einfach zu viel Torf abgebaut
2. Januar 2023
Torfabbau ist bekanntlich sehr schlecht fürs Klima. Und trotzdem ist er in Deutschland nach wie vor erlaubt. Behörden erteilen immer noch Genehmigungen. Vor allem in Niedersachsen graben sich Unternehmen durch trockengelegte Moorböden, um den Rohstoff abzubauen; zuletzt erteilte der Landkreis Aurich eine Genehmigung für den Abbau von 100 Hektar; denn Torf eignet sich gut als Pflanzendünger. Seine Gewinnung setzt aber eben Unmengen klimaschädlicher CO2-Gase frei.
Am Silvestertag informierten die Emsland-Blätter der NOZ, dass im Abbaugebiet „Esterweger Dose 1-4“ zwischen den Landkreisen Emsland, Cloppenburg und Leer möglicherweise nicht mehr genug Torf vorhanden ist, um die Fläche wie vorgeschrieben wiederzuvernässen. Die Abbau-Firmen müssen ihre abgetorften Ländereien nämlich auf diese Weise renaturieren. So soll der Ausstoß der Klimagase aus den alten Moorböden gestoppt werden. Das funktioniert aber nur, wenn eine gewisse Restschicht Torf im Boden verbleibt – ein halber Meter gilt als Untergrenze. Auf der sehr großen Abbaufläche nördlich von Esterwegen ist diese Grenze unterschritten. Der zuständige Landkreis Emsland bestätigte, man habe 2020 den Torfabbau in der Region stillgelegt. Bei anschließenden Messungen habe sich der Verdacht der Behörde bestätigt, dass die vorgeschriebenen Abbauhöhen bereits unterschritten waren.
Nach Angaben des Landkreises fehlen auf der Fläche gut 19.800 Kubikmeter Torf. Umgerechnet entspricht das laut NOZ rund 283.000 handelsüblichen 70-Liter-Blumenerde-Säcken im Baumarkt. Die kosten die Kunden mindestens 12 bis 13 Euro pro Sack.
Der immer schon abbaufreundliche Landkreis prüft aber weiter – inzwischen seit mehr als zwei Jahren. Ein Endergebnis liegt bislang nicht vor. Am Ende würde ein Verstoß gegen die Vorschriften nur eine Ordnungswidrigkeit sein, die eine geringe Geldbuße nach sich zöge und vielleicht die Einziehung der Verkaufserlöse an die Handelsketten, die durch den zu umfangreichen Torfabbau erzielt wurden. Das könnte sich auf mehr als 1 Million Euro summieren.
Vertreter des NABU sprechen längst von einer Katastrophe und einem Skandal. Sie hatten entsprechende Unterlagen des Landkreises gesichtet und sagen jetzt: Das Abbauunternehmen Klasmann-Deilmann hat in der Esterweger Dose schlichtweg zu viel Torf abgebaut. Klasmann-Deilmannwill aber davon nichts wissen: Hintergrund aller Probleme, sagt Klasmann-Deilmann, seien die trockenen Sommer der vergangenen Jahre – mithin der Klimawandel. Dadurch sei die sogenannte Torfzehrung beschleunigt worden. Dabei gelangt Sauerstoff an die trockengelegten Torfböden und beschleunigt dadurch deren Zersetzung. Der Torfboden schrumpft zusammen.
Der NABU hat am Wochenende diese „Wir-doch-nicht“-Darstellung des schon vor Jahrzehnten umstrittenen emsländischen Torfabbauunternehmens Klasmann-Deilmann zurückgewiesen. Vielmehr habe die Firma eindeutig zu viel Torf abgebaut.
„Vor einiger Zeit ist uns aufgefallen, dass auf Teilflächen im Abbaubereich der gewachsene Schwarztorf gegrubbert wurde“, erläutert Karl-Heinz Augustin vom NABU Emsland Nord. „Die Zerstörung der wasserhaltenden, gewachsenen dichten Torfschicht ist im Hinblick auf die Wiedervernässung und Renaturierung eine Katastrophe. Deshalb haben wir vom NABU den Landkreis um Umweltinformationen insbesondere mit Bezug auf die nach dem Torfabbau herzustellenden Geländehöhen gebeten.“ Aus den zur Verfügung gestellten Informationen sei „deutlich hervorgegangen, dass ein Defizit an Torf“ bestehe.
Außerdem enthalte der Genehmigungsbescheid diese Auflage:
„Alle die Höheneinhaltung und Höhenfeststellung beeinflussenden Faktoren, wie Genauigkeit technischer Abläufe, Mineralisierung, Sackung und Quellung von Torfen, Genauigkeit der eingesetzten Messtechnik, sind vom Abbauer so zu berücksichtigen, dass die Herrichtungsordinate dennoch sicher eingehalten wird. Das Ergebnis der Abnahmemessung wird verbindlich und ohne weitere Korrekturen oder Abschläge festgestellt.„
Folglich hätte nach Ansicht der Naturschützer die Firma Klasmann-Deilmann entsprechend viel Torf auf der Fläche belassen müssen, um auch „bei einsetzender Mineralisierung und Sackung“ entsprechende Herrichtungshöhen einhalten zu können.
