Heute vor 51 Jahren starb Fritz Bauer
1. Juli 2019
Heute vor 51 Jahren starb Fritz Bauer, der als Staatsanwalt und Nazi-Jäger Adolf Eichmann zur Strecke brachte.
„Eichmann? Adolf Eichmann? “ Den Namen dieses Massenmörders habe er zuvor nie gehört, erklärte der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer im Juni 1960 seinem Gesprächspartner, dem israelischen Diplomaten Felix Shinnar. So berichtet es SPIEGEL-Online. Kurz zuvor hatten Agenten des Geheimdienstes Mossad den NS-Verbrecher in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires festgenommen und nach Israel gebracht.
Adenauer, analysiert SPON, „der ein Aktenmensch durch und durch war, muss präzise Kenntnis gehabt haben über so ziemlich alles, was Eichmann betraf. Dass er sich dem israelischen Diplomaten gegenüber dennoch ahnungslos zeigte, kann eigentlich nur einen Grund haben: Der Kanzler gedachte wohl, den Fall Eichmann herunterzuspielen.“ (mehr…)
So ging es eben zu im Nachkriegsdeutschland. Man wollte vergessen, aber es gab Fritz Bauer – den Mann, der nicht vergaß. Er wurde hessischer Generalstaatsanwalt und jagte nationalsozialistische Verbrecher und brachte sie vor Gericht. Ohne Bauer hätte es keine Auschwitz-Prozesse gegeben, ohne ihn wäre der Hauptverantwortliche des industriellen Massenmords an Juden möglicherweise nie gefasst worden.
Er sei deswegen „eine der Schlüsselfiguren in der jungen Demokratie, die Deutschland den Rückweg in die Gemeinschaft der Völker der Welt geebnet hat“, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Gedenkakt zu Bauers Todestag in der Frankfurter Paulskirche gesagt. Bauer betrachtete den Gerichtssaal als einen öffentlichen Ort der historischen und demokratischen Bewusstwerdung und sagte auch sonst, was gesagt werden muss.
Es ist heute besonders aktuell.
Fritz Bauer
1. Juli 2018
Den Film über Fritz Bauer haben Sie gesehen? Dann mein Lesebefehl! für diesen Sonntag:
„Menschen wie ihn braucht nicht nur die Nachkriegszeit. Das Heute braucht sie auch. Zum heutigen 50. Todestag des Generalstaatsanwalts, der die Verbrechen von Auschwitz anklagte, schreibt Heribert Prantl in der Süddeutschen:
Es gibt Formeln, die man zur Tarnung der eigenen Bequemlichkeit gern gebraucht. Zum Beispiel: „Alleine kann man ohnehin nichts bewirken.“ Fritz Bauer gehört zu denen, die bewiesen haben, dass diese Formeln nicht stimmen. Ohne ihn, den Generalstaatsanwalt, hätte es den großen Frankfurter Auschwitz-Prozess nicht gegeben. Mit dem Frankfurter Auschwitz-Prozess begann die Aufklärung der deutschen Gesellschaft über die NS-Vergangenheit, begann die Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Dieser Prozess war ein Wendepunkt in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ohne diesen Prozess gegen ehemalige Bewacher des Vernichtungslagers wäre die deutsche Öffentlichkeit noch länger vor den NS-Verbrechen davongelaufen. Ohne diesen Prozess hätte die Loyalität der Nachkriegsgesellschaft mit den NS-Verbrechern noch länger gedauert.
Fritz Bauer war es, anfangs fast allein, der… [weiter]
grundlegend falsch
6. Februar 2018
Die Rosemeyer-Debatte geht weiter. Am Montag hat das Forum Juden Christen im Altkreis Lingen eV auf ein Interview reagiert, das der in Westfalen lebende Historiker Bernd Walter der „Lingener Tagespost“ gegeben hatte. Der Lingener Kaufmann Heinrich Liesen hat mit Walter einen Historiker gefunden, der sich dazu bereit erklärt hat, das geplante Rosemeyer-Museum wissenschaftlich zu begleiten. Darin hatte ausgeführt:
„Mir ist klar, dass moralische Urteile notwendig sind, um aus der Geschichte zu lernen – auch wenn diese Urteile selbst wiederum nie zeitlos sind. In Lingen scheint aber Erinnerungskultur in pädagogischer Absicht auch der Ent-Historisierung zu dienen, da offensichtlich bestimmte Bereiche ausgeblendet werden sollen.“
Diese zentrale Aussage habe nicht nur ich erst einmal als erhobenen Zeigefinder und völligen Missgriff gegenüber denen empfunden, die sich im und als Forum Juden Christen unschätzbare Verdienste um die Jahrzehnte in Lingen nicht vorhandene Erinnerungskultur gemacht haben und machen. Hinzu kommt, dass die Walter’sche Einordnung philosophisch wie rechtlich völlig inakzeptabel ist, weil sie am Ende des Tages NS-Rassismus und die Nazi-Angriffe auf jegliche Menschenwürde in unvertretbarer Weise relativiert. Sie ist damit letztlich nur Winzigkeiten von dem Vorwurf entfernt, die Kritiker des NS-Staates im Allgemeinen und des Gedenkmuseums in Lingen für den SS-Mann Rosemeyer i, Besonderen hätten unter den Bedingungen des NS-Staates wohl nicht anders reagiert als der Rennfahrer.
Für das Forum Juden-Christen nahmen gestern in einer Pressemitteilung die Vorsitzenden Heribert Lange und Michael Fuest so Stellung:
„In dem Interview mit Prof. Dr. Walter auf der Emslandseite der LT vom 3.2.d.J. findet sich der an das Forum Juden-Christen adressierte Einwand, man bediene sich dort bei der Bewertung der Rolle des Rennfahrers Bernd Rosemeyer des Mittels und der Methode der Ent–Historisierung. Aus Prof. Walters weiterer Ausführung wird sodann klar, dass er damit das der deutschen Gesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus vielleicht abhanden gekommene moralische Bewusstsein und ihr müde gewordenes moralisches Gedächtnis meint, und diesen Umstand zugleich zur Erklärung der gänzlich arglosen Solidarisierung Bernd Rosemeyers mit den NS-Machthabern und seiner Verstrickung mit dem nationalsozialistischen System heranziehen möchte.
Dies aber ist grundlegend falsch. Denn kein Mensch hat bei aller zuzugebenden Bindung der Moral an die jeweilige Zeit und die Entwicklung der Gesellschaft in dieser Zeit die angestammte Moral und die ihr zugrunde liegenden ethischen Gesetze aus ihrer Geltung entlassen. Auch gab es in aller Zeit noch keinen Menschen, der das Ende der Menschenwürde und der Menschenrechte hätte verkünden können. Die politischen Philosophen sind im Übrigen auch, also anders als Herr Prof. Walter und [LT-Rdakteur] Herr van Bevern und unseres Wissens übereinstimmend der Ansicht, dass es keine nationalsozialistische Sondermoral geben konnte und gab, mittels derer die Verachtung des Einzelindividuums, Rassismus und Massenmord hätten gerechtfertigt werden können.
