Durchbruch nebenan?
26. August 2021
Auch fünf Monate nach der Wahl stockt die Regierungsbildung in den Niederlanden. Trotzdem verdichten sich die Anzeichen, dass die Entscheidung in nicht allzu ferner Zukunft liegt. Experten erwarten einen Durchbruch im Nachbarland.
Ab heute sind wieder alle Augen und Ohren auf Mariette Hamer gerichtet. Hamer wurde im Mai diesen Jahres zum Informateur benannt, berichtet also über die Koalitionsverhandlungen des Kabinetts.
Ursprünglich sollte bereits die letzte Woche die „Woche der Wahrheit“ werden. Aber eine Reihe von Gesprächen mit wichtigen Akteuren sowie ein Zusammenschluss zweier linker Fraktionen haben nicht zum Durchbruch bei der Bildung eines neuen Kabinetts geführt. Auch deswegen rückt Hamer diese Woche erneut in den Fokus.
Vor zwei Wochen teilte Hamer der zweiten Kammer mit, dass nach ihrer Einschätzung „in absehbarer Zeit“ Klarheit über den weiteren Verlauf der Verhandlungen geschaffen werden sollte. Dies Geschah insbesondere auf das Drängen von PVV-Vorsitzenden Geert Wilders. Die Mehrheit der Kammer hatte erklärt, mit der Erörterung der Ergebnisse warten zu wollen, bis Hamer ihren Abschlussbericht vorgelegt hat.
Mehrere wichtige Akteure drängten letzte Woche auf eine Beschleunigung der Gespräche, da die Wahlen vor bereits fünf Monaten stattfanden und der eigentliche Verhandlungs- und Gestaltungsprozess noch nicht begonnen hat. Sowohl der CDA–Vorsitzende Wopke Hoekstra als auch der Vorsitzende der ChristenUnie Gert-Jan Segers sind der Meinung, dass es an der Zeit ist, „Entscheidungen zu treffen“. Auch VVD-Chef Mark Rutte sagte am Mittwoch, dass „in den kommenden Tagen“ entschieden werden müsse, mit welchen Parteien weiter verhandelt werden könne. Einen Tag später teilte er jedoch mit, dass „ein wenig mehr Zeit“ benötigt werde.
Derzeit sieht es so aus, als würden in der kommenden Woche weitere Gespräche zwischen VVD, D66, CDA und dem seit Freitag gemeinsam bestehenden Verhandlungsteam von PvdA und GroenLinks stattfinden.
Die Frage ist jedoch, ob die Fusion von PvdA und GroenLinks die Verhandlungen wirklich beschleunigen kann. VVD und CDA betrachten das Regieren mit zwei linken Parteien, obwohl dies für eine parlamentarische Mehrheit nicht notwendig ist, weiterhin mit Misstrauen. Obwohl in den letzten Tagen angedeutet wurde, dass es der Wunsch von VVD und CDAwäre, als eine Fraktion aufzutreten, zeigte sich innerhalb der beiden Parteien wenig Begeisterung für diese Ankündigung. Besonders die Meinung der CDA, die als kleinste Fraktion an den Verhandlungen teilnehmen wird, wird in der kommenden Woche von Interesse sein.
Aber auch für PvdA und GroenLinks ist es keineswegs beschlossen, dass ein gemeinsames Vorgehen die weiteren Verhandlungen erleichtern wird. Beide Parteien kritisieren die Entscheidung. Obwohl Jesse Klaver und Lilianne Ploumen beteuerten, dass es sich um ihre eigene Entscheidung handele, sieht ein Teil der Anhängerschaft immer noch eine reflexartige Reaktion der rechten Parteien. Darüber hinaus ist weiterhin unklar, wohin genau dieses Bündnis führen soll.
Beide Führungspersonen betonten schnell, dass nicht von einem Zusammenschluss gesprochen werden kann. Vorerst arbeiten nur die Parlamentsparteien zusammen. Schlussendlich seien es die Parteimitglieder, die über die Fusion entscheiden würden, forderten auch weitere prominente Anhäger der Partei. Dies hätte die Bildung zweier weiterer Parteitage, zusätzlich zum CDA-Parteitag Anfang September zur Folge.
Zaunblick
21. März 2021
Mein sonntäglicher Zaunblick: In der abgelaufenen Woche haben die Niederlande ihr Parlamente, die sog. Tweede Kamer (Zweite Kammer) gewählt. Weil es im Nachbarland keine 5-Prozentklausel gibt, sind inzwischen 17 (!) Parteien in dem 150-Sitze-Parlament vertreten. 27 Sitze werden von ausgewiesen rechtsextremen Abgeordneten besetzt. Schon nach der letzten Wahl dauerte es ausgespochen lange, bis Wahlsieger Mark Rutte von der rechtsliberalen VVD eine Regierungskoalition bilden konnte. Er hofft zwar, dass es dieses Mal schneller geht (O-Ton: „Bis zum Sommer“), aber was weiß ich schon. Mehr weiß jedenfalls Niederlande.Net, die NL-Plattform an der Uni Münster. Sie titelt ihren Hintergrundbericht: Welche Koalition wird die neue Regierung bilden?
Nach den Parlamentswahlen vom 17. März und dem erneuten Sieg der VVD von Ministerpräsident Mark Rutte, muss sich dieser nun mit der Koalitionsbildung auseinandersetzen. Dabei liegen für die VVD einige Optionen auf dem Tisch, sie wird wohl allerdings auch auf einige Forderungen des wahrscheinlichen Koalitionspartners D66 eingehen müssen. Die Partei von Sigrid Kaag war der große Gewinner der Wahlen und landete vor PVV und CDA auf dem zweiten Platz.
Inzwischen haben sich die beiden größten Parteien VVD und D66 dazu bekannt, gemeinsam eine Koalition bilden zu wollen. Die VVD beauftragte Annemarie Jorritsma und die D66 Kajsa Ollongren damit, weitere Partner für eine mögliche Koalition auszuloten. Dieser Vorgang ist insofern ungewöhnlich, da es üblich ist, dass nur die größte Partei eine Person mit den Sondierungen beauftragt. Aufgrund der starken Gewinne von D66 sollen nun beide Parteien die Sondierungen führen.
Am Freitagmittag trafen sich die beiden mit der Vorsitzenden der Zweiten Kammer Khadija Arib (PvdA) zu einem ersten Gespräch. Im Anschluss daran betonte Jorritsma das Ziel, bis zum Sommer mit der Regierungsbildung fertig zu sein. Die beiden wollen bereits ab Montag mit den Fraktionsvorsitzenden verschiedener Parteien sprechen. Einen ersten Bericht über ihre Einschätzungen müssen die beiden Verhandlungsführerinnen spätestens am 30. März veröffentlichen. Darin werden sie wahrscheinlich empfehlen, welche Kombination von Parteien als erstes untersucht werden sollte.
