Rechtspopulisten gewinnen

17. März 2023

Bernhard Barkmann, bekannter regionaler Blogger und Landwirt aus Messingen, twitterte gestern früh, er habe Caroline van der Plas, Vorsitzende der BBB, vor sieben oder acht Jahren kennen gelernt. Sie sei für ihn „ein absolutes Vorbild! Sie und ihre Bewegung BBB in die rechte Ecke zu framen und Populismus vorzuwerfen, ist falsch.“ Tja, so geht es natürlich auch. Ein  Kennenlernabend und die politische Analyse aller anderen ist falsch. 

Warum ich das schreibe? In den benachbarten Niederlanden hat es bei den Provinz- und Kommunalwahlen am Mittwoch eine dramatische Niederlage der regierenden Mitte-rechts-Koalition von Ministerpräsident Mark Rutte gegeben. Ihre vier Parteien  verloren nicht nur in den 12 Provinzen des Landes deutlich, sondern auch in der Ersten Kammer des nationalen Parlaments, in etwa eine Länderkammer wie der deutsche Bundesrat. Dort haben sie wohl nur noch über knapp ein Drittel der Mandate. Das ist weit entfernt von der für Gesetzesbeschlüsse notwendigen Mehrheit. Zuletzt war Rutte bereits nach einer kritischen parlamentarischen Anfrage zu Erdbeben, die durch Gasförderungen in der nördlichen Provinz Groningen verursacht werden, unter Druck geraten. Überhaupt sind nach Umfragen nur noch 20 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zufrieden mit der Arbeit seiner Regierung – der schlechteste Wert seit einem Jahrzehnt.

Gestern kommentierten die niederländischen Zeitungen das Wahlergebnis denn auch über eine „Abrechnung mit der Regierung Rutte“ und den „historischen Denkzettel“.

Überragender Sieger ist die gerade einmal drei Jahre alte, rechtspopulistische Bauer-Bürger-Bewegung mit eben der genannten Vorsitzenden Caroline van der Plas und der einprägsamen Abkürzung BBB. Als BBB vor zwei Jahren erstmals bei den Parlamentswahlen antrat,  erzielte sie gerade einmal ein Prozent der Stimmen  und einen Sitz im Parlament in Den Haag, den seither Frau van der Plas einnimmt. Nach den vorläufigen Endergebnissen der Provinzwahlen dieser Woche ist die BBB in vielen Provinzen mit Abstand und auf Anhieb stärkste politische Kraft. Die Partei profitierte von der Wut der Bauern und der Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. BBB wurde nämlich nicht nur in ländlichen Gebieten wie die benachbarten Provinzen Overijssel und Drenthe sehr stark, sondern überraschend auch in vielen Städten.

Die BBB gilt in ihren Positionen als konservativ bis rechtspopulistisch. Programmatisch konzentriert sie sich vor allem auf landwirtschaftliche Themen und Umweltpolitik. So ist die BBB etwa für die Einschränkung von Naturschutzgebieten, gegen den Ausbau von Sonnen- und Windenergieanlagen und für Atomenergie. Die Protestpartei BBB vertritt nach den Worten der erwähnten Vorsitzenden Caroline van der Plas „die Bürger, die nicht gehört werden“. Der große Wahlsieg sei ein Signal an Den Haag: „Sie können uns nicht länger ignorieren. Wir werden mitregieren.“

BBB gewann in der Ersten Kammer 17 der 75 Mandate; unter den neuen Parlamentariern ist auf Platz zwei der Wahlliste  der 26jährige Luuk Buunk aus Enschede. BBB ist damit gleichstark wie die PvdA-Sozialdemokraten und GroenLinks, die erstmals mit einer gemeinsamen Liste antraten, aber keine Gewinne erzielten. Die mitregierenden CDA-Christdemokraten verloren dagegen fast die Hälfte ihrer Mandate.

Die Konflikte traten noch in der Wahlnacht deutlich zutage. D66, die einzigeie linksliberale Regierungspartei, sagte, dass sie an der „progressiven Agenda“ etwa beim Klimaschutz und in der Landwirtschaft festhalten werde. Wahlsieger BBB hingegen forderte, dass von der Regierung geplanten Eingriffe in die Intensivlandwirtschaft vom Tisch müssten.

Hauptthema bei diesen Wahlen waren die angekündigten einschneidenden Umweltauflagen für die Landwirtschaft. Die Koalition will -auch in der Folge höchstrichterlicher Urteile- den vil zu hohen Stickstoff-Eintrag bis 2030 drastisch reduzieren. Die Maßnahmen werden das Ende für ein knappes Drittel der Viehbetriebe bedeuten, schätzt die Regierung Rutte. Seit Monaten protestieren deshakb Bauern -auch mit Gewalt – gegen die Pläne. Ihre Wut wurde aber zum Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit.

