„Dit is wat wij delen“

24. Oktober 2016

Am vergangenen Dienstag wurde die 68. Frankfurter Buchmesse offiziell von König Willem-Alexander und seinem belgischen Amtskollegen, König Philippe, eröffnet. Die diesjährigen Gastländer, Flandern und die Niederlande, präsentieren sich unter dem Motto „Dit is wat wij delen“ („Dies ist, was wir teilen). Für die insgesamt fünf Messetage werden rund 300.000 Besucher erwartet. Vor allem für junge und unbekannte niederländische Autoren bietet die Buchmesse eine große Chance auf den Durchbruch.

buchmesseDie Eröffnung der Buchmesse fiel dieses Jahr ungewohnt politisch aus. Sowohl der Vorsitzende des Europäischen Parlamentes und möglicherweise baldiger Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, als auch die niederländische Kultusministerin, Jet Bussemaker, und der flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois, zeigten sich besorgt. In einer Zeit des immer schwieriger werdenden Dialoges, einem aggressiven und dazu erfolgreichen Populismus und eines auseinanderdriftenden Europas, seien Bücher wichtiger denn je. „Die Freiheit des Wortes ist ein Menschenrecht“, so der Vorsteher des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, Heinrich Rietmüller. Erfolgsautor Geert Mak, fand den politischen Auftakt durchaus positiv. Normalerweise sei eine solche Eröffnung nichts weiter als ein Ritual, aber diesmal sei es wirklich um etwas gegangen: „Die Literatur kommt in Aufruhr, das ist gut.“ Die niederländische Zeitung De Volkskrant hingegen kommentierte dieses Auftreten lakonisch mit dem Satz: „Möge das Buch die Welt retten.“

Abseits der politischen Inszenierung geht die Buchmesse ihren gewohnten hektischen Gang. Die Zeitung De Volkskrant hat einen ganzen Artikel der Frage gewidmet, wie Verleger und Autoren die Zeit der Buchmesse überhaupt durchalten: Immerhin, dass Gelände der Buchmesse ist sieben Mal so groß, wie die RAI, das Messegelände in Amsterdam. Wer die Zeit zum socializen nutzen will, läuft also durchaus einige Kilometer am Tag. Diese Anstrengung dürfte sich aber wohl lohnen. Deutschland ist schließlich, der wichtigste ausländische Absatzmarkt für niederländische Literatur. 132 deutsche Verlage haben niederländische bzw. flämische Autoren unter Vertrag. „Die Frankfurter Buchmesse ist wirklich wichtig für die niederländische Literatur. Es passiert nicht oft, dass wir Gastland sein können. 1993 waren die Niederlande zum ersten Mal Gastland und das bedeutete damals einen echten Durchbruch für die niederländische Literatur im Ausland. Es wurde auch lange danach noch darüber gesprochen. Ich gehe eigentlich davon aus, dass das auch jetzt wieder so sein wird, denn wir haben viel zu bieten“, sagte Ministerin Bussemaker.

Damit könnte Bussemaker Recht behalten. Im Vorfeld der Buchmesse wurden immerhin nach Angabe des Nederlands Letterenfonds 306 niederländischsprachige Bücher ins Deutsche übersetzt, normalerweise sind es 85 im Jahr. Und doch ist die Ausgangssituation eine andere als noch 1993. Es gibt heute eine Reihe niederländischer Autoren, die sich in Deutschland großer Bekanntheit erfreuen:  Leon de WinterGeert Mak und Adriaan van Dis sind nur drei Beispiele. Man muss die Deutschen nicht mehr davon überzeugen, dass niederländische Literatur auf dem deutschen Markt funktioniert. Deutsche mögen niederländische Literatur. Sie ist erfrischend, weniger schwer und poetisch als die Deutsche. Und sie ist humorvoll. In der deutschen Literatur, sei der Humor mit Hitler verschwunden, so die Literaturagentin Marianne Schönbach: „Sehen Sie sich die witzigen Autoren wie Irmgard Keun und Kurt Tucholsky, einmal an, die im Dritten Reich verboten wurden. Keun wird immer noch neu aufgelegt, aus Mangel an Alternativen.“ Vor allem für Newcomer und in Deutschland noch unbekannte Autoren bietet die Buchmesse eine enorme Chance. Es wäre also kein Durchbruch mehr für niederländische Literatur an sich, sondern ein Durchbruch einer neuen Generation von niederländischen und vlämischen Autoren.

