Der Atem des Meeres

14. August 2021

Der Filmemacher Pieter-Rim de Kroon hat einen außergewöhnlichen Film über das Watt gedreht – mit eindrucksvollen Bildern und ganz ohne Kommentar: „Der Atem des Meeres“. In seinem Film ist das Wattenmeer keine heile Welt, sondern eine bedrohte Weltnaturlandschaft, die durch den Einfluss der Menschen immer extremer verändert wird

Wie zerstörerisch Wasser sein kann, wenn das Gleichgewicht der Ökosysteme gestört ist, hat gerade die Flutkatastrophe in Westdeutschland deutlich gemacht. Wie komplex und feingliedrig solch ein Ökosystem sein kann, zeigt der niederländische Filmemacher Pieter-Rim de Kroon in seinem Dokumentarfilm „Der Atem des Meeres“, der am 29. Juli in die Kinos kommt.

16 Monate hat er dafür im Wattenmeer gedreht, dem größten Marschland des Planeten, das sich von den Niederlanden bis nach Dänemark hinzieht. Und da Landesgrenzen hier kaum eine Rolle spielen, ignoriert er sie völlig. Er hat seinen Film so montiert, dass er mit seinen Aufnahmen hin- und herspringt, und die wenigen Dialoge in den Landessprachen hat er auch nicht untertitelt.

Dabei ist er aber durchaus neugierig darauf, wie die Menschen am und vom Wattenmeer leben. Er zeigt Krebsfischer, eine Yoga-Trainerin am Strand, Tou­ris­t*in­nen beim Wattwandern, zwei Naturschützerinnen, die Vögel beringen, und Kinder beim Spielen am Strand. Er zeigt sie, aber er erklärt nichts. Es gibt keinen Kommentar, keine Zwischentitel, keine zusätzlichen Informationen zum Gesehenen. Denn für ihn geht es im Kino um „Gefühle und Erfahrungen“, und Erklärungen zerstören dabei nur die Magie.

„Der Atem des Meeres“ gehört zu den Filmen, die nur im Kino ihre Kraft entfalten können. Er ist so brillant fotografiert, dass zeitgleich zum Kinostart auch ein Fotoband mit dem Titel „Silence of the Tides“ veröffentlicht wurde, der nur aus Filmstills, also aus dem Film herauskopierten Bildern besteht und dabei den Vergleich mit Büchern von Na­tur­fo­to­gra­f*in­nen nicht scheuen muss.

Gleich mit den ersten Aufnahmen einer Eislandschaft im Watt, bei denen de Kroon das Gemälde „Das Eismeer“ von Caspar David Friedrich zitiert, gelingt es ihm, eine intensive und faszinierende Stimmung zu schaffen. Es ist eine fremde Welt, die er uns zeigt. Auch wenn es im Film vertraute Bilder gibt wie die von den spielenden Kindern am Strand oder Weihnachtsdekorationen auf einer Insel, sind diese so sorgfältig komponiert und montiert, dass man fast gezwungen wird, genauer hinzusehen….

(veröffentlicht in der taz, mehr bei ttt)