Robel Temesgen – Faces of Stories 

Lingener Kunstpreis 2022

Lingen (Ems) – Kunst-/Halle IV
Kaiserstraße 10 a,
Preisverleihung und Vernissage 02.12., 19.00 Uhr,
Ausstellung vom
03. 12. 2022 bis 26. 02. 2023

Zum 25. Mal wird der etablierte und renommierte Lingener Kunstpreis vergeben und zwar an den 1987 in Äthiopien geborenen Künstler Robel Temesgen. Zur Eröffnung seiner Ausstellung und zur Preisverleihung lädt die Kunsthalle Lingen zu Freitag um 19 Uhr herzlich ein.

Robel Temesgen ist Doktorand für künstlerische Praxis an der Oslo National Academy of the Arts. Er erhielt 2015 einen MFA von der Tromsø Academy of Contemporary Art, Universität Tromsø, Norwegen, und 2010 einen BFA der Alle School of Fine Arts and Design, Addis Abeba University. Seine Arbeiten wurden in Ausstellungen u.a. ARoS Museum, Aarhus (2021), Para Site, Hongkong (2021), Kunsthall Oslo (2019),  Modern Art Museum, Addis Abeba (2018), Tiwani Contemporary Art Gallery, London (2018), und Hamburger Bahnhof, Berlin (2017) präsentiert. Robel Temesgen ist Dozent an der Alle School of Fine Arts und lebt zwischen Oslo und Addis Abeba.

Seine Bilder und Arbeiten auf Papier entführen in Räume von spiritueller Bedeutung. Nach umfangreichen Recherchen in Äthiopien bemüht er sich, durch einen phänomenologischen Ansatz die gelebte Erfahrung von Landschaft im Kontext des äthiopischen Glaubens des Adbar und der damit verbundenen Rituale darzustellen. Im Amharischen bezieht sich der Begriff adbar auf die Verkörperung von Schutzgeistern in verschiedenen Elementen der natürlichen Landschaft, wie Seen, Bergen, Felsen oder Bäumen. Der Künstler wuchs in Dessie im Nordosten Äthiopiens auf, wo adbar weit verbreitet ist. Die Werke zeigen schimmernde, phantastische Landschaften in einem charakteristisch symbolischen, lyrischen Stil, sie erinnern teilweise an äthiopische Heilrollen. Die Bilder besitzen eine Leuchtkraft, die durch die Verwendung von Emaille, Sprühfarbe und Acryl auf Papier erreicht wird, inhaltlich lassen sie Wasser, Land und Luft in verschiedenen Zuständen der Verschmelzung und Verwandlung assoziieren – turbulent oder ruhig, in ein surreales, schillerndes Licht getaucht.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

 

Nicht da

29. November 2022

Bürgerbeteiligung ist bekanntlich eine gern betonte Errungenschaft. Sie ist das Salz in der demokratischen Suppe und daher von Verwaltungen oft nicht sonderlich gut gelitten. Es gibt beispielsweise die sog. Einwohnerfragestunde, die grundsätzlich am Anfang jeder Sitzung der kommunalen Gremien unserer Stadt steht. Beim Landkreis Emsland steht sie übrigens regelmäßig am Ende, wo sie dann auch nichts mehr an den zuvor gefassten Beschlüssen zu ändern vermag. Ziemlich schräg ist diese Art der Bürgerbeteiligung, wie ich finde.
Schräg ist aber auch mancher Verwaltungstrick in unserer Stadt. So gibt es in dieser Woche eine Sitzung des Ortsrates in Schepsdorf. Dort steht unter Punkt 10 ein „wichtiges Bauvorhaben“ auf der Tagesordnung. Mehr nicht.

Hintergrund: Ein Bauunternehmen möchte auf der ehemaligen Schweinewiese von Pastor Borgel (auf dem Apple-Foto rechts) ein großes Haus bauen. Dazu gibt es manch Kritisches und viel Konstruktives zu sagen, und vielleicht interessiert das Thema auch Schepsdorferinnen und Schepsdorfer. Daher ist es besonders frech, dass die im Ratsinformationssystem angegebene Tagesordnung der öffentlichen Sitzung (!) dazu gar nichts mitteilt (siehe den Ausriss oben).

