Desinformation, gezielt
11. Juni 2020
Die Pandemie verschafft Verschwörungsmythen neuen Auftrieb. Mehr noch, in Coronazeiten erreichen gefährliche Falschbehauptungen von Politiker:innen über soziale Netzwerke breite Bevölkerungsschichten. Staaten wie China und Russland verbreiten nach Angaben der deutschen Bundesregierung gezielt Desinformation über die Pandemie. Was lässt sich dagegen unternehmen?
Die EU-Kommission wünscht sich stärkeres Vorgehen gegen Desinformation im Netz. Eine Mitteilung, die gestern veröffentlicht wurde, fordert neue Maßnahmen von Plattformen wie Facebook, Youtube und Twitter. „Wir wissen [über Desinformation] nur so viel, wie die Plattformen uns sagen. Das ist nicht gut genug“, klagt EU-Kommissarin Věra Jourová.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell spricht von einer „Infodemie“ an Falschinformationen zu Corona. Als Beispiel nannte er Aufrufe, als Gegenmittel gegen den Virus Bleichmittel zu trinken. Es brauche gegen solche Behauptungen „entscheidende Schritte“, sagte er gestern bei der Vorstellung der Mitteilung.
Wunschkatalog aus Brüssel
Die Europäische Union vereinbarte 2018 in einem Verhaltenskodex freiwillige Schritte mit den Plattformen. Seither legen Youtube, Facebook und andere Plattformen regelmäßige Transparenzberichte über die Verbreitung von Desinformation und Falschmeldungen vor. Auch versprachen die Plattformen die Offenlegung einiger Informationen über Kund:innen bei politischer Werbung.
Die Kommission möchte den Verhaltenskodex angesichts der Desinformation über Covid-19 nachschärfen. Transparenzberichte sollen die Plattformen künftig monatlich und nach EU-Mitgliedsstaaten aufgegliedert liefern statt jährlich. Sie sollen darin genauer schildern, wie sie die Verbreitung von Desinformation in User:innen-Inhalten und Werbung beschränken.
Außerdem sollen die Plattformen und Werbenetzbetreiber „Daten übermitteln über Maßnahmen zur Begrenzung der Platzierung von Werbung auf Websites Dritter, die Desinformationen rund um COVID-19 nutzen, um höhere Werbeeinnahmen zu erzielen“. Das ist vor allem auf Google gemünzt, das zuletzt in die Kritik geriet, weil sein Werbenetzwerk Anzeigen neben offenkundige Falschinformationen platziert.
Auf Anfrage von netzpolitik.org wollte Google dazu nicht direkt Stellung nehmen. „Wir sind dem Verhaltenskodex und unserer gemeinsamen Arbeit verpflichtet, neue und kreative Wege zu finden, um den Kampf gegen Desinformation fortzusetzen“, sagte Google-Manager Matt Brittin nach Angaben eines Pressesprechers.
Außerdem sollen die Plattformen enger mit Factchecking-Organisationen und Forschungsgruppen zusammenarbeiten, wünscht sich Kommissarin
Věra Jourová. Forscher:innen hatten sich in vergangenen Jahren über mangelhaften Datenzugang insbesondere bei Facebook beklagt. Erst im Februar hatte Facebook angekündigt, sein langjähriges Versprechen einzulösen und zumindest einer Forschungsgruppe Zugang zu gewähren.
Die Kommission bevorzugt beim Thema Factchecking den Zugang, Falschinformationen zu kontextualisieren statt zu entfernen. EU-Kommissarin Jourová hob vor Journalisten positiv die Schritte Twitters gegenüber US-Präsident Donald Trump hervor. Der Kurznachrichtendienst hatte einen Aufruf zur Gewalt des US-Präsidenten durch einen Warnhinweis ergänzt. Facebooks Gründer Mark Zuckerberg eiert hingegen bisher bei der Frage, ob Facebook bei solchen Falschbehauptungen eingreifen möchte.
Vorerst nur freiwillige Schritte
Während sogenannte „Fake News“ und gezielte Desinformation bereits seit der Ukraine-Krise 2014 von den EU-Institutionen als Problem erkannt wurden, erhielt die Frage durch die Coronakrise neue Dringlichkeit.
