Hunger und Tote

17. Juli 2023

Über Lingen im ersten Weltkrieg berichtet der aktuelle Beitrag im Blog des Emslandmuseums. Darunter lese ich als zweite Überschrift „Hunger und Tote“. So ist eben Krieg.

Dabei waren Lingen und das Emsland im Ersten Weltkrieg (1914-1918) kein unmittelbarer Kriegsschauplatz. Hier spielten sich keine Kämpfe ab, aber die Folgen des „Abnutzungskrieges“ spürte die Bevölkerung bald auch in der Heimat.

Lingen war im Kaiserreich keine Garnisonsstadt, aber der Sitz eines militärischen Bezirkskommandos. Beim Kriegsbeginn mobilisierten die Militärbehörden die Reservisten. Die Männer eilten zu ihren Einheiten und kamen dann an der Westfront gegen Frankreich und Belgien oder an der Ostfront und auf dem Balkan gegen das Zarenreich und seine Verbündeten zum Einsatz.

Der Lingener „Landsturm“ mit den älteren Reservisten bewachte die Grenze zu den Niederlanden, die sich im Ersten Weltkrieg neutral verhielten. Dort blieb alles friedlich.

Auch im Emsland bejubelte die Bevölkerung den Kriegsausbruch und den Abmarsch der Soldaten. Doch schon bald trafen die ersten Transportzüge mit Verwundeten am Lingener Bahnhof ein. Die Saalbetriebe wurden geschlossen und in verschiedenen Sälen der Stadt richtete die Militärverwaltung Lazarette für Verwundete ein.

Weil die englische Marine Deutschland und seine Verbündeten vom Nachschub aus Übersee abgeschnitten hatte, machte sich bald ein großer Mangel an Importgütern bemerkbar. Die Regierung beschloss, an erster Stelle das Militär mit Mangelgütern zu versorgen. Die Bevölkerung erhielt nur noch kleine Mengen auf Bezugsschein. Damit begann die Zeit der Mangelwirtschaft, die im Laufe des Krieges immer dramatischer wurde. Bald gab es z.B. kein Gummi und damit keine Fahrradreifen mehr. Der damals wichtigste Brennstoff, Kohle zum Heizen, wurde knapp und in den Kriegswintern musste die Bevölkerung frieren, denn Holz und Torf standen nicht ausreichend zur Verfügung.

Wegen fehlender Importe und des Mangels an Kunstdünger und Arbeitskräften in der Landwirtschaft wurden bald auch die Lebensmittel knapp. Die Zuteilungen für die Zivilbevölkerung wurden immer geringer und viele Menschen hungerten. Viele versuchten zu improvisieren, bauten selber Lebensmittel an oder tauschten auf dem Schwarzmarkt Nahrungsmittel ein. Der Schmuggel von Mangelgütern aus den Niederlanden blühte.

Die Einberufung der Männer zum Kriegsdienst führte zu einem großen Arbeitskräftemangel. Als Ersatz wurden in großem Umfang Kriegsgefangene eingesetzt, besonders in der Landwirtschaft.

Beim Eisenbahnwerk herrschte während des Krieges Hochbetrieb, denn die Züge waren das wichtigste Transportmittel für die Kriegsführung und für die Kriegswirtschaft. Viele Eisenbahnarbeiter waren aber selber im Kriegseinsatz und fehlten bei der Reparatur von Loks und Waggons. Um die Leistung des Werkes zu steigern, wurde während des Krieges die große Halle 2 für die Lokreparatur im Fließbandverfahren gebaut.

Durch die Kriegsführung mit industriellen Waffen waren die Verluste an den Fronten enorm. Die Listen mit den Toten und Verwundeten wurden immer länger. Bald hatten die meisten Familien Kriegsopfer zu beklagen. Weil ein Transport der vielen Leichen in die Heimatorte unmöglich war, entstanden hinter den Fronten riesige Kriegsgräberfriedhöfe, besonders in Frankreich und an der Flandernfront in Belgien.

Die Kriegspropaganda lief unterdessen auf vollen Touren. Sie warb um Kriegsanleihen für die Rüstungsindustrie und Spenden für die Hinterbliebenen der Kriegstoten, die vom Staat mit einer schmalen Rente abgespeist wurden. Im Winter 1917 gab es eine deutschlandweite Spendenaktion, bei der militärische Symbole gegen eine Geldspende mit Nägeln und Plaketten beschlagen werden konnten. Das entsprechende Denkmal mit einer Darstellung des Lingener Stadtwappens mit dem Eisernen Kreuz befindet sich bis heute im Alten Rathaus.


Ein Beitrag aus dem Blog des Emslandmuseum Lingen, der zahlreiche weitere Fotoaufnahmen aus der Kriegszeit 1941 – 1918 enthält.

Text: Dr. Andreas Eiynck, Fotos: Hist. Rathaus im Kriegswinter 1917 (oben); Hilfskazarett im Saal des Hotels Nave (heute Parkhotel) 1915 (unten)

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