkenden Gülle-Regionen wie die Landkreise Vechta, Cloppenburg und das Emsland!“  Emslandisierung – das ist das Synonym für die brutale Zerstörung der Landschaft, für Gestank und Egoismus und die Vernichtung der bäuerlichen Strukturen gleichermaßen. Es ist -von CDU-Mann Hermann Bröring und seinen Mannen gefördert und zugelassen- blanker Kapitalismus, der ganz wenige reich macht und uns alle ärmer.