Unterdessen wird in den niederländischen Medien bereits darüber diskutiert, wie das nächste Kabinett aussehen könnte. Gute Chancen sehen dabei viele für eine Weiterführung der aktuellen Koalition zwischen VVD, D66, CDA und ChristenUnie. Dafür spricht, dass VVD und CDA bereits vor der Wahl angedeutet haben, dass man sich eine erneute Koalition vorstellen könne. Außerdem hätte die Koalition eine breitere Mehrheit als bisher. Dagegen spräche, dass die Koalition in der Vergangenheit nicht immer reibungslos funktionierte, was häufig eine Blockade der ChristenUnie bei ethisch-moralischen Fragen, wie beispielsweise einer Reform der aktiven Sterbehilfe, geschuldet war. Außerdem könnte sich D66 dafür einsetzen, dass eine progressivere Partei in die Koalition eintritt.
Im linken Spektrum gibt es mehrere Parteien, die in Frage kommen würden. So suchte Ministerpräsident Rutte im Wahlkampf vorsichtige Annäherungen an Lilian Marijnissen und ihre SP. Diese spricht wiederum D66 wegen ihrer EU-kritischen Haltung nicht an. D66 würde sich eher eine Koalition mit GroenLinks wünschen, woran wiederum die VVD kein Interesse hat. Übrig bliebe eine Koalition mit der PvdA, welche sich bei neun Sitzen stabilisieren konnte, was von vier Jahren das historisch schlechteste Ergebnis der Partei war.
Die PvdA würde sich an sich perfekt eignen, um in die Koalition einzutreten. Die Partei ist ein verlässlicher Partner und hat bereits erfolgreich in einem Kabinett gemeinsam mit der VVD gearbeitet. Dennoch könnte es schwer werden, die Partei in die Regierung zu lotsen. Im Wahlkampf betonte die Partei nachdrücklich, dass man nur in ein Kabinett mit linken Parteien eintreten möchte. Besonders eng hat die PvdA mit GroenLinks zusammengearbeitet. Die beiden Parteien wollen nicht ohneeinander in eine Koalition eintreten. Es wird spekuliert, dass die beiden Parteien nach den enttäuschenden Wahlergebnissen eine Fusion anstreben könnten. Sollte eine der beiden Parteien allerdings in eine Koalition eintreten, wäre dieses Vorhaben auf absehbare Zeit nicht zu realisieren. VVD und D66 würde es mit Sicherheit einiges an Mühe kosten die beiden Partner voneinander loszueisen.
Dass es eine rechte Koalition ohne D66 geben wird, gilt als höchst unwahrscheinlich. Mark Rutte hatte eine Koalition mit der PVV von Geert Wilders im Wahlkampf kategorisch ausgeschlossen. Am Tag nach der Wahl brachte Thierry Baudet, der Parteiführer des rechtsextremen FvD, eine Koalition aus VVD, PVV, FvD und den Neulingen von JA21 ins Spiel. Baudet gehört selbst zu den großen Gewinnern der Wahl. Obwohl seine Partei im vergangenen Jahr von mehreren Rassismusskandalen und der Absplitterung von JA21 erschüttert wurde, konnte die Partei sechs Sitze hinzugewinnen. Eine realistische Möglichkeit stellt die von Baudet ins Spiel gebrachte Koalition allerdings kaum dar.
Die Koalitionsbildung wird auf alle Fälle ein komplexer Prozess, wie bereits Jorritsma und Ollongren festgestellt haben. Wahrscheinlich ist allerdings, dass die drei Koalitionsparteien VVD, D66 und CDA weiter zusammenarbeiten werden – mit oder ohne ChristenUnie. (Quelle: NiederlandeNet)
Weitere Informationen zu den Ergebnissen der Wahl gibt es hier:
Wahlergebnis – VVD größte Partei, gefolgt von D66 und PVV
So wählten die Provinzen Overijssel und Drenthe (Quelle GN, €)
Wahlen bei den Nachbarn
18. März 2021
Der niederländische Premierminister Mark Rutte und seine rechtsliberale Partei VVD haben die Parlamentswahl klar gewonnen. Die VVD wird nach einer Prognose des Fernsehsenders NOS vom gestrigen Abend mit etwa 23 Prozent und 36 von insgesamt 150 Sitzen mit Abstand stärkste Kraft in der „Tweede Kamer“ des Nachbarlandes. Der schon seit über zehn Jahren amtierende Rutte dürfte damit zum vierten Mal Regierungschef werden.
Während Ruttes Sieg vorausgesagt worden war, ergab sich beim Zweitplatzierten eine große Überraschung: Hier setzte sich die linksliberale und besonders europafreundliche D66 mit weitem Abstand durch. Nach der Prognose holte sie 27 Mandate, acht mehr als bisher. Dies wurde in ersten Kommentaren unter anderem auf die populäre Spitzenkandidatin Sigrid Kaag zurückgeführt. Die Außenhandelsministerin arbeitete viele Jahre für die Vereinten Nationen und spricht sechs Sprachen. Sie gilt als ein neuer Star der niederländischen Politik.
Die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders, die in den Umfragen wochenlang auf dem zweiten Platz gestanden hatte, verlor drei Parlamentssitze. Dafür gewann eine andere rechtspopulistische Partei, die FvD des Nationalisten Thierry Baudet, allerdings fünf Sitze dazu und hat nun insgesamt sieben. Eine Abspaltung der FvD, JA21, zieht mit drei Abgeordneten ins Parlament ein, so dass die Rechtspopulisten unterm Strich gestärkt aus der Wahl hervorgehen.
Deutlich schlechter als vor vier Jahren schnitten Christdemokraten, Grüne und Sozialisten ab. Die Sozialdemokraten, die in den 90er Jahren noch stärkste politische Kraft in den Niederlanden waren, stabilisierten sich auf dem niedrigen Niveau von neun Sitzen. Insgesamt zersplittert das niederländische Parlament immer mehr: Zusätzlich zu den 13 Parteien, die bisher schon im Parlament vertreten waren, ziehen nach der TV-Prognose noch vier weitere Parteien in die Zweite Kammer ein, so dass dort künftig 17 Parteien vertreten sind. In den Niederlanden gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde.
Aber bemerkenswert: Trotz Corona lag die Wahlbeteiligung wie vor vier Jahren bei 82 Prozent.