Jetzt bestehe die Gefahr, dass nicht mehr genügend Torf vorhanden sei, um Polder und Sandlinsen, die an die Oberfläche ragen, zu verwallen. „Die Sandlinsen wirken dann wie ein Abfluss in der Badewanne und die Fläche läuft trocken“, erklärt Augustin. Der NABU fordert nun kurzfristig eine umfassende Untersuchung der Bodenschichten („Stratigraphie“) für die gesamte Abbaufläche, um zu klären, ob eine Wiedervernässung und Renaturierung überhaupt noch möglich ist. Außerdem müsse die Renaturierung – sofern überhaupt noch möglich – schnellstmöglich in Angriff genommen werden. „Monat für Monat ohne Wiedervernässung wird die noch vorhandene Torfmenge durch Mineralisation weniger und weniger und die Schwierigkeiten für die Renaturierung werden immer größer,“ so Augustin. Sollte eine Renaturierung im Abbaugebiet „Esterweger Dose 1-4“ nicht möglich sein, sind an anderer Stelle schnellstmöglich Kompensationsflächen in entsprechender Größe zu schaffen, fordert der NABU.
Die Esterweger Dose war bis vor 70 Jahren eines der größten Hochmoorgebiete Mitteleuropas. Nach dem zweiten Weltkrieg begann seine Entwässerung und Abtorfung. Später wurden zwar über 4.700 ha als Naturschutzgebiet unter Schutz gestellt, der Torfabbau blieb jedoch weiter erlaubt; dafür hatten Lobbyisten gesorgt.
Außerdem ist das Gebiet sowohl als Gebiet nach der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU (FFH-Gebiet) als auch als EU-Vogelschutzgebiet besonders für Arten wie Goldregenpfeifer, Großer Brachvogel und Kiebitz geschützt. Für diese Arten hätten laut Abbaugenehmigung im Bereich der Abbaustätte auch Reststrukturen erhalten bzw. entwickelt werden sollen. „Uns sind aber keine Reststrukturen bekannt,“ beklagen die Naturschützer. Die artenschutzrechtlichen Auflagen seien dementsprechend wohl auch nicht eingehalten worden. Insgesamt bezeichnen sie deshalb den jetzigen Zustand der Fläche als Skandal.
Text: NOZ, NABU; Foto: Moor, Herbert2512 via piaxbay
Das Ende des Georgsdorfer Hochmoores?
3. Dezember 2010
Ökoalarm in Niedersachsen! Bündnis’90/Die Grünen, die Linksfraktion im Landtag Niedersachsen sowie der Naturschutzbund Niedersachsen (Nabu) haben sich gegen weitere Torfabbauflächen ausgesprochen. 12.000 Hektar Fläche sind derzeit im Niedersächsischen Landes-Raumordnungsprogramm (LROP) für den Bodenabbau vorgeschlagen, davon mehr als 7.000 Hektar für den Torfabbau. Eine Vielzahl dieser Flächen liegt innerhalb von Trinkwassergewinnungsgebieten, in Landschaftsschutzgebieten oder grenzt an bereits renaturierte, für den Natur- und Artenschutz besonders wertvolle Flächen, die häufig Teil des Niedersächsischen Moorschutzprogramms sind. Durch die nun geplanten neuen Abtorfungen ist die positive Entwicklung dieser Gebiete für den Natur-, Arten-, Trinkwasser- und Klimaschutz gefährdet, erklärte jetzt der NABU Niedersachsen.
