achtsam umgehen

14. Oktober 2023

Ruprecht Polenz, der konservative Münsteraner, liegt mit seinen Anmerkungen und Analysen häufig richtig. Das kann man schon daran erkennen, dass sich die rechte Populistenblase um NoAfD, Doitschtümelnde und Querdenker (den Wortbestandteil Denker darf man bekanntlich nicht ernst nehmen) immer schneller auf ihn einschießt, sobald er sich äußert.

Jetzt erinnerte er verdienstvoll auf X (vormals Twitter an dieses Zitat von Hannah Arendt:

 

Da musste ich gleich an die Krautreporter denken, die Anfang der Woche und sozusagen vorneweg diesen Tweet auf X (vormals Twitter) zur Quellenlage platzierten.

Bleibt also bitte achtsam, und schönes Wochenende allerseits!

We remember

29. Januar 2023

Vor einigen Tagen habe ich kritisch gewürdigt, dass das Forum Juden Christen zum ersten Mal seit Jahrzehnten keine Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar durchführt. Die Kritik blieb unwidersprochen. Allerdings hat sich am Gedenktag dann doch „für das Forum Juden-Christen Altkreis Lingen e.V. “ dessen  stellvertretender Vorsitzender, Dr. Walter Höltermann, öffentlich geäußert. Am Freitagabend sagte er vor der Aufführung des Altonaer Theaters im Lingener Theater zu den Besucherinnen und Besuchern:

„Mein Name ist Walter Höltermann und ich bin stellvertretender Vorsitzender des „Forum Juden-Christen im Altkreis Lingen“. Das gleich aufgeführte Theaterstück „Die Kempowski-Saga Teil 2“ ist der kulturelle Beitrag des Forums zu dem heutigen Gedenktag.

An dem heutigen Tag gedenken wir in Deutschland und in aller Welt der Opfer des Nationalsozialismus: Juden, Sinti und Roma, psychisch Kranke und geistig Beeinträchtigte, sexuelle Minderheiten, Zeugen Jehovas sowie aus politischen oder religiösen Gründen Widerständige. Wer einem völlig subjektiven Rassebegriff nicht genügte und wer sich in seiner Lebenseinstellung, in seinen religiösen oder politischen Überzeugungen nicht gleichschalten ließ, wurde vernichtet. Holocaust kommt als Begriff aus dem Griechischen und bedeutet „vollständig verbrannt“. Daran soll dieser Tag erinnern. Der World Jewish Congress hat diesen Tag unter das Leitwort „We remember“ gestellt.

Anlass für diesen Gedenktag ist die Schoah, der Mord an den europäischen Juden während des 2. Weltkriegs. Nie zuvor hat ein Staat beschlossen eine von ihm bestimmte Menschengruppe einschließlich der Alten, der Frauen, der Kinder und der Säuglinge restlos zu töten. Es war der deutsche Staat, der dieses, wie auch bei den anderen Opfergruppen, mit allen seinen Machtmitteln durchsetzte. Wo immer er und seine Helfershelfer Juden ergreifen konnten, internierte er sie und transportierte sie dann, oft über große Entfernungen, in eigens für die Tötung geschaffene Vernichtungslager. Waren die so Deportierten noch arbeitsfähig, wurde ihre Arbeitskraft vor ihrer Ermordung für die Kriegswirtschaft ausgebeutet. Massenmorde hat es zuvor und auch danach gegeben, aber keine Massenmorde dieser Art.

In Ausschwitz-Birkenau wurden über 1 Millionen Juden und darüber hinaus tausende von Sinti und Roma sowie sowjetische Kriegsgefangene ermordet. Insgesamt wurden unter der Verantwortung des deutschen Staates 6 Millionen Juden vernichtet, darunter 850.000 Kinder.

Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee das Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau. Was sie dort vorfanden war für sie unfassbar. 65.000 fast verhungerte und lebensbedrohlich erkrankte Gefangene. Ausschwitz wurde zum Symbol für den Holocaust und deshalb wird dieser Tag der Befreiung als internationaler Gedenktag begangen.

Doch warum sollten wir uns daran immer wieder erinnern? Können wir nicht endlich diese schreckliche Vergangenheit ruhen lassen? Rolf Winter hat seinem Buch, „Hitler kam aus der Dankwartsgrube“ den Satz voranbgestellt: „Vergangenheit, die ruht, kann sich wiederholen“. Deshalb müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen, was passieren kann, wenn Hass ungehindert gedeihen darf.

Der Antisemitismus und der mangelnde Respekt gegenüber bestimmten Gruppen in unserer Gesellschaft ist weiter mitten unter uns. Deshalb: Lernen wir aus der Vergangenheit und schützen wir damit die Zukunft. Geben wir den Opfern Würde und engagieren wir uns gegen Ausgrenzung und Diskriminierung jeder Art. Ich wünsche uns dafür Urteilskraft, Mut und Zivilcourage.

Update:
Dann gab es noch diese Initiative des Franziskus-Gymnasium.

(Foto: Forum Juden Christen)

„Über Gebärfähigkeit“

12. Oktober 2020

Ein Abend in der Reihe Philosophie in der Kunsthalle:
Über Gebärfähigkeit
Zur Naturgeschichte einer Imagination des Weiblichen

Vortrag von Karina Korecky, Freiburg
Lingen (Ems) – Kunst-/Halle IV, Kaiserstraße 10a
Donnerstag, 15. Okt. 20 – 19.30 Uhr
Kosten 6 Euro (Mitglieder des Kunstvereins 4 Euro)

Die Veranstaltung findet nach Maßgabe der jeweils aktuellen Gesundheitsauflagen und unter Einhaltung der Hygieneregeln statt.

Der Begriff der Gebärfähigkeit, so die These, bezeichnet das bevölkerungspolitische Potenzial der Frauen. Wie ist es entstanden? Der philosophische Vortrag skizziert die Bewegung des Verhältnisses von Subjekt und Geburt von der deutschen Aufklärung über das 19. Jahrhundert, den ersten Weltkrieg und den NS bis zur Wiedervereinigung. Verhandelte der frei Geborene seinen ersten Grund als geschlechtslose Antinomie (Immanuel Kant), integrierte die liberale Medizin des 19. Jahrhunderts Weiblichkeit in des „Menschen Sein“ (Rudolf Virchow), wurde die sexuelle Reproduktion im NS zum Gegenstand völkischer Arrangements. Als „Gebürtlichkeit“ führte Hannah Arendt in der Nachkriegszeit das Konzept der Natalität in die politische Theorie ein. Dem biopolitisch zugerichteten weiblichen Subjekt galt schließlich die feministische Dekonstruktion der 1990er Jahre (Judith Butler) – die allerdings die Geschichte dieser weiblichen Natur unterschlug.

Karina Korecky

in Wien geboren studierte Soziologie und Politikwissenschaft an den Universitäten Wien und Hamburg. Sie war Lehrbeauftragte in Hamburg und Bremen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für die Geschichte der Medizin in Düsseldorf und arbeitet seit 2017 am Institut für Soziologie der Universität Freiburg im DFG-Forschungsprojekt „Psychiatrie und Subjektivität im Wandel“.

Foto: © Kunstverein Lingen