Nachhaltigkeit

23. August 2020

Mit Kiel und Buxtehude werden in diesem Jahr zwei Städte in Norddeutschland mit dem deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Der Preis wird seit 2012 von der Deutschen Stiftung für Nachhaltigkeit vergeben und ist mit 30.000 Euro dotiert. Diese Summe erhalten die beiden Preisträger in den Kategorien Groß- und Mittelstädte, dafür dass sie überzeugend dargestellt haben, wie eine Kommunalpolitik aussehen könnte, die auch künftigen Generationen Raum zum Leben lässt.

 Mit dem Projekt „Buxtehude 2030“ erarbeite Buxtehude zurzeit eine Nachhaltigkeitsstrategie in Anlehnung an die globalen Entwicklungsziele, heißt es in der Begründung. „Besonderes Augenmerk liegt auf den Themen Klima- und Ressourcenschutz sowie sozialer Teilhabe.“  Beim Klimaschutz sei Buxtehude mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien gut dabei, begründet es der Auslober.. Es nutze „seine geografische Lage, um Wind-, Solarenergie sowie Fernwärme weiter auszubauen“. Zum Ressourcensparen laden „Buxbüdel“, „Buxpott“ und „Meibox“ ein, allesamt Mehrweg-Projekte. Und „Ener:kita“ führt die Kleinsten an diese Themen heran. „Wir schauen, wie die Einrichtungen energetisch aufgestellt sind, aber führen auch Kinder spielerisch an das Thema heran – nachhaltig kochen, richtig heizen und lüften“, erklärt Thomas Bücher, Sprecher der niedersächsischen Stadt nordwestlich von Hamburg.

„Jährlich sensibilisiert zudem die nicht-kommerzielle Ökomesse ‚Vor Ort Fair-Ändern‘ auch die Verbraucher/innen für einen bewussten Lebensstil“, so die Jury weiter. Und der Buxtehuder Präventionsrat wird dafür gelobt, das städtische Engagement in den Bereichen Bildung, soziale Teilhabe und sogar Klimaschutz mitzugestalten.

Michael Lemke, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat, freut sich über den Preis. Er komme überraschend, aber nicht unberechtigt. „Aber ich hinterfrage ihn“, setzt er hinzu. Als Lemke mit seinen Parteikolleg*innen die Begründung der Jury gelesen hat, kam sie ihnen „sehr wolkig“ vor. „Dass vielerorts Tempo 30 eingeführt wurde, ist bereits 28 Jahre her“, so Lemke.

Auch ein erwähntes Fernwärmenetz für ein Neubaugebiet sei gar nicht so super, es sei schließlich ein klassisches mit Erdgas. Außerdem die durch die Jury gelobte Beteiligung der Bürger*innen bei Bauprojekten und mehr sei noch sehr sporadisch. „Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, müssen solche guten Ansätze nicht nur einmal, sondern überall verfolgt werden“, sagt Lemke.

Überhaupt werde der Begriff der Nachhaltigkeit – trotz der Wichtigkeit der Debatte – „zu inflationär“ genutzt, findet Lemke. „Wir sollten mehr über die Definition von Nachhaltigkeit sprechen und die Inhalte davon im Leben und im Handeln der Menschen annehmen.“ Aufholen muss Buxtehude nach Ansicht des Grünen-Politikers im Bereich Klimaschutz und bezahlbarem Wohnen. Bei den Planungen einer neuen Sporthalle und Schule merke er nichts von den Ambitionen der Stadt. „Ich möchte Null-Energie-Häuser mit Holz oder anderen recycelten Stoffen bauen.“ Man sei nach wie vor sehr konservativ unterwegs.

Dass man noch nicht am Ziel ist, weiß auch Stadtsprecher Bücher. Bereits vor zwei Jahren wurde Buxtehude für den Preis nominiert. Seither habe sich viel getan, was die Jury nach Büchers Ansicht mit der Auszeichnung honoriert habe. „Als wir damals die Bewerbung ausgefüllt haben, haben wir gemerkt, uns fehlt neben den vielen Tätigkeit eine übergeordnete Strategie.“

Anfang des Jahres organisierte die Stadt daher Workshops mit Beschäftigten der Stadt und mit Politiker*innen. Folgen soll nun – durch die Coronapandemie verspätet – ein Treffen mit den lokalen Initiativen. „Wir wollen nach deren Ideen fragen“, sagt Bücher. Auch der Präventionsrat der Stadt beschäftige sich dieses Jahr mit der Zukunftsfähigkeit Buxtehudes. All die Ergebnisse wolle man zusammenfassen.