Wichtige Themen für die Wähler waren nach Umfragen der Zustand des Gesundheits- und Pflegesystems, die gestiegenen Mieten und Preise für Eigentumswohnungen, Klima und Umwelt sowie die Corona-Bekämpfung. Um wegen Corona für mehr Abstand zu sorgen, richteten die Niederländer Wahllokale an ungewöhnlichen Orten ein, zum Beispiel in Kirchen, Museen und sogar in einem Friedhofsgebäude und einem ehemaligen Gefängnis.
Die Niederlande befinden sich seit Mitte Dezember im Lockdown. Seit Ende Januar gilt auch eine Ausgangssperre. Mehr als 16 000 Menschen starben in Verbindung mit Covid-19, und die Infektionsraten sind seit Wochen hoch. Doch trotz regelmäßiger Demonstrationen steht noch immer eine Mehrheit der Bürger hinter der Corona-Politik der Regierung.
Koalitionsverhandlungen gestalten sich in den Niederlanden traditionell langwierig und kompliziert. Diesmal könnten daran sogar fünf Parteien beteiligt sein. Rutte drängt aber darauf, dass es diesmal schneller gehen müsse: „Ich hoffe, dass sich jeder durch Corona im klaren darüber ist, dass wir schnell etwas haben müssen“, sagte er.—
Quelle: GN
NL-Ergebnisse: Mehr Parteien als jemals zuvor
25. März 2018
Die vorläufigen Ergebnisse der niederländischen Kommunalwahlen, die am ervergangeen Mittwoch 21.03.2018 stattfanden, sind jetzt veröffentlicht worden. Sie zeigen, dass die großen, traditionellen Parteien zugunsten der kleineren, lokalen Parteien immer stärker in die Ecke gedrängt werden und unter Druck stehen. Ungefähr jede dritte Stimme ging an einen Politiker ohne Verbindung zu einer landesweiten Partei. Dabei schnitten die lokalen Parteien nicht nur in kleinen Gemeinden, sondern auch in den großen Städten der Niederlande sehr gut ab.
Die diesjährigen Kommunalwahlen zeigen also eine deutliche Trendwende: Obwohl die Regierungsparteien bislang immer stabile Ergebnisse bei Regionalwahlen erzielten, sind dieses Jahr die lokalen, kommunalen Parteien die deutlichen Gewinner. Damit fanden bei dieser Wahl mehr Parteien ihren Weg in die Gemeinderäte als jemals zuvor.
Positiv war der Wahlausgang für GroenLinks. Die Partei von Jesse Klaver legte im Vergleich zur letzten Wahl um 3 Prozent zu und erhielt somit 8,4 Prozent der Wählerstimmen. Sie ist außerdem die größte Partei in Städten wie Amsterdam, Utrecht, Delft, Haarlem, Nimwegen, Arnheim, Wageningen und Culemborg geworden. Damit hat GroenLinks in vielen dieser Städte die D66 überholt, die von 12 auf 9 Prozent abstürzte. Eine mögliche Ursache hierfür könnte die momentan starke Kritik gegenüber der D66 als Regierungspartei sein.
Im Gegensatz zur D66 schnitten die anderen an der Regierung beteiligten Parteien allerdings weniger schlecht ab. Die VVD von Mark Rutte liegt mit 13,2 Prozent knapp hinter der CDA, die 13,5 Prozent der Stimmen erhielt. Damit ist die CDA, obwohl auch sie weniger Stimmen als bei der letzten Wahl erhielt, die stärkste landesweite Partei. Die ChristenUnie erzielte mit circa 4 Prozent der Stimmen ungefähr das gleiche Ergebnis wie vier Jahre zuvor.
Die PvdA und die SP mussten deutliche Verluste verzeichnen. Die PvdA bekam lediglich circa 7 Prozent der Stimmen und verlor somit seit der Kommunalwahl 2006 ganze 23 Prozent ihrer Stimmen. Die SP schaffte es nicht, erneut ihren Rekordwert von 6,6 Prozent der letzten Wahl zu erreichen und wird somit viele Gemeindevorstände, in denen sie die letzten Jahre mitregierte, verlassen müssen.
Die PVV von Geert Wilders stand das erste Mal in 28 Gemeinden zur Wahl und bekam 74 Sitze, vor allem in den zwei Gemeinden, in denen die PVV auch bei der letzten Wahl schon teilnahm: Den Haag und Almere. In Rotterdam und Utrecht wurde die PVV allerdings durch die multikulturelle Partei Denk überholt. Auch in anderen Gemeinden war das Wahlergebnis für die PVV enttäuschend. Vor allem durch die Konkurrenz der lokalen Parteien schnitt die PVV schlechter ab, als bei der Parlamentswahl letztes Jahr. Denk bekam 17 Ratssitze, davon drei in Rotterdam und Amsterdam und zwei in Zaanstad.
Auch die Partij voor de Dieren legte deutlich zu. Sie stand in mehr Gemeinden als noch vier Jahre zuvor zur Wahl und konnte gute Resultate verbuchen: 15 Sitze bekam sie, darunter einen zusätzlichen Sitz in Amsterdam, Den Haag und Utrecht. In Almere, wo die Partei noch keine Sitze hatte, erhielt sie gleich drei.
Landesweit gaben 55 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Das ist etwas mehr als noch bei der letzten Kommunalwahl vier Jahre zuvor. Die Wahlbeteiligung auf Schiermonnikoog war am höchsten: Hier gingen 82,5 Prozent der Menschen zur Wahlurne. Dementsprechend stimmten hier prozentual gesehen fast doppelt so viele Wahlberechtigte wie in Helmond ab, der Gemeinde mit der niedrigsten Wahlbeteiligung. Dort hatten sich lediglich 42,1 Prozent an der Wahl beteiligt.
Die endgültigen Wahlergebnisse mancher Gemeinden stand zunächst aber noch aus. So soll das Ergebnis der Gemeinde Amsterdam erst am Freitag veröffentlicht werden. Obwohl die Gemeinde mehr Wahlhelfer pro Wahlbüro einsetzte als bei den Wahlen zuvor, dauerte das Auszählen der Stimmen aufgrund des gleichzeitig stattfinden Referendums länger.
Aber nicht überall in den Niederlanden wurde am letzten Mittwoch abgestimmt. In dreizehn der zwanzig Gemeinden in der Provinz Groningen sowie einigen anderen Gemeinden im Land konnte aufgrund von kommunalen Reformen und Umstrukturierungen noch nicht gewählt werden. Die Wahlen werden hier Ende des Jahres nachgeholt.