Erst wenn man wie ich mit einer Kennung im Ratsinformationssystem angemeldet ist, erfährt man nämlich Einzelheiten des Bauvorhabens (siehe Ausriss unten). Man erfährt:

„Es liegt ein Bauantrag für den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage vor. Das Vorhaben ist nach § 34 BauGB zu beurteilen und baurechtlich zulässig.“

Allerdings erfährt niemand, weshalb das Vorgaben „baurechtlich zulässig“ ist. § 34 Baugesetzbuch (BauGB) ist keine einfache Vorschrift. Ein Bauvorhaben ist nämlich nur dann in einem durch einen nicht geregelten, sogenannten Innenbereich zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben. Vor allem darf das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden. Das ist direkt gegenüber der im Kern romanischen Schepsdorfer Alexander-Kirche des 11./12. Jahrhunderts eine besonders heikle Sache. Bereits vor 12 Jahren ging ein größeres Bauvorhaben direkt östlich der Kirche gestalterisch ziemlich daneben. Jetzt also auf der anderen Straßenseite ein knapp 50m langer geschlossener Baukörper mit zwei Vollgeschossen plus sogenanntem Staffelgeschoss.

Trotzdem findet sich keine Begründung, weshalb das aktuelle Bauvorhaben zulässig ist. Die detaillierten Vorlagen zum Vorhaben finden sich aber nur für registrierte Nutzer des Ratsinformationssystems, also Ratsmitglieder wie mich beispielsweise. In der öffentlichen  Einladung, die für alle BesucherInnen des Ratsinformationssystem aus Schepsdorf wie von anderswo  einzusehen  ist, werden sie verschwiegen. Sie sind nicht da. Dieses Verschweigen nenne ich undemokratisch und bürgerfern.

Den Trick hat der Oberbürgermeister zu verantworten. Es ist übrigens kein Einzelfall. Ähnliches gab es in diesem Jahr in Holthausen/Biene am Schilfweg, wo ein Bauvorhaben im Ratsinformationssystem drin war, dann raus war, dann wieder drin war, bevor es dann endgültig raus war. Solche  Verfahren sollen die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger ausschließen, obwohl das Vorhaben wichtig ist.

Zur auffrischenden Erinnerung: Dieter Krone kandidierte 2010 mit diesen Versprechen („wichtigste Ziele“):

 

 

Solardach-Radweg

28. November 2022

So geht moderner Verkehrswegebau: In Freiburg entsteht seit dem 14. november der erste Radweg Deutschlands mit einer Photovoltaik-Überdachung. Damit kommen Radfahrende nicht nur immer trocken an, die Überdachung produziert auch Solarstrom.

So könnte der Solardach-Radweg in Freiburg aussehen. © badenova

Es ist eine Premiere in Deutschland: In Freiburg entsteht der bundesweit erste Radweg mit einem Solardach. Die Überdachung ist auf 300 Meter Länge geplant und besteht aus über 900 lichtdurchlässigen Glas-in-Glas-PV-Modulen, die Strom aus Sonnenergie produzieren.

Die Solaranlage wird pro Jahr etwa 280.000 kWh Ökostrom erzeugen, was dem Jahres-Strombedarf von mehr als 180 Personen entspricht.

Die Photovoltaik-Radwegüberdachung ist ein gutes Beispiel dafür, dass Photovoltaik an sehr vielen Orten im urbanen Raum möglich ist und dass sich auch Verkehrsflächen für den massiven Ausbau von Solarenergie eignen.

Der Solardach-Radweg ist ein Gemeinschaftsprojekt vom Energieversorgungsunternehmen Badenova-Wärmeplus und der Stadt Freiburg und nicht die erste Zusammenarbeit dieser Art.