Auch im Haushalt wolle man einige der Nachhaltigkeitsziele der UN – die Sustainable Development Goals – als Schwerpunkte festhalten, sagt Bücher. Es solle ein Leitbild entstehen, mit dem Investitionen abzugleichen seien und Zielkonflikte austariert werden könnten.

Im Bereich Bildung sei Buxtehude jetzt schon vorn mit dabei, sagt Bücher. Seit Jahren sei man Fair-Trade-Stadt; auf dem Weihnachtsmarkt werde kein Plastikbesteck mehr ausgegeben, es gebe Ansiedlungskriterien für Gewerbeflächen – etwa die Zahl der Arbeitsplätze. „Der Preis ist ja nicht nur ein Ökopreis“, erinnert Bücher. Und die drei Säulen der Nachhaltigkeit seien nun mal Ökologie, Ökonomie und Soziales.
Passend dazu habe man ein Gewerbeforum mit Christian Felber organisiert, Begründer der Gemeinwohl-Ökonomie. „Es hat sich einiges getan.“

Der Nachhaltigkeitspreis wird übrigens seit 13 Jahren in mehreren Kategorien verliehen. Ausgezeichnet werden dabei nicht nur Kommunen, sondern auch einzelne Unternehmen, gelungene Architekturentwürfe, innovative Forschungsansätze oder auch neuartige Verpackungslösungen.

Lingen (Ems) hat den Preis übrigens nicht bekommen: Unsere autoorientierte, flächenverbrauchende Kommune hat sich nämlich gar nicht erst beworben…

Papiertiger

13. August 2020

Die Ende 2016 in Niedersachsen eingeführte Mieterschutzverordnung, die sog. Mietpreisbremse gegen überteuerte Wohnungen, ist laut einem Urteil des Landgerichts Hannover von Mittwoch unwirksam. Diese  zivilrechtlich Entscheidung ist zwar nicht bindend, wirkt aber weit über den entschiedenen Fall hinaus

Die Mietpreisbremse soll bekanntlich vor überteuerten Wohnungen schützen.  Nach der Verordnung darf der Preis für Neuvermietungen „nur noch zehn Prozent“ über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Andernfalls können Mieter/innen die gezahlte Miete zurückfordern. Die Regelung galt bisher in Braunschweig, Buchholz in der Nordheide, Buxtehude, Göttingen, Hannover, Langenhagen, Leer, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück, Vechta, Wolfsburg sowie auf allen ostfriesischen Inseln.

Die bisherige niedersächsische Mietpreisbremse ist wegen handwerklicher Fehler in der Verordnung unwirksam. Grund dafür ist, dass mit der Veröffentlichung der Mieterschutzverordnung Ende 2016 nicht auch eine Begründung geliefert wurde, entschied das Landgericht Hannover am Mittwoch (LG Hannover, Urt. v. 12.08.2020, Az.: 7 S 7/20) und bestätigte ein vorhergehendes Urteil des Amtsgericht Hannover, das Ende 2019 einer Mieterin einen Rückzahlungsanspruch auf zu viel gezahlte Miete verweigert hatte. Die Berufung der Mieterin blieb ohne Erfolg.

Das Land Niedersachsen hatte auf Grundlage einer Ermächtigung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) eine Verordnung erlassen, die eine Mitpreisbremse beinhaltet. In der Verordnung wird unter anderem Hannover als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgewiesen, die Begründung dafür fehlte allerdings.

Das Gericht bemängelte insbesondere diese fehlende Begründung. Zwar sei im März 2018 nachträglich auf der Homepage des Ministeriums eine Begründung veröffentlich worden, dies reiche aber nicht aus, so ein Gerichtssprecher gegenüber LTO. Das Gericht stützte sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) zur hessischen Mietpreisbremse. Demnach muss eine Begründung der Verordnung bereits bei Erlass vorliegen und nachprüfbare Tatsachen liefern, warum gerade die jeweilige Kommune in die Verordnung aufgenommen wurde. Zivilgerichte, die eine solche Verordnung anwenden, hätten nämlich die Pflicht, diese auch auf ihre „Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht“ zu prüfen und sie im Falle ihrer Unwirksamkeit nicht anzuwenden; die Verordnung enthalte nicht, wie in der sog. „Ermächtigungsgrundlage“ in § 556d Abs. 2 BGB vorgeschrieben, eine Begründung. Wegen desselben Formfehlers der Ministerialbürokratie hatten auch schon Gerichte in Hamburg,  München oder in Stuttgart die dortigen Mietpreisbremsen für ungültig erklärt. Im schwarz-grün regierten Hessen ist übrigens am 28. Juni 2019 eine neue, formal korrekte Mieterschutzverordnung in Kraft getreten.

