richtig und gut
17. Dezember 2014
Vorweg: Für Häme und dergleichen gibt es keinen Anlass. Eher für Respekt. Und das deswegen: Gestern veröffentlichte die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) einen Beitrag über die Herkunft von (vermuteten) Straftätern samt diesem Tweet:
Ich verfasste daraufhin gestern früh diese Tweetfolge:
LT-Chef Thomas Pertz antwortete am Vormittag:
Später reagierte sprachlos aber mit einem Screenshot NOZ-Autor Dirk Fisser:
Wie sehr es in der NOZ geknallt haben muss, zeigte dann am Abend der Kommentar von Jörg Sanders (NOZ): Die Herkunft gehört bei Straftaten nicht in die Presse.
Der NOZ-Mann schreibt:
„Woher stammen die Täter, die für Einbrüche in der Region verantwortlich sind? Diese Frage beantwortete unsere Redaktion am Dienstag. In diesem Zusammenhang ist die Beantwortung der Frage nach der Herkunft unumgänglich; in einigen anderen ebenfalls. Meistens aber hat sie in der Berichterstattung über Verbrechen in der Regel nichts verloren.
Die große Mehrheit der Einbrecher der Region sind: Deutsche. Das belegt die Statistik der Polizeidirektion Osnabrück. Aber ist die Nationalität des Täters bei einem Einbruch relevant? Macht es einen Unterschied, ob ein Deutscher oder ein Türke in eine Wohnung einbricht? Oder ein Deutscher mit Migrationshintergrund? Was ist mit einem Schweden? Klaut „der Türke“ oder „der Schwede“, weil er türkisch oder schwedisch ist? Wohl nicht. Vielmehr dürften zum Beispiel Milieu und familiäre Verhältnisse entscheidend sein.
Die Erwähnung der vermuteten Herkunft ist für eine Tat in der Regel unerheblich. Sie zu erwähnen, widerspricht dem Pressekodex des Presserats. In der Richtlinie 12.1 heißt es: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht“ – und zwar aus dem einfachen Grunde: „Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte“, heißt es im Kodex weiter…. [weiter hier].
Wir lesen. Kollege Sanders rüffelt Kollege Fisser [pardon „unsere Redaktion“]. NOZ-Mann kritisiert NOZ-Mann und zwar öffentlich. Das habe ich noch nicht erlebt. Es ist wohl eine Premiere und sie ist richtig und sie ist gut.
vehement
17. Juli 2013
Auch die taz nimmt sich der ökonomischen Schäbigkeiten in Papenburg an. Sie zitiert den Vechtaer Prälaten Peter Kossen. Der spricht von einem „diabolischen System moderner Sklaverei“. Hier die taz:
„Die Meyer-Werft geht in die Offensive. Als „völligen Unsinn“ bezeichnet Unternehmenssprecher Peter Hackmann die gegen die Werft und das Emdener Subunternehmen SDS nach einem tödlichen Brand in einer Unterkunft für „Leiharbeiter“ in Papenburg (Landkreis Emsland) erhobenen Vorwürfe. Die dort untergebrachten Arbeiter, von denen zwei bei dem Brand ums Leben kamen, waren bei der Meyer-Werft eingesetzt und an diese von SDS vermittelt worden. Der SDS-Bevollmächtigte Mustafa Salahin kündigte gegenüber der taz „rechtliche Schritte gegen die Neue Osnabrücker Zeitung“ an, die „Lügen in die Welt gesetzt“ habe, ohne dass von ihr überhaupt „jemand mit mir gesprochen hat“.
In einem Bericht der Zeitung von Montag ist mit Verweis auf anonyme Quellen davon die Rede, dass die meist bulgarischen und rumänischen Monteure „in sklavenähnlichen Zuständen“ gelebt hätten. Die Bewohner des Brand-Hauses seien „nicht versichert“ gewesen und hätten ihre Papiere bei dem Subunternehmer abgeben müssen. Zudem ist ihnen laut dem Bericht ein Stundenlohn von gerade mal drei Euro ausgezahlt worden.
SDS und Meyer bestreiten diese Vorwürfe nun vehement. Werftsprecher…“ [weiter hier bei der taz]
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Würde
15. Juli 2013
Am Samstag ist in Papenburg ein altes Haus abgebrannt, in dem Leiharbeiter der Meyer-Werft zu leben hatten. Es habe 30 Rumänen als Unterkunft gedient, weiß der NDR. Zwei von ihnen, 32 und 45 Jahre alt, sind tot, erstickt, verbrannt. Am helllichten Tag.
Ohne die Brandursache zu kennen, steht für mich fest dass, wenn soviele Menschen in einem Wohnhaus zusammen leben und dieses alte Haus nur noch dem Kommerz diente, die Gefahr von Bränden sehr groß ist.
Es ist Zeit zu hinterfragen an wie vielen Stellen in Papenburg und im Emsland ebenfalls derart viele Menschen mit minimalem Wohnraum auskommen müssen.
Auch im „seriösen“ Friederikenstift wird Wohnungsüberbelegung mit Monteuren von den Senioren kritisiert. Es ist Zeit, dass diese vermuteten Missstände auf den Tisch kommen und der Landkreis Emsland bzw. die Stadt Papenburg Kontrollen durchführt.
Niedersachsen, das Fleisch und die Schlachter
3. Juli 2013
„Seit Monaten recherchiere ich zu Arbeits- und Lebensbedingungen ausländischer Schlachter in Niedersachsen. Die Kollegen der Oldenburgischen Volkszeitung und der Münsterländischen Tageszeitung hatten mich mit ihren Berichten auf das Thema aufmerksam gemacht. Die geschilderten Zustände in den Landkreisen Vechta und Cloppenburg ließ bei mir die Frage aufkommen: Ist es nur dort so? Nach einigen Monaten, in denen ich mich mit dem Thema beschäftige, fällt die Antwort eindeutig aus: Nein.