Großer Verlierer ist das rechtsextreme Forum für Demokratie. Noch vor vier Jahren war das FvD, die Partei von Putin-Freund Thierry Baudet, überraschender Wahlsieger, doch schnell  brach sie nach internem Streit auseinander. Das Forum verlor quasi folgerichtig 13% von seinen 2019 errungenen 16%. Auch Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner PVV verlor Wähler an die BBB. Viele rechte Wähler wechselten in Scharen zum BBB, dem nächsten Rechtspopulisten.

Rechtspopulistische Parteien beherrschen in den einst so liberalen Niederlanden seit über 20 Jahren die nationale Debatte, und sie werden immer größer. Auch das Wahlergebnis vom 15. März zeigt, dass Wut und Unzufiedenheit auf die etablierten Parteien nicht abnimmt. Der Block rechts von Ruttes rechtsliberaler VVD umfasst mittlerweile fünf Parteien, die gemeinsam etwa ein Drittel der Wähler repräsentieren. Das st sicherlich uch eine Folg der fehlenden 5%-Klausel im Nachbarland, wo 16 Parteien im 150 Sitze umfassenden Zweede Kamer vertreten sind (plus noch ein paar unabhängige Einzelkämpfer).

Mir hat Jan Bouman aus Zeist (Prov. Utrecht) aus dem Herzen gesprochen. In seiner Mail an den Volkskrant schreibt er: „Warum werden die Menschen nicht klüger? Jedes Mal, wenn ein Paradiesvogel mit seinem eigenen Klang kommt, ob Koekoek, Fortuyn, Thierry oder jetzt Van der Plas, fällt der Wähler darauf herein. Anstatt endlich eine Kehrtwende zu machen und progressiv zu wählen, wählen die Menschen mehr denn je rechts.“

 

In den Niederlanden werden am 14., 15. und 16. März die Kommunalvertretungen gewählt. Längst treten dort auch die Rechtspopulisten an: neben der Wilders-Partei PVV auch das Forum für Demokratie fast im ganzen Land an und treffen auc eine klar Absage.

Beim Auftakt des Stadtratswahlkampfes, den D66 und GroenLinks fast zeitgleich in Rotterdam führten, sprachen sich vor einigen Tagen beide Parteien gegen eine Zusammenarbeit mit den rechtsextremen Parteien PVV und FvD aus.

Jesse Klaver (GroenLinks) betonte, „GroenLinks wird sich nicht mit der extremen Rechten in einer Stadtverwaltung zusammentun“. Er fordert seine Kollegen der anderen Parteien auf, dies ebenfalls zu tun: Es sei Zeit, eine „demokratische Grenze zu ziehen“. Einige Stunden später hatte Sigrid Kaag (D66) eine ähnliche Botschaft: „Auf der Straße trägt der Extremismus Flaggen oder eine Fackel. Im Parlament trägt er eine Krawatte“. Die Metapher passt gut: Vor wenigen Wochen wurde Kaag von einem Mann mit einer Fackel bedroht. Er wollte mir ihr an ihrer Privatadresse über die Corona-Politik sprechen. Jetzt sagt Kaag, D66 wird „nicht mit dem Extremismus regieren“.

Später folgen auch VVD und CDA dem Vorbild. „Ich sehe nicht, dass unsere Abteilungen gemeinsam mit PVV und FvD regieren“, so VVD-Parteichef und Ministerpräsident Mark Rutte. CDA-Anführer Wopke Hoekstra bleibt vage: Er überlässt die Entscheidung den lokalen CDA-Abteilungen, hält eine Zusammenarbeit aber für unerwünscht.

Auch in Twente ist man zurückhaltend. Wenn Brian Geertshuis vom Forum voor Democratie (FvD) in Hengelo bei den Wahlen im März einen Sitz im Stadtrat gewinnt, werden die politischen Parteien nicht mit ihm zusammenarbeiten. „Seine Äußerungen sind beleidigend, bedrohlich und aufrührerisch.“ Eine klare Absage gibt es auch in Almelo, wo FvD zum ersten Mal antritt.