Rücksichtslos wurden zahlreiche neue Abbauflächen für Torf und Gesteine vom Hannoverschen Landwirtschaftsministerium in das LROP aufgenommen – selbst solche die aus Natur- und Artenschutzgründen bisher vom Abbau ausgeschlossen waren. Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, dazu: „Die Ausweisung von weiteren Hoch- und Niedermoorflächen als Vorranggebiete für den Torfabbau wäre ein Rückfall in die 1970-er Jahre“. Längst schien verstanden, dass über 95 Prozent der ehemaligen Hochmoorflächen des einstigen Moorlandes Niedersachsen bereits zerstört wurden und die letzten Reste zum Erhalt der einmaligen Fauna und Flora der Moore unter Schutz gestellt werden müssen. Anstatt das Moorschutzprogramm durch Niedermoorflächen zu ergänzen und zu entwickeln, sollen nun aber auch diese restlichen Flächen dem Abbau preisgegeben werden. Dr. Holger Buschmann: „Wir setzen allerdings auf die Einsicht der Landesregierung und gehen davon aus, dass alle neu zum Torfabbau vorgeschlagenen Flächen aus dem Entwurf des Landesraumordnungsprogramms entfernt werden. Es wäre ein Unding, dass gegen den Protest vieler Kommunen und der Naturschutzverbände, das allseits anerkannte und fachlich gültige Moorschutzprogramm Niedersachsens ‘abgegraben’ würde.“
„Besonders erschreckend“ – so der NABU- ist die vorgesehene Erweiterung des Torfabbaus im Georgsdorfer Moor im Landkreis Grafschaft Bentheim an der Grenze zum Emsland. Der 300m breite Streifen Hochmoor umfasst insgesamt 63 Hektar, die bisher vertraglich vom Abbau ausgenommen und dem Naturschutz zugesprochen waren. Die Nordhorner Kreisgruppe des BUND und des NABU protestierten schon vor Wochen „nachdrücklich und auf das Schärfste“ gegen die entsprechende Änderung des LROP und den vorgesehenen Torfabbau. Der sei „aus Gründen des Artenschutzes und des Klimaschutzes“ unverantwortlich. Durch eine Zerstörung des Hochmoor-Grünlandblocks bei Georgsdorf würden in kürzester Zeit klimaschädliche Gase mobilisiert, die vorher in etwa 10.000 Jahren festgelegt wurden. Artenschutzrechtlich ist ein Torfabbau aus Sicht der Umweltverbände unvertretbar: „Im 300-Meter-Block brüten streng geschützte Wiesenvogelarten wie Großer Brachvogel, Kiebitz und Uferschnepfe. Die geplante Abtorfung wird zum vollständigen Verlust dieser Arten führen. Der Erhaltungszustand ihrer lokalen und regionalen Populationen wäre durch das Vorhaben stark gefährdet.“
Die Verbände: „63 Hektar sollten es wert sein, für nachfolgende Generationen erhalten zu bleiben. Schließlich handelt es sich auch um ein Stück Grafschafter Kulturgeschichte.“ Die Verbände erinnern die Kommunalpolitiker und die politisch Verantwortlichen auf Landesebene an die Worte von Bundespräsident Christian Wulff, die er jüngst bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises vorgetragen hat: „Wir dürfen nicht länger für kurzfristigen Nutzen längerfristigen Schaden in Kauf nehmen.“ In diesem Zusammenhang habe der Bundespräsident eine konsequente Klima- und Umweltpolitik angemahnt.
Der hinter verschlossenen Türen tagende Kreisausschuss des Landkreises Grafschaft Bentheim in Nordhorn berät in diesen Tagen über die Pläne, im LROP die letzten 63 Hektar Hochmoor bei Georgsdorf in der Grafschaft als „Vorranggebiet für den Torfabbau“ freizugeben. Seit 2001 hat die Fläche im Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) Vorrang für Natur und Landschaft. Der westlichste niedersächsische Landkreis bemüht sich seit Jahren, durch Verträge mit den Eigentümern schutzwürdige Naturräume in der Grafschaft zu sichern. Deshalb wurde 1997 vereinbart, die Georgsdorfer Fläche nicht industriell abzutorfen; sie ist das letzte verbliebene Hochmoor in unserem Nachbarkreis.
„Es ist nicht nur wegen des Natur- und Artenschutzes, sondern besonders aus Gründen des Klimaschutzes unverantwortlich, die eigentlich als CO2-Senken funktionierenden Moore abzutorfen und damit Unmengen von CO2 in die Luft zu blasen. Das Land Niedersachsen würde damit seiner hohen Verantwortung im Moor- und Klimaschutz keineswegs gerecht, sondern muss sich vielmehr die Frage stellen lassen, ob es mit der Ausweisung neuer Torfabbau-Vorranggebiete den vollmundig propagierten Klimaschutz nicht ad absurdum führen würde“, erklärte Dr. Holger Buschmann.
Eine 15 Zentimeter hohe Torfschicht speichert auf der gleichen Fläche in etwa ebensoviel CO2 wie ein 100-jähriger Wald. Bei Torfmächtigkeiten von mehr als einem Meter ist die CO2 Speicherung eines Moores enorm, eine Freisetzung dieser CO2 Mengen nicht zu verantworten. Die Georgsdorfer Pläne sind kein Einzelfall. Auch die Neuausweisung von 157 Hektar des Badener/Posthauser Moores im Landkreis Verden, das Günnemoor im Landkreis Osterholz mit fast 100 Hektar oder das Hanlaxmoor mit 89 Hektar im Landkreis Nienburg stehen auf der umweltfeindlichen Liste von Schwarzgelb. Die Zerstörung von Mooren ist extrem klimaschädlich. Vor allem im Ostfriesland, im Emsland und Bremen wehren sich daher Kommunen, Bürgerinitiativen und Umweltverbände gegen den Torfabbau.
(Foto: Georgsdorfer Hochmorr, © BUND Grafschaft Bentheim; Kiebitz: © wikipedia CC)