Insgesamt haben die Kommunalwahlen 2018 gezeigt, dass die Gemeindevorstände in den nächsten vier Jahren ähnlich zersplittert sein werden wie das niederländische Parlament. Der Großteil der Vorstände wird zukünftig aus mindestens vier Parteien bestehen. Die Wähler haben der Politik somit eine stark heterogene Landschaft beschert, die eine ähnlich komplizierte Politik wie in Den Haag verspricht.
(Quelle: Niederlandenet)
Ergebnisse der Kommunalwahlen 2018 aus der Region Twente und Drente:
Coevorden
Dinkelland
Emmen
Enschede
Hengelo
Losser
Oldenzaal
Veendam
Westerwolde
gefährdet Russland
21. November 2017
Ist die niederländische Demokratie in Gefahr durch den Einfluss von Russland? Diese Frage stellte das NRC Handelsblad in ihrer gestrigen Ausgabe. „Wir dürfen nicht denken, dass es bei uns nicht passiert“, so der Titel. Eine ganze Seite widmete die Zeitung der Problematik von Cybersecurity. Anlass dafür war unter anderem ein Brief, den die neue Ministerin für Binnenlandse Zaken und Koninkrijkrelaties am 13. November der Zweiten Kammer vorlegte. In diesem Brief weist sie nachdrücklich daraufhin, dass die Niederlande sich immer stärker der Gefahr ausgesetzt sehen, vor allem durch Russland in Form von Cyberangriffen in der öffentlichen Meinungsbildung beeinflusst zu werden.
Neu ist dieses Thema in den Niederlanden allerdings nicht. Bereits während der Kampagne zu den Wahlen zur Zweiten Kammer dieses Jahres fand das NRC Handelsblad heraus, dass die neue Partei DENK angeblich Internet-Trolle eingesetzt haben soll, um „politische Gegner zu attackieren (siehe dazu Artikel vom 13. Februar 2017 ). Auch ein von Wilders bearbeitetes und somit nicht echtes Foto, auf dem Alexander Pechtold von der niederländischen Partei D66 abgebildet war, wie er mit „Hamas-Terroristen“, so Wilders, an einer Demonstration teilnahm. Dies sind allerdings noch die „harmlosen“ Varianten der Fake-News. Größer schien die Gefahr und die damit verbundene Angst vor digitalen Eingriffen kurz vor den Wahlen zur Zweiten Kammer. Man befürchtete, dass russische Angriffe die digitale Stimmauszählung beeinflussen würden, sodass Plasterk, ehemaliger Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft, sogar vorschlug, die abgegebenen Stimmen per Hand auszählen zu lassen. Dass die Sorge nicht ganz unberechtigt war und sie sich vor allem auf Angriffe aus Russland bezog, ist nicht abwegig. Bereits während der Wahlen zum amerikanischen Präsidenten und des Brexit-Referendums wurde Russland vorgeworfen, durch sogenannte Internet-Trolle und Hackerangriffe die öffentliche Meinung beeinflusst zu haben. Das NOS nannte gestern in einem Artikel zusätzlich noch mögliche Einflussnahme auf das Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens.
Bereits 2016 wies der AIVD (Allgemeine Informations- und Sicherheitsdienst der Niederlande) in seinem Jahresbericht auf die Gefahr hin, die von Russland durch Einfluss auf Entscheidungsprozesse (besluitvormingsprocessen) ausginge. Das Internet habe Russland noch größere und gefährlichere Möglichkeiten für Angriffe eröffnet. Der AIVD gab damals an, Untersuchungen durchzuführen und auf Basis dieser Untersuchungen, die niederländische Regierung „zu informieren und mobilisieren“.
Die niederländischen Abgeordneten Van der Molen (CDA) und Verhoeven (D66) wiesen in einer Sitzung der Zweiten Kammer auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer öffentlichen Kampagne hin, die die Bevölkerung vor allem über die Art und Weise, wie Nachrichten beispielsweise in den sozialen Medien verbreitet werden und wie Fake-News erkannt werden können, aufklären müsse. Ollongren verfasste daraufhin einen Brief, in dem sie unter anderem Bezug auf die Debatte zur Regierungserklärung vom 2. November nimmt. Durch den Brief an die Zweite Kammer setzt Ollongren digitale Sicherheit wieder auf die politische Agenda und bringt das Thema vor allem in einen größeren Kontext als „nur“ die Gefahr, die von Internet-Trollen und Fake-News im Alltag der Bürger ausgeht. In den Niederlanden gebe es politische Prozesse, die für Russland relevant sein könnten und damit potenzielles Angriffsziel seien, so heißt es in dem Brief. Als Beispiel nennt sie eine von Russland erstellte Website, die so aussah, als sei es eine offizielle Seite der Niederlande, auf der fälschliche Informationen zu MH17 verbreitet wurden.
Ollongren gab weiterhin nicht nur bekannt, sich mit Medien und Technologiebetrieben auseinanderzusetzen und deutliche Aufklärung, aber auch Maßnahmen zu fordern, sondern auch, dass die neue Regierung sich der Gefahr die durch Digitalisierung entsteht, bewusst sei. So werden 95 Millionen Euro für digitale Sicherheit zur Verfügung gestellt, heißt es im Regierungsabkommen vom Oktober dieses Jahres. Der Ablauf der anstehenden Gemeinderatswahlen und des Referendums zum Wiv (Wet op de inlichten- en veiligheidsdiensten) würden besonders scharf beobachtet, so Ollongren in dem Brief.
Ob die von Van der Molen und Verhoeven geforderte Kampagne tatsächlich realisiert wird und welche Auswirkungen die Forderung nach mehr Aufklärungsarbeit bezüglich digitaler Sicherheit auf die bereits erhitzte Diskussionen rund um das Wiv haben können, wird sich zeigen. Interessant wird auch die Frage danach sein, wie die Debatte über Cybersecurity und russische Angriffe die diplomatischen Beziehungen zwischen den Niederlanden und Russland möglicherweise verändern oder gar verschlechtern werden.