In unmittelbarer Umgebung zum Radweg befindet sich übrigens das Fußballstadion des SC Freiburg, auf dessen Dach die größte Stadion-Photovoltaik-Anlage Deutschlands und die zweitgrößte weltweit verbaut wurde.


Quelle: ADFC

Erinnerung: Fahrradklimatest

27. November 2022

ADFC Fahrradklima-Test 2022: Wie ist Radfahren bei Dir vor Ort, fragt der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club ADFC. Ich setze konkret hinzu. Wie ist das Radfahren bei uns in Lingen (Ems)?

Bewerte mit wenig Aufwand die Situation für Radfahrende in Deiner / unserer Stadt – und gib Politik und Verwaltung ein wichtiges Feedback aus Sicht der „Alltagsexperten“. Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der weltweit größten Umfragen dieser Art und wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert. Die Ergebnisse geben einen umfassenden Überblick zur Situation des Radverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland. Dies hilft, damit es vor Ort besser wird.
Am Test kann man noch bis zum 30. November 2022 teilnehmen! Du auch.

„City experience“

25. November 2022

Das Modewort ist immer irgendwie was mit Englisch. In Lingen setzt sich die Stadtverwaltung für „Lingen City Experience“ ein. Das ist nicht etwa eine lebenswerte Innenstadt sondern eine mit Schnickschnack: Rote Klötze, rote Tafel und rote Kindlein und am Bahnhof ein überdimensioniertes rotes Moin, wenn er und sein Vorplatz denn fertig sind. Das Vorhaben kostet 400.000 Euro – mindestens. Es wird aus irgendwelchen Fördertöpfen bezahlt. Guckt mal dieses Beispiel und hier mehr:

Ich finde gleichzeitig beeindruckende Gegenentwürfe. Experience bedeutet bekanntlich Erfahrung und Erlebnis. An einem wirklichen Erlebnis werkeln nämlich seit Ostern die Stadtwerke Lingen und ihr träges Vertragsunternehmen Gast + Stassen. Auf geschätzt 150m sollen in der Burgstraße eine Gas- und eine Wasserleitung erneuert werden. Das geschieht seit 8 Monaten in solch einem Zeitlupentempo, dass im Verhältnis dazu die Baustelle des  Berliner Flughafens BER geradezu blitzschnell fertig geworden ist. Für Anwohner, Geschäftsleute und Gäste bedeutet dies eine ganz besondere Experience, erleben sie doch seit rund 240 Tagen wie schnurzpiepegal sie und die Innenstaden Stadtwerken sind. Das sieht dann so aus. Die Dreckbaustelle soll noch bis in das Frühjahr bestehen. Sie ist auch unserem OB offenbar gleichgültig. Jedenfalls reagierte er gar nicht  auf meine wiederholten Versuche, in den städtischen Gremien für ein schnelleres Tempo zu sorgen. Das ist die wirkliche „Lingen City Experience“. Schaut mal in die Burgstraße:

Kürzungen verfassungswidrig

25. November 2022

Dass die Leistungen für alleinstehende und alleinerziehende Asylsuchende und Geduldete in Sammelunterkünften seit 2019 um zehn Prozent gekürzt werden, ist verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 19. Oktober entschieden, der gestern bekannt geworden ist (1 BvL 3/21, juris, Presseerklärung)

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts heißt es: „Weder im Gesetzgebungsverfahren noch im verfassungsrechtlichen Verfahren wurde hinreichend tragfähig begründet, dass tatsächlich die Möglichkeit besteht, diese Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften in Sammelunterkünften zu erzielen.“ (Rn 90) Dieses Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz fällte heute das Bundesverfassungsgericht in einem von PRO ASYL unterstützten Verfahren.

