Ausschreibung

14. März 2013

histrathaus2011Am Wochenende las ich, dass in Hamburg eine Brücke eingeweiht wurde. Das neue Fußgänger-Bauwerk führt, etwa 200 m lang, vom S-Bahnhof Wilhelmsburg zum Gebäude der Behörde für Umwelt und Stadtentwicklung zunächst von der Bahnhofspassage nach Westen, dann über die Trasse der S-Bahn und des ICE  und endet beim Vorplatz des BSU-Neubaus. Sie ist benannt nach Muharrem Acar (1957 – 2009), der 1971 mit 14 Jahren als türkischer Einwanderer nach Hamburg kam, die deutsche Sprache erlernte, zunächst in der Gastronomie, dann in einer Lackfabrik in Wilhelmsburg und später bei der Norddeutschen Affinerie arbeitete. Acar engagierte sich gewerkschaftlich als Betriebsrat und war ehrenamtlicher Arbeitsrichter, gründete eine Familie und nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an. 1998 machte er sich als Einzelhändler und Marktbeschicker selbständig. Die Brücke ist nach Muharrem Acar benannt, weil er bis zu seinem plötzlichen Tod vor vier Jahren stellvertretend und beispielhaft für eine ganze Generation türkischer Einwanderer steht, die sich in Deutschland integriert und engagiert haben.

Auch architektonisch ist das Bauwerk etwas Besonderes. Zusammen mit dem ebenfalls neu gebauten Eingangsbauwerk des S-Bahnhofs Wilhelmsburg bildet es das „Tor zur IBA“, zur Internationalen Bauausstellung. Die von den Architekten Gössler Kinz Kreienbaum (Berlin/Hamburg) entworfene Brücke verhindet zwei seit rund 50 Jahren Jahren getrennte Hamburger Stadtteile und führt sie wieder zusammen. Von hier aus gelangen Anwohner und Besucher der Internationalen Bauausstellung in die Neue Mitte Wilhelmsburg. „Die Architekten beziehen die dynamische Form der Brücke, deren Brückenläufe einige Richtungswechsel vollziehen, auf die Analyse der „Bewegungsströme, welche den wichtigen Mobilitätsknotenpunkt täglichen passieren. Allein der S-Bahnhof wird von mehr als 17.000 Fahrgästen täglich frequentiert.“ (BauNetz)

Als ich all dies nun am letzten Wochenende las, dachte ich an eine der zahlreichen ungelösten Fragen der Lingener Stadtplanung: Die Fuß- und Radfahrer-Verbindung vom und zum Emsauenpark in Reuschberge über den Dortmund-Ems-Kanal in das Stadtzentrum. Seit langem fürchte ich, dass dort eine provinzielle Normbrücke á la  Bundeswasserstraßenverwaltung entsteht und so die Chance vergeben wird, stadtgestalterisch etwas Einzigartiges zu bauen. Dafür spricht die Untätigkeit des scheidenden Lingener Stadtbaurats.

Heute Nachmittag beschließt der Lingener Stadtrat die Ausschreibung der Stelle des Stadtbaurats. Gelingt dadurch ein Neuanfang? Ich hoffe es; denn man muss beklagen, wie wenig innovativ und nachhaltig unser scheidender Stadtbaurat in seiner Amtszeit gearbeitet hat. Der Kommentar in der Lingener Tagespost, dass die Bilanz des jetzigen Stadtbaurats „Bilanz durchwachsen“ sei, ist eigentlich geschönt. Man findet in Lingen kaum vom scheidenden Amtsinhaber entwickelte, nachhaltige Projekte aber statt dessen viel Ungelöstes und zahlreiche Baustellen.  Der Mann wusste wohl zu keiner Zeit, wie seine Stadt aussehen soll. Wohl kaum wird er nach dem Ende seiner Amtszeit am 14. Oktober noch einmal nach Lingen zurückkehren. Angekommen ist er bei uns ohnehin nicht.

(Foto: Eingerüstet: Historisches Rathaus in Lingen, Mai 2011; © Die Kivelinge)