Vermeer

11. Februar 2023

Nie zuvor waren so viele Bilder des niederländischen Malers Jan Vermeer in einer Ausstellung zu sehen. Das Rijksmuseum Amsterdam präsentiert seit gestern und noch bis zum 4. Juni die Kunstsensation des Jahres.Ein Mächen schüttet Milch aus einem Krug in eine Schüssel

„Das Milchmädchen“ in der Vermeer-Schau in Amsterdam

Das Milchmädchen ist ein Meisterstück, so wie alle anderen überlieferten Bilder Vermeers. Als er im Dezember des Jahres 1675 mit gerade mal 43-jährig stirbt, gibt es 37 Gemälde. 28 davon zeigt jetzt das Rijksmuseum in Amsterdam, acht mehr noch als vor 26 Jahren das Mauritshuis in Den Haag. Geliehen wurden die Kunstwerke aus den großen internationalen Museen, aus Privatsammlungen in Europa und den USA. Private Sponsoren griffen tief ins Portemonnaie. So entstand die bisher größte reine Vermeer-Schau – eine Sensation!

Was die Vermeer-Fans anlockt, ist schwer zu beschreiben: Vermeers Umgang mit Pinsel und Farbe, sein technisches Geschick, das virtuose Spiel mit Lichteffekten, die Komposition, die Perspektivtreue. „Vermeer war ein Meister des Lichtes“, sagt Gregor Weber, Co-Kurator der Amsterdamer Schau. Kein Künstler habe das Licht so gemalt wie Vermeer, einerseits realistisch und doch voll rätselhafter Ruhe.

Mit 21 schrieb sich Vermeer in die Delfter Sankt Lukas-Gilde ein, als Meistermaler. Er griff zunächst historische Themen auf: Szenen aus der Bibel, aus der antiken Geschichte, Heiligenlegenden. Ab 1656 änderte Vermeer seine Arbeit. Alltägliches malte er nun: eine Magd, wie sie Milch in einen Krug gießt. Ein junges Mädchen, briefschreibend; eine Tochter aus gutem Hause in der Musikstunde. Allesamt Interieurs – mit Ausnahme seiner beiden zwei berühmten Stadtansichten, der „Straße in Delft“ und der „Ansicht von Delft“.

Es sind Einblicke in den Alltag des 17. Jahrhunderts. „Die Bilder von Vermeer sind keine Erzählung in dem Sinne, dass dort viel passiert, dass dort herumgerannt wird, dass dort Pferde galoppieren oder etwas auf den Boden fällt und Leute sich prügeln oder so“, sagt Vermeer-Experte Weber. „Seine Bilder sind immer sehr still, sehr introvertiert.“ Vermeers Gemälde bergen ein Geheimnis. Es ist genau diese Stille, die das Publikum von heute so fasziniert. Die Zeit scheint stillzustehen.

Seine Maltechnik verfeinert der Meister mit den Jahren. Mit kleinen Farbtupfern schafft er die Illusion von Licht, das auf der Oberfläche tanzt, die Dinge werden plastisch. Die Perle des Mädchens mit dem Perlenohrgehänge beispielsweise, ein Lichtreflex, nicht mehr, aber auch nicht weniger! Das Bild ist übrigens nur bis Ende März in der Ausstellung zu sehen, dann kehrt es in das Mauritshuis nach Den Haag zurück.

Vermeer-Gemälde Das Mädchen mit dem Perlenohrring Betörend: „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ (Meisje met de parel)  ist Vermeers wohl berühmtestes Gemälde

1664 und 1665 malt er, was stilistisch zueinander gehört: Immer ist es eine junge Frau, mal mit Waage, mal mit Wasserkanne am Fenster, mit Perlenhalsband oder auch als „Briefschreiberin in Gelb“. Idealisierte Szenen aus dem täglichen Leben, jede für sich wohlkomponiert. Vermeers späte Gemälde sind von starkem Lichteinfall geprägt, seine Maltechnik wirkt vereinfacht.

1675 stirbt Vermeer verarmt; zwei seiner Bilder hatte er gar verpfändet, um seine Bäckerrechnungen zu bezahlen. Er hinterlässt eine Frau und zehn minderjährige Kinder. Schon bald nach seinem Tod ist er vergessen. Erst vor knapp 200 Jahren wird sein Werk dann neu entdeckt. Heute ist der Mann, der immer in seiner Heimatstadt Delft lebte, einer der größten.

Der Kunsthistoriker Nils Büttner schwärmt: „Das sind Bilder, die mit Ölfarben gemalt sind, zumeist auf Leinwand und die doch so unglaublich lebendig wirken und so zeitlos.“

Das Rijksmuseeum zeigt Vermeers Werk jetzt in großzügigen Räumen, in denen schwere Vorhänge für Atmosphäre sorgen. Jedes Gemälde ist mit einer Glasscheibe geschützt. Aus gutem Grund: Erst im Oktober hatten Klimaaktivisten im Den Haager Mauritshuis das „Mädchen mit dem Perlenohrring“ mit Leim und roter Flüssigkeit traktiert. Das Weltkulturgut blieb nur durch glückliche Umstände unbeschädigt.

Amsterdam liegt rund zwei Stunden von uns entfernt und ist mit dem DB-Zug auch preisgünstig zu erreichen. Doch wer die Vermeer-Ausstellung im Rijksmuseum sehen will, muss sich vor allem beeilen. Schon wenige Tage vor der Eröffnung der Ausstellung waren nämlich 150.000 der bezahlbaren Eintrittskarten verkauft und gestern, am ersten Tag der Vermeer tentoonstelling, brach der mächtige Server des Rijksmuseums unter dem Andrang der unzähligen Kartenbestellungen zusammen.

Man sieht:  Die Schau im Rijksmuseum ist das europäische Kunstereignis des Jahres 2023. Fahrt hin.


Quellen: FAZ, DW, Al Jazzeera, Rijksmuseum

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