Nullkommasechs
17. Januar 2017
Die Niederlande wählen ein neues Parlament. Die Tweede Kamer wird am 15. März gewählt und nach Umfragen liegt der – auch schon von bundesdeutschen Rechten, Pegida und Fremdenhassern eingeladene – Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner europafeindlichen, nationalistischen PVV in den Umfragen vorn. Allerdings sind Umfragen in den Niederlanden umstritten; denn bei den letzten Wahlen vor fünf Jahren hatten die Vorhersagen weit daneben gelegen. Seither glauben unsere Nachbarn den Meinungsforschern nicht mehr. Von dieser Skepsis unbeeinflusst sagten die aber vor wenigen Tagen, Wilders PVV könne mit 35 der 150 Sitzen in der Zweiten Kammer rechnen – was zu einer Mehrheit im Parlament führen würde. Mit 23 Sitzen folgt auf dem zweiten Platz die rechtsliberale Partei VVD des Ministerpräsidenten Mark Rutte. Aktuell regiert Rutte in einer Koalition mit der sozialdemokratischen PvdA, die irgendwie gar nicht in Fahrt kommt
Niederlande.Net begleitet den Wahlkampf mit einer vom Publizisten Koen Vossen geschriebenen Kolumne über die niederländische Prozentklausel, die 100 Jahre alt ist. Hier sein Beitrag 1/2017:
„Die Niederlande sind traditionell ein Land, in dem es viele politische Parteien gibt. Bei den letzten Wahlen zur Zweiten Kammer im Jahr 2012 nahmen 21 Parteien teil, von denen 11 auch in die Zweite Kammer kamen. Neben diesen alten Parteien, beteiligen sich in diesem Jahr auch ziemlich viele neue Parteien an den Wahlen. Der Grund für diese niederländische Begeisterung für das Gründen politischer Parteien ist simpel. Mit 0,6% ist die Prozentklausel in den Niederlanden eine der niedrigsten der Welt. Um einen Sitz zu gewinnen, muss ein Neuling umgerechnet zwischen 60.000 und 70.000 Stimmen erlangen, was auf den ersten Blick keine unmögliche Aufgabe zu sein scheint. Diese niedrige Prozentklausel ist im Jahr 1917 eingeführt worden, um auch unabhängigen Kandidaten die Chance zu geben, in die Zweite Kammer zu kommen. Das würde der Qualität des Parlaments zugutekommen, so dachten vor allem die niederländischen Liberalen, die wenig für die Fraktionsdisziplin von Sozialdemokraten und Konfessionellen übrig hatten.
Ob die Qualität des Parlaments tatsächlich durch all diese Neulinge gestiegen ist, ist allerdings die Frage. Da alle Fraktionen das Recht auf Sprechzeit haben, sind Sitzungen der Zweiten Kammer zu einer langwierigen Angelegenheit geworden. Zudem will sich jede dieser Fraktionen gerne profilieren, was zu einer Flut von parlamentarischen Anfragen und Dringlichkeitsdebatten geführt hat. Daneben fielen viele neue Fraktionen vor allem durch ihre Amateurhaftigkeit und die untereinander herrschenden Konflikte auf. Ein Vorteil der niedrigen Prozentklausel besteht jedoch darin, dass die Niederlande zu einem Labor für neue politische Initiativen geworden sind, die manchmal im Ausland Nachfolger finden. So sind die Niederlande das erste Land, in dem eine Partei, die sich spezifisch für das Wohlergehen von Tieren einsetzt, ins Parlament gekommen ist. Mit ihren zwei Sitzen ist es der Partij voor de Dieren (Partei für die Tiere) gelungen, das Thema weiter oben auf die politische Agenda zu setzen. In Deutschland hat die Partei in Form der Tierschutzpartei eine Nachahmerin gefunden. Auch Parteien, die sich spezifisch an ältere Wähler wenden, haben in den Niederlanden schon früh einen Fuß auf den Boden bekommen. Wenn die Umfragen stimmen, wird die Partei 50plus bei diesen Wahlen mit ihrem Versprechen, das Rentenalter wieder auf 65 Jahre zu senken, einen beträchtlichen Erfolg erzielen.
Ein auffälliger Neuling in diesem Jahr ist die Partei DENK. Diese ist von zwei PvdA-Mitgliedern türkischer Herkunft gegründet worden, die im November 2014 nach Kritik am strikten Standpunkt der PvdA zum Thema Integration aus der Fraktion ausgeschlossen wurden. Mit ihrem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung hat DENK neben türkischen auch viele marokkanische, surinamische und antillianische Niederländer angezogen. Die Chance, dass diese „Minderheitenpartei“ mit mehreren Sitzen in das Parlament einziehen wird, ist recht groß.
Schließlich gibt es dieses Jahr verschiedene neue Parteien, die sich die direkte Demokratie groß auf die Fahne geschrieben haben. So wollen sowohl VoorNederland als auch das Forum voor Democratie die Niederlande in eine Art Schweiz verändern, wo sich Bürger regelmäßig mit Hilfe von Referenden zu politischen Themen äußern können. Die Partei GeenPeil geht sogar noch einen Schritt weiter. Die gewählten Parlamentarier dieser Partei sollen bei Abstimmungen in der Zweiten Kammer immer direkt die Mitglieder ihrer Partei befragen. Mit den heutigen technologischen Möglichkeiten, so die Partei, sei diese Form der direkten Demokratie möglich geworden, weshalb ihr Wahlslogan dann auch „Stimme selbst ab“ lautet. Vorläufig scheinen VoorNederland, GeePeil und Forum voor Democratie einander im Weg zu stehen, wodurch die Chance groß ist, dass keine von ihnen es in die Zweite Kammer schaffen wird. So sorgt die niedrige Prozentklausel indirekt auch wieder dafür, dass auch neue Initiativen schon bald zersplittern.“
(Quelle)
Hier
können sich hierzulande oder andernorts im Buitenland lebende Niederländer bis zum 1. Februar registrieren, um an der Parlamentswahl teilzunehmen:
Om vanuit het buitenland te kunnen stemmen voor deze verkiezing moet u zich eerst registreren. Dat kan tot en met 1 februari 2017. Op deze website vindt u informatie over de registratie en over het stemmen vanuit het buitenland.
Vor März
23. September 2016
Im März nächsten Jahres wird in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt. Die Parteien scheinen sich auf einen Wahlkampfmarathon vorzubereiten. Ein halbes Jahr bevor die Niederländer zu den Wahlurnen gebeten werden, laufen die Wahlkampagnen schon an. Die Strategien der Parteien fallen dabei sehr unterschiedlich aus.
Wenn heute Wahlen wären würde die VVD, laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts IPSOS, von gegenwärtig 41 Sitzen im Parlament auf 28 Sitze abrutschen. Bei Koalitionspartner PvdA sieht es noch düsterer aus, die Sozialdemokraten würden von der Zeit 38 Sitzen auf nur noch 11 Sitze fallen. Die Nichtregierungs-Parteien würden sich hingegen allesamt steigern. So käme die Partei von Geert Wilders, die PVV, von jetzt 15 auf 24 Sitze. Dieses Umfrageergebnis fällt für die rechtspopulistische PVV allerdings noch moderat aus. Laut den Umfragen von Maurice de Hond, einem bekannten und häufig zitierten Meinungsforscher in den Niederlanden, bildet die PVV seit Monaten die stärkste Kraft innerhalb des niederländischen Parteienspektrums. Insgesamt lässt sich mit Blick auf das Stimmungsbarometer feststellen: Die großen Parteien verlieren zu Gunsten der kleineren Parteien.