Menschenwürdiges Existenzminimum gilt für alle Menschen gleich in Deutschland

Wiebke Judith, rechtpolitische Sprecherin von PRO ASYL, kommentiert das Urteil: „Mit seinem heutigen Urteil stärken die Verfassungsrichter und -richterinnen ihre bisherige Rechtsprechung und stellen fest: Die Menschenwürde gilt für alle Menschen gleich in Deutschland. Migrationspolitisch motivierten Kürzungen im Asylbewerberleistungsgesetz und Kürzungen ohne Faktenbasis wird eine klare Absage erteilt. Das Bundesverfassungsgericht ist somit erneut ein wichtiges Korrektiv, um ein menschenwürdiges Leben für schutzsuchende Menschen in Deutschland zu garantieren.“

Das Bundesverfassungsgericht hält für aktuelle Debatten höchst relevant fest:

„Migrationspolitische Erwägungen, Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ (Rn. 56)

Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen – Bürgergeld für Geflüchtete

Das Urteil stärkt zudem die Kritiker:innen des Asylbewerberleistungsgesetzes, die seit Jahren die Abschaffung dieses diskriminierenden Gesetzes fordern.

„Das Urteil aus Karlsruhe ist auch ein Arbeitsauftrag für die Ampel-Regierung, endlich den Missständen bei der Versorgung von Asylsuchenden ein Ende zu setzen. Konsequent ist einzig und allein die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes und die Einbeziehung aller Geflüchteten ins Bürgergeld“, sagt Wiebke Judith.

Schließlich hatte die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag eine Überarbeitung des Asylbewerberleistungsgesetzes „im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ versprochen. Geändert wurde bislang jedoch nichts.

„Das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt gegen die Verfassungsgrundsätze der Menschenwürde, des Sozialstaatsprinzips und des Gleichheitsgebots, gegen die UN-Kinderrechtskonvention und das Menschenrecht auf Gesundheit. Die diskriminierenden Sachleistungen und die Minimalmedizin sind dabei auch noch nachweislich teurer als reguläre Sozialleistungen“, sagt Georg Classen, vom Flüchtlingsrat Berlin, der erst vor wenigen Tagen im November 2022 gemeinsam mit PRO ASYL eine umfassende Analyse des Asylbewerberleistungsgesetzes veröffentlicht hat. Und ergänzt: „Arbeitsverbote führen häufig dazu, dass Geflüchtete überhaupt auf Sozialleistungen angewiesen sind. Das gegenüber der Sozialhilfe beziehungsweise Hartz IV abgesenkte Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Sanktionen mit Kürzungen um mehr als 50 Prozent und der nicht überprüfbare Maßstab für Sachleistungen in Sammellagern führen in der Praxis zu willkürlichen, geradezu beliebigen Einschränkungen des Leistungsniveaus.“

Urteil: Politischer Kompromiss darf nicht zu sachlich nicht begründbaren Ergebnissen führen

Zum Hintergrund der heutigen Entscheidung: Seit September 2019 erhalten alleinstehende und alleinerziehende Geflüchtete um zehn Prozent gekürzte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wenn sie in einer Sammelunterkunft wohnen. Begründet wird die Kürzung damit, dass die Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften „als Schicksalsgemeinschaft“ wie Ehepartner*innen „aus einem Topf“ zusammen wirtschaften und dadurch Geld sparen würden (Bundestagsdrucksache 19/10052 S. 24).

Hierzu hält das Bundesverfassungsgericht fest:

„Auch ein politisch ausgehandelter Kompromiss darf nicht zu sachlich nicht begründbaren Ergebnissen führen. Schlicht gegriffene Zahlen genügen ebenso wenig wie Schätzungen ins Blaue hinein den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wenn sie nicht wenigstens im Ergebnis nachvollzogen werden können.“ (Rn. 59)

„Die pauschale Absenkung nach § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG stützt sich nicht auf hinreichend tragfähige Erkenntnisse dazu, dass Bedarfe durch Verhalten der Betroffenen in diesem Umfang tatsächlich verringert werden können. Hier genügt die Annahme, die Betroffenen bildeten eine „Schicksalsgemeinschaft“ (BTDrucksache 19/10052, S. 24), nicht. Auch die Annahme, dass eine Obliegenheit, gemeinsam zu wirtschaften, tatsächlich erfüllt und dadurch Einsparungen in entsprechender Höhe erzielt werden könnten (vgl. BTDrucksache 19/10052, S. 24), ist nicht durch empirische Erkenntnisse belegt. Entsprechende Untersuchungen liegen auch drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelung nicht vor.“ (Rn. 89)