Alles fing eigentlich damit an, dass ich den Bürgermeister der Samtgemeinde Sögel am Telefon fragte, ob es bei ihm auch Massenunterkünfte gebe. Immerhin steht in der Kommune ein großer Schlachthof. Er verneinte das, ich druckte die Aussage im Zusammenhang mit Schilderungen der Zustände in Vechta und Cloppenburg ab (hier der Artikel). Ganz offensichtlich sahen das viele Bürger aber anders als ihr Bürgermeister. Ich wurde überflutet mit Hinweisen – während ich aus dem Rathaus mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, alles auf den Kopf gestellt zu haben. Der Bürgermeister warf mir in einer E-Mail „manipulierenden, tendenziösen Journalismus“ vor und teilte mit, dass er für weitere Auskünfte nicht zu Verfügung stünde.
Das war zunächst aber auch gar nicht notwendig, da ich nur die Hinweise der Leser abfahren musste. Die Recherchen mündeten in dem Artikel „Das Zuhause der Eimermenschen“ – erschienen kurz vor Weihnachten. Die Kurzfassung: Über 50 Menschen leben auf einer Baustelle und das alles mit behördlicher Genehmigung.
Das Echo auf den Artikel war gespalten. Negative Kritik kam aber vor allem aus Sögel. Man warf mir vor, die Gemeinde in ein schlechtes Licht zu rücken. „Was erwarten die denn hier?“ – so oder so ähnlich vielen einige Rückmeldungen aus. Auch im Rathaus war man einmal mehr not amused. Bis heute heißt es in Sögel, die NOZ hätte den Begriff „Eimermenschen“ geprägt, die Arbeiter dahinter abgestempelt. Natürlich war das Wort nicht meine Erfindung. Tatsächlich werden die ausländischen Arbeiter in Sögel so genannt, weil sie Tag für Tag mit weißen Eimern in der Hand zum Schlachthof laufen – quer durch den Ort.
Wir blieben dran, fragten beispielsweise, wie viel Platz ein Mensch zum Leben braucht und fanden heraus, dass jeder Landkreis diese Frage anders beantwortet (hier der Artikel). Auf Landesebene rückten die Lebensumstände der Menschen ein wenig aus dem Fokus. Hier ging es mehr um den Mindestlohn. Auf kommunaler Ebene erließen Parlamente und Behörden strengere Richtlinien – die in einigen Fällen nicht wirklich strenger waren. Sögel verfolgte zu dem den viel versprechenden Ansatz, Vermietungen nur dann zu zu lassen, wenn vorher ein Behördenmitarbeiter die Wohnung zertifiziert hat.
Aber immer noch erreichten mich Hinweise. Beispielsweise aus Lathen im Emsland. Mitten im Ort dient ein altes Hotel als Unterkunft für Schlachthof-Mitarbeiter (siehe Foto, nach unseren Recherchen kostet das Bett 75 Euro im Monat), die jeden Tag per Bus nach Sögel gebracht werden.
Die ARD-Doku „Lohnsklaven in Deutschland“ aus dem Juni 2013 machte die Zustände im Oldenburger Münsterland dann bundesweit bekannt. Die Diskussionswelle rollte an, die Gewerkschaft NGG beispielsweise forderte im Gespräch mit der NOZ ein Sozial-Siegel für Fleisch – ähnlich den Biosiegeln.
Und die niedersächsische Landespolitik zitierte Vertreter der Fleischindustrie ins Wirtschaftsministerium. Doch das zweite Treffen ließen die Manager am 27. Juni platzen – so zumindest die Sichtweise der Politik. Die Minister kündigen Konsequenzen an: schärfere Kontrollen. Fraglich, ob das etwas bewirken kann.
Wie es jetzt genau weitergehen soll, ist unklar. In den nächsten Wochen werde ich hier über meine weiteren Recherchen zum Thema berichten.“
(Dirk Fisser, Ohren-auf.tumblr.com, Fotos: © Dirk Fisser)
Hühnerhochburg
2. August 2012

Im Kommentar „Zeit für mehr Ehrlichkeit“ wird uns vorgeworfen „Es ist unredlich, dass Umwelt- und Naturschutzverbände Ängste vor der ausufernden Fleischproduktion schüren“. Diesbezüglich möchte ich richtigstellen, dass von Seiten des NABU keine Angst gegenüber der steigenden Fleischproduktion besteht, sondern vor den damit verbundenen ökologischen, gesundheitlichen und sozialen Folgen. In diesem Zusammenhang ist besonders auch auf die Folgen hinzuweisen, die aus dem zunehmenden Export von Hähnchenfleisch resultieren, weil der hiesige Bedarf bereits gedeckt ist: Probleme mit der Gülleentsorgung und steigende Stickstoffbelastung der Böden und Gewässer bei uns und Zerstörung der lokalen Arbeitsplätze mit den daraus resultierenden sozialen Folgen in den Ländern Afrikas. Dass die Errichtung von Hähnchenmastställen – vielleicht gerade für die Erzeugung von Fleisch für den Export – unter bestimmten Voraussetzungen für hiesige Landwirte noch wirtschaftlich sinnvoll sein kann, ist von meiner Seite unbestritten.
Ach, und falls tatsächlich irgendeinen meine Essgewohnheiten interessieren: Ich esse tatsächlich sehr gerne Hähnchen – aber aus extensiver bzw. biologischer Haltung, natürlich nicht jeden Tag und am liebsten im Ganzen mit einer Paprika-Kräuter-Marinade im Ofen gebacken.“
(Foto (c) http://wendland-net.de/)