Stück aus dem Tollhaus

20. Oktober 2020

Der Wiederaufbau der Friesenbrücke wird offenbar viel länger dauern und viel, viel mehr kosten als geplant. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrechnungshof in einem Bericht, über den der NDR gestern berichtete.

Ein Schiff hatte die Eisenbahnbrücke über die Ems bei Weener (Landkreis Leer) 2015 gerammt und zerstört. Zunächst war geplant, die Klappbrücke zu reparieren. Aber dann forderten das Land Niedersachsen, die Landkreise Emsland und Leer und die Papenburger Meyer Werft, eine Drehbrücke zu bauen – mit einer größeren Durchfahrtsbreite, damit Kreuzfahrtschiff-Neubauten leichter über die Ems zur Nordsee überführt werden können. Das könnte für den Steuerzahler teuer werden. Denn die Deutsche Bahn geht jetzt davon aus, dass die Baukosten von ursprünglich 30 auf dann 96 Millionen Euro steigen.

Außerdem müsste viel länger gebaut werden – bis ins Jahr 2030. Das wäre schlecht für Radfahrer und Fußgänger, die neben den Schienen die alte Brücke passieren konnten. Eigentlich sollte die Brücke 2024 fertig sein. Der Bundesrechnungshof sieht keinen Nutzen, der die hohen Kosten rechtfertigt. Der Bitte, ein entsprechendes Gutachten vorzulegen, kam das Bundesverkehrsministerium nicht nach. Von dort heißt es nur, die Drehbrücke sei politischer Wille.

Die Bürger an beiden Seiten der Ems reagieren mit Unverständnis auf die drohende Verzögerung. Er sei fassungslos, sagte der Leeraner Matthias Groote (SPD). Das Bundesverkehrsministerium müsse nun schnellstens für Klarheit sorgen. Eine derart lange Bauzeit wäre ein starkes Stück, betonte Westeroverledingens Bürgermeister Theo Douwes (parteilos). Er gehe davon aus, dass die Brücke wie versprochen 2024 fertig werde. 15 Jahre an einer Brücke „zu arbeiten“, sei den Menschen nicht mehr zu vermitteln, so Douwes.

Die Sprecherin für Häfen und Schifffahrt der Grünen im Niedersächsischen Landtag Meta Janssen-Kucz (Leer) sagte in einer Erklärung:

„Für die Menschen in der Region ist das ganze Verfahren nichts anderes als blanker Hohn, sind sie doch seit der Beschädigung im Jahr 2015 die Dummen: Sie müssen lange Umwege in Kauf nehmen, der Bahnverkehr zwischen Leer und den Niederlanden ist unterbrochen und der Radtourismus im Rheiderland leidet. Dazu kommt die immense Kostensteigerung: Denn die Friesenbrücke im Drehmodus soll jetzt 96 Millionen Euro kosten – also über 60 Millionen mehr als geplant.

Das ganze Verfahren ist ein Stück aus dem Tollhaus des Bundesverkehrsministeriums und der Deutschen Bahn. Die Menschen in der Region erwarten zurecht, dass die Friesenbrücke 2024 für Radfahrende und Bahnreisende wieder zur Verfügung steht und dass die Kosten nicht in diesem Maße explodieren. Auch wenn es anscheinend ‚politischer Wille‘ einiger Abgeordneter der Groko ist – die Prioritäten sollten bei den Menschen vor Ort liegen, in deren Sinne es auch wäre, die Kostenexplosion zu vermeiden.“


Foto: Friesenbrücke nach dem Totalschaden 2015, CC s. Archiv vom 07.06.2018)

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