Tiefe Enttäuschung
11. Juli 2022
Den folgenden offenen Brief richtete Verleger Georg Aehling (Edition Virgines) nach der Entscheidung des Rates für den Straßennamen des Rennfahrers und SS-Offiziers Bernd Rosemeyer an den Lingener Oberbürgermeister Dieter Krone:
“Ich möchte hiermit meine tiefe Enttäuschung über die Entscheidung des Rats der Stadt Lingen vom 06.07.2022 zur Frage der Umbenennung der Bernd-Rosemeyer-Straße bekunden und Ihnen für Ihre aufrechte Haltung in dieser Angelegenheit danken und meine hohe Anerkennung dafür ausdrücken.
Die Meinungen über das Für und Wider einer Umbenennung sind ausgetauscht, aber die fragwürdigen wahren Motive vieler Gegner einer Umbenennung werden leider selten benannt.
Ich erfahre in Gesprächen mit entsprechenden Personen immer wieder, dass eine falsch verstandene Heimattreue und ein falsch verstandener Lokalpatriotismus den Hintergrund für den Wunsch nach Beibehaltung des Straßennamens Bernd-Rosemeyer-Straße bilden. Beides zeigt sich in dem sentimentalischen und selbstgefälligen Festhalten an der verehrten Sports ‘kanone’ Rosemeyer, die für viele eine in nahezu kindischer Weise verehrte Identifikationsfigur darstellt. Von einem solchen lokalen Idol, das schon in jungen Jahren Kunststücke mit dem Motorrad auf dem Marktplatz vorführt und später als Rennfahrer den Namen Lingens in die Welt trägt, fällt vielen eine innere Abkehr schwer. Ein solches Verhalten nenne ich infantil statt geschichtsbewusst, bei nicht wenigen Anwohnern der Straße zudem gepaart mit dem unverhohlen geäußerten Motiv, die Kosten von Umfirmierungen ihrer Anschriften im Falle einer Umbenennung zu vermeiden.
Hinzu kommt, dass viele die Zugehörigkeit Rosemeyers zur SS aus mangelndem Geschichtsbewusstsein nicht ernst genug nehmen, frei nach dem immer wieder zu hörenden Motto: ‘Was soll das ganze Theater! Haben wir nichts Wichtigeres zu tun? Was hat Rosemeyer denn Schlimmes verbrochen?’ Viele Lingener registrieren überhaupt nicht, dass die SS eine der schlimmsten Mörder- und Terrororganisationen der Weltgeschichte war, der man sich nicht, wie viele immer noch meinen, anschließen musste, um in der Nazi-Zeit überleben zu können, sondern der man aus Überzeugung oder Opportunismus beitrat im Wissen um deren menschenverachtende Ziele als Schutzstaffel Adolf Hitlers.
Ich unterstelle…“
Zerbrochene Stärke
11. Juli 2022
Eine aktuelle Ausstellung in Osnabrück verschränkt Bilder von Elfriede Lohse-Wächtler und Felix Nussbaum. „Eine Intervention, die neue Perspektiven auf zwei NS-Opfer erlaubt, die nicht nur Opfer waren“, schreibt Harff-Peter Schönherr in der taz.
„‚Es gibt Kunst, die lässt dich nicht los.‘ Für Maren Koormann, Kuratorin für klassische Moderne im Museumsquartier Osnabrück (MQ4), sind das die Bilder der Dresdner Avantgardistin Elfriede Lohse-Wächtler, die auch Lyrik schrieb, düster und ohnmächtig, ohne Hoffnung auf Licht in „der Menschheit Chaos Nacht“. In der Ausstellung „Im Angesicht“ präsentiert Koormann 45 dieser Bilder im Dialog mit Arbeiten von Felix Nussbaum, dem der skulpturale Gedenk-Bau gewidmet ist, in dem diese beklemmende Begegnung stattfindet, mit seinen nackten Betonwänden und rampenartigen Gängen ist er eine architektonische Abstraktion des Holocaust.
„Im Angesicht“ arbeitet Gemeinsamkeiten heraus. Lohse-Wächtler ist, wie Nussbaum, ein Opfer der NS-Ideologie; Nussbaum wird im KZ Auschwitz ermordet, Lohse-Wächtler in der Euthanasie-Anstalt Pirna-Sonnenstein. Beide…“
geöffnet:
DIENSTAG BIS FREITAG:
11–18 Uhr
SAMSTAG UND SONNTAG:
10–18 Uhr
Bild: Elfriede Lohse-Wächtler, „Knollige Frau“, ca.1930, via flickr Öffentliche Domäne