Macht Gesetze

17. Oktober 2020

Wir erleben ihn gerade in der Corona-Krise: Den Unterschied zwischen Gesetzen und Verordnungen und Erlassen: Gesetze werden vom Parlament, der Legislative, gemacht. Eine Verordnung aber wird durch die ausführende Gewalt, durch die Verwaltung erlassen. Ein Erlass wird vom Minister oder der Ministerin ausgegeben und regelt innerhalb seines/ihres Verwaltungsbereichs eine bestimmte Frage, ist nur für die Verwaltung verbindlich und hat daher keine direkte Wirkung nach außen; der Minister/die Ministerin schreibt den Bediensteten vor, wie sie bestimmte Probleme zu regeln haben.

Die Unterschied sind keine Haarspalterei. Der ehemalige Vorsitzende des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier erklärte im Frühjahr gegenüber tagesschau.de, dass es sich „bei Rechtsverordnungen um untergesetzliche Normen handelt, über die ein Parlament grundsätzlich nicht abstimmen muss“. Das gilt umso mehr für Erlasse.

Der Unterschied ist folglich bedeutsam. Gesetze legen fest, was passieren soll, Verordnungen legen fest wie Gesetze umgesetzt werden sollen, Erlasse sind nur interne Regeln.

Deshalb kontrolliert die sog. Dritte Gewalt, die Judikative, ob die Verordnung sich an Gesetz und Verfassung hält und ob Verfügungen von Behörden gelten, die sich auf interne Erlasse stützen. Das wiederum führt gerade zu zahlreichen Corona-Gerichtsentscheidungen, die unterschiedlich ausfallen, weil auch die Richter:innen unterschiedlich sind, die sie fassen. Bei Gesetzen übrigens ist die gerichtliche Kontrolle den Verfassungsgerichten vorbehalten.

Weshalb ich darüber schreibe? Es gibt Neues aus Bremen zu berichten. Der für Inneres zuständige Senator in dem Bundesland hatte -bundesweit beachtet- vor einem Monat als erste Landesbehörde in Deutschland die Verwendung der sog. Reichskriegsflagge verboten. Aber nur durch Erlass. Dafür gab es gute Gründe: Die schwarz-weiß-rote Reichskriegsflaggen gelten überall als Erkennungszeichen von Rechtsextremen und anderen Nazis. Die, namentlich die verfassungsfeindliche NPD, fühlte sich ertappt und wollte daher in Bremerhaven mit einer Kundgebung gegen das Verbot protestieren. Für diese Kundgebung schrieb die Bremerhavener Verwaltung das per Erlass verfügte Verbot der Reichskriegsflagge in die Durchführungsvorgaben … und fiel damit bei der ersten Anwendung gleich auf die Nase:

Denn die NPD darf bei der für heute angemeldeten Kundgebung entgegen dem „verordneten“ allgemeinen Verbot der Bremer Innenbehörde Reichsflaggen und Reichskriegsflaggen zeigen. Das Bremer Verwaltungsgericht gab gestern am Freitag einem Eilantrag der Neonazis statt, die sich damit gegen eine Auflage für ihre angemeldete zweistündige Versammlung gewehrt hatten. Die Versammlungsbehörde hatte darin das Zeigen der verbotenen Flaggen auf der Versammlung untersagt.

Aus Sicht der Verwaltungsrichter wird die „öffentliche Ordnung“ (ein besonders schillernder, überflüssiger Rechtsbegriff, übrigens)  durch das Zeigen dieser,  strafrechtlich nicht verbotenen Flaggen während der Kundgebung nicht gefährdet, hieß es erläuternd in einer Pressemitteilung des Gerichts. Im konkreten Einzelfall rechtfertige die Art und Weise der Durchführung der Versammlung nicht, das vom Grundrecht  der Meinungsfreiheit erlaubte Zeigen dieser Flaggen zu verbieten.

Die Stadt Bremerhaven hatte am Freitag zwar noch gegen diese Entscheidung beim Oberverwaltungsgericht Bremen (OVG) Beschwerde eingelegt, die das OVG aber noch am Freitagabend mit Verweis auf die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit zurückwies. Es lägen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Versammlung mit einem aggressiven provokativen und die Bürger einschüchternden Verhalten einhergehen werde, so das OVG. Der Erlass des Innensenators habe zudem keine Gesetzesqualität.

