Anfangsverdacht
27. Juni 2014
Ein wenig Polit-Gossip: Erst einmal ist es nur ein Anfangsverdacht. Aber die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat Korruptionsermittlungen rund um die Stadtwerke Neuss aufgenommen. Ermittelt wird gegen den Geschäftsführer Heinz Runde (CDU) des kommunalen Unternehmens im Rheinland sowie gegen sieben weitere Personen, hatte die Staatsanwaltschaft vor zwei Wochen bestätigt und hinzugefügt, die Faktenlage sei noch relativ dünn.
Zahlreiche Ermittlungsbeamte hatten Tags zuvor 16 Räume in Neuss und Umgebung durchsucht, unter anderem den Unternehmenssitz der Stadtwerke sowie Firmen und Wohnungen, dem Vernehmen nach auch die von Heinz Runde. Die Auswertung der beschlagnahmten Akten und Computerdaten werde mehrere Monate in Anspruch nehmen, erklärte anschließend der zuständige Pressesprecher der Staatsanwaltschaft.
Die Staatsanwaltschaft war Medienberichten zufolge durch ein anonymes und „sehr detailliertes“ Schreiben auf den möglichen Korruptionsfall aufmerksam gemacht worden. Aus diesem Schreiben hätten sich Anhaltspunkte für Bestechlichkeit, Untreue und wettbewerbsverzerrende Absprachen bei Ausschreibungen ergeben.
Inzwischen scheint es womöglich weitere Anhaltspunkte gegen Runde zu geben. „Seit den ersten Berichten über den Vorgang haben wir weitere Hinweise in sehr großer Zahl bekommen. Beinahe jeden Tag gehen Briefe ein, die ein erstaunliches Detailwissen offenbaren und die wir sorgfältig prüfen“, hieß es nämlich vergangene Woche seitens der Wuppertaler Staatsanwälte.
Der im Mittelpunkt der Ermittlungen stehende, aus Darme stammende Heinz Runde war in den 1980er Jahren Sozialdezernent der Stadt Lingen (Ems), ist dann vor -gefühlt- 25 Jahren zur Stadt Neuss gewechselt und später in der CDU-dominierten Stadt im Rheinland Geschäftsführer der lokalen Stadtwerke SWN geworden; inzwischen ist er Vorsitzender des vierköpfigen Geschäftsführergremiums der SWN. Heinz Runde – so der Verdacht der Ermittler – soll in dieser Eigenschaft Schmiergelder durch Abzeichnen überteuerter Rechnungen angenommen haben; er habe sich gleichzeitig Arbeiten an seinem Haus kostenfrei von Firmen ausführen lassen, die im Gegenzug Aufträge von den Stadtwerken bekamen.
Allemal auffällig ist, dass Runde im gleichen Schützenverein „Grenadierzug Sportfreunde 1987“ Mitglied ist wie derjenige Bauunternehmer, der ihn bestochen haben soll.
Bei den „Sportfreunden“ ist auch ein Geschäftsführer einer ehemaligen RWE-Tochterfirma tätig. 2009 hatten sich nach einer heftigen kommunalpolitischen Diskussion in Neuss die RWE Rhein-Ruhr AG mit 24,9 % an der Stadtwerke Neuss Energie und Wasser GmbH beteiligt. Bestandteil der Beteiligung war auch die Übertragung der Neusser RWE-Stromkunden und des Mittelspannungsnetzes auf die Stadtwerke Neuss. Die Boulevardzeitung EXPRESS berichtete dazu in der letzten Woche, was ihr ein „Insider“ aus dem Neusser Rathaus gesagt habe: „Runde hat sich damals beim Verkauf der Stadtwerke-Anteile sehr für RWE eingesetzt.“ Dabei sei etwa das Angebot der Stadtwerke Düsseldorf besser gewesen.
Zu den Vorwürfen schweigt er bisher, was sein gutes Recht ist. Bei der Stadt Neuss gilt für Heinz Runde die Unschuldsvermutung, deshalb bleibt er zunächst weiter Stadtwerke-Chef.
Bei einer Gesellschafterversammlung der Stadtwerke Neuss hatte Heinz Runde vor drei Wochen nur kurz erklärt, er habe sich nichts vorzuwerfen. Das aus Kommunalpolitikern bestehende Gremium beschloss, eine renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit einer Sonderprüfung zu beauftragen. In einer weiteren Sondersitzung hat das Gremium gestern über eine mögliche Äußerung des 65-Jährigen Runde und eventuelle arbeitsrechtliche Schritte beraten.
Die „Neuss-Grevenbroicher-Zeitung“ berichtet heute dazu: „Heinz Runde bleibt trotz Korruptionsverdacht weiter an der Spitze der Stadtwerke-Geschäftsführung. Das beschloss gestern der Hauptausschuss als Gesellschafterversammlung in einer nicht-öffentlichen Sondersitzung, nachdem Runde die Forderung der Politik erfüllt und sich in einem achtseitigen Schreiben dezidiert zu den Vorwürfen geäußert hat, die auch Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen sind. Weil Runde jeden dieser Vorwürfe bestreitet, stand aus Sicht der Politik Aussage gegen Aussage. Somit sah der Ausschuss keinen Ansatzpunkt für arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen den SWN-Chef.“ [mehr]