immer für immer
24. Juni 2018
Vorgestern wurde der „Grimme-Online-Award“ (GOA) verliehen. Dabei ging es bei der Gala-Veranstaltung in der Kölner Flora auch um’s Emsland, genauer um das auf dem Hümmling liegende Dorf Werpeloh.
Der 37. Abschlussjahrgang der Henri-Nannen-Journalistenschule hatte 2017 das Online-Projekt „Ein deutsches Dorf “ vorgestellt. Die künftigen Journalisten berichten darin über das scheinbar allzu bekannte Leben jenseits der Großstadtmetropolen, „ohne dass sich die Autoren über ihre Protagonisten erheben würden“, so die GOA-Jury, die das Projekt in der GOA-Kategrie „Kultur und Unterhaltung“ auszeichnete.
Überzeugend fand sie dabei vor allem die „Zurückhaltung bei der Multimedialität zugunsten des eigentlichen Inhalts und des preiswürdigen redaktionellen Konzepts.“ Dabei zeigte die JournalistenschülerInnen auch die eigene Rolle reflektiert und Gegensätze wie Gemeinsamkeiten – nicht nur von jungen Menschen – auf dem Dorf und der Stadt auf.
Vor einem Jahr hatten sich die Journalistenschülerinnen und -schüler zwei Wochen im Jugendgästehaus in Sögel einquartiert, um das Leben in der Hümmlinger Nachbargemeinde „hautnah mitzuerleben“ und multimedial zu dokumentieren. So entstanden Geschichten über Gülle-Influencer auf YouTube, Schützenfeste oder Klischees über das Dorfleben.
Die Macher: Henri-Nannen-Journalistenschule, 37. Lehrgang
Redaktionsleitung: Benedikt Becker, Stefanie Pichlmair, Daniel Sippel
Redaktion: Marius Buhl, Susan Djahangard, Martin Eimermacher, Steffi Hentschke, Lisa McMinn, Robert Pausch, Martin Pfaffenzeller, Jonas Schaible, Nico Schmidt, Florentin Schumacher, Frederik Seeler, Markus Sehl, Jean-Pierre Ziegler
Unterstützung Video-Produktion: Carsten Behrendt, Martin Jäschke, Shahin Shokoui
Unterstützung Fotografie: Heiner Müller-Elsner
Gestaltung und Umsetzung: Maximilian Schmidt
Koordination: Renate Lehnert
Herausgeber: Andreas Wolfers
Werpeloh also. 1.174 Einwohner, eine Kirche, eine Kneipe, 14.391 Schweine, 221 Schafe. Spezialität: Grünkohl mit Pinkel. Und eine Stunde bis zur nächsten Autobahn. Vielleicht denken Sie gerade: Was für ein Kaff! Doch an Orten wie diesem wird die Bundestagswahl entschieden. Mehr als die Hälfte der Deutschen lebt fernab der großen Städte. Millionen Menschen, die Journalisten und Hauptstadtpolitiker zu oft aus den Augen verlieren. Wie lebt es sich in einem Dorf wie Werpeloh?
Um ein Dorf auszuwählen, hatten die Journalistenschüler erst überlegt, Dartpfeile auf eine Deutschlandkarte zu werfen. Dann machten Berliner Sozialforscher die Journalistenschüler auf Werpeloh aufmerksam: 500 Kilometer entfernt von Berlin, 240 Kilometer von Hannover, 29 Kilometer bis zum nächsten Bahnhof. Ein in jeder Hinsicht durchschnittliches deutsches Dorf.
Die Reporter halfen Schweinezüchtern beim Ausmisten, begleiteten die Freiwillige Feuerwehr, feierten im Schützenverein; am Sonntag saßen sie mit in der Kirche. Sie begannen, sich Fragen zu stellen: Wird der Schützenkönig wirklich durchs Schießen bestimmt? Wer ist der Mann, der mit all den EU-Geldern das Dorf erneuert hat? Warum wollen fast alle jungen Leute in Werpeloh bleiben?
Die Journalistenschüler wohnten im katholischen Jugendhaus im Nachbarort Sögel. Im Editorial heißt es:
„In der dritten Nacht klaute jemand unsere Fahrräder. Wir hatten sie gemietet, um jeden Morgen von einem Nachbarort aus nach Werpeloh zu radeln. In Werpeloh selber hatten wir keine Unterkunft gefunden, kein Wunder, wer reist schon nach Werpeloh: kleines Dorf im Emsland, 1200 Einwohner, eine Kirche, eine Kneipe, ansonsten viele Schweine, Kornfelder, Windräder.
Die Werpeloher betonten sogleich, dass die Räder ja nicht in ihrem Dorf gestohlen worden waren, sondern vor unserer Herberge im Nachbarort. In Werpeloh sei so etwas undenkbar. Hier gebe es keine Diebe. Die Botschaft war klar: In ihrem Flecken, wo jeder jeden kennt, sei die Welt noch in Ordnung.
Ist sie das wirklich? Und falls ja: Worauf beruht diese heile Welt? Macht es Spaß, in ihr zu leben?“
Die Werpeloher luden die Henri-Nannen-Schüler zu Erdbeerkuchen ein, aber sie blieben auch emsländisch-skeptisch. Was wird bei alldem herauskommen? Entstanden ist das jetzt mit dem Grimme Online Award ausgezeichnete Multimediaprojekt www.eindeutschesdorf.de. Es ist online, und die Beiträge waren im vergangenen August in der Print-Ausgabe der ZEIT zu lesen.