Auch bei der bisherigen niedersächsischen Verordnung fehlt -so das LG in seinem gestrigen Urteil- die notwendige Begründung; aus der daher unwirksamen Regelung können die klagende Mieterin daher auch keine Ansprüche geltend machen.

Zwar ist diese Entscheidung in dem Hannoveraner Fall nicht für andere Gerichte in Niedersachsen bindend. Wwegen der in ihr zugrunde liegenden Entscheidung des BGH gehen Juristen aber davon aus, dass auch bei anderen Klagen niemand Ansprüche aufgrund der Verordnung geltend machen kann. Kurzum: Die bisherige Mieterschutzverordnung ist bloß ein Papiertiger. Oder, um einen großen Europäer zu zitieren, sie ist „viel Lärm um Nichts„. Sie ist Murks.

Wie geht es jetzt weiter? Das (jetzt zuständige) Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz in Hannover „arbeitet bereits“ an einer neuen Verordnung, zu deren Entwurf derzeit die betroffenen Kommunen und Verbände angehört werden. „Voraussichtlich im Spätherbst“ soll sie verabschiedet werden, schreiben die Medien.

Aus dem Schutz der neuen Fassung der Verordnung sollen dann die Städte Buchholz, Buxtehude, Leer, Vechta und Wolfsburg herausfallen. Wegen zahlreicher Neubauten in den letzten Jahren seien dort „die Mieten nicht mehr stärker als im Landesdurchschnitt gestiegen“. Neu hinzu kommen sollen die Kommunen Gifhorn und Laatzen.

In unserer Region an Ems und Vechte werden übrigens keine Kommunen, auch nicht die Mittelstädte Lingen, Nordhorn, Meppen oder Papenburg, in die Mieterschutzverordnung aufgenommen. Daran ändert sich nichts. Der Grund dafür ist weder klar noch überprüfbar; denn die bisherige Auswahl der Kommunen erfolgte aufgrund „einer Analyse der Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank)“, die für mich trotz eines Links hier im Internet nicht auffindbar ist. Ob eine solche private „Analyse“ für eine gesetzesmäßige Begründung ausreicht, darf übrigens bezweifelt werden…


Quellen. PM LG, LTO; DPA; Haufe

Brennstoffzelle

12. November 2017

2021 sollen auf nicht-elektrifizierten Strecken in Niedersachsen 14 Brennstoffzellen-Züge verkehren.

Zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude will die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) ab 2021 keine Diesel-Loks mehr einsetzen, sondern Züge mit Brennstoffzellen-Antrieb. Dafür hat die LNVG nun 14 der Züge bei Alstom bestellt, geht aus einer Mitteilung des Herstellers hervor. Zuvor war der Zug dieses Jahr in Niedersachsen getestet worden.

Der Coradia iLint genannte, in Salzgitter entwickelte Zug kann rund 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung zurücklegen, bei Höchstgeschwindigkeiten von 140 km/h. Mit Wasserstoff versorgt wird er über eine eigene Tankstelle in Bremervörde, die von der Linde Group geliefert wird. Sie soll 10 Millionen Euro kosten. In einer späteren Projektphase soll der Wasserstoff per Elektrolyse und mithilfe von Windenergie vor Ort produziert werden.

Das niedersächsische Verkehrsministerium unterstützt die Anschaffung der 14 Brennstoffzellen-Züge mit 81,3 Millionen Euro, vom Bundesverkehrsministerium kommen 8,4 Millionen Euro. Wie viel die Züge insgesamt kosten, geht aus der Mitteilung nicht hervor.

Nachtrag:

Während also andernorts die Zukunft eingeläutet wird, steht bei uns die Gegenwart still. Immer noch defekt ist der Aufzug zu Gleis 2 im Bahnhof Lingen (Foto, © milanpaul, flickr). Bekanntlich halten dort alle Züge in Richtung Norden. Für Gehbehinderte und Rollifahrer ist der Bahnteig nicht benutzbar. Und das seit mehr 100 Tagen. Es ist nicht bekannt, dass die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen dies überhaupt bemerkt hätte. Die tzuständige Betriebsgesellschaft DB Netz geht der Defekt am A… vorbei. Sie behauptet tatsächlich, man könne keine Ersatzteile bekommen. Seit Ende Juli. Das ist entweder dreist gelogen oder Ausdruck völliger Inkompetenz.

(Quelle: Heise.de)