PRO ASYL unterstützte die Klage

Angerufen wurde das höchste deutsche Gericht vom Sozialgericht Düsseldorf, das die Regelung für verfassungswidrig hielt. Geklagt hatte ein geduldeter Mann aus Sri Lanka, der in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt, PRO ASYL hat das Verfahren unterstützt. Rechtsanwältin in dem Verfahren ist die ausgewiesene Sozialrechtlerin Eva Steffen, die bereits 2012 erfolgreich gegen das Asylbewerberleistungsgesetz geklagt und vom Verfassungsgericht Recht bekommen hatte.

Dass die zehnprozentige Leistungskürzung nun vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde, überrascht nicht. Zahlreiche Fachorganisationen hatten in dem Verfahren beim Bundesverfassungsgericht kritische Stellungnahmen abgegeben. Für PRO ASYL hat Rechtsanwalt und Sozialrechtsexperte Volker Gerloff in seiner Stellungnahme erläutert, dass die fiktive „Zwangsverpartnerung“ durch den Gesetzgeber jeder sachlichen und empirischen Grundlage entbehrt.

Mit der heutigen Entscheidung wurde das Asylbewerberleistungsgesetz nicht zum ersten Mal vom Verfassungsgericht korrigiert. Schon 2012 hatte das höchste deutsche Gericht jahrelangen Leistungskürzungen durch das Asylbewerberleistungsgesetz in einem wegweisenden Urteil ein vorläufiges Ende gesetzt. Die heute gekippte Regelung ist nicht die einzige im Asylbewerberleistungsgesetz, die offenkundig verfassungswidrig erscheint. In Karlsruhe ist übrigens ein weiteres Verfahren anhängig, diesmal zur Ermittlung der Höhe der Leistungssätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Az 1 BvL 5/21).

Für die Praxis:
Das Gericht verfügte mit seinem heutigen Urteil die Gewährung ungekürzter Leistungen nach Regelbedarfsstufe 1 ab sofort. Dies gilt auch rückwirkend, soweit gegen entsprechende Kürzungen noch fristgemäß Widerspruch oder Klage eingelegt wird oder wurde. Das Urteil bezieht sich formal nur auf Analogleistungen nach § 2 AsylbLG, ist aber nach rechtlicher Einschätzung von PRO ASYL und dem Berliner Flüchtlingsrat auf die noch geringeren, ebenfalls um zehn Prozent gekürzten Leistungen nach §§ 3/3a AsylbLG für Alleinstehende in Sammelunterkünften übertragbar, gegen die daher jetzt ebenfalls Widerspruch und Klage eingelegt werden sollte. 


Text: Nieders. Flüchtlingsrat, PRO ASYL

Kozmic Blue

24. November 2022

Kozmic Blue
Twist – Heimathaus, Flensbergstraße 11
Freitag, 25.11.22 – 20 Uhr
Karten Abendkasse: 23 EUR

Kozmischer Blues – unverfälscht, ungepusht, ungebrochen, unkopierbar, garantiert kein Mainstream.

Violina Petrychenko

24. November 2022

71. Hauskonzert bei Familie Löning
Violina Petrychenko
Klavier
„Perlen der ukrainischen Musik“
Lingen (Ems)  –  Emsphilharmonie, Falkenstraße 17
Samstag, 26. 11. 2022 – 19:00 Uhr

Eintritt wie immer frei, eine Spende wird erbeten
Anmeldung ist notwendig: info(at)lingener-hauskonzerte.de
Stefanie und Peter Löning: „Die ukrainische Pianistin Violina Petrychenko musste pandemiebedingt ihren geplanten Besuch bei uns verschieben. Jetzt sind wir glücklich, dass es endlich zu einem Klavierabend mit ihr kommen kann.“
Die Pianistin Violina Petrychenko sieht ihre Mission darin, ukrainische Musik und Kultur bekannter zu machen. In ihrer Heimatstadt Saporoschje begann sie ihre Ausbildung in Musikwissenschaft und als Pianistin. Ihr Studium führte sie nach Kiew, Weimar, Köln und Essen. Gegenwärtig arbeitet und unterrichtet sie in Köln. Drei CD-Einspielungen widmete sie ukrainischen Komponisten des 20. Jahrhunderts.