Das ist schon eine andere Einstellung als 2019, als CDA und VVD zusammen mit FvD die provinzielle Regierung in Noord-Brabant formten. Damals war die Parole: „Brabant ist Brabant, Den Haag ist Den Haag“ – die provinzielle Politik habe also nichts mit der nationalen Politik zu tun. So lässt sich eine Zusammenarbeit auf Provinzebene mit FvD rechtfertigen, zu einer Zeit, als der nationale Parteivorsitzende Thierry Baudet immer extremere Äußerungen machte. Die Koalition scheiterte jedoch nach einem Jahr.

Die Situation erinnert an  die Situation in Thüringen 2020, als FDP-Parlamentarier Thomas Kemmerich mithilfe von Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt worden war. Später wurden CDU und FDP von ihren nationalen Parteichefs zurückgepfiffen. Es scheint, dass Hoekstra und Rutte sich nicht in Den Haag verantworten wollen, falls ihre Parteien regional oder kommunal nochmals mit FvD oder PVV zusammenarbeiten wollen.

Quelle/Material: Niederlande.net

Zaunblick

21. März 2021

Mein sonntäglicher Zaunblick: In der abgelaufenen Woche haben die Niederlande ihr Parlamente, die sog. Tweede Kamer (Zweite Kammer) gewählt. Weil es im Nachbarland keine 5-Prozentklausel gibt, sind inzwischen 17 (!) Parteien in dem 150-Sitze-Parlament vertreten. 27 Sitze werden von ausgewiesen rechtsextremen Abgeordneten besetzt. Schon nach der letzten Wahl dauerte es ausgespochen lange, bis Wahlsieger Mark Rutte von der rechtsliberalen VVD eine Regierungskoalition bilden konnte. Er hofft zwar, dass es dieses Mal schneller geht (O-Ton: „Bis zum Sommer“), aber was weiß ich schon. Mehr weiß jedenfalls Niederlande.Net, die NL-Plattform an der Uni Münster. Sie titelt ihren Hintergrundbericht: Welche Koalition wird die neue Regierung bilden?

Nach den Parlamentswahlen vom 17. März und dem erneuten Sieg der VVD von Ministerpräsident Mark Rutte, muss sich dieser nun mit der Koalitionsbildung auseinandersetzen. Dabei liegen für die VVD einige Optionen auf dem Tisch, sie wird wohl allerdings auch auf einige Forderungen des wahrscheinlichen Koalitionspartners D66 eingehen müssen. Die Partei von Sigrid Kaag war der große Gewinner der Wahlen und landete vor PVV und CDA auf dem zweiten Platz.

Inzwischen haben sich die beiden größten Parteien VVD und D66 dazu bekannt, gemeinsam eine Koalition bilden zu wollen. Die VVD beauftragte Annemarie Jorritsma und die D66 Kajsa Ollongren damit, weitere Partner für eine mögliche Koalition auszuloten. Dieser Vorgang ist insofern ungewöhnlich, da es üblich ist, dass nur die größte Partei eine Person mit den Sondierungen beauftragt. Aufgrund der starken Gewinne von D66 sollen nun beide Parteien die Sondierungen führen.

Am Freitagmittag trafen sich die beiden mit der Vorsitzenden der Zweiten Kammer Khadija Arib (PvdA) zu einem ersten Gespräch. Im Anschluss daran betonte Jorritsma das Ziel, bis zum Sommer mit der Regierungsbildung fertig zu sein. Die beiden wollen bereits ab Montag mit den Fraktionsvorsitzenden verschiedener Parteien sprechen. Einen ersten Bericht über ihre Einschätzungen müssen die beiden Verhandlungsführerinnen spätestens am 30. März veröffentlichen. Darin werden sie wahrscheinlich empfehlen, welche Kombination von Parteien als erstes untersucht werden sollte.

Unterdessen wird in den niederländischen Medien bereits darüber diskutiert, wie das nächste Kabinett aussehen könnte. Gute Chancen sehen dabei viele für eine Weiterführung der aktuellen Koalition zwischen VVD, D66, CDA und ChristenUnie. Dafür spricht, dass VVD und CDA bereits vor der Wahl angedeutet haben, dass man sich eine erneute Koalition vorstellen könne. Außerdem hätte die Koalition eine breitere Mehrheit als bisher. Dagegen spräche, dass die Koalition in der Vergangenheit nicht immer reibungslos funktionierte, was häufig eine Blockade der ChristenUnie bei ethisch-moralischen Fragen, wie beispielsweise einer Reform der aktiven Sterbehilfe, geschuldet war. Außerdem könnte sich D66 dafür einsetzen, dass eine progressivere Partei in die Koalition eintritt.