Meine Leserschaft darf wie ich in emsländischer Identitätsbeschreibung versnken, die so ganz anders ansetzt als die augenzwinkernde von Gerhard Kromschröder, doch genauso entschieden ist. Und folgerichtig lese ich authentische Emsland-Sätze wie den von Petra: „In Werpeloh ist es immer für immer.“
(Foto: Steinkreis Werpeloh von Frank Vincentz CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported)
Blau
27. Dezember 2011
In das Münchener Lenbachhaus gehen alljährlich Hunderttausende Besucher, um sich Kunst anzusehen. Darunter die Blauen Pferde, die Franz Marc vor genau 100 Jahren in mehreren Varianten malte, obwohl es „keine blauen Pferde gibt“ (wie mancher Zeitgenosse Kopf schüttelnd sagte). Nahebei in Sögel wurden nun vor einem Monat 10 blaue Schafe (Ausschnitt re.) auf einem Kreisverkehrsplatz installiert, eine Arbeit des Kölner Künstlers und Blauschäfers Rainer Bonk. In Sögel und beim NDR lief dies -Franz Marc hin oder her – unter moderne Kunst, und mit ihr haben bekanntlich viele ihre Schwierigkeiten, vor 100 Jahren und auch jetzt.
Denn auch in Sögel begann schon direkt nach dem Aufbau große Aufregung. Dabei hatte sich der Sögeler Rat bei der Installation etwas gedacht: Das Schaf hat für den Hümmling eine besondere Bedeutung, Schafherden grasten hier schon vor Jahrhunderten. Die Schafe stehen für ein friedliches Miteinander, ihre Farbe ist das Blau der UNESCO und der Vereinten Nationen. „Alle sind gleich, jeder ist wichtig: Dieses Motto gilt auch für Sögel“, sagte Bürgermeisterin Irmgard Welling (CDU). „Dass sich alle Bewohner in Sögel wohlfühlen, die Jungen, die Alten, die Familien, die Zugezogenen – einfach alle. Wir wollen alle da abholen, wo sie stehen und sie unterstützen, wie sie gerade in Sögel angekommen sind.“.
Diese Botschaft passte nicht zwanglos in die Köpfe besonders dumpfbackiger Zeitgenossen. Samtgemeindebürgermeister Günter Wigbers (CDU) musste nun heute zum NDR sagen: „Ich bin traurig, dass einige die Botschaft nicht verstanden haben.“ Die Werbung für ein friedliches Miteinander wurde nämlich ausgerechnet zu Weihnachten auseinander gerissen: Unbekannte stahlen eines der 10 blauen Schafe bereits in der Nacht zu Heiligabend. Am 2. Weihnachtstag wurden nachts mehrere Schafe aus ihrer Verankerung gerissen, eines wurde gestohlen und ein weiteres mit Fußtritten zerstört.
In unserem Lingen war man -lange bevor die Wassersäulen auf dem Kreisverkehrsplatz Lindenstraße wiederholt zum Gegenstand testosterongeschwängerter Zerstörungswut wurden- schlauer: Das blaue (Lingener) Pferd steht hier an der Kunst-/Halle IV auf einer Säule und wird durch Kameras der benachbarten JVA überwacht.
ps Ich weiß, liebe Kritiker, dass die kleinen blauen Pferde von Franz Marc (Foto oben re.) nicht im Lenbachhaus sondern in der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen sind. Aber Franz Marcs Blaues Pferd aus München ist gerade auf einer Ausstellung in Moskau und da musste ich auf die (ungleich blaueren) Schwaben zurückgreifen… 😉
Arbeit
30. April 2010
Eine gute Nachricht zum 1. Mai: Der Arbeitsmarkt in unserer Region kommt nach dem Einbruch aufgrund der Wirtschaftskrise langsam wieder in Schwung. Die Zahl der Arbeitslosen ist im April weiter zurückgegangen. In der Grafschaft sowie in den Altkreisen Lingen und Meppen sank die Arbeitslosenquote um 0,5 auf jetzt 4,5 Prozent.
Das Besondere: Erstmals seit Monaten ist die Quote wieder niedriger als im jeweiligen Vorjahresmonat. Sie entspricht exakt der Quote im April 2008 vor Beginn der Krise. Auch im nördlichen Emsland sank die Arbeitslosenquote, im Bereich Papenburg auf 6,4 Prozent und auf dem Hümmling auf 5,1 Prozent. Die Region liegt damit weiterhin deutlich unter dem Landesschnitt, Niedersachsenweit betrug die Arbeitslosenquote 7,8 Prozent.
Aber klar ist auch, dass der DGB Recht hat:
Die Krise ist noch nicht vorbei. Gewerkschaften und Betriebsräte haben maßgeblich dazu beigetragen, dass bislang ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert werden konnte. Kurzarbeit, Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung, Konjunkturprogramme und die Abwrackprämie waren Maßnahmen, für die sie gekämpft haben. Nun kommt es darauf an, dass der Staat in der Lage bleibt, unverschuldet in Not geratenen Menschen zu helfen, Arbeitsplätze zu sichern und Unternehmen zu stabilisieren. Die Verursacher der Krise müssen für die Finanzierung der Krisenlasten gerade stehen und für mehr Beschäftigung, Bildung und soziale Sicherheit in die Pflicht genommen werden.
Nachtrag:
Die Geschichte des Maifeiertags „Vom Kampftag zum Feiertag“ finden Sie auf der Interneteite des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
(Quellen: DGB-Maiaufruf, www.emsvechtewelle.de)