Die Ukrainerin Violina Petrychenko wurde in Saporoschje als Kind einer Musikerfamilie geboren. Bereits mit 6 Jahren begann sie mit dem Klavierspiel.

Am Musikgymnasium in Saporoschje studierte sie in den Hauptfächern Klavier und Musikwissenschaft. Dabei lag ihr anfänglicher Schwerpunkt mehr im wissenschaftlichen Bereich. In diesem Zusammenhang nahm sie an internationalen Konferenzen teil, aber auch an Klavierwettbewerben.

Mit 12 Jahren war sie Teilnehmerin am Internationalen Prokofiev Wettbewerb und mit 16 Jahren wurde ihre erste theoretische Arbeit herausgegeben. Beide Diplome bestand sie mit Auszeichnung.

Trotzdem begann Violina ein Studium an der Nationalen Tschaikowsky-Musikakademie der Ukraine (Kiew) im Hauptfach Klavier. Seit 2007 studierte sie an die Hochschule für Musik »Franz Liszt« Weimar und dann an der Hochschule für Musik und Tanz Köln bei Prof. Jacob Leuschner weiterhin Klavier.

Violina vervollständigt nun ihr Studium in der Klasse von Prof. Evgueni Sinaiski an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Ausserdem nahm sie an Meisterkursen bei Peter Nagy, Ferenz Rados, Jeffry Swann, Evgeny Skovorodnikov, Bernd Götzke, Konrad Elser und Pierre-Laurent Aimard teil.

Zudem erhielt Violina zahlreiche Auszeichnungen, Stipendien und Förderpreise, u.a. von der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar, der Neuen Liszt Stiftung Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Anna-Ruths Stiftung, der Stadt Köln,Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung und Theodor-Rogler Stiftung.

Für besondere akademische und künstlerische Leistungen erhielt sie den DAAD-Preis, Folkwang-Preis in der Sparte Musik, bei Rosario Marciano Wettbewerb wurde sie mit einem Diplom ausgezeichnet, beim Medenuswettbewerb erhielt sie Publikumpreis.

Violina stellt sich in die Tradition der ukrainischen Kultur und sucht sie zu popularisieren. Für die Popularisierung der Ukrainischen Kultur und der Musik von Vasyl Barvinsky hat sie eine offizielle Danksagung vom Generalkonsulat der Ukraine bekommen.

Neben ihrer Tätigkeit als Konzertpianistin leitet Violina Petrychenko eine private Klavierklasse in Köln und ist Jury-Mitglied des internationalen Klavierwettbewerbs moderner Musik „CONCOURS – FESTIVAL RÉPERTOIRE PIANISTIQUE MODERNE“.

Die Stunde des Nazi-Richters

23. November 2022

Tausende von Polizisten fahnden Mitte der 1960er Jahre nach Bruno Fabeyer, dem „Moormörder“, der nahe Osnabrück einen Polizeibeamten erschossen hat. Schließlich wird Fabeyer gefasst und zu lebenslangem Zuchthaus und Sicherungsverwahrung verurteilt. Ist Fabeyer der geborene, unverbesserliche Verbrecher, als der er dargestellt wird? Das Problem: Sein Richter ist ein Ex-Nazi.​  

Es war die bis dahin größte Fahndung in der Geschichte der Bundesrepublik. Tausende von Polizisten, aber auch Schützen- und Jagdvereine, Feuerwehrleute und sogar Besitzer von Privatflugzeugen beteiligten sich über 18 Monate an der Suche nach Bruno Fabeyer- dem „Moormörder“, der sein Leben zwischen Knast und Landstraße verbracht hatte.

