Punkt.

6. Juli 2022

Die Leser dieses kleinen Blogs wissen, dass am heutigen Mittwoch der Lingener Stadtrat darüber entscheidet, ob die Straße zwischen Burgstraße und Jakob-Wolff-Platz weiterhin den Namen eines Rennfahrers trägt, der Offizier der SS war. Die Debatte darüber läuft seit rund 10 Jahren, und ich bin guten Mutes, dass sie jetzt mit einer Umbenennung zu Ende geht. Das Ergebnis wird vielleicht nicht optimal sein, aber ich hoffe auf ein befriedigendes Resultat. Gut wäre es, wenn unsere Stadt die Straße nach einem NS-Opfer und nicht weiter nach einem NS-Täter benennen würde. Nun, wir werden sehen.

Die Debatte war im Großen und Ganzen fair. Nur gestern meinte der Lingener SPD-Vorsitzende Primke, mich auf seiner Facebookseite miesepetrig angreifen zu müssen, indem er gemeinsam mit seinen SPD-Getreuen Schomakers (Wietmarschen) und Kasimir (Meppen) meinen Großvater kritisierte, aber nur mich meinte. Vorausgegangen war nämlich dieser Blogbeitrag von mir.

Nun, es trifft zu, dass mein Großvater 1961 ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt war und Willy Brandt nicht empfing, der im Bundestagswahlkampf in Lingen zu Tausenden Besuchern sprach. Er empfing ihn nicht, weil er ihn nach einem Beschluss des Verwaltungsausschusses nicht empfangen durfte. er fand das nicht gut und hat deshalb Lingen verlassen, als der spätere Bundeskanzler kam; ich meine, er fuhr zur Bezirksregierung in Osnabrück – aber da bin ich mir nicht sicher. Den im Verwaltungsausschuss untersagten Empfang und das Verbot kann man kritisieren.

Die Leserschaft weiß allerdings, dass ich auf meinen Großvater nichts kommen lasse und stolz auf ihn bin. Er war Bäckermeister und versorgte heimlich die Familie Hanauer in der benachbarten Schlachterstraße mit Brot, als das niemand durfte. Hanauer waren Juden, die nichts zu essen hatten. Als die lokale Hitlerjugend von den nächtlichen Versorgungsgängen erfuhr, haben sie ihn abgepasst und fürchterlich verprügelt. Er hat trotzdem weiter Brot zu Hanauers gebracht.

Carsten Primkes Kritik an meinem Opa nenne ich daher schäbig. Führende Leute der lokalen SPD wollen die Umbenennung der Weltrekordler-mit-SS-Offiziersrang-Straße in Bahnhofstraße, aber nicht das ehrende Gedenken an den Lingener Juden Fredy Markreich. Wenn er meine Kritik an der so agierenden SPD-Ratsfraktion nicht gut findet, soll Carsten Primke mich offen angreifen aber nicht den Mann, der 17 Jahre ehrenamtlicher Bürgermeister unserer Stadt und deren Ehrenbürger war. Punkt.