Ze’ev Friedman

5. September 2022

Vor genau 50 Jahren ermordete ein palästinensisches Terrorkommando bei den bis dahin so heiteren Olympischen Spielen in München 12 Menschen, darunter 11 israelische Olympiateilnehmer. Der Versuch schlecht ausgebildeter deutscher Polizeibeamter, auf dem Flughafen von Fürstenfeldbruck die von dem Terrorkommando genommenen israelischen Geiseln zu befreien, endete mit dem Tod aller Geiseln und dem des deutschen Polizisten Anton Fliegerbauer. Auch fünf Geiselnehmer starben, drei wurden festgenommen, aber schon nach wenigen Wochen durch eine Flugzeugentführung freigepresst.

Einer der am frühen Morgen in Fürstenfeldbruck getöteten Isarelis  war der 28jährige Gewichtheber Ze‘ev Friedman. Seine Eltern Hannah und Shlomo Friedman stammten aus Polen. Sie waren in die Sowjetunion geflohen, nachdem das NS-Regime ihre beiden Familien ermordet hatten. Hier kommt 1946 auch Ze’evs Schwester Nina zur Welt. Nach deren Aussage bleiben die Geschwister Zeit seines Lebens eng verbunden.

Ze’ev Friedman ist dreizehn, als die Familie 1957 nach Bielawa [in die heutige Partnerstadt Lingens] in Polen zieht, um von hier aus die lang ersehnte Emigration nach Israel vorzubereiten. [Nach dem  Eintrag in der Gedenkstätte im Olympiapark (Foto oben) war Bielawa damals für einige Jahre ein wichtiger Zwischenstopp für Jüdinnen und Juden, die nach Israel auswandern wollten. Zusammen mit rund 50.000 anderen Jüdinnen und Juden gelang den Friedmans in der Folge aus Polen die Emigration nach Israel, wo die Familie ab 1960 in einem Vorort von Haifa lebte.]

Ze’ev Friedman mit seiner Familie. V.l.: Nina, Mutter Hannah, Cousin Yakov, Vater Shlomo, Ze’ev, in Prokopjewsk, um 1954, Foto: © Privat

Von klein auf sportbegeistert, beginnen Ze’ev und seine Schwester schon in Polen zu turnen. Mit 17 Jahren nimmt er an ersten Wettkämpfen teil. Er gewinnt mehrere Medaillen und die israelischen Meisterschaften im Ringturnen und Bockspringen. Ze’ev Friedman ist nur 1,56 Meter groß. Diese geringe Körpergröße scheint ihm trotz seiner Erfolge als nachteilig für den Turnsport. Deshalb wechselt er zu den Gewichthebern und wird im Hapoel Kiryat Chaim Sportclub ausgebildet. Sieben Jahre lang ist er Israels Meister im Bantamgewicht. 1967 wird er „Athlet des Jahres“ im Gewichtheben. Er bricht drei israelische Rekorde und vertritt Israel auch international, wie etwa 1971 bei den Asienmeisterschaften auf den Philippinen, wo er den dritten Platz macht.

Weil Ze’ev Friedman gerne mit Kindern und Jugendlichen in der Nachwuchsförderung arbeitet, lässt er sich nach seinem Wehrdienst ab 1965 am Wingate Sportleistungszentrum zum Sportlehrer ausbilden. Die Olympischen Spiele sollten der Höhepunkt und das Ende seiner Profikarriere werden. Danach wollte er sich ganz seinen Aufgaben als Sportlehrer widmen.

Bei den Spielen in München belegt er den zwölften Platz, die beste Leistung der israelischen Gewichtheber. Am 3. September, dem Tag seines Wettkampfes, schreibt er auf einer Ansichtskarte an seine Familie, dass alles wunderbar sei und er gut abgeschnitten habe, dass er alle vermisse und wieder nach Hause wolle. Diese und eine Karte vom 26.8. sollten seine Familie erst nach seinem Tod erreichen.

Am 5. September 1972 werden Ze’ev Friedman und zehn weitere israelische Delegationsmitglieder in ihrem Quartier im Olympischen Dorf von palästinensischen Terroristen als Geiseln genommen. Bei dem missglückten Befreiungsversuch auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck wird Friedman von einem der Geiselnehmer in einem der beiden Hubschrauber erschossen.

„Beinahe vergessen – ich gratuliere euch zum Neujahr, wünsche viel Glück und Gesundheit“, hatte Ze’ev abschließend auf seine Karte vom 26.8. geschrieben. Die guten Wünsche erfüllten sich nicht: Ze’ev wird ermordet, Vater Shlomo erleidet einen Herzinfarkt, Mutter Hannah einen Nervenzusammenbruch.

Ze’ev Friedman wurde an einem Dienstag ermordet. Dienstag für Dienstag fährt Hannah Friedman von nun an ans Grab ihres Sohnes und legt frische Blumen nieder. Vierundzwanzig Jahre lang, bis zu ihrem eigenen Tod 1996.

Und Nina? Trotz des Schmerzes über den Tod ihres geliebten Bruders sinnt sie nicht nach Rache: „Killing brings only more killing. We kill they kill, we kill they kill. It didn’t make it any easier for us or better. It will never bring my brother back. It will only be better the moment we sit and talk to each other and find a solution instead of killing each other all the time“.

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Quelle: Jüdisches Museum München (Blog) und [eigene Recherchen]

Text: Elisabeth Lang, Bauernhofmuseum Jexhof; Recherche: Piritta Kleiner, Bayerisches Staatsministeriums für Unterricht und Kultus

Bilder: (c) privat/Jüdisches Museum München