Die Niederlande und Flandern haben viel investiert um dieses Ziel zu erreichen. Der Nederlandse Letterenfonds erhielt zur Projektunterstützung 3,3 Millionen Euro vom Staat. Der flämische Fonds bekam 2,4 Millionen Euro. Zusammen kommen die beiden Gastländer als auf eine Subventionssumme von 5,7 Millionen Euro. 1993 hatte die beiden Staat eine Summe von 5 Millionen Gulden bereitgestellt. Insgesamt haben die Fonds dieses Jahr 72 Autoren mit auf die Buchmesse genommen. Zählt man noch diejenigen mit, die von den Verlagen selbst eingeladen wurden kommt man auf 99 Autoren.

ditiswatwedelenPünktlich zur größten Buchmesse der Welt hat der KVB eine Studie herausgegeben, die den niederländischen Buchmarkt genau unter die Lupe genommen hat. Es gibt gute Neuigkeiten. So offenbaren die Ergebnisse der Studie, dass der Buchmarkt in den Niederlanden im vergangenen Jahr gewachsen ist. Der Umsatz ist im letzten Jahr um 3,5 Prozent auf 525 Millionen Euro gestiegen. Im Jahr 2015 wurden 39 Millionen Bücher verkauft, das waren zwei Millionen mehr als im Jahr davor. So positiv das klingt, viel mehr als eine leichte Erholung des niederländischen Buchmarktes ist das nicht. Denn im Jahr 2008 lag der Umsatz noch bei 620 Millionen Euro, bis zum Jahr 2014 ist dieser um ganze 35% gesunken. Für den nun wieder höheren Umsatz sind vor allem Non-fiktionale Literatur und Kinder-Bücher verantwortlich. Immer weniger Niederländer lesen. Auffallend ist, dass das Angebot, trotz den sinkenden Zahlen, stabil geblieben ist. Der angekündigte Trend, weniger Bücher zu verlegen wurde danach nicht in die Tat umgesetzt. Es werden momentan sogar mehr Bücher herausgegeben als das noch vier Jahre zu vor der Fall war.

Die Frankfurter Buchmesse ist gestern zu Ende gegangen.
(Quelle/gefunden bei Niederlande.net).

Die Frankfurter Buchmesse 2016 mit den Ehrengästen Niederlande und Flandern wirft einen weiteren Schatten voraus. Nachdem heute verkündet wurde, dass die Boekenweek 2016 „Deutschland“ als Thema haben wird (NiederlandeNet berichtete), organisierte ein großer niederländischsprachiger Verlag jüngst eine Art Speed Dating mit Vertretern großer deutscher Verlage und hierzulande noch unbekannten Autoren.

FBM16„Ich wollte deutsche Verlage gerne mit unseren besten Schriftstellern zusammenbringen“, sagte Mizzi van der Pluijm, Organisatorin der Veranstaltung und Direktorin des Verlags Atlas Contact, in das Mikrofon des NOS-Deutschlandkorrespondenten Jeroen Wollars. Stattgefunden hat die Begegnung in einem Münchener Restaurant, wo rund ein Dutzend Vertreter deutscher Verlage an langen Tischen niederländischen Autoren wie Adriaan van Dis, P.F. Thomése, Nelleke Noordervliet, Midas Dekkers oder Hanna Bervoet gegenübersaßen. Laut van der Pluim allesamt „Menschen, die möglicherweise Nachfolger jener Namen werden, die jeder in Deutschland schon kennt.“ Das es abseits von den gemeinten großen drei Cees NootenboomHarry Mulisch und Margriet de Moor noch weiteres niederländisches Potential gäbe, sei wichtig aufzuzeigen, so die Atlas Contact-Direktorin.

Anlass für den Schriftsteller P.F. Thomése, an der Veranstaltung teilzunehmen, ist neben dem Wunsch, hierzulande bekannter zu werden auch seine Bewunderung für Deutschland und seinen Büchermarkt. „Für einen Autoren ist Deutschland wie nach Hause kommen. Denn das Interesse an Literatur ist dort noch viel größer als bei uns, wo doch der Unterhaltungssektor leider triumphiert hat.“ Das Thomése in Deutschland momentan noch recht unbekannt ist, könnte sich bald ändern. Auf der Matching-Veranstaltung in München habe er laut NOS nämlich durchaus das Interesse mancher deutscher Verlage wecken können.

Manche Verlagsvertreter bilanzieren die Veranstaltung aber eher verhalten. Ob sie einen Nachfolger von Mulisch oder Nootenboom gefunden hätte wollte der NOS-Reporter wissen: „Nicht wirklich, wenn ich ehrlich bin.“ Adriaan van Dis, den Gewinner des renommierten niederländischen Libris Literatuur Prijs in diesem Jahr, wundert es dabei nicht, dass er und seine Kollegen nicht unbedingt mit offenen Armen in Deutschland empfangen werden: „Vor 15 Jahren stand die niederländische Literatur für eine ganz eigene Stimme – es war etwas anderes. Sie war ungezogen, mehr auf die Außenwelt bezogen. Aber das sieht man mittlerweile auch in Deutschland.“ Deshalb sei es anstrengender, als niederländischer Autor auch in Deutschland langfristig Erfolg zu haben.

Bis zur Frankfurter Buchmesse 2016 haben die Autoren noch ein wenig Zeit, ihren Namen hierzulande mehr Bekanntheit zu verschaffen. Die Buchmesse mit den Gastregionen Niederlande und Flandern (NiederlandeNet berichtete) wird vom 19. bis zum 23. Oktober 2016 stattfinden.

(gefunden auf Niederlande.Net}