Julians Nein
11. November 2022
Am heutigen Freitag stimmt der Bundestag über die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) verordnete Laufzeitverlängerung (auch) des Kernkraftwerks Emsland ab. Der Lingener Meiler speist bereits seit einigen Tagen weniger Strom als üblich in das bundesdeutsche Stromnetz; das hängt damit zusammen, dass die Brennstäbe nahezu ausgebrannt sind. Daher sollen sie Ende Januar nach dem heutigen Beschluss noch einmal neu im Reaktorkern umgesetzt und dann bis zum 15. April Strom erzeugen. Dann ist Schluss mit der teuren und gefährlichen Atomenergie. Teuer weil der Müll Jahrtausende sicher verwahrt werden muss. Gefährlich ist sie, wie gerade wieder die Kämpfe um das ukrainische Atomkraft Saporischschja zeigt.
Rund ein Dutzend Bundestagsabgeordnete von Bündnis’90/Die Grünen, so gestern der Spiegel, wollen gegen den Weiterbetrieb des AKW in Lingen stimmen: „Es gibt für mich keinen Grund und ich sehe keine Notwendigkeit, dem zuzustimmen“, sagte gestern einer von ihnen, der Abgeordnete Julian Pahlke, dem Nachrichtenmagazin. Pahlke hat Rückgrat. Zusammen mit anderen jungen Ehrenamtlichen rettete er auf dem Rettungsschiff Iuventa flüchtende Menschen im Mittelmeer aus Seenot, versorgt sie und brachte sie in Sicherheit.
Auf ihrem Parteitag in Bonn hatten die Grünen im September unterstrichen: keine neuen Brennelemente, keine Laufzeitverlängerung, nur Isar 2 und Neckarwestheim sollten bis April als Netzreserve bleiben. Schon zwei Tage später teilte Kanzler Scholz per Brief an die Minister Habeck, Lemke und Lindner mit, dass alle drei Kraftwerke am Netz bleiben.
Der Ärger bei den Grünen über diesen Schritt ist noch nicht verschmerzt. Doch abgesehen von Julian Pahlke und den weiteren 11 aufrechten Abweichlern dürfte die Abstimmung am Freitag eindeutig sein. Trotz fehlender Generalüberholung, die eigentlich 2019 stattfinden sollte und nur wegen des Abschaltens Ende dieses Jahres unterblieben ist, wird in den 105 Tagen Laufzeitverängerung bis zum 15. April 2023 hoffentlich alles gut gehen.
Für das Atomkraftwerk Emsland im niedersächsischen Lingen wird übrigens der Betreiber RWE keine neuen Brennelemente bestellen. „Der Bundeskanzler hat die Entscheidung gefällt, dass wir bis Mitte April in den Streckbetrieb gehen“, sagte RWE-Finanzvorstand Michael Müller am Donnerstag in Essen. „Das werden wir dementsprechend so auch einrichten und Brennelemente werden wir deshalb auch nicht bestellen.“
Der Manager antwortete damit auf die Frage, wann RWE sich angesichts der Debatte um eine weitere Laufzeitverlängerung mit dem Kauf neuer Brennelemente beschäftigen werde. RWE rechnet nach Müllers Angaben damit, dass das Kraftwerk Emsland bis April im Streckbetrieb insgesamt 1,7 Terawattstunden Strom produzieren kann. „Die sind bisher noch nicht vermarktet.“ Sie sollen im Spotmarkt verkauft werden, sagte Müller weiter. Bei Spotmarktgeschäften geht es um den kurzfristigen Handel mit einer Stromlieferung noch am gleichen Tag oder am Folgetag.
Quellen SPIEGEL, SZ