Bei einem Einbruch in dessen Haus in Gretesch schießt Fabeyer am 29. November 1965 den Postbeamten Alois Broxtermann nieder.  Auf der anschließenden, monatelangen Flucht erschießt Fabeyer in Bohmte-Hunteburg den Polizisten Heinrich Brüggemann. Der Gesuchte findet Unterschlupf im Unterholz oder in abgelegenen Scheunen. Auf norddeutschen und westfälischen Bauernhöfen, aber auch in der Eifel stiehlt er vor allem Lebensmittel, Geld und Kleidung; er gesteht später Hunderte von Einbrüchen.

Als er schließlich in Kassel verhaftet und später vom Osnabrücker Schwurgericht zu lebenslangem Zuchthaus verurteiltet wird, ist die öffentliche Meinung eindeutig: Fabeyer war der geborene, unverbesserliche Verbrecher.

Doch stimmt dieses Bild? Denn die Geschichte lässt sich auch ganz anders erzählen. Und sie hat dann viel mit der deutschen NS-Vergangenheit zu tun. Einer der spektakulärsten Kriminalfälle der Nachkriegszeit erweist sich nach WDR-Recherchen nämlich als Justizskandal, weil ein ehemaliger NS-Wehrmachtsrichter über das NS-Opfer Fabeyer urteilte.

Es war ein kurzer Prozess 1967: Ganze vier Tage brauchte die Große Schwurgerichtskammer des Landgerichts Osnabrück für das heute vor 55 Jahren verkündete Urteil wegen versuchten Mordes und Totschlag in besonders schwerem Fall. Bruno Fabeyer (Foto im Schwurgerichtssaal des Landgerichts) wurde zu lebenslänglich Zuchthaus und anschließender  Sicherungsverwahrung verurteilt.

Im Strafprozess spielt neben den Taten vor allem der Lebenslauf des 1926 geborenen Bruno Fabeyer eine entscheidende Rolle. Schon als 11-jähriger kommt der schwer stotternde Junge in ein berüchtigtes Erziehungsheim der Nazis, als 18-Jähriger wird er 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Als er vor dort zu seiner Mutter flieht, wird er zu schwerer Zwangsarbeit in verschiedenen Konzentrationslagern verurteilt. Ende November 1944 wird Fabeyer zunächst in das KZ Buchenwald eingewiesen und ab Dezember 1944 im KZ Mittelbau-Dora inhaftiert wurde. 1945 befreit ihn dort  die US-Armee.

Nach Kriegsende zieht Fabeyer umher und stiehlt. Immer wieder kommt er deshalb in Haft. Auf seinen Raubzügen erbeutet er selten mehr als das, was er für den nächsten Tag braucht. Wenn ihm die Fahnder zu nahe kommen, versteckt er sich im Moor oder auch im Matsch eines Schweinestalls.

Als Fabeyer im November 1967 in  Osnabrück der Prozess gemacht wird, steht nicht nur für die breite Öffentlichkeit seine Schuld längst fest. Auch das Gericht hält sich nicht lange mit juristischen Feinheiten auf. Zu eindeutig erscheint das Bild vom gefährlichen Gewohnheitsverbrecher von Kindheit an. Dabei fügen sich für das Gericht die frühen Einweisungen in Erziehungsheime und KZs nahtlos in die Strafakte des Angeklagten ein – als handele es sich hier nicht um Unrechtsmaßnahmen der Nazis.

„Recherchen für die [heutige] WDR-Sendung ZeitZeichen belegen nun: Landgerichtsdirektor Friedrich Jagemann, der den Prozess leitete, war nicht nur Mitglied von NSDAP und SA, sondern begann seine juristische Laufbahn 1935 in der „Gauleitung Münster“. Ein wesentliches Detail, das Jagemann sowohl im Entnazifizierungsverfahren, als auch in den Personalakten des Landgerichts Osnabrück verschwieg. Bekannt war dort allerdings, dass Jagemann von 1937 bis Kriegsende als Wehrmachtsrichter Karriere gemacht hatte. Das bestätigte ein Gerichtssprecher auf WDR-Nachfrage.

