Heute vor 10 Jahren

10. September 2021

Ich hatte schon gar nicht mehr daran gedacht, und frage mich gerade, wie es wohl den beiden Nachbarn geht, die damals im selben Haus auf der Couch lagen und runterfielen, als es knallte. Sie sind kurz danach weggezogen.

Heute wackelt übrigens mein Haus, weil nebenan die Sparkasse abbricht. Das nenne ich unter diesem Blickwinkel eigentlich eine positive Entwicklung. Aber nur eigentlich…

Was für eine Pimmelei

10. September 2021

Jemand nennt den Hamburger Innensenator Andy Grote „Pimmel“ auf Twitter. Der Innensenator stellt einen Strafantrag wegen der Beleidigung und die Polizei durchsucht eine Wohnung. Peinlicher geht es kaum. Ein Kommentar von @netzpolitik.org

(Symbolbild) Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Pandu Dunia

Natürlich ist „Du bist so 1 Pimmel“ eine Beleidigung. Eine so halbmittelschwere. Eine schnell herausposaunte vielleicht. Unüberlegt. Und eigentlich würde man sie eher auf dem Pausenhof in Klasse 2b erwarten als bei erwachsenen Menschen. In jedem Fall könnte ein langjährig Shitstorm-gestählter Hamburger Innensenator einfach darüber hinwegsehen, wenn ihn auf Twitter jemand Pimmel nennt. Irgendwer im Internet hat mich Pimmel genannt? So what.

Nicht so bei Andy Grote. Der brachte laut Medienberichten die Sache so richtig ins Rollen. Ein Polizist soll den Vorfall angezeigt haben, die Polizei sei an Grote herangetreten und der habe einen Strafantrag gestellt. Denn Beleidigung ist ein Antragsdelikt, bei dem die Strafverfolger nicht selber tätig werden – ohne aktive Aufforderung des Beleidigten.

Nun hätte die Sache schon längst geklärt sein können, denn der Beleidigende wurde unlängst von der Polizei vorgeladen. Er bestätigte dort, dass es sein Account sei, von dem die Beleidigung abgesetzt wurde. Jeder normale Mensch würde nun denken: Ok, nun wird die Sache entweder wegen Geringfügigkeit eingestellt oder der Beleidiger bekommt jetzt eine halbmittelschwere Geldstrafe entsprechend der halbmittelschweren Beleidigung. Am Ende ist dem Recht genüge getan. Andy Grote ist kein Pimmel. Alles gut.

Nicht so bei Andy Grote. Seine Polizei rückte nun großpimmelmäßig morgens um sechs zu sechst zur Hausdurchsuchung bei der Meldeadresse des Beleidigers an, in der auch kleine Kinder wohnen sollen, und durchsuchte diese. Um Beweismittel sicherstellen und herausfinden, wer Zugriff auf den Twitteraccount habe, sagt die Polizeisprecherin. Ein ganz normaler Vorgang angeblich. Natürlich.

Man könnte aber auch sagen, dass hier pimmelig und peinlich die Prioritäten falsch gesetzt werden. Eine Polizei, die oft hilflos, hilfsbereitschaftslos oder gar nicht bei digitaler Gewalt gegen Frauen, bei Gewaltandrohungen gegen Andersdenkende, bei rechtsradikalen Morddrohungen, Hetze und Beleidigungen aller Art agiert, packt also den ganz großen Repressionspimmel aus, wenn der arme, kleine Innensenator sich beleidigt fühlt von irgendeinem Menschen im Internet.

Kleinkarierter kann man wirklich nicht vorgehen. Und auch in Sachen Verhältnismäßigkeit geht dieser Aufmarsch an Staatsgewalt wegen einer Lappalie gar nicht. Doch am Ende wird sich die ganze Sache gegen Grote selbst drehen. Denn was er wohl gar nicht auf dem Schirm hatte: Der Pimmel auf Twitter wäre schon längst vergessen.

Nicht so bei Andy Grote. Denn mit dieser Art des Vorgehens hat der Innensenator seinen Namen nun für immer mit dem Wort Pimmel in Verbindung gebracht. Ein klassischer Fall von Streisand-Effekt. Herzlichen Glückwunsch!

Dazu mein Tweet vom  Mittwoch:

und dieses aus der Washington Post


Quellen: netzpolitk.org- http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/
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