Die EU-Kommission und einige Staaten betonen die Gefahr nicht nur durch kommerzielle Akteure und einzelne Verbreiter von Verschwörungsmythen, sondern auch durch gezielte Desinformation aus Russland und China. Der Auswärtige Dienst der EU betreibt seit längerem mit East Stratcom eine eigene Abteilung, die sich mit staatlich verbreiteter Desinformation aus Russland beschäftigt. Auch die Rolle China rückt zunehmend in den Fokus der EU-Institutionen. Der EU-Außenbeauftragte Borrell betont aber, es gehe aber nicht darum „einen kalten Krieg gegen China“ zu führen.
Die EU bleibt vorerst bei freiwilligen Schritten. Die Plattformen sind weder verpflichtet, falsche und schädliche Informationen zu entfernen noch Zugang zu Daten über ihre Verbreitung zu gewähren.
Das könnte sich aber durch ein neue EU-Gesetz ändern. Die Kommission möchte bis zum Jahresende ein Digitale-Dienste-Gesetz vorschlagen. Darin könnte die EU etwa ein Regelwerk für die Moderation von problematischen und illegalen Inhalten vorschlagen, das auch den Umgang mit Desinformation behandelt. Bis dahin liegt es an den Plattformen, wie sie die Abwägung zwischen freier Meinungsäußerung und öffentlicher Gefährdung vornehmen, etwa bei politischer Manipulation oder medizinisch fragwürdigen Falschinformationen.
Ein Beitrag von Alexander Fanta Netzpolitik.org CC BY-NC-SA 4.0.
Passt nicht zum Thema:
Herr Kopp, normalerweise schreiben Sie doch über alles und jenes in Ihrem Blog.
Jetzt lese ich in der LT das der einzige Sohn des berühmtesten Sportler der Stadt Lingen verstorben ist, aber in Ihrem Blog nicht ein einziges Wort darüber. Gut, Sie können schreiben, was Sie wollen, das kann Ihnen niemand vorschreiben.
Hat es etwas damit zu tun, dass er Rosemeyer heißt. Mit diesem Namen können Sie glaube ich, nicht gut umgehen, was ich in den letzten Jahren gelesen habe.
Es ist jammerschade, dass der Verstorbene die Eröffnung des Museums nicht mehr erleben durfte.
Wer das alles verzögert oder verhindert hat, sollte sich an die Brust klopfen!!
Als jetzt im Ausland lebender gebürtiger Lingener
bin ich an Informationen über Begebenheiten in meiner Heimatstadt sehr interessiert. Diese Informationen erhalte ich unter anderem auch aus Roberts Blog. Leider habe ich die traurige Mitteilung über den Tod von Professor Bernd Rosemeyer darin vermisst. Erst durch den Kommentar von Günther Möller (dem Inhalt stimme ich zu) erhielt ich davon Kenntnis.
Als Sohn des berühmten Rennfahrers Bernd Rosemeyer hat er sich als Arzt einen Namen gemacht. Durch seine Unterstützung zur Errichtung einer Gedenkstätte in Lingen für seinen tödlich verunglückten Vater hat er auch in meiner Heimatstadt Anerkennung verdient.
Seiner trauernden Familie spreche ich mein innigstes Beileid aus. Vom Pilger Professor Bernd Rosemeyer möchte ich mich mit den nachstehenden Versen aus der Kirche in Splügen (Schweiz) verabschieden:
Des Pilgers Abschied
AM GRABE STEHN WIR STILLE
UND SÄEN THRÄNENSAAT,
DES LIEBEN PILGERS HÜLLE
DER AUSGEPILGERT HAT.
ER IST NUN ANGEKOMMEN,
WIR PILGERN NOCH DAHIN.
ER IST NUN ANGENOMMEN.
DER TOD WAR IHM GEWINN.
WIR ARMEN PILGER GEHEN
HIER NOCH IM THAL UMHER,
BIS WIR IHN WIEDER SEHEN
UND SEELIG SIND WIE ER.