In einer Beurteilung der „Division Hermann Göring“ aus dem Jahre 1944, die im Militärarchiv Freiburg abgelegt ist, heißt es über Jagemann: „Zum nationalsozialistischen Staat überzeugt eingestellt. Diensteifer sehr lobenswert. Seine Urteile treffen in knapper Begründung stets das Richtige.“

Ein…“

[weiter beim WDR]


Quellen: WDR, SWR, wikipedia, HAZ

ins Reich der Wanderfalken

22. November 2022

Ein Reisehinweis ins Reich der Wanderfalken und zu vielen anderen Tieren und Pflanzen. Eine vom Reiseteam des NABU Niedersachsen geführte Busreise in den Frühling des Pfälzerwaldes und der Nordvogesen vom 23. bis 30. April: In Deutschlands größtem zusammenhängendem Waldgebiet kann bei einem Besuch von Wanderfalkenbewachern – Freiwilligen, die ihre Freizeit für den Schutz dieser schnellsten aller Greifvögel geben – erlebt werden, wie diese wendigen Flieger aufwachsen, die im Sturzflug bis zu 360 km/h erreichen können. „Wir werden ihnen im Wald über die Schulter schauen, die Falken beobachten können und viel über ihre Lebensweise erfahren“, sagt Rüdiger Wohlers vom NABU Niedersachsen, der früher selbst viele Jahre an den Falkenbewachungen in Süddeutschland teilgenommen hat.

Viele verschiedene Lebensräume des Pfälzerwaldes stehen bei dieser Reise bei Wanderungen auf dem Programm. Dazu gehört auch eine Wanderung bis an den mächtigen Altschlossfelsen, eines der größten Buntsandsteinmassive Europas, mitten im Wald an der Grenze zu Frankreich gelegen. Und auch ein wenig „savoir vivre“ steht auf dem Programm, etwa beim Besuch des nordelsässischen Städtchens Wissembourg und der Burg Chateau Fleckenstein. In den Rheinauen wird ein mächtiger Auwald besichtigt, ein Biowinzer führt seine Weinberge vor und gibt bei einer Weinprobe mit Blick über die weite Rheinebene Einblick in seine Arbeit. Ein besonderer Höhepunkt wird die Wanderung auf die Burg Trifels sein, auf der einst Heinrich Löwenherz gefangen gehalten wurde. Und natürlich wird auch die besondere Geschichte des Hambacher Schlosses bei einer Führung ebenso wie der Dom zu Speyer eine Rolle spielen, „denn Natur und Kultur wollen wir gleichermaßen vermitteln“, betont Rüdiger Wohlers. Das Biosphärenhaus in Fischbach bei Lahn wird einen ebenso tiefen Eindruck von den besonderen Lebensräumen der sonnenverwöhnten Pfalz geben wie die Wanderung mit Aufstieg zur Ruine Lindelbrunn und einem atemberaubenden Blick über die Wälder bis ins Elsass. „Und in dieser Zeit wird die Pfalz bereits in Blüte stehen“, ist sich Wohlers sicher. Standquartier der Reise ist Annweiler am Trifels mit seinem mittelalterlichen Stadtkern. NABU-Naturpädagogin Heike Neunaber, die sich auch auf die Sagen und Märchen der Region spezialisiert hat und diese bei Wanderungen erzählt, wird vor allem die reichhaltige Botanik vorstellen.

Für diese Reise sind noch wenige Plätze buchbar. Informationen und Anmeldungen unter www.natur-und-reisen.de, Tel. 04761 – 70804.
Dort findet sich das Programm „Natur und Reisen“ unter der Leitung des Reiseteams des NABU Niedersachsen.

Wanderfalke © NABU/CEWE/Peter Gerlach