Im linken Spektrum gibt es mehrere Parteien, die in Frage kommen würden. So suchte Ministerpräsident Rutte im Wahlkampf vorsichtige Annäherungen an Lilian Marijnissen und ihre SP. Diese spricht wiederum D66 wegen ihrer EU-kritischen Haltung nicht an. D66 würde sich eher eine Koalition mit GroenLinks wünschen, woran wiederum die VVD kein Interesse hat. Übrig bliebe eine Koalition mit der PvdA, welche sich bei neun Sitzen stabilisieren konnte, was von vier Jahren das historisch schlechteste Ergebnis der Partei war.

Die PvdA würde sich an sich perfekt eignen, um in die Koalition einzutreten. Die Partei ist ein verlässlicher Partner und hat bereits erfolgreich in einem Kabinett gemeinsam mit der VVD gearbeitet. Dennoch könnte es schwer werden, die Partei in die Regierung zu lotsen. Im Wahlkampf betonte die Partei nachdrücklich, dass man nur in ein Kabinett mit linken Parteien eintreten möchte. Besonders eng hat die PvdA mit GroenLinks zusammengearbeitet. Die beiden Parteien wollen nicht ohneeinander in eine Koalition eintreten. Es wird spekuliert, dass die beiden Parteien nach den enttäuschenden Wahlergebnissen eine Fusion anstreben könnten. Sollte eine der beiden Parteien allerdings in eine Koalition eintreten, wäre dieses Vorhaben auf absehbare Zeit nicht zu realisieren. VVD und D66 würde es mit Sicherheit einiges an Mühe kosten die beiden Partner voneinander loszueisen.

Dass es eine rechte Koalition ohne D66 geben wird, gilt als höchst unwahrscheinlich. Mark Rutte hatte eine Koalition mit der PVV von Geert Wilders im Wahlkampf kategorisch ausgeschlossen. Am Tag nach der Wahl brachte Thierry Baudet, der Parteiführer des rechtsextremen FvD, eine Koalition aus VVD, PVV, FvD und den Neulingen von JA21 ins Spiel. Baudet gehört selbst zu den großen Gewinnern der Wahl. Obwohl seine Partei im vergangenen Jahr von mehreren Rassismusskandalen und der Absplitterung von JA21 erschüttert wurde, konnte die Partei sechs Sitze hinzugewinnen. Eine realistische Möglichkeit stellt die von Baudet ins Spiel gebrachte Koalition allerdings kaum dar.

Die Koalitionsbildung wird auf alle Fälle ein komplexer Prozess, wie bereits Jorritsma und Ollongren festgestellt haben. Wahrscheinlich ist allerdings, dass die drei Koalitionsparteien VVD, D66 und CDA weiter zusammenarbeiten werden – mit oder ohne ChristenUnie. (Quelle: NiederlandeNet)

Weitere Informationen zu den Ergebnissen der Wahl gibt es hier:

Wahlergebnis – VVD größte Partei, gefolgt von D66 und PVV

So wählten die Provinzen Overijssel und Drenthe (Quelle GN, €)

wie in Thüringen

19. Februar 2020

In Deutschland herrscht wegen der Vorkommnisse bei der Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten Aufruhr in der politischen Landschaft. Auch in den Niederlanden gibt es jetzt  eine ähnliche Entwicklung, da sich die rechtspopulistische Partei Forum voor Democratie derzeit in der Provinz Noord-Brabant in Koalitionsverhandlungen mit dem CDA und der VVD befindet. Das reißt bei vielen Mitgliedern des CDA alte Wunden wieder auf.

Nachdem der christlich-demokratische CDA im Dezember letzten Jahres aus der Regierungskoalition der südniederländischen Provinz Noord-Brabant austrat, stehen nun neue Verhandlungen zur Bildung einer Regierung an. Jedoch sorgte die Tatsache, dass der Verhandlungspartner von CDA und der rechts-liberalen VVD dieses Mal das rechtspopulistische FvD ist, für einen Aufschrei in der politischen Landschaft der Niederlande – vor allem innerhalb des CDA selbst. Gegner dieser Verhandlungen fühlen sich laut niederländischer Medien an das Jahr 2010 zurückerinnert, in dem CDA und VVD eine Minderheitsregierung mit der ebenfalls rechtpopulistischen PVV von Geert Wilders bilden wollten. Laut der Tageszeitung NRC Handelsblad rissen die damaligen Verhandlungen den CDA beinahe auseinander und sorgten für eine tiefe Wunde innerhalb der Partei.