Im politischen Den Haag dürften die jüngsten Zahlen den Politikern und Spin-Doktoren nicht entgangen sein. Jetzt heißt es sich ins Gespräch zu bringen. Denn nur derjenige, der von der Bevölkerung gekannt wird, wird auch gewählt. Schon seit geraumer Zeit betrachten die Parteien darum nicht mehr nur inhaltliche Wahlpräferenzen als entscheidenden Faktor bei Umfragen, sondern auch die Bekanntheits- und Sympathiewerte der Politiker, die ins Rennen geschickt werden sollen, spielen eine entscheidende Rolle.
Schon diese Woche, wird es mit dem Prinsjesdag, bei dem traditionell der Haushalt für das nächste Jahr vorgestellt wird und den anschließenden Algemene Politieke Beschouwingen, der dazugehörigen Debatte mit dem Ministerpräsidenten, eine solche Gelegenheit geben, sich selbst ins Rampenlicht zu bringen. Aber auch inhaltlich hat es bereits ein „stormpje“, also ein Stürmchen, wie es die Zeitung NRC-Handelsblatt ausdrückt, gegeben. So fordern unter anderem GroenLinks, PVV, SP und 50Plus die Abschaffung des eignen Beitrags zur Versicherung. Das sogenannte Eigenrisko wird jedes Jahr am Prinsjesdag neu bestimmt. Dieses Jahr sieht es so aus, als steige der Beitrag zum ersten Mal seit Jahren nicht.
Dass der Wahlkampf bereits begonnen hat steht für fast alle Parteien fest. Nur die PvdA schlägt andere Töne an. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Diederik Samson, sagte mit dem Hinweis darauf, dass sich von den Bürgern im Moment noch keiner ernsthaft mit den Wahlen beschäftige: „Ich gönne den Niederlanden noch ein paar Monate Ruhe bevor das Wahlfieber ausbricht.“ Die PvdA scheint im Gegensatz zu anderen Parteien mehr auf einen Wahlsprint als auf einen Marathon hinzuarbeiten. Das kann insofern wenig verwundern, als dass die Partei erst im Dezember ihren Spitzenkandidaten wählen wird.
Anders hingegen argumentieren D66 und GroenLinks: Gerade weil die Niederländer sich momentan noch nicht übermäßig mit Politik beschäftigten, müsse man schon jetzt ihre Aufmerksamkeit gewinnen. GroenLinks organisiert deswegen zahlreiche meet-ups mit ihrem Vorsitzenden Jesse Klaver. Die Demokraten von der D66 haben sich zu diesem Zweck bereits mehr Space auf Facebook erkauft. Auch die VVD setzt beinahe fanatisch auf Social Media, um potentielle Wähler zu erreichen. Ansonsten scheint es aktuell das wichtigste Ziel der VVD zu sein, der PVV den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei arbeitet die Partei mit einer Doppelstrategie: Einerseits nimmt sie die ureigenen Themen der PVV auf, andererseits stellt sie Wilders als einen gefährlichen Radikalen dar, der wegläuft, wenn es ernst wird. Etwas anderes als das Fischen am rechten Rand, um zu verhindern, dass die PVV tatsächlich stärkste Kraft wird, fällt der VVD im Moment scheinbar nicht ein. Unvergessen ist in dieser Hinsicht Parteichef Ruttes Auftritt bei Zomergasten, bei dem er türkischstämmigen niederländischen Jugendlichen „verzieh dich“ entgegengeschleudert hatte und sie als „Pöbel“, bezeichnete.
Dass der Wahlkampf gerade erst anläuft, merkt man daran, dass persönliche Angriffe vorerst noch ausbleiben. Auch kann momentan noch nicht die Rede von Polarisierung sein. Die Niederländer schätzen es, wenn ein Kabinett seine Arbeit tut. Um das leisten zu können, muss die Koalition zusammen arbeiten. Das wird sich sicherlich in den nächsten Monaten ändern, aber noch arbeiten VVD und PvdA einträchtig zusammen. Ebenso verhält es sich auch mit anderen Parteien, die davon überzeugt sind, dass die Wähler es gerne sehen, wenn zusammengearbeitet wird. Es gibt gegenwärtig allerlei kleine parteiübergreifende Zusammenschlüsse. So stellten beispielsweise SP und Groenlinks einen Plan vor, um zukünftig die Einkommen anzugleichen. Noch etwas früher taten sich PvDA und Groenlinks zusammen, um ein neues Klimagesetz auszuarbeiten.
Die Niederlande sind das Land mit der höchsten Volatilität in Europa. Welche Strategie sich am Ende tatsächlich auszahlen wird, wird sich wohl erst am Wahlabend des 17. März 2017 zeigen.
(Quelle: Niederlande.Net)
Sukkel(s)
23. Dezember 2015
Fraktionsvorsitzende verschiedener Parteien forderten den Rechtspopulisten Geert Wilders (PVV) vergangene Woche dazu auf, sich von der zunehmenden Gewaltbereitschaft unter Flüchtlingskritikern in den Niederlanden zu distanzieren. Seine Äußerungen trügen zur Verhärtung der Fronten in der Flüchtlingsdebatte bei. Wilders reagierte per Tweet. „Politik und Presse können mich mal! Distanziert Euch doch selbst von eurer Feigheit und eurem Verrat der Niederlande an den Islam. Trottel.“
Vergangenen Mittwoch war es in der Kleinstadt Geldermalsen zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen, als Bürger gegen den Bau eines Asylheims protestierten (NiederlandeNet berichtete). Am Donnerstag wurde das Haus einer somalischen Flüchtlingsfamilie mit Feuerwerk beworfen und am Samstag besetzten Mitglieder der rechtsextremistischen Aktionsgruppe Identitair Verzet (dt.: Identitärer Widerstand) die Al-Fath-Mosche in Dordrecht.
Die Besetzer hängten unter anderem Transparente mit Texten wie „Weniger weniger“ am Gebäude auf, womit sie auf eine Rede von Geert Wilders im März 2014 anspielten. Wilders fragte damals die Anhänger seiner Partei, ob sie mehr oder weniger Marokkaner in ihrer Stadt und in ihrem Land haben wollten. Das Publikum skandierte darauf lauthals „weniger, weniger, weniger…“. Im Anschluss sicherte Wilders ihnen die Umsetzung dieses Wunsches zu: „Das werden wir dann regeln“ (NiederlandeNet berichtete).
