Bangen

5. Juni 2024

„Bangen um die Pressefreiheit“, lese ich bei netzpolitik.org. Die Ausgangsfrage lautet:

Kann ein Journalist für eine Verlinkung bestraft werden? Das Gerichtsurteil rund um den Link auf linksunten.indymedia.org bei Radio Dreyeckland steht kurz bevor. Fachleute sagen: Der Ausgang des Prozeses wird ein wichtiges Signal für die Pressefreiheit in Deutschland setzen.

Eine Comic-Faust mit einem roten Bleistift in der Hand symbolisiert Pressefreiheit. Außerdem eine Justitia.

Das Landgericht Karlsruhe wird Donnerstag entscheiden.
Vereinfachte Pixabay Lizenz Justitia und Hand: Pixabay; Montage: netzpolitik.org

Seit eineinhalb Jahren lebt der Journalist Fabian Kienert in Ungewissheit, denn ihm wird vorgeworfen, eine verbotene Vereinigung unterstützt zu haben. Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe wird am morgigen Donnerstag erwartet. Ob Kienert verurteilt wird oder freigesprochen, ist nicht nur für ihn wichtig. Es wird auch ein Indikator, wie es um die Pressefreiheit in Deutschland steht.

Fabian Kienert hat in einer kurzen Nachrichtenmeldung für die Website des Senders Radio Dreyeckland (RDL) auf die Website linksunten.indymedia.org verlinkt. Anlass war der Bericht über ein eingestelltes Verfahren rund um diese Seite, die der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) 2017 mit Bezug aufs Vereinsrecht verboten hatte. Damals war Linksunten Indymedia eine Open-Posting-Seite. Seit 2020 ist unter dem Link nur noch ein Archiv abrufbar. Kienert wird vorgeworfen, die verbotene Vereinigung, die einst linksunten.indymedia.org betrieben hatte, mit seiner Verlinkung im Artikel unterstützt zu haben.

Der Staat reagierte darauf mit großem Aufgebot: Durchsuchungen in seiner Wohnung und der Wohnung eines RDL-Geschäftsführers. Es wurden Geräte beschlagnahmt und darauf gespeicherte Daten kopiert. Auch in den Redaktionsräumen des Senders drangen die Ermittler:innen ein.

Die Durchsuchungen der Wohnung des Geschäftsführers und der Redaktionsräume wurden vom Landgericht Karlsruhe inzwischen für rechtswidrig erklärt. Nicht aber die Durchsuchung der Wohnung von Fabian Kienert, die vom Oberlandesgericht als rechtens bestätigt wurde. Dagegen läuft derzeit eine Verfassungsbeschwerde. Diese ist jedoch unabhängig vom Strafverfahren vor dem Landgericht, das sich um die Verlinkung dreht.

Das urteil wird am morgigen Donnerstag erwartet. Im Hinblick darauf sagt Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) auf Anfrage von netzpolitik.org:

Die Maßnahmen der Ermittlungsbehörden sind so ziemlich das Härteste, was sie gegen eine Redaktion auffahren können. Da hat eine Grenzüberschreitung stattgefunden, die sich auf keinen Fall wiederholen darf.

Vom Grundgesetz geschützt

Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert eine weitreichende Pressefreiheit in Deutschland. Eine Grundvoraussetzung dafür ist der Quellenschutz, so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Doch wenn Ermittlungsbehörden journalistisch genutzte Datenträger beschlagnahmen, ist dieser in Gefahr. Zörner fordert: „Die Ermittlungsbehörden müssen mit dem Urteil einen Riegel vorgeschoben bekommen.“ Sie dürften nur in seltenen Fällen in Redaktionen tätig werden, etwa wenn es Verbindungen zu Terrorismus geben könne. „Und hier ging es eindeutig nicht um Terrorismus“, so Zörner. „Es ging um eine als linksextremistisch verschriene Seite und das war der Punkt, der die Ermittlungsbehörden in Wallung gebracht hat.“ Dass Journalist:innen Links setzen, sei Teil ihrer Transparenzpflicht, damit sich Lesende eine eigene Meinung bilden können.

Auch David Werdermann sieht Verlinkungen als grundlegendes Werkzeug eines emanzipativen Journalismus. Er ist Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die Kienert unterstützt. „Für uns als Leserinnen und Leser von Internetpublikationen ist es wichtig, dass man sich ein Bild von den Primärquellen machen kann.“ Quellen rechtssicher verlinken zu können, sei auch für die Pressefreiheit wichtig, so Werdermann. „Wenn es um staatliche Maßnahmen wie zum Beispiel Vereinsverbote geht, ist es die Aufgabe der Presse, kritisch darüber zu berichten“, sagt er. Wenn daraus der Vorwurf erhoben würde, man würde dadurch solche Vereinigungen unterstützen, „dann bleibt von der Pressefreiheit nicht viel übrig“…

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Ein Beitrag von
Creative Commons BY-NC-SA 4.0.


Update: Das Landgericht hat den Journalisten freigesprochen .


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