Die Gegner der damaligen Zusammenarbeit mit der PVV melden sich auch nun wieder zu Wort. Der CDA war vor rund zwei Monaten aufgrund seiner Unzufriedenheit mit den Maßnahmen zur Regulierung des Stickstoffausstoßes aus der Regierung der Provinz Noord-Brabant ausgetreten. Dem CDA zufolge wären die aus diesen Maßnahmen resultierenden Konsequenzen für die Bauern der Provinz zu tiefgreifend gewesen. Folglich zerfiel die Provinzregierung Noord-Brabants, woraufhin der CDA sich entschied, die anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der VVD und dem FvD fortsetzen zu wollen. Das FvD war bei den Wahlen der Provinzialparlamente im März letzten Jahres überraschend als Sieger hervorgetreten, da die Partei aus dem Nichts heraus 12 Sitze in der Ersten Kammer der niederländischen Regierung erhielt. In Noord-Brabant sitzen derzeit 9 Abgeordnete für das FvD im Parlament. Nach CDA (8 Abgeordnete) und VVD(10) sind sie damit die drittstärkste Fraktion.

Thierry Baudet, Gründer und Parteivorsitzender des FvD, steht aufgrund seiner Haltung gegenüber Europa, Einwanderern und Frauen immer wieder in den Niederlanden in der Kritik. Zuletzt sorgte ein Tweet Baudets für Aufsehen, in denen er angebliche Einwanderer beschuldigte, zwei seiner Freundinnen in einen Zug belästigt zu haben. Als sich hinterher herausstellte, dass es sich dabei um Fahrkartenkontrolleure und einen Polizisten in Zivil handelte, denen die beiden Frauen ihre Tickets nicht vorzeigen wollten, wurde Baudet unter anderem scharf dafür kritisiert, dass er sich bei den Betroffenen nicht entschuldigte.

Laut Rob Jetten, Fraktionsvorsitzenden der D66, senden VVD und CDA durch die Verhandlungen mit dem FvD falsche Signale. Im NRC Handelsblad sagte er:

Baudet hat in den vergangenen Wochen die Unabhängigkeit unseres Rechtsstaates zur Debatte gestellt, Journalisten politischer Präferenzen und Fehlinformationen bezichtigt. […] Er hat in den vergangenen Wochen eine Gruppe unserer Bevölkerung zum soundsovielsten Mal über einen Kamm geschoren und lächerlich gemacht.

Will van der Kruijs, ehemaliger Vorsitzender des CDA in Noord-Brabant, sagte in einer Tageszeitung, es sei verständlich, dass der CDA in Den Haag die Regierungsverhandlungen in Noord-Brabant mit Argusaugen beobachte.

Formal stimmt es, dass die Provinz einen autonomen Status hat, aber es wäre doch schön, wenn wir uns Klarheit über unsere Haltung gegenüber dem Forum verschaffen.“ 

Zu welchem Ergebnis die Verhandlungen im Süden der Niederlande führen werden und welche Konsequenzen das für den CDAhaben wird, bleibt abzuwarten. Pieter Heerma, Fraktionsvorsitzender des CDA in der Zweiten Kammer der Niederlande, wolle die Abwägung über eine Zusammenarbeit mit dem FvD den Kollegen in Noord-Brabant überlassen. Viele Befürworter dieser Zusammenarbeit betonen, dass das provinziale FvD sich deutlich von Thierry Baudet und seinen Taten und Äußerungen unterscheide. Gegner wiederum fürchten laut dem NRC Handelsblad, dass Wähler die Taten des CDA in Brabant mit dem CDAauf Landesebene in Verbindung bringen.

Selbst wenn es zu einer Koalition zwischen CDA, VVD und FvD in Noord-Brabant kommen wird, so ist für eine Mehrheitsregierung immer noch die Zusammenarbeit einer vierten Partei notwendig, da den drei Parteien ein Sitz für eine Mehrheit fehlt.

Diese Diskussion in den Niederlanden erinnert an den Skandal rund um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, in der die AfD im dritten Wahlgang überraschend dem Kandidaten der FDP ihre Stimmen gab. Allerdings sind die niederländischen Provinzen nicht völlig mit den deutschen Bundesländern gleichzusetzen. Die Provinciale Staten (deutsch „Provinzialstaaten“) sind etwa das Organ der Volksvertretung in den Provinzen, aber die Provinzen verfügen nicht über dieselbe „Eigenstaatlichkeit“ wie deutsche Bundesländer. Sie bilden vielmehr Verwaltungstrukturen, die vom niederländischen Staat auch aufgehoben oder neu eingeteilt werden könnten. So wurde beispielsweise nach der Trockenlegung großer Teile des IJsselmeers die Provinz Flevoland neu gegründet.

(ein Beitrag von/auf Niederlande.net)