Die Polizei beendete die Besetzung der Dordrechter Moschee und nahm sechs Personen fest. Die Verwaltung der Moschee erklärte, man werde Anzeige erstatten. In einer Pressemitteilung teilte der Vorstand mit: „Die Losungen zeigen, welchen Einfluss die Worte von Politikern auf die öffentliche Debatte haben.“
Dass Wilders Äußerungen zur Radikalisierung in der Flüchtlingsfrage beitragen, denken auch mehrere Fraktionsvorsitzende. Sie kritisierten scharf, dass Wilders sich bislang nicht von gewalttätigen Ausschreitungen gegenüber Migranten distanziert habe. So werfen sie Wilders unter anderem vor, dass seine Partei sich vergangene Woche nicht an einer Debatte in der Tweede Kamer über die gewalttätigen Ausschreitungen in Geldermalsen, beteiligen wollte. Vize-Premier Lodewijk Asscher (PvdA; Foto links) sagte diesbezüglich gegenüber dem TV-Sender NOS: „ Ich habe nicht gesehen, dass er sich davon distanziert hat. Es wäre gut gewesen, wenn er dies getan hätte.“ Asscher warf Wilders zudem vor, anstatt sich Lösungen zu überlegen, die Ängste der Menschen auszunutzen.
Auch die Tweede Kamer-Abgeordnete Sharon Gesthuizen (SP) ist unzufrieden über Wilders Auftreten: „ Er spielt Menschen gegeneinander aus. Zehn Jahre PVV-Propaganda gegen Migranten, das wirft irgendwann Früchte ab.“ Sie macht ihn nicht persönlich verantwortlich für die Gewalt, stellt jedoch klar, dass seine Haltung der Situation nicht zuträglich sein.
Tatsächlich rief Wilders vier Tage vor den Ausschreitungen in Geldermalsen via Twitter dazu auf, sich dem Bau eines Asylbewerberheims in Geldermalsen zu widersetzen. Er postete eine Fotomontage von einer niederländischen Landschaft mit Windmühle, der Nationalflagge und sich selbst am quer durchs Bild gehenden Schlagbaum. Darunter die Worte „Grenzen dicht!“ in Großbuchstaben. „Kein Asylbewerberheim in Geldermalsen!! #KommWidersetzeDich“.
Das Bild hat der PVV-Chef schon mehrfach getwittert. Es kann auf der Website kominverzet.nl, die die PVV Anfang Oktober freigeschaltet hat und die einzig dem Zweck dient, die Forderung zu unterstreichen, die niederländischen Nationalgrenzen zu schließen, auch als Flyer heruntergeladen werden. Das Wort „verzet“ (dt.: Widerstand) ist dabei sicher nicht zufällig gewählt, weckt es doch positive Assoziationen zu Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg, die sich gegen die deutschen Besatzer zur Wehr setzten.
In der niederländischen Bevölkerung kommen Wildersʼ rechtspopulistischen Äußerungen gut an. In Umfragen fuhr die PVV in den vergangenen Monaten Rekordwerte ein und Mitte Dezember wählte das Publikum Wilders zum Politiker des Jahres 2015.
Und Wilders denkt offensichtlich nicht daran, sich von der Gewalt gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern zu distanzieren. Sein eingangs zitierter Tweet lässt hieran keinen Zweifel. „Es hat wenig Sinn, Hasssäende zu bitten, mit dem Hass säen aufzuhören. Hass zu säen ist schließlich ihr raison d’être und Teil ihrer Taktik“, so der Volkskrant-Kommentator Bert Wagendorp am Dienstag. „Sie müssen mit Argumenten bekämpft werden: Das ist was eine große Mehrheit der Niederländer von Politikern erwartet.“
Mehr zu dem Phänomen Geert Wilders in unserem gleichnamigen Hintergrunddossier.
(Foto CC0.10)
Spaltung
13. Oktober 2015
Die Flüchtlingsfrage spaltet Niederlande, berichtet Niederlande.net:

Während Sozialminister und Vizepremier Lodewijk Asscher (PvdA) anerkannten Asylbewerbern schneller zu einer Arbeitserlaubnis verhelfen will, fordert VVD-Fraktionsvorsitzender Halbe Zijlstra, die Rechte dieser Gruppe stark einzuschränken, um die Niederlande für Flüchtlinge unattraktiver zu machen. Genauso gespalten wie die Koalitionsparteien zeigt sich die niederländische Bevölkerung selbst, wie jüngste Umfragen verdeutlichen.
47 Prozent: Landesgrenzen für Flüchtlinge sofort schließen!
Wären am vergangenen Sonntag in den Niederlanden Parlamentswahlen gewesen, dann wäre die rechtspopulistische Geert Wilders-Partei PVV mit 35 von 150 Parlamentssitzen (ca. 23,3 Prozent) jetzt die stärkste Partei in den Niederlanden. Und zwar mit mehr Parlamentssitzen als die beiden Regierungsparteien VVD (20 Sitze) und PvdA (10 Sitze) zusammen. Diese Zahlen veröffentlichte das Umfrageinstitut Maurice de Hond am Sonntag. Geert Wilders twitterte daraufhin: „35. Die Niederlande haben restlos genug davon. Kein Asyl-Tsunami mehr. Grenzen zu!“
Nicht nur für Wilders selbst, auch für die Meinungsforscher ist klar, dass die Umfragewerte der PVV in engem Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage stehen. Den potentiellen Wählern wurden verschiedene Thesen zur Beurteilung vorgelegt. Der Aussage „Geert Wilders ist der einzige Politiker, der deutlich sagt, was viele Niederländer über die Flüchtlinge denken“ stimmten 53 Prozent zu. Gleichzeitig erklärten sich 61 Prozent der Umfrageteilnehmer einverstanden mit der These, dass der Politiker die Spaltung der Gesellschaft in der Flüchtlingsfrage befeuere. 47 Prozent der Befragten waren mit der Forderung einverstanden, die Landesgrenzen für Flüchtlinge sofort zu schließen. Gleichzeitig erklärten 49 Prozent der Befragten, sie hätten Mitleid mit den Flüchtenden.
Oranje: 140 Einwohner, 1.400 Flüchtlinge?