Die Innenbehörde hatte in ihrem Verbotserlass vom September die Verwendung der Symbolflaggen in der Öffentlichkeit als „nachhaltige Beeinträchtigung der Voraussetzungen für ein geordnetes staatsbürgerliches Zusammenleben und damit eine „Gefahr für die öffentliche Ordnung“ (s.o.) gewertet. Dass dies viel Symbolpolitik und damit nur ein zahnloser Tiger sein würde, war absehbar. Mit einem Erlass kann nämlich ein allgemein gültiges, fundamentales Grundrecht nicht beendet werden. Wenn man also die Reichskriegsflagge dauerhaft wegen der damit einhergehenden Neonazi-Symbol verbieten will, braucht es dafür zumindest ein vom Parlament beschlossenes Strafgesetz, das der Bund erlassen muss, weil er für das Strafrecht zuständig ist. (VG Bremen: Aktz. 5 V 221/20)

Nachsatz:
Die Parlamente sehr viel stärker in die Corona-Regelungen einzubinden und Gesetze zu verabschieden, die dann bspw. Beherbergungsverbote oder Sperrstunden gesetzlich regeln könnten, ist nicht nur eine Frage der Durchsetzbarkeit sondern auch grundsätzlicher demokratischer Anforderungen und vor allem des Selbstverständnisses unserer Landesparlamente. Die lasse nach meinem Eindruck ihren Ministerialverwaltungen in diesen C-Zeiten viel zu viel, d.h. bisher eigentlich alles durchgehen.

Also: Macht Gesetze, werte Abgeordnete!

„BAMF-Skandal“

2. August 2018

Aufgeregt, empört und mit den ganz großen Überschriften haben die Medien seit Mitte April über Ermittlungen wegen möglicher Rechtsverstöße und Korruption in der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, kurz Bamf, berichtet. Alles unter dem unter dem Stichwort „Bamf-Skandal“. Die damalige Leiterin Ulrike B. habe dort  angeblich in Zusammenarbeit mit drei Anwälten in mindestens 1.200 Fällen unrechtmäßig Asyl erteilt. Ganze Busladungen von Asylbewerbern seien dafür nach Bremen gekarrt worden, so die Vorwürfe.

• Vier Monate später ist davon nicht mehr viel übrig. Rund 4.500 Akten hat die Innenrevision des Amtes bislang untersucht. Ganze 13 Asylentscheidungen sind danach aufgrund falscher Angaben „kassiert worden“ (taz), vier weitere wurden widerrufen, bei 16 laufen noch Rücknahme- und Widerrufsverfahren. Dass Busse für Asyl-Entscheidungen nach Bremen fuhren, war damals normal und so gewollt, in Zeiten der Überforderung 2015 sollte die Außenstelle  Bremen andere Außenstellen des Bamf entlasten. Ohnehin ging es in vielen der inkriminierten Fälle um JesidInnen, denen –man erinnert sich nach kurzem Nachdenken– 2015 ein Völkermord durch den IS drohte und deren Schutzberechtigung bis heute außer Frage steht.

Jetzt hat auch Ulrike B. einen ersten gerichtlichen Teilerfolg erzielt, über den  in kleinen Berichten informiert wird – versteckt auf den Innenseiten der Zeitungen (NOZ heute bspw. auf Seite 5 in der unteren Mitte. Foto lks.). In einer einstweiligen Verfügung entschied das Verwaltungsgericht Bremen gestern, dass aus dem Bundesinnenministerium nicht mehr behauptet werden darf, die Vorgänge in Bremen seien auch deshalb möglich gewesen, „weil hochkriminell kollusiv und bandenmäßig mehrere Mitarbeiter mit einigen Rechtsanwälten zusammengearbeitet haben“.

So hatte es Stephan Mayer (CSU), Staatssekretär beim Bundesinnenministerium, in der Sendung „Anne Will“ am 27. Mai behauptet. Ulrike B. sah sich unzulässig vorverurteilt sowie ihre Beamtenrechte und die Loyalitätspflichten durch den Dienstherrn verletzt. Dem gab das Verwaltungsgericht statt.

Ohne Erfolg blieb der Eilantrag der Beamtin übrigens bezüglich einer Pressemitteilung des Innenministeriums vom 23.05.2018. Das Ministerium hatte dort zu den Feststellungen der internen Revision des Bamf behauptet, deren „Bericht zeigt deutlich, dass im Ankunftszentrum Bremen bewusst gesetzliche Regelungen und interne Dienstvorschriften missachtet wurden“.  Diese Äußerung habe das Gebot der Sachlichkeit beachtet, entschied das Verwaltungsgericht. Zwar habe Ulrike B. einen Ansehensverlust erlitten. Angesichts der Medienberichterstattung habe aber das Interesse überwogen, die Öffentlichkeit zu informieren. (Verwaltungsgericht Bremen, Beschl. v. 01.08.2018, Az. 6 V 1559/18).

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