Mit ihrem Mitgefühl am Ende waren am vergangenen Dienstag die 140 Einwohner des Dorfes Oranje (Provinz Drenthe, zwischen Emmen und Assen gelegen), das im nahegelegenen Ferienpark bereits 700 Flüchtlinge aufgenommen hatte. Als – entgegen anderer Absprachen – Busse mit weiteren 700 Asylbewerbern an Bord anrückten, blockierten die Dorfbewohner die Straßen. Ihre Wut richte sich gegen die Politiker in Den Haag, nicht gegen die Flüchtlinge, betonten sie. Deshalb wollten sie wohl auch das Auto des für Asylfragen zuständigen Staatssekretärs Klaas Dijkhoff (VVD) an der Weiterfahrt hindern. Dijkhoff war vor Ort, um seinen Beschluss, temporär mehr Asylbewerber in Oranje unterzubringen, persönlich zu erklären. Seiner Aussage zufolge gab es keine Alternative, da sonst Familien mit Kindern die Nacht auf der Straße hätten verbringen müssen.
Auch wenn zunächst trotz der Blockade mehr Flüchtlinge in Oranje untergebracht wurden, schlug die Wut der Dorfbewohnergroße Wellen. Das Parlament in Den Haag reichte einen Antrag beim Kabinett ein, die Zahl der in Oranje unterzubringenden Flüchtlinge bei 700 zu belassen. Premier Mark Rutte (VVD) der auf einer Wirtschaftsmission in den USA war, wurde vorgeworfen, in der Flüchtlingsfrage unsichtbar zu sein.
Rutte, reagierte sofort: Er telefoniere ungefähr einmal pro Stunde mit Staatssekretär Dijkhoff. „Es ist klar, dass diese Frage 24 Stunden am Tag unsere Aufmerksamkeit fordert. Auch von mir, wo ich auch bin.“ Nach seiner Rückkehr gab er am Freitag eine Pressekonferenz, in der er erklärte, die Flüchtlingsfrage sei Chefsache.
Erster Anschlag auf niederländisches Asylbewerberheim
Dass es ihm damit ernst ist, machte Rutte auch mit seinem Besuch am Samstag in Woerden (Provinz Utrecht) deutlich. Am Vorabend hatten dort etwa zwanzig Männer einen Anschlag auf eine Sporthalle verübt, in der 148 Flüchtlinge, darunter 51 Kinder, untergebracht waren. Vermummte Männer warfen Nitratbomben, Feuerwerk und Eier auf die Halle. Die Polizei war schnell vor Ort, elf Personen wurden verhaftet. „Der erste Anschlag auf ein niederländisches Asylbewerberheim“, schrieb de Volkskrant am Sonntag, als wäre bereits jetzt klar, dass weitere Anschläge folgen werden.
Der Bürgermeister der Stadt, Victor Molkenboer (PvdA), erklärte am Samstag auf einer Pressekonferenz, der Anschlag sei eine Folge von fehlender politischer Führung. „Erst am Freitag hat Den Haag begonnen, eine Richtung vorzugeben. Wir wussten bereits letzten Monat, dass wir mit Flüchtlingen konfrontiert werden würden. Jetzt, da es so weit ist, reagieren wir erst.“
Eerste Kamer der Staten-Generaal
27. Mai 2015
Über Neues vom Nachbarn berichtet NiederlandeNet.
In den Niederlanden wurde am Dienstag die Erste Kammer („Eerste Kamer der Staten-Generaal“; Foto: wikipedia CC BY 3.0) gewählt, die die Interessen der Provinzen des Landes vertritt. Die Ergebnisse entsprechen den Prognosen (NiederlandeNet berichtete), womit die in Den Haag regierende Koalition aus der rechtsliberalen VVD und der sozialdemokratischen PvdA selbst mit ihren bisherigen Unterstützerparteien der linksliberalen D66, christlichen CU und reformierten SGP nicht mehr über eine Mehrheit in der Ersten Kammer verfügt. Somit wird es der Regierung ab jetzt schwerer fallen, Gesetzentwürfe durch die Erste Kammer zu bringen.
Wie genau die Regierung in Zukunft für eine Mehrheit in der Ersten Kammer sorgen möchte ist noch offen. Ministerpräsident Mark Rutte (VVD) äußerte gegenüber der Rundfunkanstalt NOS, dass man weiterhin auf die Unterstützung der anderen Parteien baue und kein Problem in dem Mehrheitsverlust sehe. Auch vorherige Regierungen hätten es ohne Mehrheit geschafft. Er zeigte sich optimistisch und argumentierte, dass die Unterstützung der anderen Parteien nötig sei um die niederländische Wirtschaft weiter voranzubringen. Der Fraktionsvorsitzende der PvdA Diederik Samsom teilte die Meinung Ruttes nur bedingt. Er ging eher davon aus, dass man die Interessen der verschiedenen Parteien vereinen müsse, um für eine Mehrheit zu sorgen, da niemand einfach so seine Zustimmung gebe.
Zum Thema der Mehrheitsbeschaffung hatte die TV-Anstalt NOS den Fraktionsvorsitzenden des CDA Sybrand van Haersma Buma und den Fraktionsvorsitzenden der D66 Alexander Pechtold ins Studio eingeladen. Diese reagierten kritisch auf die Aussagen des Ministerpräsidenten. Pechtold sagte, dass es sich Rutte „zu einfach mache“. Er solle sich nicht zu sehr auf die Unterstützung der D66 verlassen. „Die Haltung der D66 verändert sich nicht, wir bleiben kritisch-konstruktiv. Die politischen Verhältnisse haben sich aber geändert, also muss Rutte sich besonders bemühen, um eine Mehrheit für seine Pläne zu bekommen“, so Pechtold. Weiter hieß es, dass man nicht gänzlich gegen die Regierung sei, aber auch nicht allem zustimme. Vor allem sei es wichtig, dass die VVD angekündigte Projekte nicht mehr vor sich herschiebe und konkrete Pläne vorlege. Dem stimmte van Haersma Buma zu. „Wenn unsere Verantwortlichkeit uns sagt, dass wir etwas nicht tun sollen, dann tun wir das auch nicht“, fasste er seine Haltung zusammen.
Neben CDA und D66 zeigten sich auch GroenLinks und PVV skeptisch gegenüber der zukünftigen Zusammenarbeit mit der Regierung. Der Fraktionsvorsitzende der GroenLinks Jesse Klaver erklärte im NRC Handelsblad, dass seine Fraktion mehr Einsatz der Regierung sehen wolle und sich noch viel verändern müsse. Rechtspopulist Geert Wilders (PVV) forderte gegenüber der Nachrichtenagentur ANP direkt Neuwahlen der Zweiten Kammer und den Abtritt Ruttes.